Wirtschaft NZZ am Sonntag 31. Mai 2015 33 Marktwirtschaftliche Hilfe für die Armen Das kaum bekannte Hilfswerk Swisscontact steigert seine Einnahmen kräftig – auf fast 70 Millionen Franken Mildtätigkeit ist ein Millionengeschäft, und die Chefs von traditionellen Hilfswerken brauchen ein gutes Gespür fürs Marketing. Organisationen wie Caritas, Helvetas oder das Rote Kreuz setzen nicht nur viel Geld um, sondern sind auch etablierte Marken. Swisscontact dagegen kennt kaum jemand, obwohl die Zürcher Stiftung mit 69 Mio. Fr. ebenfalls hohe Einnahmen erzielt. Zudem wächst sie derzeit stärker als andere Hilfswerke: 2013 noch kam Swisscontact erst auf Erträge von 59 Mio. Fr. Die 1959 von der Schweizer Wirtschaft ins Leben gerufene Swisscontact ist ein Unikat in der Hilfswerk-Szene. Ihre Erträge erzielt sie primär mit Projekt-Aufträgen und nicht durch Spendenaufrufe oder Mitgliederbeiträge. «Unsere Trägerschaft in der Wirtschaft ist schmal geworden. Viele Unternehmen haben heute eigene Programme für Corporate Social Responsability», sagt Swisscontact-Chef Samuel Bon, ein früherer IKRK-Kadermann. «Um das zu kompensieren, sind wir sehr kompetitiv in der Akquise von öffentlich ausgeschriebenen Projekten geworden. Wir nahmen letztes Jahr an 41 Ausschreibungen teil und haben 18 davon gewonnen.» Swisscontact verfolgt eine Art Business-to-Business-Geschäftsmodell und kann so auch wesentlich effizienter arbeiten als andere Hilfswerke: Nur 5% des Budgets SWISSCONTACT Wenn Entwicklungsprojekte ausgeschrieben werden, erhält oft Swisscontact den Zuschlag. Die Stiftung profitiert vom Umstand, dass der Bund die Berufsbildung in armen Ländern fördern will. Markus Städeli In Tunesien konzentriert sich Swisscontact darauf, junge Leute auf den Arbeitsmarkt vorzubereiten. Heimlicher Riese Verwirrende Struktur Erträge von Swisscontact (in Mio. Fr.) Öffentliche Entwicklungshilfe der Schweiz (in Mio. Fr.) Einnahmen aus Spenden und Beiträgen Spenden Programmbeitrag Bund Übrige Projektbeiträge 3,9 4,3 2,8 Einnahmen aus erbrachten Leistungen Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit Humanitäre Hilfe Entwicklungszusammenarbeit Zusammenarbeit mit Osteuropa 463 1453 149 Staatsekretariat für Wirtschaft Aufträge des Bundes Andere öffentliche Auftraggeber Private Auftraggeber 40,8 9,7 7,3 Wirtschaftliche Zusammenarbeit Zusammenarbeit mit Osteuropa 239 91 Total Erträge 68,7 Andere Bundesstellen 798 Kantone und Gemeinden Total Entwicklungshilfe Quelle: Swisscontact Geschäftsbericht 55 3246 Quelle: Bund Bund überprüft Eignung seines Lohnanalyse-Systems Differenz wird grösser 20–29 Jahre 30–39 Jahre 40–49 Jahre Quelle: Bundesamt für Statistik 7403 5633 7312 5757 5833 Frauen Männer Lohn in Fr. 6500 Löhne nach Alter und Geschlecht 5095 Dass die Löhne zwischen Mann und Frau für gleiche Tätigkeiten nicht überall identisch sind, ist unbestritten. Wie Lohndiskriminierung hingegen korrekt gemessen werden kann, ist umstritten. Das Eidgenössische Büro für Gleichstellung (EBG) hat dazu in den letzten Jahren mit Steuergeld ein Instrument entwickelt, das sich Logib nennt. Es ist eine Software, mit der Lohngleichheitsanalysen durchgeführt werden können. Logib wird heute rund 5000-mal pro Jahr heruntergeladen. Dies ist kostenlos und geschieht anonym, weswegen das EBG keine Kontrolle darüber hat, wer das Instrument in Tat und Wahrheit auch nutzt. Weil sich Bundesrätin Simonetta Sommaruga laut überlegt, solche Lohnanalysen für Firmen mit mehr als 50 Mitarbeitern in regelmässigen Abständen für verbindlich zu erklären, rückt neben möglichen Kostenfolgen eines solchen Marschbefehls nun auch die Software Logib selbst ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Denn was sie taugt, darüber sind sich Experten uneinig. Die Software basiert vor allem auf der Ausbildung der Arbeitnehmenden und bezieht Funktion, Leistung und Verhalten nicht ein. Genau das aber verlangt die Bundesverfassung: Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit. Dass die Leistung dazugehören sollte, versteht sich von selbst. Offenbar nimmt man in Bern diese Kritik endlich ernst. Das Bundesamt für Justiz und das EBG haben gleich zwei Studien in Auftrag gegeben. Beide werden vom Beratungsbüro Infras orchestriert. Zum einen muss Infras in Zusammenarbeit mit der Fachhochschule Nordwestschweiz für Bundesrätin Sommaruga die Folgen neuer Lohnregulierungen abschätzen; zum anderen evaluieren die Infras-Berater gemeinsam mit der Universität St.Gallen das 4664 Bern nimmt Kritik am selbst entwickelten LohnanalyseInstrument ernst. Eine Beratungsfirma muss nun Aussagekraft und Methode von Logib hinterfragen. Charlotte Jacquemart 50–65 Jahre Instrument Logib. Der diesbezügliche Fragebogen, den Infras Experten und Spezialisten vorlegt, zeigt auf, dass nicht nur die Aussagekraft und Methode von Logib infrage gestellt werden, sondern auch die bisher erhobenen Variablen. Zudem wird explizit nach alternativen Analysemethoden gefragt. Von privaten Anbietern gibt es solche schon länger. Dass das EBG Logib gerade jetzt kritisch hinterfragt, hat auch mit einem Postulat von FDP-Nationalrat Ruedi Noser zu tun. Es zielt darauf, die Aussagekraft von Logib zu verbessern. Ein Geburtsfehler der staatlichen Lohnsoftware lässt sich aber wohl nur schwerlich ganz beheben: Die Datenbasis für die Analysen stammt aus der Lohnstrukturanalyse des Bundesamtes für Statistik (BfS), die rein volkswirtschaftlichen Hintergrund hat. In dieser Statistik fehlen notgedrungen wichtige Variablen, die man zur Bestimmung von Lohndifferenzen braucht. Die Datenbasis des BfS wird denn auch vor allem deshalb für Logib genutzt, weil die Statistik sowieso schon verfügbar ist und Firmen keinen zusätzlichen Aufwand haben. Das Bundesamt für Justiz bestätigt, dass parallel zwei Expertenaufträge erteilt worden seien. Im EBG scheint man Logib aber noch nicht abgeschrieben zu haben: Eine Sprecherin verweist auf die laufende Einführung in anderen europäischen Ländern. flossen 2014 in Administration und Mittelbeschaffung. Die Stiftung schlägt keine Weltverbesserungstöne an, sondern setzt nüchtern auf marktwirtschaftliche Mechanismen. Man glaube, dass ein gesundes Wirtschaftswachstum der beste Weg aus der Armut sei, so Bon. «Swisscontact zeichnet sich durch eine sehr starke Fokussierung auf die Privatsektor-Entwicklung aus. Sie ist darum eine Bereicherung für die Schweizer Szene», attestiert Rolf Kappel, bis vor kurzem Leiter des Nachdiplomstudiums für Entwicklungsländer der ETH Zürich. Die vier Pfeiler von Swisscontact, die früher treffender «Stiftung für technische Entwicklungshilfe» hiess, sind Berufsbildung, KMU-Förderung, Mikro-Finanz und Ressourcen-Effizienz. «Das aussergewöhnlich starke Wachstum hat damit zu tun, dass wir drei grössere Mandate der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) im Bereich Berufsbildung gewonnen haben: In Myanmar, Rwanda und Tunesien», sagt Bon. Neben Helvetas ist Swisscontact eine der ganz wenigen Organisationen, welche Deza-Projekte im Bereich Berufsbildung umsetzen kann. Dies ob- wohl die Bewerbung allen offen steht, auch ausländischen Hilfswerken: «Wir schreiben Projekte der Entwicklungszusammenarbeit gemäss den geltenden Regelungen auf der Plattform für das öffentliche Beschaffungswesen Simap aus», sagt Philippe Sas, Leiter Stab Regionale Zusammenarbeit beim Deza. «Den Zuschlag bekommt dann jeweils die Organisation mit dem besten PreisLeistungs-Verhältnis gemäss vordefinierten Kriterien.» Die offizielle Schweiz propagiert ihr Modell der dualen Ausbildung derzeit stark im Ausland, entsprechend wächst ihr finanzielles Engagement. «Das Budget für Berufsbildungsprojekte hat sich in den letzten vier Jahren annähernd verdoppelt auf etwa 40 Mio. Fr.», sagt Simon Junker, Themen-Berater Berufsbildung beim Deza. In den kommenden Jahren sei eine kontinuierliche Erhöhung vorgesehen. Im Laufe der Zeit hat sich die Art und Weise, wie Berufsbildung im Ausland gefördert wird, allerdings stark verändert. «Noch vor 20 Jahren haben wir Berufs-Bildner in Länder wie Indonesien geschickt und Berufsschulen analog zu denen in der Schweiz aufgebaut», sagt Bon. «Heute arbeiten wir ausschliesslich mit lokalen Partnern zusammen.» Swisscontact will künftig auch stärker Ausschreibungen von ausländischen Organisationen und Firmen gewinnen. So könne man den Kundenstamm weiter diversifizieren. Von 57,8 Mio. Fr. Einnahmen aus erbrachten Leistungen stammen immer noch 40,8 Mio. Fr. vom Bund. «Wir haben 50 Jahre Projekterfahrung in Hochrisikoländern und können auch Unternehmen helfen, ihre Programme für Corporate Social Responsability umzusetzen.» ANZEIGE Das USM Möbelbausystem Haller wird 50. Erfahren Sie, wie eine neue Generation von Designern, Künstlern und Architekten Modularität neu definiert. 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