Sachverständigenkosten und Unkostenpauschale

OLG München, Endurteil v. 26.02.2016 – 10 U 579/15
Titel:
Sachverständigenkosten und Unkostenpauschale als ersatzfähiger Schadensposten
Normenketten:
BGB §§ 242, 249, 250 S. 2, 257, 632 II, 633 II
§ 287 ZPO
§ 26 Nr. 8 EGZPO
§ 511 II Nr. 1 ZPO
§ 249 BGB
Schlagworte:
subjektive Schadensbetrachtung, Kraftfahrzeugschaden, Honorarbefragung, Unkostenpauschale,
Bagatellschadensgrenze
Entscheidungsgründe
OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN
Aktenzeichen: 10 U 579/15
Im Namen des Volkes
Verkündet am 26.02.2016
19 O 10527/14 LG München I
Die Urkundsbeamtin …
In dem Rechtsstreit
…
- Kläger und Berufungskläger Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt …
gegen
…
- Beklagte und Berufungsbeklagte Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte …
wegen Schadensersatzes
erlässt der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter am
Oberlandesgericht … und die Richter am Oberlandesgericht … und … im schriftlichen Verfahren mit
Schriftsatzfrist bis zum 05.02.2016 folgendes
Endurteil
1. Auf die Berufung des Klägers vom 16.02.2015 wird das Endurteil des LG München I vom 13.11.2014 (Az.
19 O 10527/14) abgeändert und wie folgt neu gefasst:
I.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 216,97 € nebst vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von
729,23 € nebst jeweils Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem
22.06.2014 zu bezahlen.
II.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger 85%, die Beklagte 15%. Die Kosten
des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
1
A. Der Kläger macht gegen die Beklagte Ansprüche auf restlichen Schadensersatz aus einem
Verkehrsunfall vom 15.04.2014 gegen 17.45 Uhr auf der H.-straße in München geltend. Hinsichtlich des
Parteivortrags und der tatsächlichen Feststellungen erster Instanz wird auf das angefochtene Urteil vom
13.11.2014 (Bl. 33/40 d. A.) Bezug genommen (§ 540 I 1 Nr. 1 ZPO).
2
Der Kläger hat nach Zahlungen der Beklagten die Hauptsache in Höhe von 7.547,56 € für erledigt erklärt.
3
Das LG München I hat die Klage über den noch streitigen Rest abgewiesen.
4
Hinsichtlich der Erwägungen des Landgerichts wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils
Bezug genommen.
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Gegen dieses dem Kläger am 02.02.2015 zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem beim
Oberlandesgericht München am 16.02.2015 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und gleichzeitig
begründet (Bl. 51/57 d. A.). Gegenstand des Berufungsverfahrens sind die Kürzung der
Sachverständigenkosten, eine Teilaberkennung der allgemeinen Unkostenpauschale, die vorgerichtlichen
Anwaltskosten und die Kostenverteilung.
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Der Kläger beantragt:
Die Beklagte wird verurteilt, 216,97 € sowie 729,23 € vorgerichtliche Anwaltskosten jeweils nebst 5% Zinsen
über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 30.05.2014 an die klägerische Partei zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
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Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird im Übrigen abgesehen (§§ 540 II, 313 a I 1 ZPO
i. Verb. m. § 26 Nr. 8 EGZPO).
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B. Die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung hat in
der Sache teilweise Erfolg.
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I. Die Berufung des Klägers vom 16.02.2015 gegen das Endurteil des LG München I vom 13.11.2014 ist
zulässig.
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Die neben der Hauptsache (restliche Sachverständigengebühren und restliche Unkostenpauschale) geltend
gemachten vorgerichtlichen Anwaltskosten sind bei der Berechnung der Berufungssumme i. S. d. § 511 II
Nr. 1 ZPO hinzuzurechnen (vgl. BGH NJW 2013, 2123).
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Vorprozessual aufgewendete Kosten zur Durchsetzung des im laufenden Verfahren geltend gemachten
Hauptanspruchs wirken zwar nicht werterhöhend, wenn dieser Hauptanspruch Gegenstand des laufenden
Verfahrens ist. Wird der materiellrechtliche Kostenerstattungsanspruch neben der Hauptforderung, aus der
er sich herleitet, geltend gemacht, ist er von dem Bestehen der Hauptforderung abhängig und stellt deshalb
eine Nebenforderung im Sinne von § 4 Abs. 1 ZPO dar. Dieses - eine Werterhöhung ausschließende Abhängigkeitsverhältnis besteht, solange die Hauptforderung Gegenstand des Rechtsstreits ist (vgl. BGH a.
a. O. m. w. N.).
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Etwas anderes gilt nur dann, wenn und soweit der geltend gemachte Hauptanspruch nicht mehr
Gegenstand des Rechtsstreits ist. In diesem Fall sind geltend gemachte vorprozessuale Anwaltskosten als
streitwerterhöhender Hauptanspruch zu berücksichtigen (BGH VersR 2009, 806, Rn. 4 ff.). Soweit die
Hauptforderung nicht mehr Prozessgegenstand ist, etwa, weil eine auf die Hauptforderung oder einen Teil
der Hauptforderung beschränkte Erledigung erklärt worden ist oder weil der Kläger die Hauptforderung aus
anderen Gründen nicht weiterverfolgt, wird die Nebenforderung zur Hauptforderung, weil sie sich von der
sie bedingenden Forderung "emanzipiert" hat und es ohne Hauptforderung keine Nebenforderung gibt (vgl.
BGH NJW 2013, 2123 m. w. N.).
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Im vorliegenden Fall wird zwar ein Teil der Hauptsacheforderung (vgl. hierzu auch Tatbestand des
Ersturteils S. 2), der durch das Ersturteil abgewiesen wurde, weiterverfolgt. Da aber, wie der Kläger
zutreffend vorträgt, wegen des fehlenden Kostensprungs die Frage der Berechnung der vorgerichtlichen
Anwaltskosten von der Berechtigung des jetzt noch geltend gemachten Hauptsachebetrags hier unabhängig
ist, liegt das eine Werterhöhung ausschließende Abhängigkeitsverhältnis nicht mehr vor, die
vorgerichtlichen Nebenkosten haben sich in diesem Fall von der sie bedingenden Forderung emanzipiert.
Die Addition aus der noch offenen Hauptsache und den vorgerichtlichen Anwaltskosten übersteigt die
Berufungssumme des § 511 II Nr. 1 ZPO und bestimmt auch den Berufungsstreitwert.
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II. Das Ersturteil kann bezüglich der abgewiesenen Sachverständigengebühren, des Rests der
Kostenpauschale sowie der vorgerichtlichen Anwaltskosten weitgehend keinen Bestand haben.
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1. Die Kosten eines Sachverständigengutachtens gehören zu den mit dem Schaden unmittelbar
verbundenen und gemäß § 249 I BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen, soweit die Begutachtung
zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig ist (vgl. BGH NJW-RR
1989, 953, 956). Ebenso können diese Kosten zu dem nach § 249 II BGB erforderlichen
Herstellungsaufwand gehören, wenn eine vorherige Begutachtung zur tatsächlichen Durchführung der
Wiederherstellung erforderlich und zweckmäßig ist (vgl. BGH VersR 1974, 90). Für die Frage der
Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit einer solchen Begutachtung ist auf die Sicht des Geschädigten zum
Zeitpunkt der Beauftragung abzustellen (vgl. BGH NJW 1995, 446, 447). Demnach kommt es darauf an, ob
ein verständig und wirtschaftlich denkender Geschädigter nach seinen Erkenntnissen und Möglichkeiten die
Einschaltung eines Sachverständigen für geboten erachten durfte (vgl. BGHZ 54, 82, 85 und 61, 346, 349
f.). Diese Voraussetzungen sind zwar der Schadensminderungspflicht aus § 254 II BGB verwandt.
Gleichwohl ergeben sie sich bereits aus § 249 BGB, so dass die Darlegungs- und Beweislast hierfür beim
Geschädigten liegt (vgl. BGHZ 61, 346, 351).
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a) Liegen die mit dem Sachverständigen vereinbarten oder von diesem berechneten Preise erkennbar über
den üblichen (vgl. § 632 II BGB), so sind diese Kosten nicht geeignet, als erforderlich i. S. d. § 249 BGB zu
gelten. Der erforderliche Geldbetrag ist vom Tatrichter anhand tragfähiger Anknüpfungstatsachen gemäß §
287 ZPO zu ermitteln (vgl. BGH NJW 2014, 3151). Auch der Senat geht davon aus, dass die
Bagatellschadensgrenze bei 750,00 € anzusetzen ist, d. h., dass darunter eine Beauftragung eines eigenen
Sachverständigen durch den Geschädigten nicht erforderlich ist und er deshalb keine Erstattung der Kosten
durch den Schädiger/dessen Versicherung erhält. Aufgrund der hier vorliegenden Schadenshöhe durfte der
Kläger ein Sachverständigengutachten zur Feststellung seines Schadens beauftragen, die hierfür
aufgewendeten Kosten sind ersatzfähig, soweit sie erforderlich waren. Grundsätzlich ist weiter darauf
hinzuweisen, dass es sachgerecht ist, die Höhe des Grundhonorars von der Höhe des Schadensbetrags
abhängig zu machen (vgl. hierzu BGH NJW 2005, 356).
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b) Wegen der für den Geschädigten bestehenden Schwierigkeit der Ermittlung der üblichen
Sachverständigenhonorare erscheint es dem Senat im Übrigen ab dem 01.01.2016 für sachgerecht, dass in
den Fällen, in denen auch nur teilweise eine Erstattung der Kosten für ein Schadensgutachten durch einen
Unfallgegner oder dessen Haftpflichtversicherung in Betracht kommt, der Sachverständige im Rahmen
seiner aus dieser Dreiecksbeziehung resultierenden Aufklärungspflicht gegenüber dem Auftraggeber (als
Nebenpflicht des Gutachtensauftrags) verpflichtet ist, spätestens in der Sachverständigenkostenrechnung
schriftlich darauf hinzuweisen, wenn er über den üblichen Sätzen gemäß §§ 249, 633 II BGB liegt und
deshalb für den Auftraggeber die Gefahr besteht, dass die gegnerische Versicherung den überschießenden
Betrag nicht bezahlt. Werden Honorarverhandlungen vor dem Abschluss des Gutachtensauftrags geführt,
hat der Hinweis zu diesem Zeitpunkt schriftlich (etwa im Rahmen eines Kostenvoranschlags) zu erfolgen
und muss im Streitfall nachgewiesen werden. Hierauf hat der Senat bereits im Beschluss vom 14.12.2015
(Bl. 103/109 d. A.) hingewiesen.
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Vorstehende Ausführungen haben im Einzelnen dann folgende Konsequenzen:
aa) Hat der Sachverständige ordnungsgemäß aufgeklärt, kann sich der Geschädigte selbst in Fällen
subjektiver Schadensbetrachtung (vgl. hierzu Hinweis des Senats vom 12.03.2015 Ziff. II 2, SP 2015, 200)
nicht mehr darauf berufen, er habe nicht erkennen können, dass unübliche Sätze verlangt werden. In
diesem Fall kann der Geschädigte deshalb vom Schädiger/dessen Versicherung maximal nur die üblichen
Sätze (§ 632 II BGB) verlangen.
bb) Falls der Geschädigte vom Sachverständigen nicht ordnungsgemäß aufgeklärt wurde (bzw. der
Sachverständige dies im Streitfall nicht nachzuweisen vermag), bekommt der Geschädigte (nicht aber der
klagende Sachverständige, § 242 BGB) in Fällen subjektiver Schadensbetrachtung die volle
Kostenrechnung des Sachverständigen (bis zur Grenze der Evidenz überhöhter Kosten, vgl. Hinweis vom
12.03.2015, Ziff. II 6, a. a. O.) erstattet, ist aber verpflichtet, seine Rückforderungsansprüche gegenüber
dem Sachverständigen an die Versicherung/den Schädiger abzutreten (vgl. hierzu Hinweis vom 12.03.2015,
a. a. O., Ziff. II 8).
cc) Handelt es sich um keinen Fall der subjektiven Schadensbetrachtung (vgl. hierzu Hinweis vom
12.03.2015, Ziff. II 3, a. a. O.), erhält der Geschädigte oder der Sachverständige nur die üblichen Sätze.
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c) Bei einem Standardgutachten zur Feststellung eines Kraftfahrzeugschadens kann nach Auffassung des
Senats gemäß § 287 I ZPO die Honorarbefragung des BVSK 2015 (Bundesverband der freiberuflichen und
unabhängigen Sachverständigen für das Kraftfahrzeugwesen e.V.;
http://www.bvsk.de/fileadmin/download/HONORARBEFRAGUNG-2015-Gesamt.pdf) als übliche Vergütung
herangezogen werden (siehe hierzu auch LG Fulda, Urt. vom 24.04.2015, Az. 1 S 177/14 [juris], noch zu
BVSK 2013). Dies gilt auch in den Fällen, in denen das Gutachten außerhalb des Gerichtsbezirks des OLG
München beauftragt und/oder erstellt wurde, da die Honorarbefragung bundesweit erfolgte. Entsprechend
der Honorarbefragung können bei Spezialgutachten Stundenverrechnungssätze von 150,00 € bis 200,00 €
(plus Nebenkosten) akzeptiert werden.
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d) Soweit Tatrichter ab dem 01.01.2016 folgende Sätze zugrunde legen, ist eine dementsprechende
Schätzung nicht zu beanstanden:
aa) Das angemessene Grundhonorar (ohne Mehrwertsteuer) bestimmt sich nach dem BVSK 2015 HB V
Korridor, wobei grundsätzlich der untere Betrag des Korridors anzuwenden ist, dazu kommen 50%
Aufschlag des oberen Betrags minus des unteren Betrags des Korridors, wenn der Sachverständige
öffentlich bestellt und allgemein vereidigt ist, und/oder 50% Aufschlag des oberen Betrags minus des
unteren Betrags des Korridors, wenn der Sachverständige seinen Sitz in München oder im Landkreis
München hat (diese örtliche Differenzierung kann auch in weiteren Städten und/oder Regionen veranlasst
sein). Dies rechtfertigt sich darin, dass in diesem Korridor die Mehrheit der BVSK-Mitglieder (50 bis 60%) je
nach Schadenhöhe abrechnen und es sich daher um die übliche Vergütung eines Sachverständigen für ein
Standardschadensgutachten handelt. Bei dieser Honorarbefragung handelt es sich - soweit ersichtlich - um
die einzige überhaupt vorhandene Liste über die Abrechnungspraxis von Schadensgutachtern auf breiterer
Tatsachengrundlage. Die Entscheidung des BGH vom 22.07.2014 (Az. VI ZR 357/13) hat die BVSKUmfrage 2013 lediglich hinsichtlich der Nebenkostenumfrage für nicht tragfähig erachtet. Die BVSKUmfrage 2015 hat dem ausdrücklich im Hinblick auf die Entscheidung des BGH Rechnung getragen, so
dass eine Verwertbarkeit der Honorarbefragung 2015 des BVSK jedenfalls im Lichte der bisherigen
Rechtsprechung des BGH nicht ausgeschlossen ist. Da weder Sachverständige noch die
Versicherungswirtschaft belastbare anderslautende Erhebungen vorgelegt haben und die
Abrechnungstableaus einzelner Versicherungen naturgemäß keine verlässlichen Zahlenwerke beinhalten,
da sie ausschließlich von der Interessenlage der jeweiligen Versicherung geprägt sind, ist eine alternative
tragfähige Schätzgrundlage nicht ersichtlich.
bb) Dementsprechend und auch inhaltlich vertretbar sind Nebenkosten (ohne Mehrwertsteuer)
entsprechend der BVSK 2015-Vorgabe als angemessen anzusehen, erstattungsfähig sind die für die
Erstellung eines ordnungsgemäßen Gutachtens erforderlichen Nebenkosten deshalb nur bis zu:
- Fahrtkosten: 0,70 €/km
- Fotokosten mit 2,00 €/Lichtbild und 0,50 € je Lichtbild des zweiten Fotosatzes
- Porto/Telefon pauschal 15,00 €
- Schreibkosten mit 1,80 €/Seite und 0,50 €/Kopie.
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Weitere Nebenkosten sind nicht erstattungsfähig, da sie entsprechend der Umfrage nicht üblich sind,
letztlich als Teil des Grundhonorars und nicht als gesondert zu vergüten anzusehen sind. Beispielsweise
können hierzu genannt werden Stundenlöhne für die Fahrtzeit, Kosten für Datenbanken (z. B. AUDATEX
etc.) oder Kosten für den Ausdruck des Originalgutachtens.
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cc) Angemessen sind weiter die zur Schadensfeststellung erforderlichen Zusatzleistungen gegen Nachweis:
beispielsweise das Auslesen eines Fehlerspeichers, eine Achsvermessung, etc., bei Achsvermessung und
Karosserievermessung aber nur bis maximal des Zusatzleistungen-Korridors HB V der Honorarbefragung
BVSK 2015.
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dd) Worauf der Senat bereits im Beschluss vom 12.03.2015 (dort Ziff. II 7, a. a. O.) hingewiesen hat, kommt
eine Beanstandung einer Rechnung eines Sachverständigen entgegen der noch im Hinweis vom
14.12.2015 mitgeteilten Rechtsauffassung trotz überzogener Nebenkosten, eigentlich unzulässiger
Nebenkostenarten oder zu hoher Zusatzleistungen nur dann in Betracht, wenn der Gesamtbetrag der
Honorarrechnung über der Summe des oben genannten erstattungsfähigen Grundhonorars sowie der
erstattungsfähigen Nebenkosten liegt. Es kann nicht der Sachverständige benachteiligt werden, der ein
niedrigeres Grundhonorar, dafür aber höhere Nebenkosten verlangt (oder umgekehrt), wenn das
Gesamthonorar andere Gesamthonorare von Sachverständigen in vergleichbaren Fällen nicht übersteigt.
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ee) Am Rande wird darauf hingewiesen, dass dann, wenn der Sachverständige sich ab 01.01.2016 zu
seinem Gutachten auf Anfrage der Versicherung inhaltlich zu rechtfertigen hat (etwa weil die Versicherung
das Gutachten durch eigene Gutachter überprüfen ließ und Einwände erhebt) und sich ergibt, dass das
Gutachten nicht oder nur geringfügig (bis 5% Abweichung gegenüber der im Gutachten ausgewiesenen
Gesamtbeträge für Reparaturkosten, Wertminderung, Wiederbeschaffungswert oder Restwert, etc.) zu
beanstanden ist, kann der Sachverständige für die Rechtfertigung des Gutachtens einen Betrag von 50,00 €
ohne Nebenkosten verlangen, in allen anderen Fällen erhält er hierfür keine Vergütung. Für die
Rechtfertigung seiner Kostenrechnung alleine kann der Sachverständige keine Entschädigung verlangen.
Bewegt er sich im Rahmen der oben gekennzeichneten üblichen Vergütung, kann er deshalb pauschal auf
die Rechtsprechung des Senats Bezug nehmen, überschreitet er den Rahmen, ist er kostenfrei zur
Erläuterung der Kostenrechnung verpflichtet.
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ff) Die Heranziehung der oben genannten Schätzgrundlage der BVSK Honorarbefragung 2015 muss nur
dann unterbleiben, wenn derjenige, der diese als unangemessen angreift, konkret darlegt und beweist, dass
die Honorarbefragung die Abrechnungspraxis im Bezirk des eingeschalteten Sachverständigen nicht
zutreffend wiedergibt (vgl. hierzu auch LG Fulda, a. a. O.).
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Eine ausreichende Erschütterung der Honorarbefragung des BVSK verlangt mehr als die bloße
Behauptung, die üblichen Sätze seien im jeweiligen Bezirk höher oder niedriger unter Beifügung eines
Sachverständigenbeweisangebots. Ein substantiierter Vortrag erfordert nach Auffassung des Senats die
konkrete Darstellung anhand von Bezugsfällen der Abrechnungspraxis von mindestens 10% der
Schadensgutachter des relevanten Bezirks über einen Zeitraum von mindestens 6 Monaten vor
Rechnungsstellung des streitigen Gutachtens (vgl. für einen vergleichbaren Fall von Substantiierungslast
bei Einwendungen gegen die „Schwacke-Liste“ BGH VersR 2006, 986 [987], st. Rspr., zuletzt VersR 2010,
1054 [1055]; 2011, 643 f. und NJW 2011, 1947; Senat, Urt. v. 28.07.2006 - 10 U 2237/06 = DAR 2006, 692;
OLG Stuttgart DAR 2009, 650 und NZV 2011, 556 ff.; OLG Köln NZV 2009, 447; SVR 2009, 384).
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e) Für die noch anhängigen Altfälle vor dem 01.01.2016 wie dem Vorliegenden ist von Folgendem
auszugehen:
aa) In den Fällen, in denen dem Geschädigten die Vorteile der subjektiven Schadensbetrachtung
zuzubilligen sind, hat der Schädiger die Kosten des Sachverständigen (falls er diesen wegen der Höhe des
Schadens beauftragen durfte) voll zu übernehmen (außer der Sachverständige macht auch für den Laien
ersichtlich überhöhte Kosten geltend, siehe hierzu Beschluss des Senats vom 12.03.2015, Ziff. II 8, a. a.
O.).
bb) In allen anderen Fällen erhält der Geschädigte/der Sachverständige die vollen Kosten nur dann, wenn
der Gesamtbetrag die obigen Sätze einschließlich eines Schätzbonuses von 15% des Gesamtbetrags
einhält (§ 287 ZPO), in allen anderen Fällen ist auf diesen zu kürzen. Eine Verwendung der obigen Sätze ist
jedenfalls für den Zeitraum 2014 bis 2015 sachgerecht, da die Honorarumfrage in dieser Zeit durchgeführt
wurde.
cc) Im vorliegenden Fall führt dies bezüglich der Sachverständigenkostenrechnung des Sachverständigen
Unfug vom 17.04.2014 zu folgenden Konsequenzen:
Der Gesamtbetrag der Abrechnung des Sachverständigen (779,00 € netto, 927,01 € brutto) liegt unter dem
Gesamtbetrag des potentiell Berechtigten nach BVSK 2015 plus eines Schätzbonuses von 15% (jeweils
netto: Grundhonorar 665,- € [der Sachverständige ist öffentlich bestellt und hat seinen Sitz in München],
Fahrtkosten 28 x 0,70 € = 19,60 € [der Geschädigte ist nicht verpflichtet, nur den ortsnächsten
Sachverständigen auszusuchen], Lichtbilder 18 x 2,- € = 36,- € und Kopien 66 x 0,50 €, ergibt insgesamt
866,64 € netto, 1.031,30 € brutto). Das Landgericht hat zwar grundsätzlich zutreffend, weil es sich insoweit
um unübliche Nebenkostenarten handelt, (jeweils netto) Kosten für die AUDATEX-Datenbank in Höhe von
14,50 €, Kosten für den Ausdruck des Gutachtens in Höhe von 61,60 € und 37,50 € bezüglich der
Fahrtzeitkosten als unbegründet angesehen. Wie oben ausgeführt wurde, scheidet eine Kürzung der
Sachverständigenkosten jedoch aus, wenn sich der Sachverständige insgesamt mit seiner Abrechnung
noch in einem üblichen Rahmen bewegt. Dies ist hier der Fall, so dass der Kläger über die von der
Beklagten bezahlten 715,04 € hinaus einen begründeten Anspruch von 211,97 € hat.
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2. Bezüglich der Unkostenpauschale hat der Kläger vorgetragen, dass bezüglich einer angeblichen Zahlung
der Beklagten von 40,- € ein Eingabefehler in der Klagebegründungsschrift vorlag, tatsächlich nur 20,- €
bezahlt wurden. Da dies von der Beklagten (auch nach Hinweis vom 14.12.2015) nicht bestritten wurde, ist
die Berufung in Höhe weiterer 5,- €, wie gefordert, begründet, entspricht die Zubilligung einer allgemeinen
Kostenpauschale in Höhe von 25,00 € der langjährigen Rechtsprechung des Senats (vgl. hierzu
Berufungserwiderung vom 17.04.2015, S. 2 m. w. N.).
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3. Der Kläger hat auch Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 729,23 € (vgl.
zur im Ergebnis zutreffenden Berechnung auf Seite 3 der Berufungsbegründung). Die Höhe des Anspruchs
wurde von der Beklagten in der Berufung nicht bestritten.
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Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten können wie bereits angefallene Sachverständigenkosten oder
geschätzte Reparaturkosten im Schadensersatzprozess neben der Hauptsache geltend gemacht werden
(BGH VersR 2007, 265; Senat AnwBl. 2006, 768 f., st. Rspr., vgl. etwa Urt. v. 21.6.2013 - 10 U 1206/13
[juris Rz. 9]). Nach § 249 I, II 1 BGB sind diejenigen adäquat verursachten Rechtsverfolgungskosten in
Form vorprozessualer Anwaltskosten zu ersetzen, die aus Sicht des Schadensersatzgläubigers zur
Wahrnehmung und Durchsetzung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren (Senat a. a. O.). Als
erforderlich sind die nach dem Urteil begründeten Forderungen anzusehen (BGH MDR 2008, 351 [352];
Senat a. a. O.). Auch bei sog. einfachen Regulierungssachen handelt es sich um eine durchschnittliche
Angelegenheit, bei der die Berechnung einer 1,3 Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 VV RVG angemessen ist
(BGH AnwBl. 2007, 154 ff.; Senat a. a. O.).
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Nach Bezahlung kann der Geschädigte Zahlung, vor Bezahlung Freistellung (§ 257 BGB) verlangen. Aus
prozessualer Sicht gilt jedoch, dass bei unbezahlter Rechnung dann, wenn sich der Schädiger oder seine
Haftpflichtversicherung wie hier ernsthaft weigert, Schadensersatz zu leisten (BGH NJW 2004, 1868; NJWRR 2011, 910 jew. m. w. N.), was auch in einem entsprechenden prozessualen Verhalten (z. B. einem
Klageabweisungsantrag) liegen kann (BGH NJW-RR 2011, 910), der Geschädigte sich nicht auf einen
Freistellungsanspruch nach § 257 BGB verweisen lassen muss (BGH NJW 1970, 1122 [wo ein
Zahlungsanspruch ohne weiteres angenommen wird]; Senat AnwBl 2006, 768 f., st. Rspr., zuletzt DAR
2014, 673 f.; LG Hamburg SP 2013, 32; AG München, Urt. vom 03.04.2009 - 343 C 15534/08 [juris, dort Rz.
28]; AG Karlsruhe NZV 2005, 326 = SP 2005, 144 = zfs 2005, 309 = AGS 2005, 253 = JurBüro 2005, 194;
AG Kaiserslautern DV 2014, 238 ff.), weil sich dieser gem. § 250 S. 2 BGB in einen Zahlungsanspruch
verwandelt hat (BGH a. a. O.; LG Hamburg a. a. O.). Der Kläger kann dementsprechend hier unabhängig
von der Frage, ob er seinen Anwalt bereits bezahlt hat, Leistung an sich verlangen.
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4. Der Kläger kann lediglich Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen
Basiszinssatz geltend machen. Einen höheren Schaden (5%) hat er weder dargelegt, noch ist dieser
ersichtlich. Verzug ist auch erst mit dem 22.06.2014 (vgl. hierzu bereits das Ersturteil S. 8) eingetreten.
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Das Landgericht ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass mit dem Schreiben des Klägers vom
23.04.2014 ein spezifiziertes Anspruchsschreiben vorlag (vgl. Ersturteil S. 7). Der Kläger hat in der
Berufung auch vorgetragen und durch Vorlage der Anlage KB 1 dargelegt, dass er bereits zu diesem
Zeitpunkt alle damals vorhandenen Unterlagen als E-Mail-Anhang an die Beklagte übersandt hat. Dies hat
die Beklagte in der Berufungserwiderung unstreitig gestellt. Dennoch befand sich die Beklagte aber noch
nicht ab 30.05.2014, wie vom Kläger beantragt, in Verzug. Denn der Kläger hat mit Schreiben vom
19.05.2014 eine abgeänderte und erweiterte Schadensberechnung an die Beklagte übermittelt. Der
Beklagten war daher ab dem Zugang dieses Schreibens eine (teilweise erneute, verlängerte) Prüffrist von
jedenfalls 4 Wochen zuzubilligen, so dass Verzug erst mit dem 22.06.2014 eingetreten ist (so bereits
zutreffend das Erstgericht).
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III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 I, 92 I ZPO.
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Entgegen seiner Rechtsauffassung hat der Kläger hinsichtlich des in erster Instanz zurückgenommenen
Teils (7.547,56 €, vgl. S. 2 des Ersturteils) die Kostenlast zu tragen. Der zusätzlich zugesprochene Betrag
bezüglich der Sachverständigenkosten und der Unkostenpauschale rechtfertigt eine Abänderung der vom
Landgericht vorgenommenen Kostenverteilung nicht.
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Die am 30.05.2014 eingereichte Klage wurde am 04.07.2014 an die Beklagte zugestellt, die relevanten
weiteren Zahlungen der Beklagten erfolgten am 04.06. und 03.07.2014 (vgl. klägerischer Schriftsatz vom
20.08.2014, Bl. 22/23 d. A.). Es handelte sich damit um Zahlungen zwischen Anhängigkeit und
Rechtshängigkeit. Für diesen Fall sollte die Erklärung des Klägers im Schriftsatz vom 20.08.2014 als
Klagerücknahme anzusehen sein. Gemäß § 269 III 3 ZPO bestimmt sich die Kostentragungspflicht in einem
derartigen Fall nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands. Für
die Kostentragungspflicht bei § 269 III 3 ZPO ist der Rechtsgedanke des § 93 ZPO heranzuziehen, also ob
die Beklagte Anlass zur Klagerhebung gegeben hat (vgl. OLG Koblenz SVR 2015, 309). Nach den oben
unter der Ziff. II 4 getroffenen Feststellungen ergibt sich, dass bei Klageerhebung am 30.05.2014 die
Beklagte noch nicht in Verzug war. Vor Ablauf der im Einzelfall festzustellenden Prüfungsfrist (vgl. OLG
Koblenz, a. a. O.) gibt die beklagte Haftpflichtversicherung noch keinen Anlass zur Klageerhebung. Dies gilt
vor allem auch dann, wenn bereits eine Teilleistung erfolgte und der vorprozessuale Schriftverkehr keinen
Anlass für eine Befürchtung des Geschädigten gibt, die Versicherung werde die klägerischen Ansprüche,
jedenfalls hinsichtlich der wesentlichen Schadenspositionen dem Grunde und der Höhe nach, bestreiten.
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IV. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Ersturteils und dieses Urteils folgt aus §§ 708
Nr. 10, 711, 713 ZPO i. Verb. m. § 26 Nr. 8 EGZPO.
39
V. Die Revision war nicht zuzulassen. Gründe, die die Zulassung der Revision gem. § 543 II 1 ZPO
rechtfertigen würden, sind nicht gegeben. Mit Rücksicht darauf, dass die Entscheidung einen regionalen
Einzelfall betrifft, ohne von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung abzuweichen, kommt der
Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die
Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Der
Bundesgerichtshof hatte bereits mehrfach die Gelegenheit, zur Frage der Höhe der
Sachverständigenkosten und vergleichbarer Schadenspositionen Stellung zu nehmen. Dort wurde dem
Tatrichter, gerade auch in regionaler Hinsicht, im Rahmen der Schätzung nach § 287 ZPO ein
Beurteilungsspielraum zugebilligt, der eine (bundes-)einheitliche Regelung nicht erfordert.