Deutsche Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht e.V. Der Generalsekretär Deutsche Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht e.V. Konrad-Adenauer-Ufer 11 . RheinAtrium . 50668 Köln Bundesministerium für Wirtschaft und Energie Herrn Ministerialrat Markus Heß E B 2 EU-Binnenmarkt, SOLVIT-Stelle 11019 Berlin [email protected] Konrad-Adenauer-Ufer 11 RheinAtrium 50668 Köln Telefon (0221) 650 65-151 Telefax (0221) 650 65-205 E-Mail [email protected] www.grur.org 25.02.2016 Bundesministerium der Justiz und Verbraucherschutz Frau Ministerialrätin Dr. Irene Pakuscher Mohrenstr. 37 10117 Berlin [email protected] Stellungnahme der GRUR zur „Änderung der Biopatentrichtlinie 98/44/EG“ Die Deutsche Vereinigung für Gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht e.V. (GRUR) ist eine als gemeinnützig anerkannte wissenschaftliche Vereinigung sämtlicher auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes und des Urheberrechts tätigen Mitglieder von Berufsgruppen und Organisationen; es sind insbesondere Hochschullehrer, Richter, Beamte, Rechtsanwälte, Patentanwälte sowie Vertreter von Verbänden und Unternehmen. Die Große Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes (GBK) entschied 2015, dass die Ausnahme von der Patentierbarkeit für “im wesentlichen biologische Verfahren” unter Artikel 53b EPÜ sich nicht auf die mittels dieser Verfahren entstanden Pflanzen erstreckt („Brokkoli/Tomate II“). Auf EU-Ebene regt die niederländische Regierung als Reaktion auf die GBK-Entscheidungen eine Änderung der Biopatentrichtlinie 98/44 EG an. Nun verabschiedete das Europäische Parlament Ende 2015 eine Resolution1, die die Europäische Kommission auffordert eine Klarstellung in Bezug auf die Auslegung der Biopatentrichtlinie, insbesondere zur Patentierbarkeit von biologischem Material aus im Wesentlichen biologischen Verfahren, abzugeben. Die vorliegende Stellungnahme legt dar, warum die Deutsche Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht eine Überarbeitung der Richtlinie nicht für erforderlich und auch nicht zielführend hält. 1 http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?type=TA&language=EN&reference=P8-TA-2015-0473 Bankverbindung Sparkasse KölnBonn BLZ 370 501 98 Konto-Nr.: 1 062 744 Die Zeichen GRUR und die grüne Farben sind eingetragene Marken der Vereinigung. 1/3 Die Biopatentrichtlinie als Ergebnis langer und sorgfältiger Abwägungen führt jetzt zu Rechtssicherheit Nach mehreren Anläufen und über 10 Jahren Vorarbeit wurde die Biopatentrichtlinie 1998 erlassen. Durch die Richtlinie wurden nicht nur Regelungen zum Schutz vor zu weit reichenden Patentansprüchen in der Biotechnologie getroffen, sondern ein vereinheitlichter Rechtsschutz und ein fairer Interessensausgleich erreicht. So werden neben der Patentfähigkeit von Pflanzen2, das Nachbaurecht für patentierte Pflanzen („Landwirteprivileg“)3 und das Vorgehen, falls die Sorte eines Pflanzenzüchters im Schutzumfang eines Biotechnologie-Patentes liegt4, geregelt. Die bis 2007 dauernde Implementierung in den Mitgliedsstaaten lässt befürchten, dass eine Revision und die damit erforderlich werdende Änderung des Europäischen Patentübereinkommens5 und der nationaler Patentgesetze erneut zu vielen Jahren der Rechtsunsicherheit im Bereich biotechnologischer Erfindungen führen wird. Auch eine auf wenige Punkte fokussierte Änderung der Richtlinie erscheint hinsichtlich ihrer Durchführbarkeit unwahrscheinlich. Eine Änderung der Richtlinie darf auch den Rahmen von internationalen Verträgen nicht verlassen. Das Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentum (TRIPS), das die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten unterzeichnet haben, sieht vor, dass der Patentschutz für Produkte und Verfahren in allen Bereichen der Technologie zu gewährleisten ist6.Ein Patentierungsausschluss von Pflanzen, die nach bestimmten Verfahren hergestellt werden, könnte gegen das Diskriminierungsverbot von TRIPS verstoßen. Zugang zu patentgeschützten Technologien – Züchtungsausnahmen und (Zwangs-)Lizenzen Die Besorgnis, Patentschutz auf Pflanzen, nicht-biologische Züchtungsverfahren oder Gene behindere Innovationen, ist - zumindest für Europa – nicht durch Fakten begründbar. Es gilt das sogenannte Forschungsprivileg, d.h. Grundlagenforschung am Gegenstand der patentierten Erfindung stellt ohnehin keine Patentverletzung dar. Ein Patent stellt kein positives Nutzungsrecht, sondern lediglich ein Verbietungsrecht dar. Die Patentierbarkeit bestimmter biologischer Erfindungen muss daher nicht generell ausgeschlossen oder unangemessen beschränkt werden. Eine gezielte Aufhebung der Wirkung solcher Patente für bestimmte Personengruppen genügt, sofern eine kommerzielle Nutzung weiterhin nicht oder nur mit Zustimmung des Patentinhabers zu den erlaubten Handlungen gehört. Das deutsche Patentgesetz7, analoge Regelungen in Frankreich, Niederlanden oder der Schweiz, sowie das Übereinkommen über ein einheitliches Patentgericht8 sehen Beschränkungen der Wirkung des Patents vor: Für Landwirte und Pflanzenzüchter gilt das Nutzungsverbot von patentgeschützten Pflanzen unter bestimmten Voraussetzungen nicht. Angesichts dessen erscheint eine Revision der Biopatentrichtlinie unverhältnismäßig. Sollten dennoch Bedenken bestehen, dass die etablierten Zugangsmöglichkeiten zu Pflanzeninnovationen nicht greifen, wäre als Klarstellung denkbar, die Voraussetzungen einer Zwangslizenz9 für die Verwertung eines Sortenschutzrechts entsprechend zu regeln. Eine solche Möglichkeit hat der schweizerische Gesetzgeber aufgezeigt: im PatentArt. 4 (2) Biopatentrichtlinie Art. 11 (1) und (2) Biopatentrichtlinie 4 Art. 12 (1) Biopatentrichtlinie 5 Einstimmigkeit aller EPÜ Staaten mit 12 Monaten Bedenk Frist nach Art 33(1)b) und Art 35(3) EPÜ oder Vertragsstaatenkonferenz nach Art. 172 EPÜ 6 Artikel 30 i.V.m. 27 Abs.1 TRIPs 7 §§ 9b, 9c, und 11(2a) PatG 8 Artikel 7c UPC 9 Art. 12 (1) Biopatentrichtlinie 2 3 2/3 gesetz wurde verankert10, dass bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Bedeutung die Kriterien der Saatgut-Verordnung zu berücksichtigen seien. Fazit Die Deutsche Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht spricht sich angesichts der bereits bestehenden und Rechtssicherheit gewährleistenden Normen im Bereich biotechnologischer Erfindungen gegen eine Änderung der Biopatentrichtlinie aus. Grenzfälle werden durch die obersten Gerichte geklärt und, falls nötig, können Interpretationshilfen durch die EU Kommission gegeben werden. Dr. Gert Würtenberger Präsident 10 Patentgesetz Schweiz - Art. 36a-1 Satz 2 Dipl.-Ing. Stephan Freischem Generalsekretär 3/3
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