Folien Stunde 10

Vorlesung Datenschutzrecht
Rechte des Betroffenen
Wiederholungsfall
T betreibt in Freiburg ein Telekommunikationsgeschäft. Er hat diese
Gewerbetätigkeit ordnungsgemäß der Stadt Freiburg angezeigt, die im
Rahmen der gewerbeaufsichtlichen Nachschau zudem weitere
personenbezogene Daten über T erhoben hat.
Nunmehr steht T im Verdacht, als Schlüsselfigur einer terroristischen
Gruppierung anzugehören, die vor allem in Australien tätig ist. Eine
australische Polizeibehörde ersucht die Stadt Freiburg, ihr die dort
vorliegenden Informationen über T zu übersenden. Zur Begründung führt
die australische Behörde aus, es bestünden Anhaltspunkte dafür, dass T
von Freiburg aus in Anschlagsplanungen in Australien eingebunden sei.
Unter welchen Voraussetzungen ist die Stadt Freiburg hierzu befugt? Die
relevanten Normen des LDSG entsprechen inhaltlich dem BDSG.
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Ausländische Behörde ist nicht-öffentliche Stelle i.S.d. § 2 Abs. 4
BDSG
Daher Erlaubnistatbestand in § 16 Abs. 1 Nr. 2 BDSG (anwendbar
gem. § 4b Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BDSG)
Zusätzlich sind weitere Anforderungen aus § 4b Abs. 2, § 4c BDSG zu
beachten
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Themen heute
Informationsrechte über datenbezogene Handlungen
(Benachrichtigung, Auskunft)
Einflussrechte auf Datenverarbeitungen (Berichtigung, Löschung,
Sperrung, Widerspruch)
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Informationsrechte (1)
Systematik
Benachrichtigung von einer datenbezogenen Handlung  aktive
Information durch den Handelnden
Auskunft über gespeicherte Daten  setzt Aktivität des Betroffenen
voraus
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Informationsrechte (2)
Grundrechtliche Fundierung
Relevante Grundrechte
Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1
GG) erfordert hinreichende Möglichkeiten, sich über Datenumgang zu
orientieren
Rechtsschutzgarantie (Art. 19 Abs. 4 GG) bzw. Justizgewährungsanspruch
(Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) erfordern Informationsrechte, um
Rechtsschutzverfahren zu ermöglichen
Grundrechtliche Anforderungen
Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, welche Informationsrechte er schafft
Erforderlich insgesamt hinreichende Kenntnismöglichkeiten, damit der
Betroffene sich orientieren und seine Rechte tatsächlich geltend machen kann
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Beispielsfall
Das Bundesland L ändert sein Polizeigesetz, um der Polizei zukünftig
Telekommunikationsüberwachungen zur Abwehr erheblicher Gefahren für
die öffentliche Sicherheit zu ermöglichen. Die neue Regelung sieht vor,
die Person, gegen welche sich die Überwachung gerichtet hat, nach
Abschluss der Überwachung zu benachrichtigen. Eine Benachrichtigung
ist nicht vorgesehen, wenn die Überwachung nicht länger als 72 Stunden
gedauert hat. Außerdem unterbleibt die Benachrichtigung so lange, wie
dadurch die polizeiliche Aufgabenerfüllung beeinträchtigt werden kann.
Steht diese Benachrichtigungsregelung mit dem Grundgesetz in
Einklang?
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Ausgangspunkt: Bei eingriffsintensiven verdeckten Datenerhebungen
ist Benachrichtigung verfassungsrechtlich geboten
Ausnahmen von der Benachrichtigungspflicht sind am
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu messen
Defizite der vorliegenden Regelung
Überhaupt keine Benachrichtigung von Drittbetroffenen vorgesehen (insb.
Kommunikationspartner der Zielperson)
72-Stunden-Regelung zum Ausschluss von Bagatellfällen nicht
hinnehmbar, TKÜ von dieser Dauer ist bereits erheblicher
Grundrechtseingriff
Benachrichtigungsausschluss zum Schutz der Aufgabenerfüllung zu
pauschal, ließe sich etwa mit Geheimhaltung der Arbeitsweise der Polizei
fast immer begründen
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Informationsrechte (3)
Benachrichtigung
Öffentlicher Bereich: § 19a BDSG
Voraussetzungen
Datenerhebung ohne Kenntnis des Betroffenen
EuGH zu Art. 11 DSRL anscheinend: Werden Daten von einer Behörde
an eine andere übermittelt, muss die Empfangsbehörde den Betroffenen
(nochmals) benachrichtigen, selbst wenn die Daten vor der Übermittlung
bei ihm erhoben wurden
Folgerichtig, wenn es sich um eine Übermittlung auf Ersuchen der
Empfangsbehörde handelt; unklar, wie Spontanübermittlungen zu
behandeln sind
Speicherung der erhobenen Daten
Gegenstand: Speicherung, Identität der verantwortlichen Stelle, Zweckbestimmung,
ggfs. Datenempfänger oder Kategorien von Datenempfängern
Ausnahmen in § 19a Abs. 2 BDSG und § 19a Abs. 3 i.V.m. § 19 Abs. 2-4 BDSG
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Informationsrechte (4)
Benachrichtigung
Nicht-öffentlicher Bereich: § 33 BDSG
Knüpft nicht an Datenerhebung, sondern an Datenspeicherung (Fälle des § 28
BDSG) bzw. Datenübermittlung (Fälle des § 29 BDSG) an
Ausnahmen in § 33 Abs. 2 BDSG
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Beispielsfall
Die A AG betreibt ein auf Schülerinnen und Schüler zugeschnittenes
Webportal. Unter anderem können Schülerinnen und Schüler, die sich für
eine bestimmte Schule registriert haben, die Lehrerinnen und Lehrern
ihrer Schule anhand verschiedener Kategorien (etwa „spannender
Unterricht“, „cool und witzig“, „gut angezogen“) mit Schulnoten bewerten.
Besteht für die A AG eine Benachrichtigungspflicht gegenüber den
Lehrerinnen und Lehrern, über die auf dem Portal Noten vorhanden sind?
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Hier Datenspeicherung zur Übermittlung i.S.v. § 29 BDSG 
Benachrichtigungspflicht aus § 33 Abs. 1 Satz 2 BDSG bei erstmaliger
Übermittlung (= Abruf der Noten)
Ausnahme von der Benachrichtigungspflicht?
§ 33 Abs. 2 Nr. 1 Kennenmüssen = Kenntnis?
Kein Fall des § 33 Abs. 2 Nr. 8 BDSG
§ 33 Abs. 2 Nr. 9 BDSG  Markt und Meinungsforschung?
Teleologische Reduktion von § 33 BDSG?
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Informationsrechte (5)
Auskunft
Öffentlicher Bereich: § 19 BDSG
Grundsatz: voraussetzungsloser Anspruch auf Antrag des Betroffenen, umfasst
alle gespeicherten personenbezogenen Daten, Speicherungszweck,
Empfänger bzw. Kategorien von Empfängern
Ausnahmen nach § 19 Abs. 2 – 4 BDSG; ggfs. kann teilweise Auskunftspflicht
bestehen bleiben
Nicht-öffentlicher Bereich: § 34 BDSG
Spezifizierung des Auskunftsrechts anhand der Regelungen zum
Datenumgang
Zweckbindung hins. der zum Zweck der Auskunftserteilung gespeicherten
Daten, § 34 Abs. 5 BDSG
Unentgeltlichkeit, § 34 Abs. 8 BDSG
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Beispielsfall
Das Bundesamt für Finanzen (BfF) sammelt zentral Daten über ausländische
juristische Personen und die daran beteiligten natürlichen Personen, die es
primär aus öffentlich zugänglichen Quellen gewinnt (sogenannte
Informationszentrale für steuerliche Auslandsbeziehungen). Sinn dieser
Datensammlung ist es, Steuerhinterziehungen durch Scheingeschäfte mit
ausländischen Unternehmen aufzudecken, die tatsächlich nicht wirtschaftlich
tätig sind (sogenannte Domizilgesellschaften).
X, die an mehreren ausländischen Kapitalgesellschaften beteiligt ist,
beantragt beim BfF Auskunft über die dort vorhandenen sie betreffenden
Daten. Das BfF verweigert die Auskunft mit der Begründung, eine Auskunft
über
den
Datenbestand
der
Informationszentrale
sei
generell
ausgeschlossen, da diese ansonsten ihren Wert verliere.
Hat X einen Auskunftsanspruch gegen das BfF?
(nach BVerfGE 120, 351)
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Grundsatz: Auskunftsanspruch aus § 19 Abs. 1 Satz 1 BDSG
Hier Ausnahme nach § 19 Abs. 4 Nr. 1 BDSG?
Grundsatz: Auskunftsverweigerung setzt konkrete Abwägung der im
Einzelfall berührten Interessen voraus
Im Sonderfall der Informationszentrale ist jedoch generelle
Auskunftsverweigerung berechtigt, da diese Datensammlung ihren Sinn
verliert, wenn die Betroffenen Einblicke erhalten (würde
Verhaltensanpassung ermöglichen)
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Einflussrechte
Berichtigung unrichtiger Daten, § 20 Abs. 1 Satz 1, § 35 Abs. 1 BDSG
Löschung von Daten, § 20 Abs. 2, § 35 Abs. 2 BDSG
Beachte: Kein genereller Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen
Datenerhebung und Datenspeicherung
Alternative: Sperrung, § 20 Abs. 3 – 4 und 6 – 7, § 35 Abs. 3 – 4, 6 und 8
BDSG
Widerspruch, § 20 Abs. 5, § 35 Abs. 5 BDSG
Nachberichtspflicht, § 20 Abs. 8, § 35 Abs. 7 BDSG
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Lehren des Tages
Verfassungsrechtliche Grundlagen von Informationsrechten
Ausnahmen von Auskunftsrechten und Benachrichtigungspflichten
Einflussrechte im Überblick
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Nacharbeit
Taeger, Abschnitt III 10
Kühling u.a., 2. Kap., Abschnitt L
Vertiefung
BVerfGE 120, 351 (Auskunftsanspruch und Grundrechte)
BGH, Urteil vom 28. Januar 2014 – VI ZR 156/13 –, BGHZ 200, 38-51
(Schufa)
EuGH (Dritte Kammer), Urteil vom 1. Oktober 2015, Rs. C-201/14 – Bara
u.a.
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