Gladbecker Manifest für Menschlichkeit und Solidarität

„Gladbecker Manifest für Menschlichkeit und
Solidarität“
Mindestens 800.000 Menschen werden in diesem Jahr voraussichtlich in Deutschland
Asyl beantragen, viele von ihnen werden dauerhaft in Deutschland bleiben. Das ist
ohne jeden Zweifel eine große Herausforderung. Wir werden diese Aufgabe meistern.
Aber das heißt anpacken!
Wir in Gladbeck leisten zurzeit Enormes. Nicht nur die Stadtverwaltung, mit unserem
Bürgermeister Uli Roland an der Spitze, tut dies in besonderen Maße, sondern auch
unsere Stadtgesellschaft insgesamt. Für die Welle der Hilfsbereitschaft können wir
nicht dankbar genug sein. Es ist richtig und setzt ein Zeichen, dass die Betreuung und
Unterbringung der Flüchtlinge bei der Stadtverwaltung Gladbeck „Chefsache“ ist.
Es kann uns stolz machen, dass überall auch Sozialdemokratinnen und
Sozialdemokraten immer ganz vorne dabei sind, wenn es heißt mitzuhelfen. Wenn es
heißt, geflohene Frauen, Männer und Kinder würdig und menschlich bei uns
aufzunehmen. Und auch wenn es heißt, menschenfeindlichen Hetzern die Stirn zu
bieten. Wir wollen nicht alle Menschen die Ängste und Vorbehalte haben in die rechte
Ecke stellen, aber es muss klar sein: Die Grenze in der Diskussion hört da für uns auf
wo die sachliche Ebene verlassen wird und Hetze und Menschenverachtung beginnt.
Wir
müssen
allerdings
auch
das
massenpsychologische
Phänomen
der
Empathielosigkeit und die vorhandene Gefühlskälte in weiten Teilen der Gesellschaft
zur Kenntnis nehmen und versuchen dem mit Herz und Verstand entgegenzuwirken.
Wir Sozialdemokraten sind in unserer über 150 jährigen Geschichte oft verfolgt worden
– sei es von „Rechts“ oder von „Links“ – und mussten selbst Zuflucht in anderen
Ländern suchen und die Heimat verlassen. Wir sind uns unserer Geschichte bewusst
und sind deshalb heute wie nie zuvor unseren Grundwerten Freiheit, Gerechtigkeit und
Solidarität verpflichtet.
Wir stehen vor drei großen Integrationsaufgaben:
1. Der Integration der Menschen, die zu uns flüchten und hier eine neue Heimat
für sich und ihre Kinder finden wollen.
Wer vor Verfolgung, Krieg und Not flieht, der hofft auf ein Leben in Freiheit und
Sicherheit. Diese Menschen setzen auf unsere Grundwerte! Wir wollen Schutz
gewährleisten und Solidarität beweisen. Für viele Menschen, die zu uns kommen,
beginnt damit ein neues Leben. Das kann für unsere Gesellschaft auch viele Chancen
bringen. Dafür braucht es aber gute Rahmenbedingungen an den Schulen, in der
Nachbarschaft und auf dem Arbeitsmarkt. Die Menschen müssen sich hier nicht nur
zurechtfinden, sondern Teil unserer Gesellschaft werden. Die Regeln hierfür müssen
fair sein und für alle verständlich. Dazu gehört aber auch, dass diejenigen, deren
Zuwanderungsmotive nicht vom Recht auf Asyl gedeckt sind, möglichst schnell
wissen, dass dieser Weg nicht dauerhaft zu uns führen kann. Deshalb unterstützen wir
alle Bemühungen, diesen Menschen so schnell wie möglich Klarheit über Ihren Status
zu geben um bei Ihnen nicht falsche Hoffnungen und Erwartungen zu wecken, die wir
nicht erfüllen können. Des Weiteren hilft dies auch denjenigen, die unseren Schutz
wirklich brauchen.
Asylsuchende und Geduldete, die voraussichtlich lange Zeit in Deutschland bleiben,
sollten vom Tag der Antragstellung Zugang zum Spracherwerb im Rahmen von
Integrationskursen und berufsqualifizierenden Angeboten erhalten. Wir fordern die
entsprechenden Haushaltsmittel des Bundes aufzustocken.
Der Erwerb der deutschen Sprache ist und bleibt der Schlüssel zur Integration. Die
Gladbecker SPD-Ratsfraktion wird deshalb den Antrag stellen, in den städtischen
Haushalt für 2016
eigene Mittel in Höhe von 12.000 Euro für Deutschkurse
einzustellen, die die Kontinuität der Sprachförderung von Flüchtlingen in Gladbeck
gewährleisten werden.
In der Gesundheitsversorgung nimmt Nordrhein-Westfalen mit der Einführung der
Gesundheitskarte
für
Flüchtlinge
mit
Bleibeperspektive
nun
als
erstes
Flächenbundesland eine Vorreiterrolle unter den Ländern ein. Flüchtlinge sind oftmals
bei der medizinischen Versorgung zunächst auf eine behördliche Beurteilung
angewiesen. Die zuständige Stelle bei der Kommune muss ihnen für jeden Arztbesuch
einen Schein ausstellen. Das kann im schlimmsten Fall die notwendige Behandlung
verzögern. Mit der neuen Gesundheitskarte erleichtert die SPD-Landesregierung den
Menschen in NRW den Arztbesuch. Sie haben dann freie Arztwahl ohne den Umweg
über die Verwaltung. Gladbeck wird das Angebot des Landes annehmen und senkt
damit auch den bürokratischen Aufwand. Das bedeutet eine echte Entlastung für die
Mitarbeiter*innen der Verwaltung, die mit der Frage „ob jemand krank ist oder nicht“
oftmals überfordert sind. Dies festzustellen bedarf es in jedem Fall einer ärztlichen
Inaugenscheinnahme. Ob die Gesundheitskarte auch zu finanziellen Einsparungen
führt, bleibt abzuwarten und ggfls. zu evaluieren. Dies darf aber nicht im Vordergrund
stehen.
2. Der Integration und dem Zusammenhalt der deutschen Gesellschaft.
Eine so große Zahl von Zuwanderern aufzunehmen, wird nicht konfliktfrei bleiben.
Darüber müssen wir offen reden. Denn die Gefahr sozialer und kulturelle Spannungen
ist nicht ausgeschlossen.
Wir wissen: Ob Integration gelingt oder scheitert, entscheidet sich vor Ort, in den
Städten und Gemeinden. Deshalb müssen die Kommunen die finanziellen Mittel
haben, für ordentliche Kitas, Schulen, Schwimmbäder und Sportplätze zu sorgen. Seit
langem fordern wir daher, dass der Bund die Länder und Kommunen bei den Kosten
der Flüchtlingsaufnahme umfassend, dauerhaft und strukturell entlastet.
Angesichts der aktuellen Flüchtlingszahlen sind dafür inzwischen mehr als die drei
Milliarden Euro notwendig, die der Bund ab 2016 den Ländern und Kommunen hierfür
zur Verfügung stellen wird.
3. Der Integration und dem Zusammenhalt der Europäischen Union.
Die EU ist mehr als eine Zugewinngemeinschaft, bei der man mitmacht, wenn man
wirtschaftliche und finanzielle Vorteile aus ihr ziehen kann. Der europäische Gedanke
lebt von praktischer und erfahrbarer Solidarität. Deshalb muss es schnell eine
gerechtere Verteilung der Flüchtlinge auf alle 28 Mitgliedstaaten geben. Zum anderen
darf das geltende „Gemeinsame Europäische Asylsystem“ nicht länger nur auf dem
Papier stehen.
Wir Gladbecker Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten bekennen uns deshalb
nochmals ausdrücklich zu den unveräußerlichen Menschrechten, der Charta der
Vereinten Nationen, zu den Regelungen der Genfer Flüchtlingskonvention und allen
völkerrechtlichen Regelungen zur Humanität als Wertegrundlage der zivilisierten Welt
und der europäischen Union.
Deutschland heißt heute für viele Flüchtlinge Hoffnung auf Frieden, Freiheit und
Gerechtigkeit. Wer hätte dies vor 70 Jahren von Deutschland geglaubt? Unser Motto
hier vor Ort ist: „Gladbeck heißt willkommen“. Wir laden alle Gladbeckerinnen und
Gladbecker dazu ein, mitzumachen und ein Zeichen zu setzen für ein weltoffenes,
tolerantes und friedliches Deutschland.
Wir sind fest davon überzeugt, dass alle Bürgerinnen und Bürger insbesondere wir
Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten diese Herausforderung meistern
werden.