Strafrechtliche Verantwortlichkeit von Bankorganen bei Kredit

Strafrechtliche Verantwortlichkeit
von Bankorganen bei Kredit- und
Sanierungsentscheidungen
Univ.-Prof. Dr. Robert Kert
Institut für Österreichisches und Europäisches
Wirtschaftsstrafrecht
Höchstgerichtliche Entscheidungen
„BAWAG“:
Machthaber grundsätzlich verpflichtet, seinem Machtgeber den
größtmöglichen Nutzen zu verschaffen
Vermögensnachteil hängt von der nach der Bonität des Schuldners
zu beurteilenden Einbringlichkeit des Rückzahlungsanspruchs im
Zeitpunkt der Kreditschuldentstehung ab
Verpflichtung des Machthabers, Vorhandensein eines
entsprechenden Risikoausgleichs und ausreichender Sicherheiten
zu garantieren
„Styrian Spirit“ (11 Os 19/12x):
Befugnismissbrauch, wenn trotz mangelnder Bonität und fehlender
Sicherheiten zum Zeitpunkt der Kreditschuldentstehung - also
wirtschaftlich unvertretbar – Kredit gewährt wird
Wirtschaftliche Unvertretbarkeit der Kreditzuzählung führt zu
Vermögensnachteil in Höhe der Kreditsumme
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Missbrauch der Befugnis
Befugnismissbrauch:
Machthaber setzt im Rahmen der ihm eingeräumten Befugnis
nach außen rechtswirksame Handlungen, verstößt dabei
gegen Vorgaben im Innenverhältnis
Gesetzliche Änderungen durch StRÄG 2015:
§ 153 Abs 1 StGB: Streichung der Wortfolge „die ihm durch
Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft
eingeräumte“ (Befugnis)
Legaldefinition des Befugnismissbrauchs in § 153 Abs 2 StGB
StRÄG 2015: Legaldefinition des
Befugnismissbrauchs
§ 153 Abs 2:
„Seine Befugnis missbraucht, wer in unvertretbarer Weise gegen
solche Regeln verstößt, die dem Vermögensschutz des
wirtschaftlich Berechtigten dienen.“
Mehrere unbestimmte Gesetzesbegriffe
Vermögenschutz des wirtschaftlich Berechtigten:
Rechtsgut Vermögen verlangt vermögensbezogenen
Schutzbereich
Kein Befugnismissbrauch, wenn Regeln zum Schutz des
Wettbewerbs, von Gläubigern oder rein organisatorische Regeln
verletzt werden
Regelungszweck der Regeln zu prüfen
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StRÄG 2015: Legaldefinition des
Befugnismissbrauchs
Verstoß gegen Regeln in unvertretbarer Weise:
Befugnismissbrauch = rechtswidrige und unvertretbare
Handlung
Keine Einschränkung gegenüber bisheriger Rechtsprechung
Erl zum IA: Gebrauch der Befugnis außerhalb des Bereichs
des vernünftigerweise Argumentierbaren
Wirtschaftlich unvertretbare Risiken und Ausgaben unzulässig
Beurteilung, was unvertretbar ist, im Einzelfall erforderlich
StRÄG 2015: Legaldefinition des
Befugnismissbrauchs
Verstoß gegen Regeln in unvertretbarer Weise:
Kriterien:
Grenzen des Ermessensspielraumes: Verstoß durch Gesetz, Satzung,
Kreditrichtlinien, Organbeschlüsse
Prüfung der Vertretbarkeit stets aus ex-ante-Sicht eines objektiven
Dritten zum Zeitpunkt des Gebrauchs der Befugnis
Verkehrsüblichkeit des Geschäfts: nicht missbräuchlich, wenn sorgfältig
Informationen eingeholt, geprüft, bewertet und Entscheidungen darauf
gegründet werden
Prüfung, ob ein sorgfältiger und umsichtiger Machthaber in der konkreten
Situation zum damaligen Zeitpunkt diese Handlung gesetzt hätte
Vergabe von Überbrückungs- und Sanierungskrediten nicht
automatisch Befugnismissbrauch
Wirtschaftlich vernünftiger und nachvollziehbarer Sanierungsplan
Bei besonders gesteigerter Verlustgefahr und keinen
entsprechenden Sicherheiten, um allfällige Verluste abzufangen,
offensichtlich unvertretbarer Befugnismissbrauch
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Vermögensschaden
StRÄG 2015: Änderung von „Vermögensnachteil“ auf
„Vermögensschaden“
Anpassung der Terminologie an § 146 StGB (Betrug)
Vermögensnachteil ist jede effektiv eingetretene, in Geld
bezifferbare Einbuße an Vermögenssubstanz.
Schadenseintritt mit dem Zeitpunkt des Geldabflusses,
somit mit der Zuzählung der Darlehensvaluta
Höhe des Schadens:
Bei Zahlungsunfähigkeit Schaden in Höhe der vollen Kreditsumme
Kein Schaden bei ausreichender Bonität und wertmäßig dem
übergebenen Betrag entsprechenden Sicherheiten
Vergleich: Wert des Anspruchs, den Bank erwirbt, zum Zeitpunkt
der Auszahlung des Kredits (Vermögensverfügung) und
übergebener Darlehensbetrag
Schlussfolgerungen
Voraussetzungen und Vorgaben in Gesetzen, internen
Richtlinien etc sind zu beachten.
Alle zum Zeitpunkt der Kreditvergabe erforderlichen und
verfügbaren Informationen sind einzuholen.
Bloßes Eingehen riskanter Geschäfte (zB Sanierungskredit) ist
nicht bereits ein Befugnismissbrauch. Um Befugnismissbrauch
auszuschließen, ist wirtschaftlich vernünftiger und
nachvollziehbarer Sanierungsplan erforderlich.
Es ist auf angemessenen Risikoausgleich und Bestellung
ausreichender Sicherheiten zu achten.
Liegt zum Zeitpunkt des Geldabflusses ein entsprechender
Gegenwert vor bzw ist dieser realisierbar, ist Strafbarkeit
wegen Untreue ausgeschlossen, weil kein Schaden vorliegt.
Werthaltigkeit von Forderungen (Gegenwerte, Sicherheiten) ist
zu dokumentieren.
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Vielen Dank für die
Aufmerksamkeit!
DEPARTMENT FÜR ÖFFENTLICHES RECHT
UND STEUERRECHT
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Europäisches Wirtschaftsstrafrecht
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