Parlament Dr. Karl Renner-Ring 3 1017 Wien Zl. 13/1 15/46 Antrag der Abgeordneten Mag. Michaela Steinacker, Dr. Johannes Jarolim Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch, das Aktiengesetz und das Gesetz über Gesellschaften mit beschränkter Haftung geändert werden Sehr geehrte Damen und Herren! Der Österreichische Rechtsanwaltskammertag (ÖRAK) dankt für die Übersendung des Initiativantrages und erstattet dazu folgende S t e l l u n g n a h m e : Mit Initiativantrag der Abgeordneten Mag. Steinacker, Dr. Jarolim ua wurde eine Änderung des Strafgesetzbuches in der Bestimmung des § 153 vorgeschlagen. Der Initiativantrag ist erkennbar eine Ergänzung zum Ministerialentwurf zum StRÄG 2015, welcher sich zu dieser in der Praxis zuletzt so häufig diskutierten Norm nicht äußert. Aus der Sicht des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages bestehen massive und begründete Bedenken gegen eine Gesetzesänderung im Sinne des nunmehr vorliegenden Antrages, da dieser nicht geeignet ist, die im Zusammenhang mit der Anwendung des Tatbestandes der Untreue entstandenen Probleme und Unsicherheiten auch nur teilweise zu beseitigen. § 153 Abs 1 in der Fassung des vorliegenden Antrages stimmt inhaltlich weitgehend mit dem geltenden Recht überein, es wurde lediglich die Beifügung „die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte [Befugnis]“ entfernt, was angesichts der Gleichwertigkeit dieser Art der Vollmachtserteilung zur leichteren Lesbarkeit der Norm führt, inhaltlich jedoch keine Änderung bedeutet. Auch der Ersatz von „dem anderen einen Vermögensnachteil zufügt“ nach geltendem Recht durch „den anderen am Vermögen schädigt“ stellt lediglich den Austausch einer Formulierung durch einen inhaltsgleichen, lediglich im Wortlaut abweichenden Terminus dar, sodass betreffend § 153 Abs 1 StGB von einer Identität zwischen geltendem Recht und Initiativantrag auszugehen ist. Nach § 153 Abs 2 soll Befugnismissbrauch hinkünftig dann vorliegen, wenn jemand „in unvertretbarer Weise gegen solche Regeln verstößt, die dem Vermögensschutz des wirtschaftlich Berechtigten dienen“. Kein Missbrauch ist anzunehmen, „wenn der Machtgeber oder der wirtschaftlich Berechtigte der Vertretungshandlung zugestimmt hat“. Diese Regelung enthält zwei voneinander unabhängige Normierungen, die in einem Absatz zusammengefasst sind. Um festzustellen, ob die vorgeschlagene Lösung inhaltlich einen Vorteil gegenüber dem geltenden Recht darstellt, ist zu prüfen, ob § 153 Abs 2 erster Satz des Entwurfes eine Einschränkung der Strafbarkeit enthält, liegt das zentrale Problem der Untreue doch in einer in der Praxis häufig festgestellten (und kritisierten) inakzeptablen Weite des Anwendungsbereiches der Norm. Dieser Umstand führt dazu, dass Entscheidungsträger insbesondere in unternehmerischen Krisensituationen in höchstem Maße verunsichert sind, ob eine von ihnen beabsichtigte Handlung allenfalls im Nachhinein als strafrechtlich relevant beurteilt werden kann. Die „Mindestanforderung“ an eine novellierte Regelung besteht jedoch darin, dass sie – selbst wenn die Einschränkung der Strafbarkeit als rechtspolitisch unerwünscht beurteilt werden sollte – jedenfalls Klarheit schafft, und die strafrechtlich verpönten Handlungsweisen mit der größtmöglichen, im Strafrecht erzielbaren Klarheit definiert. Nur auf diese Weise kann die von den Rechtsunterworfenen berechtigt eingeforderte Rechtssicherheit gewährt werden. Eine kritische Auseinandersetzung mit dem vorgeschlagenen Antrag zeigt, dass die nunmehr vorliegende Regelung nicht in der Lage ist, diese an sie gestellte Anforderung zu erfüllen, da sie das Grundproblem des Tatbestandes nicht beseitigt. Ein Befugnismissbrauch liegt nach herrschender Judikatur dann vor, wenn ein Bevollmächtigter im Rahmen der ihm erteilten Befugnis nach außen hin rechtswirksame Handlungen vornimmt, mit denen er sich über Vorgaben, die ihm im Innenverhältnis erteilt wurden, hinwegsetzt1. Das vom Bevollmächtigten zwingend einzuhaltende interne Regelwerk kann neben dem Schutz vermögensrechtlicher Interessen auch anderen Zielsetzungen dienen: Denkbar sind dabei etwa die Verbesserung organisatorischer Abläufe, die bestmögliche Nutzung vorhandener Ressourcen, die Gewährung von Datensicherheit und der Schutz von Geschäftsoder Betriebsgeheimnissen, die Sicherstellung einer raschen und vollständigen Kommunikation innerhalb von Unternehmensabteilungen usw. Da § 153 StGB unbestritten (nur) dem Zweck dient, das Vermögen des Vollmachtgebers zu schützen, kommt daher für die Verwirklichung des Tatbestandes von vornherein nur die Verletzung einer solchen internen Regelung infrage, die den „Vermögensschutz des wirtschaftlich Berechtigten“ sicherstellen soll. Die in § 153 Abs 2 erster Satz auf den ersten Blick als Einschränkung der Strafbarkeit interpretierbare Bezugnahme auf Regeln zum Zweck des Vermögensschutzes ist daher entbehrlich, da etwa eine fehlgeschlagene Kommunikation oder suboptimale organisatorische Abläufe als Folge einer Verletzung des internen Regelwerkes schon aufgrund ihrer Zielsetzung nicht geeignet sind, zur Verwirklichung des Tatbestandes der Untreue zu führen. Solche Regelverstöße können allenfalls eine zivilrechtliche Schadenersatzpflicht begründen, 1 Kirchbacher/Presslauer, WK² StGB § 153 Rz 28. 2 Pflichtverletzungen dieser Art kommt jedoch keine strafrechtliche Relevanz bezogen auf eine Vermögensdelinquenz zu. Als Konsequenz daraus ergibt sich, dass § 153 Abs 2 in der Fassung des Antrages im Ergebnis nur mit anderen Worten jene rechtlichen Rahmenbedingungen wiedergibt, wie sie ohnedies in der geltenden, zu Recht häufig kritisierten Bestimmung enthalten sind. Eine Einschränkung des Tatbestandes ist daraus ebenso wenig ableitbar wie die so dringend notwendige Konkretisierung des Tatbestandes. Die im Initiativantrag angegebene Begründung, wonach der zweite Halbsatz in Abs 2, erster Satz, klarstelle, dass die „maßgeblichen Regeln des internen Dürfens nur solche sein können, die dem Vermögensschutz des wirtschaftlich Berechtigten dienen“, ist daher entbehrlich, da dieser Umstand auch im geltenden Recht nicht strittig war, insofern bedarf es dieser „Klarstellung“ nicht. § 153 Abs 2 zweiter Satz ist offensichtlich eine unmittelbare Antwort auf die „LibroEntscheidung“ des OGH2. Dies ist grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenngleich in Fachkreisen mittlerweile weitgehend Einigkeit darüber besteht, dass die in 12 Os 117/12s vertretene Ansicht über die Frage der Konsequenzen aus § 70 Abs 1 AktG inhaltlich nicht aufrechterhalten werden kann, weshalb die Entscheidung abgelehnt wird. Es ist daher zu erwarten, dass der OGH eine Folgeentscheidung dazu nutzen wird, von der kritisierten Rechtsauffassung abzugehen, weshalb auch kritisch hinterfragt werden muss, ob die im Initiativantrag enthaltene „Einschränkung“ tatsächlich erforderlich ist. Sofern in der Begründung des Initiativantrages weiters davon die Rede ist, dass Untreue dann ausscheidet, wenn eine Vertretungshandlung zwar formal den Machtgeber schädigt, der diesbezügliche Nachteil aber wirtschaftlich den hinter dem Machtgeber stehenden Berechtigten zugutekommt, liegt offensichtlich ein Schreibfehler vor, denn richtigerweise muss bei der genannten Konstellation der Vorteil zum Machtgeber gelangen. Zu kritisieren am Textvorschlag ist auch der Umstand, dass nach § 153 Abs 2 derjenige seine Befugnis missbraucht, der „in unvertretbarer Weise gegen solche Regeln verstößt“. Ein Befugnismissbrauch ist nach allgemeinem Verständnis stets eine rechtswidrige und daher auch unvertretbare Handlung. Die vorgeschlagene Formulierung kann dahingehend verstanden werden, dass es neben dem strafrechtlich relevanten Befugnismissbrauch auch einen solchen „Missbrauch“ gibt, der nicht in unvertretbarer Weise vorgenommen wird, somit rechtmäßig wäre. Ein demnach „rechtmäßiger Missbrauch“ ist jedoch schon begrifflich auszuschließen; § 153 Abs 2 erster Satz würde die Rechtsanwendung vor unüberwindbare Hindernisse bei der Missbrauchsdefinition und bei der Abgrenzung von noch zulässigem zu bereits verpöntem Handeln stellen. Die in der Begründung zu diesem Thema enthaltenen Ausführungen sind nicht überzeugend. Wenn einem Machthaber bei seinen Entscheidungen ein Ermessensspielraum zusteht, so liegt dann kein Missbrauch vor, wenn die von ihm 2 OGH, 30.01.2014, 12 Os 117/12s, 118/12p. 3 getroffene Entscheidung innerhalb des ihm eingeräumten Ermessensbereiches liegt und plausibel begründet werden kann. Will man die Strafbarkeit jedoch erst dann eintreten lassen, wenn zwar bereits ein Missbrauch vorliegt, dieser jedoch noch nicht unvertretbar ist, so wird dies zwangsläufig zu unlösbaren Abgrenzungsproblemen und zu einer nicht „praxistauglichen“ Norm führen. Das unter der Überschrift „Schaden“ in der Begründung angegebene Beispiel einer Kreditgewährung an einen insolvenzgefährdeten Kunden ist angesichts des Wortlautes der vorgeschlagenen Regelung nicht nachvollziehbar. Die Kreditvergaberichtlinien sind unzweifelhaft solche Regelungen, die „dem Vermögensschutz des wirtschaftlich Berechtigten“ dienen, sollen sie doch sicherstellen, dass eine Rückzahlung hingegebener Darlehen auch tatsächlich erfolgt und der Bank demnach aus einer Kreditgewährung kein Schaden entsteht. Die Zuzählung eines Kredites an einen insolvenzgefährdeten Kreditnehmer (bei Kenntnis dieser Umstände) ohne die gleichzeitige Einräumung hinreichender Sicherheit stellt nach geltendem Recht unbestrittenermaßen den Tatbestand der Untreue her. Der geschilderte Sachverhalt erinnert an die OGH-Entscheidung in der Angelegenheit „Styrian Spirit“3. Wenngleich dieses Judikat eine der zuletzt häufig kritisierten Entscheidungen war, so ist aus der Sicht des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages dazu anzumerken, dass auf der Grundlage des sich aus der Entscheidung ergebenden Sachverhaltes keine Zweifel an der Rechtsrichtigkeit des Urteiles bestehen. Das Grundproblem im Zusammenhang mit dem Tatbestand der Untreue, welches durch den Vorschlag nicht gelöst und in der Begründung nicht einmal behandelt wird, besteht darin, dass völlig unterschiedliche Handlungen in einer einzigen, allgemein formulierten Norm zusammengefasst sind: Ein Täter kann Untreue einerseits dadurch begehen, dass er konkrete Verhaltensanweisungen verletzt, andererseits durch unrichtige wirtschaftliche Entscheidungen. Der Initiativantrag bietet keinen Lösungsansatz dafür, eine angemessene Differenzierung dieser Sachverhalte vorzunehmen, sondern schafft stattdessen unklare und entbehrliche Definitionen. Die im AktG und im GmbHG eingefügte Business-Judgement-Rule ist ein in der Diskussion wiederholt vorgetragenes Argument zur Eingrenzung der Strafbarkeit. Es ist dabei jedoch kritisch zu hinterfragen, ob die allgemein gehaltenen Formulierungen geeignet sind, die an sie gestellten Anforderungen, nämlich die Erreichung von Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit gerichtlicher Entscheidungen, zu erfüllen. Letztlich enthalten die vorgeschlagenen Regelungen nämlich eine große Zahl unbestimmter Rechtsbegriffe: Sorgfalt eines ordentlichen (Geschäftsmannes) und gewissenhaften Geschäftsleiters Sachfremde Interessen Angemessene Information Handeln zum Wohle der Gesellschaft 3 OGH, 29.10.2013, 11 Os 101/13g, 139/13w. 4 Diese Begriffe lassen unterschiedliche Auslegungen zu. Zur Begründung der Strafbarkeit wäre es etwa ausreichend, dem Vorstand einer AG zu unterstellen, dass er ein bestimmtes riskantes Geschäft deshalb unternommen hat, um – bei positivem Verlauf – seine eigene Position in den bevorstehenden Verhandlungen über seine Vertragsverlängerung zu verbessern; dieser Umstand kann durchaus ein taugliches „sachfremdes Motiv“ für eine konkrete Handlung darstellen. Ungelöst sind etwa die Fragen, wie mit dem Untreuevorwurf außerhalb des Anwendungsbereiches von AktG und GmbHG umzugehen ist und wie weit die Pflicht zur Einholung „angemessener Informationen“ reicht. Angesichts dieser Konsequenzen ist der Beibehaltung der bestehenden Regelung – trotz aller daran geübter Kritik – der Vorzug vor einer Änderung im Sinne des Initiativantrages zu geben. Die Formulierungen im Initiativantrag bieten nämlich Ansatzpunkte für eine Interpretation der Norm, die allenfalls sogar über die bestehende Grenze der Strafbarkeit hinausgehen könnte. Zusammenfassend steht der Österreichische Rechtsanwaltskammertag nach wie vor auf dem Standpunkt, dass die von ihm vorgeschlagene Lösung die an die Novellierung gestellten Anforderungen in erheblich größerem Ausmaß erfüllt, als der Vorschlag im Initiativantrag. Der Vorschlag des ÖRAK ist von folgenden Überlegungen getragen: Zweiteilung des Tatbestandes in einen wissentlichen Verstoß gegen ausdrückliche Anweisungen des Vollmachtgebers einerseits und einen wissentlichen Befugnismissbrauch andererseits, sofern letzterer als Voraussetzung der Strafbarkeit auch die Wissentlichkeit bezogen auf die Schadenszufügung umfasst Anhebung der Wertgrenzen im Sinne des Ministerialentwurfs Reduktion des Strafrahmens in jenen Fällen, in welchen ein Täter ohne Bereicherungsvorsatz handelt Beibehaltung der bestehenden, hohen Strafdrohungen für jene Fälle, in welchen der Täter mit dem Vorsatz handelt, sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern Besinnung auf die Ultima-ratio-Funktion des Strafrechtes und sachgerechte Verlagerung der künftig nicht mehr strafbaren Sachverhalte in den Bereich zivilrechtlicher Auseinandersetzungen Diese Zielsetzung kann aus der Sicht des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages durch eine gesetzliche Regelung mit nachstehendem Inhalt erreicht werden: § 153 (1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, wissentlich missbraucht, indem er gegen Anweisungen des Vollmachtgebers verstößt, ist, sofern er diesem dadurch einen Vermögensnachteil 5 zufügt, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen zu bestrafen. (2) Ebenso ist zu bestrafen, wer die ihm eingeräumte Befugnis wissentlich zum Nachteil des Vollmachtgebers auf unvertretbare Weise gebraucht. (3) Wer durch die Tat einen € 5.000,00 übersteigenden Schaden herbeiführt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr zu bestrafen, wer einen € 500.000,00 übersteigenden Schaden herbeiführt, mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. (4) Wer die Tat nach Abs 1 oder Abs 2 begeht, um dadurch sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, ist in den Fällen des Abs 1 und Abs 2 mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen. Wer durch die Tat einen € 5.000,00 übersteigenden Schaden herbeiführt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren, wer einen € 500.000,00 übersteigenden Schaden herbeiführt, mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren zu bestrafen. Wien, am 24. April 2015 DER ÖSTERREICHISCHE RECHTSANWALTSKAMMERTAG Dr. Rupert Wolff Präsident 6
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