10 Jahre „Impairment- Only-Approach“ – eine empirische Analyse

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26. Jahrgang
Publikationsorgan des
12/2015
Standpunkt
Komplexität bei M&A-Projekten
Strategien und Visionen
Preisoptimierung beim Verkauf
einer nichtkotierten Gesellschaft
Strategien und Visionen
Operational Due Diligence: Mit
diesen Kennzahlen gewinnen
Käufer Klarheit über die operative
Leistungsfähigkeit von Industrieunternehmen
Switzerland Column
M&A-Markt Q3 2015: Verhaltener
Schweizer M&A-Markt in einem
sehr dynamischen globalen Umfeld
Industry Special
Neue Konzepte für Familienunternehmen im Maschinen- und
Anlagenbau sind notwendig
Deal des Monats
Barmer GEK und Deutsche BKK
fusionieren
Bewertung und Kapitalmärkte
10 Jahre „ImpairmentOnly-Approach“ –
eine empirische Analyse
der DAX 30-Unternehmen
REPORT • STRATEGIEN UND VISIONEN
Operational Due Diligence: Mit diesen Kennzahlen
gewinnen Käufer Klarheit über die operative
Leistungsfähigkeit von Industrieunternehmen.
Dr. Wolfgang Freibichler & Xing Zhou, Porsche Consulting GmbH, Bietigheim-Bissingen
1.Einleitung
Die Bedeutung operativer Verbesserung zur
Wertsteigerung von Unternehmen nimmt stetig zu. Die
Private-Equity-Industrie erzielt damit nach aktuellen
Beobachtungen rund die Hälfte ihrer Beteiligungsrendite.
Erfolgreichen Investoren gelingt es, entsprechende
Chancen und Risiken bereits in der Due-DiligencePhase zu erkennen und zu bewerten. Doch wie gewinnen sie die dafür nötige Transparenz – trotz eines begrenzten Informationszugangs und unter hohem
Zeitdruck?
Immer mehr Deal-Teams setzen auf eine kennzahlenbasierte Operational Due Diligence. Sie schafft mittels
Kennzahlen Klarheit über die operative Leis­tungs­
fähigkeit. Besonders im Industriesektor gehen aktuell
nur noch wenige Käufer das Risiko ein, auf diese
Perspektive der Unternehmensprüfung zu verzichten.
Im Fokus steht die Bewertung der Leistungsfähigkeit
der Operations. Dazu gehören Produktentwicklung,
Einkauf, Logistik und Produktion. Potenzielle Käufer,
die auf die Leitfragen einer Operational Due Diligence
(s. Abb. 1) belastbare Antworten finden, gewinnen
einen Wissensvorsprung gegenüber anderen Bietern.
Sie erlangen insbesondere drei Vorteile:
den Datenraum sowie Managementpräsentationen und
kurze Standortbesichtigungen. Zweitens sind die Res­
sourcen des Deal-Teams begrenzt. Von der Bewertung
des Marktes und des Managements über die Fi­nan­
zierung und Strukturierung der Transaktion bis hin zur
Kaufpreisverhandlung müssen die Deal-Teams zahl­
reiche Bälle in der Luft halten. Drittens ist die Auf­
bereitung der Datenbasis in Bezug auf die Operations
und die Mitarbeiter von Betrieb zu Betrieb sehr unterschiedlich. Eine standardisierte Berichtslogik und einheitliche Kennzahlen existieren für diese Bereiche
bisher nicht.
Wie kann trotzdem die Transparenz für eine solide
Entscheidungsgrundlage geschaffen werden? Wie lässt
sich die operative Unternehmenssituation verlässlich
beurteilen? Wie wird das zukünftige operative Wert­
steigerungspotenzial identifiziert und quantifiziert? Eine
Logik zur Bestimmung der operativen Leistungsfähigkeit
ist gefragt.
2. Bewertung durch Kennzahlen
Die Erfahrung der Autoren zeigt, dass sich mit einer
geringen Anzahl klar definierter und eindeutiger
Kennzahlen eine hohe Transparenz schaffen lässt. Zur
schnellen indikativen Bewertung der operativen Leis­
• Höhere Sicherheit bei der Einschätzung der tungsfähigkeit im Rahmen der Due Diligence wird
Businessplanung
empfohlen, den Blick auf sechs Aspekte zu richten:
• Mögliche Kaufpreissteigerung durch neu identifizierte Potenziale
• Produktivität
• Schneller Start der operativen Verbesserungen nach • Komplexität
dem Closing
• Struktur
• Motivation
So steigen die Chancen auf einen erfolgreichen • Kompetenz
Transaktionsabschluss und eine hohe Wertsteigerung • Disziplin
mit der Vervielfachung des eingesetzten Eigenkapi­
tals. Allerdings sind auch einige Herausforderungen zu Warum sind genau diese Aspekte die richtigen? Hier unbewältigen: Erstens ist der Zugang zu Unterneh­ terscheiden sich operativ exzellente Unternehmen
mensinformationen sehr beschränkt. Die Datenlage deutlich von durchschnittlichen Unternehmen. Die
beschränkt sich auf das Information Memorandum, „operative Exzellenz“ ist definiert als der Wille und die
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M&A REVIEW 12/2015 • 26. Jahrgang
STRATEGIEN UND VISIONEN • REPORT
Abb. 1 •Leitfragen Operational Due Diligence
Quelle: Eigene Darstellung
Finanzen
Können die Operations
das geplante
Wachstum abbilden?
Bestehen
Potenziale zur
Kostenreduzierung?
Kann das Working Capital
reduziert und der Cashflow
gesteigert werden?
Operations
Wie schlank sind die
betrieblichen Prozesse?
(Produktivität)
Wie schlank sind
die Produkte?
(Komplexität)
Wie schlank ist die
Aufbauorganisation?
(Struktur)
Mitarbeiter
Wie engagiert sind
die Mitarbeiter?
(Motivation)
Welches Qualifikationsniveau liegt vor?
(Kompetenz)
Wie diszipliniert
wird gearbeitet?
(Disziplin)
Mitarbeiter in deutschen Industrieunternehmen rund
95.000 EUR. Diese Messgröße liefert eine aggregierte
Indikation zur Effektivität des Vertriebs, zur Effizienz der
direkten und indirekten Unternehmensbereiche sowie
zum Lohnkostenniveau im Unternehmen. Steigt der generierte Wertzuwachs pro Mitarbeiter, so ist dies ein
Indikator dafür, dass die operative Leistungsfähigkeit
zugenommen hat. Diese Kennzahl kann anhand der
konventionellen Finanzberichterstattung ermittelt werden. Aus dieser Datenquelle ist sie die aussagekräftigste betriebliche Erfolgsgröße zur Produktivitätsmes­
sung. Sie besitzt außerdem gegenüber verwandten
Kennzahlen wie Umsatz pro Mitarbeiter und Gewinn
pro Mitarbeiter zwei entscheidende Vorteile: Zum einen
2.1 Produktivität: Wie schlank sind die
macht sie auch Unternehmen mit einer unterschied­
betrieblichen Prozesse?
lichen Eigenleistungstiefe vergleichbar, zum anderen
Eine hohe Produktivität wird durch das Zusammenspiel wird ihre Messung nur geringfügig durch Schwankungen
von zwei Faktoren bestimmt: zum einen von der der Materialpreise beeinflusst.
Effizienz, die beschreibt, „wie“ gearbeitet wird, und zum
anderen von der Effektivität, die betrachtet, „was“ er2.2 Komplexität: Wie schlank sind die Produkte?
arbeitet wird. Beide sind für eine hohe Produktivität
notwendig. Unternehmen, die effizient und effektiv Das Produkt entscheidet darüber, wie schlank Prozesse
handeln, senken ihre Kosten, erlangen eine hohe in der Wertschöpfung gestaltet werden können. Ist die
Kundenzufriedenheit und häufig auch eine hohe Bauweise einfach oder komplex? Werden so spät wie
Mitarbeiterzufriedenheit. Ein idealer Indikator für die möglich im Produktionsprozess Varianten gebildet?
Produktivität ist die Wertschöpfung pro Mitarbeiter. Im Durch hohe Komplexität entstehen hohe Kosten.
Englischen wird sie häufig als Human Capital Value Add Oftmals bieten aufwendigere Produkte und entspre(HCVA) bezeichnet. Berechnet wird die Wertschöpfung chende Lieferstrukturen keinen größeren Mehrwert für
pro Mitarbeiter aus dem Personalaufwand plus opera- den Kunden. Dem hohen Aufwand steht deshalb auch
tivem Gewinn, dividiert durch die Mitarbeiteranzahl. keine höhere Preisbereitschaft der Kunden gegen­
Durchschnittlich beträgt die Wertschöpfung pro über. Unternehmen, die ihre interne Komplexität
Fähig­keit einer Organisation und ihrer Mitarbeiter, immer wieder auf den Punkt genau Spitzenleistungen zu
erbringen. Diese Begriffsbestimmung zeigt, dass mit
„operativer Exzellenz“ nicht nur schlanke betriebliche
Prozesse, Produkte und Strukturen verbunden sind. Die
Grundlage für die Unternehmensleistung bilden immer
die Mitarbeiter – mit ihrer täglichen Arbeit und durch
die kontinuierliche Verbesserung ihres eigenen
Verantwortungsbereiches. Auch dieser Aspekt muss
daher in der Operational Due Diligence untersucht
werden. Welche Kennzahlen eignen sich konkret zur
Messung dieser erfolgskritischen Aspekte?
26. Jahrgang • M&A REVIEW 12/2015
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REPORT • STRATEGIEN UND VISIONEN
Abb. 2 •Vorgehen Operational Due Diligence
Quelle: Eigene Darstellung
100%
4 Detailanalyse
3 Beobachtung
Entscheidungssicherheit
80%
2
60%
30%
1
Trendanalyse
Benchmarking
gering
hoch
Aufwand
reduzieren, können ihren EBITDA deutlich steigern. Die
Lieferantenanzahl eignet sich sehr gut als Indikator für
die Komplexität. Wesentliche Maßnahmen zur
Komplexitätsreduzierung wirken auf sie: zum Beispiel
Optimierungsmöglichkeiten im Engineering wie die modulare Produktgestaltung und die Wertanalyse, ebenso
aber auch Maßnahmen zur Materialkostenreduzierung
wie die Bündelung von Einkaufsumfängen oder die
Zusammenarbeit mit Modul- und Systemlieferanten.
2.3 Struktur: Wie schlank ist die
Aufbauorganisation?
Je reibungsloser die Abläufe und die Zusammenarbeit
im Unternehmen funktionieren, desto weniger Eingriffe
durch die Vorgesetzten sind erforderlich. Als Messgröße
eignet sich die Leitungsintensität. Sie ist definiert als der
Quotient aus Anzahl der Leitungsfunktionen durch die
Gesamtmitarbeiteranzahl. Zu den Leitungsfunktionen
zählen sämtliche Führungskräfte im Unternehmen sowie deren Assistenten. Die Kennzahl wird somit von der
Führungsspanne und der Anzahl an Hierarchieebenen
beeinflusst. Führende Unternehmen bewegen sich bei
Werten um zwölf. Weicht der Wert für ein Unterneh­
men deutlich nach oben oder unten ab, kann die Firma
meist als „overmanaged“ beziehungsweise „undermanaged“ klassifiziert werden. Beide Fälle bieten große
Potenziale, die Profitabilität zu steigern, indem die
Aufbauorganisation angepasst wird. Verfügt eine
Organisation über zu viele Führungskräfte, so entstehen
nicht notwendige Gemeinkosten. Ein zu geringer Anteil
an Managern ermöglicht kein konsequentes Coaching
der Mitarbeiter und keine kontinuierliche Kontrolle.
492
2.4 Motivation: Wie engagiert sind die
Mitarbeiter?
Die unternehmerische Praxis zeigt, dass eine hohe
Motivation der Belegschaft nachhaltig zur operativen
Verbesserung der Prozesse beiträgt und eine höhere
Umsetzungsgeschwindigkeit ermöglicht. Zahlreiche
Unternehmen führen Mitarbeiterbefragungen durch,
um die Motivation zu messen. Die Ergebnisse eignen
sich jedoch nur bedingt zur Beantwortung wesentlicher
Fragen im Rahmen der Due Diligence. Besser geeignet
ist die mitarbeiterbedingte Fluktuation. Zu den großen
Vorteilen dieser Kennzahl zählen die gute unternehmensübergreifende Vergleichbarkeit, die einfache
Bereitstellbarkeit und die hohe Belastbarkeit der Werte.
Werte jenseits von 10% Mitarbeiterkündigungen pro
Jahr sind in den meisten Branchen bedenklich und erfordern eine detailliertere Analyse. Besonders für stark
wachsende Unternehmen besteht dann ein Risiko, dass
Entwicklung, Einkauf, Logistik und Produktion das
angestrebte Wachstum nicht mit den geplanten
Kosten erreichen. Für Qualifizierungsmaßnahmen und
Qualitätsprobleme wird meist weniger budgetiert als
aufgrund der hohen Fluktuation notwendig ist.
Zusätzliche Kosten entstehen durch den Wissensverlust
beim Fortgang von Mitarbeitern. Unternehmen kalkulieren mit Zusatzkosten von bis zu 250.000 EUR pro
Kündigung. Kosten in dieser Höhe entstehen, wenn
Experten mit besonderen Fachkenntnissen und
Erfahrungen das Unternehmen verlassen und dieses
Wissen erst wieder neu aufgebaut werden muss. Doch
auch der Weggang von Sachbearbeitern führt schnell
zu Kosten im fünfstelligen Bereich.
M&A REVIEW 12/2015 • 26. Jahrgang
STRATEGIEN UND VISIONEN • REPORT
2.5 Kompetenz: Welches Qualifikationsniveau
liegt vor?
Außergewöhnliche Produkte und schlanke Prozesse
entstehen durch besondere Fähigkeiten der Menschen
im Unternehmen. Diese müssen ständig weiterentwickelt werden. Die Messung der Mitarbeiterkompetenz
einer kompletten Organisation ist eine anspruchs­
volle Herausforderung. Oftmals beschränkt sich die
Kompetenzanalyse von Unternehmenskäufern daher
auf Schlüsselpersonen an der Unternehmensspitze.
Doch für Innovationsstärke und technologische
Führerschaft sind die Fähigkeiten aller Menschen im
Unternehmen wichtig. Eine Operational Due Diligence
schafft die erforderliche Klarheit. Als Indikator eignet
sich die Anzahl an Trainingstagen pro Mitarbeiter und
Jahr. Natürlich sichert die hohe Teilnehmerzahl der
Qualifizierungsveranstaltungen alleine noch keinen
Kompetenzaufbau. Jedoch sagt die Kenngröße vieles
über den Stellenwert der Mitarbeiterqualifizierung aus.
Unternehmen, die heute nicht in Trainings investieren,
werden mit hoher Wahrscheinlichkeit morgen keine
Technologieführer sein.
#2: Entscheidende Fragen und Antworten
Willst Du mich
heiraten?
2.6 Disziplin: Wie verlässlich wird gearbeitet?
Schnelles, profitables Wachstum verlangt von Unter­
nehmen hohe Disziplin. Aufgaben müssen verlässlich
erledigt und Probleme schnell gemeinsam gelöst werden. Für eine lange Suche nach Schuldigen ist keine
Zeit, wenn der EBITDA in wenigen Jahren verdoppelt
werden soll. Die Kennzahl Krankenstand liefert wichtige Hinweise zur Stringenz, mit der im Unternehmen
gearbeitet wird. In operativ exzellenten Unternehmen
ist die Gesundheitsquote meist deutlich höher als
im Branchendurchschnitt. Dies hat verschiedene Grün­
de. Zu den wichtigsten gehören die Qualität der
Führungskräfte und die Kultur im Unternehmen.
Letztere ist bei erfolgreichen Unternehmen durch die
Worte „fördern“ und „fordern“ gekennzeichnet. Ein
solches Umfeld beschleunigt die operative Wert­
steigerung. Prozess- und Produktoptimierungen erfordern eine hohe Disziplin bei der Einhaltung von
Standards. Nur wenn sie von allen Mitarbeitern gelebt
werden, führt ihre Wirkung zu finanziellen Effekten.
Ein überdurchschnittlich hoher Krankenstand kann
auch ein Indiz dafür sein, dass die direkten und indirekten Prozesse nicht mitarbeiterfreundlich gestaltet
sind. Auch hier bieten sich Chancen zur Wert­steige­
rung.
3. Empfehlungen zur Anwendung
Fragen und Antworten
revisionssicher verwalten mit
eProjectCare Datenraum.
Exklusiv für M&A-REVIEW-Leser:
Stichwort:
Wie lassen sich diese Kennzahlen im Rahmen der
Operational Due Diligence nutzen? Ideal ist ein stufenweises Vorgehen (s. Abb. 2). Dieses berücksichtigt den
jeweiligen Zugang zu Unternehmensinformationen
während des Transaktionsprozesses. Außerdem ist es
effizient und kongruent zum Informationsbedarf
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Hochzeit
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REPORT • STRATEGIEN UND VISIONEN
der Entscheider auf der Käuferseite. In einer frühen
Phase sollten mögliche Dealbreaker im Bereich
Operations identifiziert werden (Benchmarking und
Trendanalyse). Anschließend erfolgt die gezielte
Vertiefung der relevanten Be­
w ertungsaspekte
(Beobachtung und Detailanalyse).
eine deutlich höhere Veränderungsgeschwindig­
keit angenommen? Diese Zusammenhänge sind im
Due-Diligence-Prozess kritisch zu hinterfragen. Häufig
können auf diese Weise „Red Flags“ identifiziert und
im weiteren Verlauf der Due Diligence genauer untersucht werden.
3.1Benchmarking
3.3Beobachtung
Decken sich die Eindrücke vor Ort mit den erhobenen
Kennzahlen? Die operative Indikation fungiert als
Leitplanke für die Vor-Ort-Begehung und verhilft zu
einem zielgerichteten Blick. Sie dient als ideale Vor­
bereitung und sollte möglichst vor der Begehung
abgeschlossen sein, um tiefe Einsichten zu gewinnen.
Die operative Indikation ermöglicht einen ersten
Erkenntnisgewinn über die operative Leistungsfähigkeit
eines Unternehmens. Sie sorgt für circa 60% Ent­
scheidungssicherheit – das heißt also, dass mit einer
60%-igen Wahrscheinlichkeit die vorliegende Ein­
schätzung zur operativen Exzellenz des Unternehmens
korrekt ist. Die langjährigen Projekterfahrungen der
Autoren belegen, dass die Entscheidungssicherheit
durch gezielte Beobachtungen vor Ort sogar auf 80%
gesteigert werden kann. Ausschlaggebend ist dabei,
die Sachverhalte durch den prüfenden „Blick unter
die Motorhaube“ zu validieren. Im Laufe der Trans­
aktionsphase wird der Zugang zum Unternehmen tiefer. Bei Vor-Ort-Besuchen und Expert-Sessions lassen
sich die durch die Kennzahlen gewonnenen Erkennt­
nisse validieren. Wie leistungsfähig arbeitet die
Organisation? Wie ist der aktuelle Krankenstand? Wie
hoch ist der Anteil der Mitarbeiter, die gerade Wert­
schöpfung betreiben? Herrscht Hektik im Betriebsab­
lauf? Werden Regeln zur Arbeitssicherheit eingehalten?
3.2Trendanalyse
Insbesondere die Indikatoren Disziplin und Motivation
Wie hat sich die operative Exzellenz in den letzten sind durch Beobachtungen sehr gut zu verfestigen.
Jahren entwickelt? Wie bei der Analyse der Finanz­
kennzahlen sollte auch bei den operativen Kennzahlen
3.4Detailanalyse
ein Blick in die Vergangenheit geworfen werden.
Hierdurch wird erkannt, wie sich die operative Leis­ Wie kann die Entscheidungssicherheit weiter gestei­
tungsfähigkeit in den letzten Jahren verändert hat. gert werden? Zusätzliche Detailanalysen erhöhen die
Konnte die Arbeitsproduktivität gesteigert werden? Wie Transparenz zur operativen Leistungsfähigkeit. Einzelne
hat sich der Krankenstand entwickelt? Mit wie viel Bewertungsaspekte lassen sich vor dem Hintergrund
Einsatz wurden die Mitarbeiterkompetenzen weiterent- der spezifischen Transaktionsfragen vertiefen. Die Ent­
wickelt? Häufig lassen sich konkrete Zusammenhänge scheidung für eine jeweilige Detailanalyse ergibt sich
zwischen Operations- und Finanzkennzahlen erkennen. häufig durch neue Erkenntnisse aus den Vor-OrtDies kann wertvolle Hinweise zur Einschätzung der Beobachtungen. Besondere Bedeutung besitzt in dieser
Erreichbarkeit der Businessplanung liefern. Hierzu muss vierten Phase der Operational Due Diligence die
im ersten Schritt analysiert werden, welche operativen Validierung der Businessplanung und Quantifizierung
Verbesserungen erforderlich sind, um die Finanzplanung der Wertsteigerungspotenziale. Für die Unter­
neh­
umzusetzen. Anschließend werden die notwendigen mensbewertung und die Vorbereitung der operativen
Optimierungen mit der historischen Performance vergli- Wertsteigerung nach dem Unternehmenskauf sind
chen. Entspricht die Businessplanung den historischen Antworten auf die folgenden Fragen besonders wichFähigkeiten der Organisation? Oder wird zukünftig tig: Welche EBITDA-Verbesserungen lassen sich kurzfris-
Wie leistungsfähig ist das Unternehmen im Vergleich zu
seinen Wettbewerbern? Im ersten Schritt werden die
Kennzahlen des Unternehmens mit Benchmarkdaten
anderer Unternehmen verglichen. Hierzu müssen sinnvolle Vergleichsunternehmen ausgewählt werden. Dazu
sollten die Branche, das Produkt- und Kundenportfolio
sowie das Geschäftsmodell ausschlaggebend sein. Für
eine operative Indikation können außerdem branchenunabhängige Unternehmen betrachtet werden.
Denn operative Exzellenz ist nicht branchenfokussiert,
sondern im Hinblick auf Best-Practice-Prozesse in vielen
Fällen branchenübergreifend interessant. So lässt sich
das maximale Verbesserungspotenzial ermitteln.
Wichtige Handlungsempfehlungen können in diesem
Zusammenhang auch für die Wertsteigerungsphase gegeben werden. In der Praxis sind meist nicht alle
Informationen zur Berechnung der zuvor beschriebenen
Kennzahlen im Datenraum vorhanden. Daher müssen
einzelne Werte von der Verkäuferseite spezifisch bereitgestellt werden. Bei der Auswahl und Kombination der
Kennzahlen wurde deshalb Wert darauf gelegt, dass die
Daten einfach und schnell von jedem CFO und COO
geliefert werden können. Sie zählen zum Standard­
repertoire interner Berichterstattung.
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M&A REVIEW 12/2015 • 26. Jahrgang
STRATEGIEN UND VISIONEN • REPORT
tig und mittelfristig durch operative Wertsteigerung erreichen? Besteht in einzelnen Bereichen ein Investi­
tionsstau? Entspricht die Businessplanung dem tat­
sächlichen Investitionsbedarf? Bestehen Möglichkeiten
zur Reduzierung des Working Capitals? Welches sind
die wichtigsten Maßnahmen zur Reduzierung der
Material- und Personalkosten? Führende Finanz­
investoren und strategische Käufer können diese
Fragen bereits vor dem Unternehmenskauf mit hoher
Belastbarkeit beantworten. So gewinnen sie Ent­
scheidungssicherheit und die Möglichkeit, unmittelbar
nach Transaktionsabschluss mit der Wertsteigerung
zu starten.
analysen wird die Bewertung der Leistungsfähigkeit von
Produktentwicklung, Einkauf und Produktion stufenweise detailliert. Private-Equity-Investoren ge­winnen zu
entscheidenden Zeitpunkten wichtige Erkenntnisse, die
ihre Mitbieter nicht besitzen. Dies steigert die
Entscheidungssicherheit in Investitionskomitees und die
Wahrscheinlichkeit überdurchschnittlich er­folgreicher
Deals.
4. Fazit
Die Bewertung der operativen Leistungsfähigkeit über
sechs aussagekräftige und eindeutig definierte
Kennzahlen ist einfach, schnell und erkenntnisreich.
Das Kennzahlensystem erlaubt bei begrenztem Zu­
gang eine verlässliche Einschätzung der in der
Vergangenheit erreichten operativen Wertsteigerung
und aktuellen operativen Exzellenz. In der Praxis ist die
Erhebung der benötigten Daten für alle Beteiligten
aufwandsarm. Dies ist besonders in den frühen Phasen
einer Transaktion von Vorteil. Durch Benchmarking,
Trendanalyse, Vor-Ort-Beobachtungen und Detail­
Dr. Wolfgang Freibichler ist Principal bei Porsche Consulting. Er leitet die internationale Praxisgruppe Private Equity. Mit seinem Team unterstützt er Finanzinvestoren
und Manager von Portfoliounternehmen bei der Unternehmensbewertung und
Wertsteigerung. Schwerpunkte bilden die Elektroindustrie, der Maschinenbau und die
Automobilzulieferindustrie. Freibichler machte seinen Abschluss als Diplom-Wirt­
schafts­ingenieur an der Universität Karlsruhe, seinen Ingénieur diplômé an der
französischen Grande École ENSGI und promovierte zum Thema Produktions­strate­
gien an der Universität Hohenheim. [email protected]
Xing Zhou ist Senior Experte bei Porsche Consulting und betreut innerhalb der Praxis­
gruppe Private Equity die Umsetzung von operativen Wertsteigerungsprojekten in der
Automobil- und Zulieferindustrie. Er erwarb seinen Abschluss als Diplom-Ingenieur an
der Technischen Universität Berlin und seinen Master in Finance an der Warwick
Business School. [email protected]