Uns geht es um nachbarschaftliche Hilfe

O_2.0
ZEITUNG
QUARTIER
PANKSTRASSE
1
Ausgabe 2 ­_ April 2015
Editorial
Liebe Leserinnen und Leser, liebe Nachbarn,
jeder und jede hat eine Vorstellung davon, was sich im
eigenen Leben aber auch im Zusammenleben – sei es
in der direkten Nachbarschaft oder weltweit – ändern
der schönsten Straßen unserer Nachbarschaft: die
Malplaquetstraße nördlich des Leopoldplatzes.
sollte. Das eigene Leben ist in der Regel einfacher zu
Gleich um die Ecke, im Rathaus Wedding, fand im
zusammen.
lerstraße statt. Bürgerreporterin Michèle Bergner war
ändern als die weltweite Politik. Beides hängt jedoch
Ist nicht die eigene Nachbarschaft ein Ausschnitt des
Weltgeschehens? Woher kommen die Menschen, die
in der nächsten Umgebung leben? Aus der ganzen
Welt. Manchmal kommen plötzlich neue Nachbarn
hinzu. So zum Beispiel in der Pankstraße und der Go-
tenburger Straße. Dort befinden sich zwei Unterkünfte
für Flüchtlinge, die vor allem aus Syrien kommen. Dort
Ja­nuar die erste Sitzung der Stadtteilvertretung Mül-
dort und kann von einigen Skurrilitäten, aber auch vom
engagierten Eintreten für die Entwicklung rund um die
Müllerstraße berichten. Engagiert ist auch ein Nach-
bar, den viele Menschen als Anlaufstation in Notsitua­
tio­nen kennen: Dr. Kingsley Arthur von „Rat + Hilfe e.V.“.
Das Eintreten für die Schwächsten hat ihm nun das
Bundesverdienstkreuz eingebracht. Wir berichten.
wird seit Jahren Krieg geführt, zum Teil mit Giftgas.
Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, hier im Kiez das
schaftlichkeit ist ein hoher Wert und so haben sich im
Men­schen, Erinnerung an Geschichte und – nicht zu-
Menschen zu helfen.
redaktion hat sich 2015 schon mehrere Male getroffen.
So ist das Weltgeschehen plötzlich sehr nah. NachbarWedding Menschen zusammengefunden, um diesen
Manchmal werden bestimmte Dinge auch einfach nur
vergessen. Wie man als Einzelner Erinnerungen aufschreibt, um sie vorm Vergessen zu bewahren, so kann
man das auch im Kiez machen. Gedenktafeln helfen,
ein historisches Bewusstsein für die nächste Umge-
bung zu entwickeln. So ist geplant, den Gedenkstein in
der Wiesenstraße an der Panke mit Tafeln zu ergänzen,
um die geschichtlichen Ereignisse zu erläutern. Dafür
setzt sich die „AG Gedenkstein“ ein.
Was wäre unser Kiez ohne die vielen Inhaber kleiner
Läden, Cafés, Werkstätten, Restaurants? Sicher um
einiges langweiliger. In der aktuellen Ausgabe stellt
das hiesige Gewerbetreibenden-Projekt das Café des
Schicksals und seine Inhaberin, Kader Gün, vor. Und
unsere Partner vom Weddingweiser führen uns in eine
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Zu­sam­menleben zu gestalten: Hilfe für geflüchtete
letzt – die Mitarbeit an der Bürgerzeitung. Die BürgerDiese Treffen sind offen für alle. Wir laden Sie herzlich
dazu ein, sich in die Redaktionsarbeit einzubringen.
Mit dieser Ausgabe erhält unsere Stadtteilzeitung ein
Die Bürgerzeitung im Test
Im Dezember 2014 stellte die Bürgerredaktion die erste
Ausgabe der Q_2.0 auf dem Weihnachtsmarkt des Quartiersmanagements Pankstraße vor. Ein eigener Stand
präsentierte die Zeitung und machte mit einer Fotoaktion
spielerisch neugierig auf die Zeitung. Einige Impressionen
davon finden Sie auf der Titelseite.
In einer Miniumfrage konnten wir neun
Spontanleser davon überzeugen, zwischen
Glühwein und Bratapfel einen Blick in die
Zeitung zu werfen und unseren Fragebogen
auszufüllen. Hier die wichtigsten Ergebnisse.
Welche Themen gehören in Deine Kiezzeitung?
Unter den vorgegebenen Themen schnitten Umwelt,
Kunst und Kultur sowie Essen mit jeweils fünf Nennungen am besten ab. Vier mal wurden Bildung und Sport/
Freizeit als Thema gewünscht. Drei Stimmen gehen an
die Lokalpolitik als Thema und je zwei Mal wurden
Gesundheit und Job/Arbeit genannt. Als zusätzliche
Anregungen kamen Architektur, Stadtplanung, Aktuelles,
Naturwissenschaft und Soziales hinzu.
Könntest Du Dir eine Mitarbeit vorstellen?
Alter der Teilnehmenden
neues Format. Wir verabschieden uns vom handlichen
****************** 18 Jahre
bis
neue Format macht es einfacher, verschiedene Text-
*********************************************
********* 54 Jahre
Quadrat, das uns über einige Jahre begleitet hat. Das
längen und -formate zu integrieren. Zudem ist die Produktion preiswerter – ein nicht unerheblicher Vorteil,
wenn man an die Zukunft des Heftes denkt. Gedruckt
wird das Heft übrigens kieznah in der USE-Druckerei
in der Genter Straße, einer sozialen Einrichtung, die
viele behinderte Menschen beschäftigt.
Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim Lesen – und hoffentlich bald auch beim Mitschreiben
Die Redaktion
Würdest Du Dir die Kiezzeitung besorgen?
ja
(5)
nein
X
(1)
ja
nein
(5)
XX
(2)
Wie könnte Deine Mitarbeit aussehen?
Artikel schreiben 5
Layout
2
Redaktion
1
Fotos
2
Verteilung
1
Wie gefällt Dir das Layout der
Kiezzeitung?
gut
nicht gut
X
(8)
(1)
Der Titel Q_2.0 dient eigentlich als Provisorium, bis eine entscheidungsfähige Bürgerredaktion einen
neuen Namen für die Stadtteilzeitung wählt. Wir fragten trotzdem: Wie gefällt Dir der Name Q_2.0?
gut: Q_2.0! | Q_2.0! | Q_2.0! | Q_2.0! | Q_2.0! | Q_2.0! | Q_2.0! | Q_2.0! (8x)
nicht gut: Q_2.0? (1x)
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Gewerbetreibendenportrait _
Wer gibt unserer Nachbarschaft ihr Gesicht?
Sicher dabei sind die kleinen Läden, Restaurants,
Handwerksbetriebe usw., die mit ihrer Arbeit
mehr leisten als nur die Sicherung ihres Lebensunterhaltes. In Zusammenarbeit mit dem Projekt
„Gewerberaumentwicklung im Kiez“ steht an dieser Stelle stets das Portrait eines Gewerbetreibenden aus unserem Kiez. Dieses Mal berichten
wir über ein Café.
Café
des Schicksals
Café des Schicksals
Gerichtstraße 60
T: 49 086 267
Mo – Fr 7:00 – 17:00 Uhr
Die Inhaberin Kader Gün (rechts) mit ihrer Cousine und besten Freundin bei der Arbeit im Café.
Wenn man den Discounterparkplatz in der Gericht­
gabe des Planes aufkamen, fand ihr Mann im Internet
Freundlichkeit und viel Humor begegnet wird, denn
und Geschäfte, die etwas Besonderes anbieten, hier-
einem sofort die Cafébäckerei mit dem ungewöhnli-
Gerichtstraße. Dieses Mal klappte es. Auch dies sieht
behandelt werden möchte. Ihre Kunden sollen sich als
erst als Anfang. Vielleicht geht dieser Wunsch ja eher
straße gegenüber des Nettelbeckplatzes betritt, fällt
chen Namen ins Auge.
Folgt man den Gerüchen und öffnet die Tür, wird man
vom strahlenden Lachen der Betreiberin Kader Gün
die Anzeige mit dem zu vermietenden Geschäft in der
Kader Gün als Wink des Schicksals an, was einmal
mehr den Namen des Cafés begründet.
begrüßt. Kader, türkisch für Schicksal, erfüllte sich
Seit der Eröffnung im Juni 2014 bietet Sie allerlei frische
steinig, doch mit viel Ehrgeiz und Willensstärke wur-
von herkömmlichen Backshops und dem angrenzen-
mit dem Café einen Lebenstraum. Der Weg dahin war
de die Idee, Slowfood mit viel Liebe in den Wedding
zu bringen, Wirklichkeit. 1994 kam sie aus Anatolien
nach Berlin und merkte schnell, dass es unabdingbar
ist fließend Deutsch zu lernen, um sich eine Existenz
aufbauen zu können. Nach dem Besuch zahlreicher
Volkshochschulkurse machte sie erst den Hauptschul-
abschluss, um anschließend an einer Fernschule auf
Deutsch das türkische Abitur nachzuholen, das hier als
Realschulabschluss anerkannt wird. Den eigentlichen
und selbstgemachte Backwaren an und versucht sich
den Netto abzuheben. Ob Kuchen, Wraps, Quiches,
Türkei verkauft und stadtweit nach einer geeigneten
Immobilie gesucht. Anfänglich fand sie nichts Passen-
des oder der Vermieter war von ihrem Konzept nicht
überzeugt. Als bereits die ersten Gedanken an die Auf-
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selbstgestaltete Einrichtung lässt eine entsprechende
Wohnküchenatmosphäre aufkommen, in der die „Fa-
ist für jeden etwas dabei, egal ob süß oder herzhaft
bevorzugt wird. Auch Catering für Veranstaltungen
bietet sie an, was gerade von der Kreativwirtschaft in
der Gerichtstraße gerne angenommen wird.
Konzept hier funktioniert. Viele Bekannte haben ihr da-
dass ihnen im Café des Schicksals mit Ehrlichkeit,
Fotos: J. Hayner
der Waren in Ruhe ihrem nach dem Lachen zweitlieb­
sten Hobby, dem Schauen von Krimiserien, egal ob
aus den USA oder Deutschland, nachgehen. „Man
wird mit dem Café nicht reich aber glücklich, mehr will
ich gar nicht“.
unterschiedlichen Menschen und das junge, kreative
Propaganda“ reichte aus. Ferner schätzen die Kunden,
Text: Andris Fischer (Lokation:S)
Außerdem kann sie morgens während der Zubereitung
nach dem ein oder anderen Probieren hat sie mittlerkeine Werbung, die sprichwörtliche „Mund-zu-Mund-
Bisher hat ihre Flugangst sie immer daran gehindert.
mit den Kunden treibt sie immer wieder aufs Neue an.
Den Kiez um die Gerichtstraße hat die Kreuzbergerin
weile ihre treue Stammkundschaft. Dafür benötigte sie
in Erfüllung als der, einmal nach New York zu fliegen.
Gün nichts aus. Sie steht jeden Morgen mit guter Lau-
ten nach den altbekannten Croissants und Brötchen.
Doch Kader Gün erklärte den Kunden ihre Waren und
her ziehen sollten. Sie sieht das Café des Schicksals
milie“ zusammensitzt.
ne auf, die Lust am Backen und dem Kommunizieren
von abgeraten und viel zu oft kamen Kunden und frag-
ein Gefühl von Freiheit. Hierfür wurde das Haus in der
handelt sich also quasi um einen Familienbetrieb. Die
das mit ganz viel Liebe zubereitete Panna Cotta), hier
zu widmen. Nach abgeschlossener Ausbildung zur
ständigkeit in Frage kam. Endlich der eigene Chef sein,
rinnen sind eine Cousine und ihre beste Freundin. Es
Der zeitige Arbeitsbeginn um 4:30 Uhr macht Frau
sowie diverse Süßspeisen (besonders zu empfehlen ist
Anfänglich gab es noch Zweifel, ob ihr innovatives
Konditorin war für Frau Gün klar, dass nur die Selbst-
Teil der Familie sehen. Denn ihre beiden Mitarbeite-
Teigtaschen, ein täglich wechselndes Mittagsangebot
Plan Fahrschullehrerin zu werden gab sie schnell auf,
um sich ihrer eigentlichen Leidenschaft, dem Backen,
Kader Gün behandelt alle Menschen so, wie sie selber
mittlerweile lieben gelernt. Gerade die Mischung aus
Potenzial gefallen ihr, „denn Menschen machen den
Kiez schön und nicht die Gebäude“. Die Frage, wie
sich der Kiez in Zukunft entwickeln soll, beantwortet
Kader Gün mit dem Wunsch, dass noch mehr Cafés
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Geschichte im Kiez_
Reporter im Kiez_
AKTUELL:
Gärtnern!
​ artenhelfer auf ehrenamtlicher Basis
G
für Guerilla Gardening gesucht!
Leopoldplatz zwischen Malpaquetstraße und
Maxstraße. Eigene Gartengeräte und Gießkanne
erforderlich, Blumensamen sind genug da.
Bei Müllers zu Besuch
[email protected]
Von Wahlen und Diskussionen im Bezirk
Unsere Einrichtung, das Tageszentrum Wiese 30, bietet
den Stein legen würden. Die beiden Sträuße bleiben
an. Zur Zeit besuchen 20 längerfristig psychisch kran-
immer nur der Strauß einer Partei. Diese merkwürdige
Tagesstrukturierung für psychisch kranke Menschen
ke Menschen unsere Tagesstätte. Bei unseren Spa-
ziergängen entlang der Panke Promenade entdeckten
wir einen großen Findling, auf dem folgendes steht:
jedoch nicht nebeneinander liegen. Am Ende verbliebe
Neues Jahr, neue Runde: Die Stadtteil­vertretung Mül-
Munter wurden die Widrigkeiten mit dem E-Mailvertei-
Geschichte brachte unsere Gruppe auf die Idee, sich
zusammen. Zum ersten Mal in dieser Konstellation
welche die Verwaltung des Etats erschweren. Dies ist
um eine Erläuterungstafel zu bemühen.
Im Heimatmuseum erfuhren wir, dass in den 1980iger
Jahren eine Initiative die Aufstellung des Steines ver-
anlasste. Zufällig fanden wir auch eine Broschüre des
Heimatmuseums, die 2009 eine Sonderausstellung
Geo-Heft über die Weimarer Republik mit. Über den
Blutmai 1929 stand dort: „Und brutaler als anderswo
Brücke. Im Mai 2014 beobachteten wir, dass plötzlich
rote Rosen auf dem Stein lagen. Hin und wieder sahen
wir geführte Gruppen am Stein stehen. Manchmal hörten wir zu und erfuhren interessante, manchmal auch
skurrile Geschichten. Eine Stadtführerin erzählte, dass
die SPD und die Linke am 1. Mai getrennt Blumen auf
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feld der Müllerstraße geplant sind und deren UmsetDazu gründeten sich Arbeitsgruppen und die zustän-
Krieges negative Emotionen …“
Die von Herrn Peter Arndt geleitete Vertretung begann
der BVV gibt, die für die Aufstellung von Gedenktafeln
nicht nur auf die Debatten des Vorjahres bezogen.
Inzwischen erfuhren wir, dass es eine AG Geschichte
zuständig ist. Die Vorsitzende Frau Morgenstern besuchte uns und sicherte zu, unseren Vorschlag in die
BVV einzubringen.
heren Zeiten für die Aufstellung des Steines engagiert?
ort und liegt jetzt gut sichtbar auf der Wiesenstraßen-
werden muss. Solche Debatten erscheinen wohl allen
2015 und die Wahlen der Stadtteilvertretungssprecher.
demokratischen Polizeichefs Zörgiebel aufeinander.“
steckt am Pankeufer. Dann wechselte er seinen Stand-
die Einigung auf eine Lösung von allen abgesegnet
digen Leiter wurden ernannt.
Wir würden uns freuen, wenn Nachbarn uns bei diesem
Wie wir von Anwohnern hörten, lag der Stein früher ver-
teiligten allerdings an nervliche Grenzen zu führen, da
Kernstück der Sitzung waren die Gründung der Ar-
prallen am 1. Mai 1929 in der Kösliner Straße die kommunistischen Proletarier und die Schupos des sozial-
Einkaufsstraße widmet, für fast drei Stunden.
te Austausch über diese Themen schien die Hauptbe-
zung die Stadtteilvertretung über das Jahr begleitet.
untersten Proletarierschichten, während des kalten
Ein Besucher der Tagesstätte brachte kurz darauf ein
tionsgruppe, die sich der Gestaltung der genannten
wohl ein steter Anlass zur Verärgerung. Der permanen-
bis heute und niemand sah sich seitdem im Stande,
das Wissen um die Krawalle, wurzelnd im Elend der
setzungen zwischen NSDAP und KPD gehandelt habe.
Walther-Rathenau-Saal beherbergte die Organisa-
Diskutiert wurden verschiedene Projekte, die im Um-
der Polizei Absolution zu erteilen. Andererseits weckte
und vermuteten, dass es sich um eine Auseinander-
nach den Wahlen Ende 2014. Der geschichtsträchtige
ler oder die zu hohen Kontoführungsgebühren erörtert,
zum Thema machte. Darin stand folgender Satz: „Die
Tragik des Geschehens und der vielen Opfer berührt
Wir fragten uns sofort, was da früher geschehen sei
lerstraße kam am 8. Januar im Weddinger Rathaus
Vorhaben unterstützen. Wer hat sich eigentlich in frü-
Das nächste Treffen der AG Gedenkstein findet am
30.4.2015 von 17:00 – 18:30 in unserer Einrichtung statt.
Alle sind herzlich eingeladen.
Katrin Schäfer
Tageszentrum Wiese 30
13347 Berlin
T: 4 621 062
[email protected]
Text und Fotos: Katrin Schäfer
bereits mit unterschwelligen Anspielungen, die sich
Auch Persönliches wurde in Angriff genommen und
stieß auf unterschiedliche Reaktionen. Diese reichten
von erhitzten Gemütern bis hin zu völligem Desinteresse – je nachdem, wie lange sich die Mitglieder bereits
kannten oder wie alt sie waren. Die jungen Neuen wirkten erschrocken, während alteingesessene Vertreter
abwinkten und gespielt gelangweilt taten. Das Gremi-
als kraft- und zeitraubend.
beitsgemeinschaften für die zu bearbeitenden Themen
Überraschend schnell wurde sich für die vorgeschlagenen Kandidaten entschieden, deren Namen auf gelben bzw. grünen Zetteln aufgeführt waren. Diese wur-
den zur Abstimmung verteilt und getrennt nach den zu
verteilenden Posten wieder eingesammelt. Die öffent-
liche Auszählung fand direkt danach statt und war mit
verschiedenen Strichlisten für alle nachvollziehbar. Die
Situation blieb angespannt. Kaum ein Name, der nicht
während dieser Prozedur fiel und damit jeden zu Wort
kommen ließ.
um der aktiven und an der Müllerstraße interessierten
So wurde diskutiert und geklärt, um das neue Arbeits-
die verschiedener nicht sein könnten. Dies zeigt sich
Müllerstraße“, die einen Teil der Öffentlichkeitsarbeit
BürgerInnen setzt sich aus Charakteren zusammen,
vor allem in den kleineren Diskussionen, die deutlich
die Probleme einer Stadtteilvertretung im Alltag spiegelten. Fast jeder hatte etwas beizutragen und die Teil-
nehmer unterschieden sich in Auftreten, Vorstellung
der eigenen Person und Verhalten. Die Angehörigen
jahr beginnen zu können. In der Monatszeitung „Ecke
des Gremiums darstellt, werden die nächsten Termine
für die offenen Treffen bekanntgegeben. Vielleicht ist
dann auch die Q_2.0 wieder dabei …
Text: Michèle Bergner
verschiedener Berufe und Altersgruppen stellten sich
dar und erfüllten die Tagesordnungspunkte mit Leben.
7
Wedding_ hilft
Auf dem „Wedding hilft-Frühlingsfest“ am 22. März
„Uns geht es um nachbarschaftliche Hilfe“
In der Aula wurden provisorische Feldbetten aufgestellt.
Die Kleiderspenden werden sortiert und gewaschen.
Normalerweise spielen die Bürgerkriege und Vertrei-
ger Straße und der Pankstraße vom Landesamt für
Doch was ist „Wedding hilft“ für eine Initiative? Ein
die Unterstützung der Flüchtlinge gesammelt werden.
keine große Rolle. Das ändert sich aber, wenn die Ge-
chenende beschlossen wurde und die AWO dann die
zum Interview. Er erzählt, dass die Gründung der Initi-
en zusammen. Einmischen in die Flüchtlingspolitik will
bungen, die in anderen Ländern stattfinden, für uns
flüchteten aus diesen Ländern unsere Nachbarn werden.
Im Jahr 2012 wurden in Deutschland über 64.000 AsylErstanträge gestellt, im Jahr 2014 bereits
deutlich
mehr als doppelt so viel. Und einige dieser Asylbewer-
ber wohnen jetzt auch hier im Wedding. Es gibt viele
Menschen, die auf so eine Nachbarschaft mit Angst
und Ablehnung reagieren. Sie wollen die Mauern der
Festung Europa noch höher auftürmen und warnen
zuweilen lautstark vor Wirtschaftsmigration und Kriminalität. Andere, wie die Initiative „Wedding hilft“, ver-
bünden sich, um das zu tun, was gute Nachbarn ihrer
Meinung nach nun tun sollten: Helfen.
Ich bin zu Besuch bei Manfred Nowak, dem Bezirks-
vorsitzenden der AWO-Mitte, und will erfahren, wie
ernst die Lage bei der Unterbringung der Flüchtlinge
ist. Die AWO betreut seit 1995 Erstaufnahmeeinrich-
tungen, in denen Flüchtlinge nach ihrer Ankunft unter-
gebracht werden, bis innerhalb von drei Monaten über
ihren Asylantrag – also ihr Schicksal – entschieden
wird. Meistens dauert diese Entscheidung aber viel
länger und dementsprechend voll sind die Unterkünfte.
Herr Nowak ist jemand, der es gewohnt ist Lösungen
zu finden. Er erzählt, dass die Eröffnung der beiden
neuen Erstaufnahmeeinrichtungen in der Gotenbur-
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Gesundheit und Soziales (LaGeSo) quasi übers Wo-
notwendigen Maßnahmen zu treffen hatte, um die
beiden beschlagnahmten leerstehenden Schulen zu
Notunterkünften umzubauen. „Wir haben Betten aus
anderen Einrichtungen geholt, Sanitärcontainer be-
stellt, wir mussten die Verträge abschließen, um die
Essenslieferung sicherzustellen. All diese logistischen
Maßnahmen geschehen sehr kurzfristig bei solchen
Notunterkünften. Das hat dann eher einen Katastrophenschutz-Charakter.“ Doch damit ist das Problem
keineswegs gelöst. Um mit den gestiegenen Zahlen
an Asylbewerbern umzugehen, werden allein in Berlin
derzeit sechs Container-Dörfer aufgebaut und auch
Sporthallen und Traglufthallen bereitgestellt. Es liegt
auf der Hand, dass die Landesregierung überfordert
ist und nicht für alle Flüchtlinge die entsprechende Betreuung gewährleisten kann. Und auch die AWO kann
das Personal nicht aufstocken, solange dafür kein
Geld bewilligt wird.
Umso dankbarer ist Nowak für das Engagement von
„Wedding hilft“. Solche Unterstützernetzwerke können
ihm zufolge all die Aufgaben übernehmen, die mit dem
gegebenen Personal nicht zu leisten sind. Dazu gehö-
ren Sprachkurse, Unterstützung bei Behördengängen,
Kinderpatenschaften, Sachspenden, aber auch Spaziergänge und Sportangebote.
Sprecher des Organisations-Teams trifft sich mit mir
ative von Bürgern ausging, die zuerst aus den Medien
und dann auch von offizieller Seite von der Einrichtung
der Unterkünfte gehört hatten. Man stellte sich sofort
die Frage, wie man den Bewohnern der Unterkünfte
über die Arbeit der AWO hinaus nachbarschaftlich helfen könnte. Schnell war zu einer Auftakt- und Informationsveranstaltung geladen, an der am 19. November
2014 überraschend viele hilfsbereite und interessierte
Bürger teilnahmen und sich erste Arbeitsgruppen bil-
deten. „Nachbarn aller Couleur – Studenten, Rentner,
Familienväter und -mütter, was hier eben so wohnt –
haben das Bezirksamt erst einmal darum gebeten zu
informieren. Das tat auch erst mal ganz gut.“, so der
Sprecher. „Ich glaube, in dem Moment, in dem die
Nachbarn darauf aufmerksam wurden, dass es eine
soziale Herausforderung gibt, der begegnet werden
muss, war die Bereitschaft da.“ Er berichtet von einer
Schule in der Nähe, in der die Eltern zuerst um die Si-
cherheit ihrer Kinder besorgt waren. Nachdem sie aber
erfuhren, dass in den Einrichtungen auch Familien mit
Kindern leben, wollten sie helfen.
Nun soll das schon bestehende Angebot vergrößert
werden. Man will einen Pool von Sprachvermittlern
aufbauen, spezifische Angebote für Frauen und Män-
ner schaffen und natürlich soll auch weiter Geld für
„Wedding hilft“ arbeitet auch mit Politikern und Parteiman sich aber nicht: „Uns geht es in erster Linie um
nachbarschaftliche Hilfe“. Eine Herausforderung bleibt
noch die Beteiligung der Flüchtlinge an der Initiative,
denn schließlich will man ja nicht „mit dem Hubschrau-
ber ein Hilfspaket abwerfen“, sondern erfahren, was
die Bewohner sich wünschen.
Mein Interviewpartner ist sicher, dass man weiterhin
Anlaufstelle für Fragen in der Nachbarschaft sein müsse und man sich immer wieder die Frage stellen werde:
„Was kann man noch machen?“ Da die Initiative ihre
wichtigste Aufgabe darin sieht, die Hilfsbereitschaft
zu bündeln, zu koordinieren und aufrecht zu erhalten,
kann sich jeder, der helfen möchte, an sie wenden.
www.wedding-hilft.de
(Bedarfslisten für Spenden auf der Homepage)
(Sachgebundene) Geldspenden für „Wedding hilft“
können, bis zur Einrichtung eines eigenen Kontos,
unter dem Verwendungszweck „Wedding hilft” auf das
Spendenkonto von „Moabit hilft“ überwiesen werden:
Spendenkonto :
Moabit hilft – Diana Henniges
Ktnr.: 4435459 BLZ:10077777
IBAN: DE74100777770443545900
Text: Philipp Wunderlich
Fotos: Philipp Wunderlich, Benjamin Renter
9
Wedding_ hilft
Kommentar
von Jakob Hayner
In letzter Zeit sorgen allerlei Abkürzungen für Unbehagen: Pegida, Legida, Hogesa. Dahinter verbirgt sich der Hass auf andere Menschen. Doch es gibt etwas, was keine großen
Aufmärsche braucht und was sich nicht abkürzen lässt: Menschlichkeit. Sie zeigt sich in
unmittelbarer Hilfe. Menschen, die vor Gewalt, Terror und Verfolgung geflohen sind, die
ihren Besitz, ihre Familie und Freunde aufgeben mussten, bitten in Deutschland, einem
der reichsten Länder der Welt, um Asyl. Sie sind in Not. Menschen in Not sollte geholfen werden. Der Staat kann und mag die Hilfe, die diese Menschen benötigen, nicht im
umfassenden Rahmen organisieren. Deswegen ist jeder und jede Einzelne gefragt. Die
Frage »Wie wollen wir leben?« muss gemeinschaftlich gestellt und beantwortet werden.
Vereine wie »Wedding hilft« geben eine Antwort, die einfach und menschlich ist. Hilfe
wird geleistet, wo sie benötigt wird, begonnen bei den kleinsten Dingen: Kleidung, Nahrung, Kommunikation. Es gibt einfache Antworten, die richtig sind. Im Moment gibt es in
Deutschland einen Konflikt, der die Frage des Umgangs mit notleidenden Menschen auf
der Flucht betrifft. Dieser Konflikt findet in den Parlamenten statt. Aber er findet auch im
Alltag statt. Dieser Konflikt verlangt, dass jeder und jede Partei ergreift: Für die nicht zu
verkürzende Menschlichkeit statt der Unmenschlichkeit der Abkürzungen.
Mäggi Hofmaier organisiert den Runden Tisch von „Wedding hilft“.
Frau Hofmaier, Sie sind eine von 40 Unterstützern von
„Wedding hilft“. Wie können Anwohner sich für die Flüchtlinge engagieren?
Das Wichtigste ist, das Ankommen und Zusammenleben
der Geflohenen zu unterstützen. Wir wollen, dass auch sie
ihre Nachbarn kennenlernen, denn persönliche Kontakte
sind das Hilfreichste für beide Seiten.
Wie also hilft Wedding?
Seit unserem ersten Treffen im November haben wir uns in
verschiedenen Arbeitsgruppen organisiert. Weil die Geflohenen aus verschiedenen Kulturräumen kommen, ist Berlin mit seiner offenen Art eine große Herausforderung. Wer
würde nicht vor dem BVG-Plan die Hände über dem Kopf
zusammenschlagen, wenn er noch niemals U-Bahn gefahren ist? Wir finden für jeden, der helfen will, einen Platz. Interessierte kommen am besten zum Runden Tisch.
Aber meine Zeit ist leider begrenzt…
Es ist nicht selten, dass ehrenamtliche Mitarbeit am persönlichen Zeitplan scheitert. Vor allem, wenn man Familie
hat und arbeitet. Aber für jeden findet sich das Passende.
Es müssen auch nicht immer alle präsent sein. Feste müssen länger im Voraus geplant werden. Aber man kann die
Asylsuchenden auch bei Behördengängen begleiten. Diese Termine sind planbar, manchmal kurzfristig. Spricht
man eine der Sprachen der Geflüchteten, umso besser.
Häufig ist dort die Anwesenheit einer dritten Person ausschlaggebend, die Deutsch spricht.
Lernen die Bewohner in den Unterkünften kein Deutsch?
Es handelt sich um Erstaufnahmen, in denen die Geflohenen bis zu drei Monate wohnen. Erst nachdem ihr Aufenthaltsstatus geklärt ist, dürfen Asylsuchende Deutschkurse vom Bundesamt für Migration besuchen. Daher bietet
10
Nachbarn_
Bundesverdienstkreuzträger unter sich: Evelyn Werther und Dr. Kingsley Arthur
Am Bande
Dr. Kingsley Arthur bekommt das Bundesverdienstkreuz
Ein kleines, nicht gerade helles Ladenlokal in der Exer-
Der Betriebswirt und Theologe stammt ursprünglich
ßig. Viele Menschen aus unserem Kiez kennen diese
Herz schlägt für Wedding, weil quasi die ganze Welt
die AG Sprache Kurse in den Unterkünften an. Es werden
Menschen gesucht, die nachmittags Kurse für Mütter und
Kinder anbieten. Gerade Kinder lernen sehr schnell. Wir
würden uns über Unterstützung durch arabisch- und türkischsprechende Anwohnern im Wedding sehr freuen.
zierstraße. Die Einrichtung ist schlicht und zweckmä-
Was benötigt denn Ihre Spendenkammer?
Viel mehr Platz. (lacht) Wirklich. Ich möchte mich im Namen
der Bewohner für die Massen an Spenden bedanken, die
bisher reingekommen sind. Es ist wirklich unglaublich, wie
viele Menschen auf einfache Art helfen. Wir haben eine
sehr tolle Leiterin, die Kleider, Kuscheltiere und Spielzeug
logistisch koordiniert. Zurzeit brauchen wir aber keine
Spenden, sondern Hände die helfen, Sachen zu ordnen.
bietet, die sie brauchen. Dieser Einsatz wurde nun mit
Ist das nicht eigentlich Aufgabe des Betreibers?
Der Betreuungsschlüssel der AWO-Mitarbeiter ist leider
sehr niedrig und die Arbeitszeit angesichts der notwendigen Aufgaben knapp. Jetzt wohnen über 150 Personen
hier, viele davon Kinder. Alle haben viele Bedürfnisse. Das
Personal ist sehr engagiert und tut ohnehin schon mehr,
als es müsste.
Werden die Unterkünfte denn langfristig bleiben?
Ja. Da es sich um Schulen handelt, die quasi über Nacht
bezogen wurden, werden die Räume jetzt für die neue
Funktion umkonzipiert. Jeder, der handwerklich unterstützen will, ist willkommen! Täglich kommen mehr Geflüchtete und brauchen ein Dach über dem Kopf. Wir freuen uns
auch noch in einem Jahr über Hilfe. Es wäre schön, wenn
es uns gelingt, durch ein gemeinsames Miteinander etwas
Ablenkung in das Leben unserer neuen Nachbarn zu bringen. Sie haben viel verloren. Das für eine Stunde oder zwei
zu vergessen, hilft, um wieder Fuß fassen zu können.
Räume. Menschen, die Rat und Hilfe brauchen. Und
die sich deshalb an „Rat + Hilfe e.V.“ wenden. So heißt
der Verein, der hier sitzt und Unterstützung für alle andem Bundesverdienstkreuz am Bande für den Vorsitzenden des Vereins, Dr. Kingsley Arthur, honoriert.
Am 13. März fand die Verleihung in der Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen statt. Plötzli-
che war das Interesse am Verein groß. Dr. Kingsley
aus Ghana. Schon lange lebt er im Wedding. „Mein
im Wedding wohnt. Es ist ein bunter Bezirk. Ein Brenn-
punkt. Einer der ärmsten Orte unserer Stadt, aber
auch einer der interessantesten. Hier sieht man so
viele Kulturen, so viele Menschen, so viele Nationen.
Bitterarme Menschen und Menschen, die ihr gutes
Auskommen haben. Eine Sache verbindet uns alle: die
Menschlichkeit.“
Text und Foto: Johannes Hayner
Arthur kam den Anfragen gerne nach: „Man hat uns
anerkannt und ausgezeichnet. Dann können wir auch
darüber sprechen.“ Aus der medialen Zuwendung, so
An Rat + Hilfe e.V.
16.3.2015
2004 „Rat + Hilfe e.V.“. Hilfe finden hier nicht nur Chris-
Ich bin sehr froh und dankbar, dass es Euch gibt. Ohne
euch wäre ich jetzt vermutlich immer noch Obdachlos.
Danke, dass Ihr mich mit offenen Armen aufgenommen
habt und mir unkompliziert mit Rat und Tat zur Seite gestanden habt. Ich war das erste Mal 2013 bei Euch als
es echt Winter draußen war. Ich hatte kein Obdach und
Ihr habt mich aufgenommen. Gemeinsam schauten wir
nach einer Wohnung, die ich mit Eurer Hilfe dann auch
erhalten habe und in der bin ich bis heute noch. Vielen
Dank, dass Ihr mir mit der Wohnung und den bürokratischen Dingen geholfen habt. Fühle mich hier sehr wohl
und würde was ich ja auch bereits tue, jederzeit wieder
auf Euch zurückgreifen.
jeder kann bleiben, was er ist. „Hier kennt man mich
Lieben Gruß und lieben Dank
Bernd L.
hofft er, könne sich auch finanzielle entwickeln, denn
der Verein arbeitet rein ehrenamtlich und ist ständig
auf Unterstützung angewiesen.
Kingsley Arthur ist den Nachbarn nicht nur als Vereinsvorsitzender bekannt. Vielmehr kennt man ihn
als Pfarrer der International Christian Revival Church,
eine freie evangelische Gemeinde, die er selber vor
25 Jahren gründete. Von Anfang an waren Pastor und
Gemeinde sozial engagiert. Weil die Gemeinde allein
diese Arbeit nicht mehr bewältigen konnte, gibt es seit
ten. Der Verein arbeitet nicht missionarisch, jede und
als Sozialarbeiter“, so Arthur „und so soll es auch sein.
Ich trenne das strikt.“
Interview: Lena Reich
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Kultur_
Deutschkurse der VH
S
sind literarisch ak tiv
Die Bibliothek und ihre Leser: Das Bild eines ruhigen
Ortes für Bücherfreunde, die sich aus Sachliteratur
Wissen aneignen oder in Romanen schmökern wollen,
ist eine alte Vorstellung von der Bibliothek. Die Eltern­
akademie an der Volkshochschule Berlin-Mitte in der
Antonstraße geht neue Wege, um den Zugang zu diesem geschlossenen Ort der Bücher vor allem für Mig-
Führung durch die Bibliothek am Luisenbad
auch das Lesen und Sprechen sowie überhaupt der
Los, lass uns gemeinsam lernen!“ der Elternakademie
ständlichen Teil des kulturellen Lebens in den Familien
ren selbstgefertigten Büchern vorlasen. In einem Pro-
ranten und ihre Familien stärker zu öffnen. Dabei sollen
Umgang mit Literatur und Sprache zu einem selbstverwerden. Eltern und Kinder sind ja heute gleicherma-
ßen mit Bildung beschäftigt: Die Kinder als Schüler,
Auszubildende oder Studenten und die Eltern als sich
ständig fortbildende Erwachsene in Beruf und Alltag
erfahren durch ein „lebenslanges Lernen“ viele Impulse und Anregungen, die das Familienleben spannend
machen können. In der Familie zu kommunizieren, tut
Feierliche Geschenkübergabe der Bücher in Leichter Sprache
Dank der Unterstützung des Fördervereins Stadtbibliothek Mitte e.V. konnten für die Bibliothek am
Luisenbad viele neue Medien in Leichter Sprache
gekauft werden, die seit Jahresende 2014 den
Besucherinnen und Besuchern zur Ausleihe zur
Verfügung stehen.
Texte in Leichter Sprache bestehen aus sehr einfachen,
kurzen und gut verständlichen Sätzen. Fremdwörter
werden vermieden oder erklärt. Leichte Sprache wen-
det sich an Menschen mit geringen Lesefähigkeiten
und wird häufig im Kontext von Alphabetisierungskursen eingesetzt. Zudem profitieren Leserinnen und
Leser mit Migrationshintergrund und einer anderen
Neues“ oder „Romeo und Julia“ locken künftig die ge-
lesen und ausleihen.
Bibliothek am Luisenbad
Travemünder Str. 2, Ecke Badstraße, 13357 Berlin
T: 901 845 610
E-Mail: [email protected]
tenen Texten. Bestseller und Romane wie „Tschick“,
Öffnungszeiten:
Mo – Fr 10.00 – 19.30 Uhr
Sa 10.00 – 14.00 Uhr
Freunde“, aber auch Klassiker wie „Im Westen nichts
Text: Sarah Tscholl, Bibliothek am Luisenbad
Muttersprache als Deutsch von den einfach gehal„Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ und „Ziemlich beste
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bei ein Anlaufpunkt, um sich neue Anregungen in Form
von Büchern oder Veranstaltungen zu holen.
durchgeführt. So kommen schon sehr früh Mütter mit
und Kinder Medien in fast 50 verschiedenen Sprachen
Kooperation mit der Bibliothek am Luisenbad wurden
diese Werke nach einer Ausstellung in den Präsenzbestand der Bibliothek aufgenommen.
des Lesens“ beim Hoffest im Medienhof-Wedding 2012
cherinnen und Besucher ein vielfältiges Angebot an
spracherwerb. In der Kinderbibliothek können Eltern
bänden mit Illustrationen gedruckt wurden. Durch die
und tut neue Horizonte auf. Und die Bibliothek ist da-
Mit Teilnehmern aus Deutschkursen hat die Elternaka-
Büchern, Hörbüchern und Sprachkursen zum Zweit-
kleine literarische Werke verfasst, die in zwei Sammel-
Andere literarische Events mit Migranten aus Deutsch-
nannten Zielgruppen in die Bibliothek am Luisenbad.
Neben Medien in Leichter Sprache finden die Besu-
jekt zur Sprach-, Lese- und Lernmotivierung hatten sie
gut. Diskussionen sind anregend und notwendig, ein
interessantes Gespräch schafft Klarheit, löst Probleme
Bücher in Leichter Sprache in der Bibliothek am Luisenbad
2012, als sie in der Rudolf-Wissell-Grundschule aus ih-
demie Führungen durch die Bibliothek am Luisenbad
ihren Babys aus der Mütter-Sprachlerngruppe in die
Bibliothek, um sich über den Bestand und die Benut-
zung des Hauses durch eine Mitarbeiterin informieren
zu lassen. Auch im historischen Puttensaal fanden in
den letzten Jahren Veranstaltungen statt. So hatte ein
deutsch-arabischer Kurs für Schüler der Wedding-
Schule zweisprachige Lesungen präsentiert. Im Rahmenprogramm gab es dazu Musikbeispiele aus der
arabischen und westeuropäischen Tradition.
Geschichten schreiben und vor einem Publikum vorlesen. Dieses Erlebnis hatten die arabischen Schüler
Mohamad, Jihan, Kawthar, Rasha, Siad, Lina, Iman,
Diana, Hala, Nour, Bayan, Pascha, Nadin, Riem, Ray-
an, Hiba H. und Hiba T. vom Kurs „Yalla nadrus sawa!
kursen fanden während der „Woche der Sprache und
statt. Frauen aus arabischen und asiatischen Ländern,
Afrika oder der Türkei rezitierten deutsche Lyrik. In klei-
nen Gruppen wurden literarische Lektüreerfahrung­en
ausgetauscht und darüber diskutiert, welche Märchen
in ihrer Heimatsprache sie als Kinder geliebt und welche Romane sie als Jugendliche und Erwachsene gelesen haben. Und nicht zuletzt zeigt die Schreibwerk-
statt in der Ferienschule der VHS seit einigen Jahren,
wie literarisch aktiv Kinder und Jugendliche sein können. Das Potenzial an Schreiblust ist so groß, dass jedes Mal eine kleine Zeitung mit Erzählungen, Gedichten, Rezensionen über Computerspiele, kleine Essays
und anderen Textformen produziert wird. 2014 wurden
auch Hörspiele mit eigenen Texten erstellt.
Dieser Hunger nach Literatur und diese Lust am
Schrei­ben macht optimistisch, auch für das vorliegende Projekt der Bürgerzeitung: An Autoren und Autorinnen im Wedding scheint es nicht zu mangeln.
Text: Ewald Schürmann
Foto: Elternakademie/VHS-Berlin-Mitte, Ewald Schürmann
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Blick aus dem Café Tassenkuchen
Aus der Redaktion des Internet-Blogs "Weddingweiser" finden Sie hier regel­mäßig Artikel über
die schönen Seiten des Wedding.
Malplaquetstraße
Die Ausnahmestraße
Das Schöne am Wedding ist, dass er so entspannt ist.
Hier findet sich Berlin wie unter einem Brennglas,
aber ganz ohne das Überdrehte von Prenzlauer Berg,
Fassaden könnten den Eindruck vermitteln, die Malplaquetstraße sei die neue Edelmeile.
den angestaubten Chic von Charlottenburg oder das
Doch was die meisten Ladenflächen im weiteren Ver-
Stellen jedoch trifft die typische Weddinger Schmud-
gen, Beratungsstellen, Vereine und Parteilokale. Die
Rollkoffer-Geklapper von Kreuzberg. An ganz wenigen
deligkeit sogar auf angenehmen Lifestyle, ohne dass
gleich ein Riesen-Hype daraus entsteht. Die Malplaquetstraße ist ein solcher Ort – Ausnahmeerscheinung
und typische Wohnstraße zugleich.
Wie so oft im Wedding sollte man sich vom schön
klingenden französischen Namen der Straße nicht täuschen lassen: 1891 wurde die Straße, wie die Straßen
im ganzen Kiez, nach Ereignissen und Personen des
Das südliche Ende der Malplaquetstraße
lauf der Straße ausfüllt, sind eher soziale Einrichtun-
Essen und Weinen, zu Preisen, die dem Viertel ange-
Weit über die Kiezgrenzen hinaus bekannt und beliebt
kleinen dreieckigen Plätze, an denen die Querstraßen
matisch mit hochpreisigem Luxus gleichsetzen lässt.
dem Antiquariat Mackensen hat es nicht geschadet,
abknicken, sind seit vielen Jahren Treffpunkte von Al-
koholikern und sozialen Randgruppen. „Nervt manchmal, stimmt“, kommentiert Anwohner Peter auf unserer Facebookseite, als es um die Malplaquetstraße
geht. „Aber das ist auch das Leben – und zwar mit
allen Facetten, nicht nur den schönen. Und die will ich
um mich herum haben, denn es wird sie immer geben.“
messen sind, bietet er Qualität, die sich nicht auto„Qualität, das ist auch, wenn es wie hier noch Raum für
Ideen gibt“, sagt Philippe. Die Nachbarschaft ist enga-
giert, es gibt Hausgemeinschaften sowie neue und alte
Wohnprojekte, von denen das „Karl-Schrader-Haus“
aus dem Jahr 1906 das bekannteste sein dürfte. Auch
die Hausgemeinschaft in der Nr. 13 a zeigt Perspekti-
ven auf, wie sich die Bewohner für ihre eigenen Inte­
ressen einsetzen können.
Spanischen Erbfolgekriegs (1701– 1714) benannt. Im
Philippe geht noch weiter. Der 40-jährige Wahlberliner
sogar eine der blutigsten Schlachten der Neuzeit statt.
Randgruppen das Viertel vor explodierenden Mieten
deren Weddinger Straßen abhebt, ist der ausgespro-
die Malplaquetstraße ist ein attraktiver Wohnort. Hier
ders“ und dem TassenKuchen-Café lockt der mittlere
nordfranzösischen Malplaquet fand mit 35.000 Toten
Das südliche Ende der Straße stellt ein vielverspre-
chendes Entrée für den Kiez dar. An beiden Ecken
dreht es sich um Wein: in der Bar „WG – Weine & Ge-
flügel“ und auf der anderen Ecke mit dem Wein- und
Delikatessenladen „Spiritus Mundi“. Schon seit Jahren
steht dieser Laden für hochwertige Genussmittel und
war ein Pionier in diesem Teil des Wedding. Und in
der Tat, auch die intakten Altbauten mit ihren bunten
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Ecke Nazarethkirchstraße
mit italienischen Wurzeln glaubt, dass die sichtbaren
schützen können. Das ist auch dringend nötig, denn
gibt es die Infrastruktur einer großen Stadt und zugleich
die Überschaubarkeit eines Dorfes. „Jeder kennt hier
jeden, man redet miteinander und ich kann mich auf
mein Netzwerk verlassen“, sagt Philippe, der an der
Ecke Utrechter Straße den italienischen Feinkostladen
„Parma“ betreibt und selbst seit zwölf Jahren in der
Malplaquetstraße wohnt. Mit qualitativ hochwertigem
Was die Malplaquetstraße aber am meisten von an-
chen vielfältige Mix. Mit dem Gastro-Pionier „Schra-
Abschnitt der Straße Besucher aus der ganzen Stadt
an, die die großstädtische und zugleich dörfliche At-
mosphäre des baulich intakten Viertels zu schätzen
wissen. Mit der bodenständigen Kneipe Café Morena
und dem alles andere als abgehobenen Kulturverein
ist die theaterbetonte Erika-Mann-Grundschule. Und
mitsamt der schönen Inneneinrichtung vor ein paar
Jahren an die Malplaquetstraße gezogen zu sein.
Sogar ein „Mini-Kaufhaus“ an der Ecke Amsterdamer
kann der Kiez aufbieten. Eine vergleichbare Vielfalt
gibt es im Wedding höchstens im Sprengelkiez. Was
vielleicht noch fehlt, ist ein Lebensmittelladen. Und
abgesehen von den Straßenbäumen ist das dicht bebaute Viertel alles andere als grün. Zumindest ist heute
weniger Müll auf der Straße als früher: „Als ich hierher
zog, lag im Sommer noch der Silvesterdreck in den
Ecken“, erinnert sich Philippe. Auch waren Kriminelle
im Straßenbild sichtbar – was sich deutlich geändert
habe. Heuer fällt es schwer alles aufzuzählen, was es
an Gastronomie, Nachbarschaftsinitiativen und Einrichtungen in der Malplaquetstraße gibt. Eben eine
richtige Ausnahmeerscheinung, die Straße!
Fotos und Text: Joachim Faust/Weddingweiser
Mastul ist wirklich für jeden Geschmack etwas dabei.
Doch nicht nur, wenn es um die Abendgestaltung geht:
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Die Kulturermittler stellen kulturelle Phänomene und
künstlerische Projekte im Quartier Pankstraße vor:
„Tiere in der Großstadt“
Die Klasse 3a der Wedding-Schule richtet Ihren Blick
in dem Kunstprojekt „Tiere in der Großstadt“ auf die
Tiere, die ihr jeden Tag in der Stadt begegnen.
Wie bewegen sie sich, welche Farben haben sie, welche
Laute machen sie, sind sie weich oder stachelig, wo
wohnen sie?
Gemeinsam mit der bildenden Künstlerin Anna Falkenstein und der Klassenlehrerin Cornelia Löffler erforschen
die Kinder all diese Fragen. „Tiere in der Großstadt“ ist
ein Teil des diesjährigen schulumfassenden Projektes
Impressum
„Expedition Wedding“, in dem Kinder, Lehrer und
Erzieher der Wedding-Schule öffentliche Innen- und
Außenräume des Quartiers in künstlerischen Prozessen
erkunden und nutzen.
Das Projekt wird im Rahmen des Modelprogramms
„Kultur­agenten für kreative Schulen“ und mit Unterstützung der Kulturagentin Anne Krause umgesetzt.
Die Kulturermittler führen das Projekt „WIR IM QUARTIER“
in Zusammenarbeit mit dem QM Pankstraße durch.
www. kulturermittler.de/ [email protected]
Titel: Fotoaktion der Bürgerredaktion auf dem Weihnachtsmarkt des QM Pankstraße · Fotos: Johannes Hayner, Volker Kuntzsch,
Anna Lindner · Redaktion: Michèle Bergner, Anna-Dorothea Falkenstein, Andris Fischer, Jakob Hayner, Johannes Hayner, Volker
Kuntzsch, Anna Lindner, Christa Sämisch, Katrin Schäfer, Maja Schudi, Ewald Schürmann, Weddingweiser · Satz und Gestaltung:
georg+georg · Kontakt Redaktion: [email protected] · Herausgeber: Johannes Hayner, Volker Kuntzsch · Redaktions­
anschrift: georg+georg, Gerichtstraße 23, 13347 Berlin
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