Ankündigung 4. Advent (JBu) - Evang. Kirchgemeinde Frauenfeld

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Ankündigung der Geburt Jesu Lukas 1, 26-38
4. Advent 2014 Frauenfeld
Liebe Gemeinde,
die biblische Geschichte, die heute zu uns reden will, ist sozusagen der innerste Kreis aller Adventsbotschaft und allen Adventsglaubens. Der Engel kommt
zur Jungfrau Maria, um ihr zu sagen, dass sie die menschliche Mutter Gottes
sein soll und sein wird.
Ich halte es hier mit Karl Barth, der 1929 über dieses Bibelwort gepredigt hat. Er
legte der Gemeinde ans Herz, diese Geschichte als heilige Geschichte zu hören und sie nicht zu vermischen mit unserer eigenen Geschichte. Es könne sich
nicht darum handeln, sie auf unser Leben anzuwenden, als ob wir in unserem
Leben diese Geschichte nachahmen oder fortsetzen könnten. Diese Geschichte ist Evangelium, also frohe Botschaft und nicht Gesetz, das uns sagt: tu
das Gleiche! Maria ist Maria, und wir sind wir und das ist zweierlei. Wir sollen sie
hören und glauben und froh werden darüber, dass Gott hier gehandelt hat
und zu uns redet!
Ich bin überzeugt, dass wir das auch in unserer Zeit beherzigen müssen! Auch
heute wird von wohlmeinenden Leuten so von Weihnacht gesprochen, dass
sie scheinbar „lebensnah“ wird. In Wahrheit wird der Weihnacht eben damit
die Freude geraubt, etwa wenn gesagt wird: ‚Mach’s wie Gott, werde
Mensch!’ Oder ‚Christus muss auch in uns geboren werden’. Oder ‚wenn wir
teilen oder lieben, dann wird es Weihnachten!’ Alles gut gemeint! Aber damit
wird eben das, was Gott allein für uns getan hat, in dem er in Jesus Mensch
geworden ist, wieder zu unserer Aufgabe! Gesetz statt Evangelium. Moral statt
Gnade.
Im 6. Monat wird der Engel Gabriel in eine Stadt in Galiläa geschickt zu einer
Jungfrau. Es ist Maria, die mit Josef verlobt ist. Dieser stammt aus dem Haus
Davids. Der Evangelist Lukas schließt mit dieser Einleitung die Verkündigung
der Geburt Jesu mit der Geschichte Johannes des Täufers zusammen. Er weist
hin auf dessen Mutter Elisabeth, die mit ihm im 6. Monat schwanger ist. Johannes, der älter ist als Jesus und ihm vorangeht, um ihm den Weg zu bereiten, sagt später von Jesus: „Nach mir kommt ein Mann, der mir voraus ist, weil
er vor mir war.“ (Joh 1, 30).
Betrachten wir die Geschichte der Verkündigung näher. Zuerst die Botschaft
des Engels und danach die Antwort der Maria.
„Sei gegrüßt!“ – Nicht ein „Schalom“, nicht „Friede sei mit dir“, sondern ein
Gruß, aus dem wir hören: Freue dich. Es ist das griechische Wort „chaire“, indem die Freude mitklingt. Mit diesem Gruß des Engels beginnt das Neue Testament. „Ich verkünde euch große Freude“ wird in der Heiligen Nacht den
Hirten gesagt. Und am Ende hören wir bei der Begegnung mit dem auferstandenen Jesus: „Die Jünger freuten sich, als sie den Herrn sahen.“(Joh 20,20)
Pfr. Jürg H. Buchegger, St. Johannstr. 17, Frauenfeld. 052 720 62 73, [email protected]
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Jesus selbst hat davon gesprochen, dass er sie wiedersehen wird und sie sich
freuen werden und niemand ihnen diese Freude wegnehmen wird.
Freude – das ist das Geschenk, das wir empfangen! Das klingt schon im Gruß
des Engels an. Es ist der Grundakkord der biblischen Geschichte. Evangelium
wird es genannt, aber vielen ist nicht mehr bewusst, was das heißt:
Freudenbotschaft!
Der Gruß des Engels nimmt vielleicht ein Wort aus dem Alten Testament auf,
wie überhaupt die ganze Erzählung getränkt ist mit Worten und Bildern des
Alten Testaments: Da ist zunächst das Wort aus Zefania 3, 14 und 17: „Juble,
Tochter Zion, jauchze, Israel. Freue dich und sei von ganzem Herzen glücklich,
Tochter Jerusalem... Der Herr, dein Gott ist in deiner Mitte, ein rettender Held,
voller Freude frohlockt er über dich.“
Warum darf die Tochter Zion sich freuen, warum darf Jerusalem jubeln? „Der
Herr ist in deiner Mitte.“ Wörtlich: „Der Herr ist in deinem Schoss“. Dieses Wort
kehrt wieder in der Rede des Engels an Maria: „Du wirst empfangen in deinem
Schoss.“
Gott nimmt Wohnung unter seinem Volk. Maria erscheint als Tochter Zion in
Person. So erfüllt sich diese Verheißung Gottes ganz unerwartet. Maria wird zur
Bundeslade, zum Zion: Gott nimmt Wohnung in ihr.
Der Engel spricht weiter: „Du hast Gnade gefunden bei Gott: 31Du wirst
schwanger werden und einen Sohn gebären,
und du sollst ihm den Namen Jesus geben.
32Dieser wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden,
und Gott, der Herr, wird ihm den Thron seines Vaters David geben,
33und er wird König sein über das Haus Jakob in Ewigkeit,
und seine Herrschaft wird kein Ende haben.“
Hier wird die ganze Hoffnung Israels ausgesprochen. Darauf hofft das Volk Israel in dieser Zeit, wo es unterdrückt ist von den Römern, als ein König Herodes
über sie herrscht, der nur ein grausames Zerrbild des König Davids ist, überhaupt ein Fremder. In den Psalmen klagen die Israeliten, dass Gott seinen gesalbten König verworfen hat, den Bund zerbrochen und die Krone zu Boden
getreten hat. Dass alle, die an Israel vorbeikommen, es ausrauben und nur
Spott übrig haben. (z.B. Psalm 89). Sie schreien: Wann endlich wirst du Gott
dich wieder deinem Volk zuwenden und ihm den Messias, den gerechten
König aus Davids Haus senden? Wie lange noch?
So klagen sie, vielleicht sogar in dem Augenblick, als der Engel Gabriel der
Maria den neuen König auf Davids Thron ankündigt. Gott hat sein Volk nicht
vergessen. Jetzt wird seine Verheißung wahr in dem Kind, das Maria durch
den Heiligen Geist empfangen wird. „Seine Herrschaft wird kein Ende haben.“
Alle die Verheißungen, die Gott durch seine Propheten verkündigt hat, gehen
jetzt in Erfüllung. Das ist der Grund, weshalb für Christen das Alte Testament
wichtig und eben auch Gottes Wort ist: Wir könnten nicht verstehen, was uns
im Neuen Testament gesagt wird, ohne den ersten Teil der Bibel. Es würde alles in der Luft hängen. So aber wird deutlich: Gott handelt, indem er sein Wort
erfüllt und die Geschichte weiterschreibt.
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Maria soll das Kind Jesus nennen. Maria hat verstanden, was mit dieser Namensgebung gemeint ist: Jesus, hebr. Ieschua, heißt retten. Der Gott, der rettet, kommt an in dem verheißenen Kind.
Auf die Frage der Maria, wie das denn alles zugehen soll, da sie doch von keinem Mann weiß, antwortet der Engel:
„Heiliger Geist wird über dich kommen, und Kraft des Höchsten wird dich
überschatten. Darum wird auch das Heilige, das gezeugt wird, Sohn Gottes
genannt werden.“
Auch das ist Tempel-Theologie, spricht von Gottes Gegenwart im Tempel. Die
Heilige Wolke, die „Schechina“, ist das sichtbare Zeichen von Gottes Gegenwart. Sie verbirgt sein Wohnen und gleichzeitig zeigt sie es an. Wenn der Engel
nun die gleichen Worte braucht, dann wird damit das Geheimnis Gottes gewahrt: Gott wird das tun! Er wird gegenwärtig sein und an dir handeln. Hier
erscheint Maria als lebendiges Zelt Gottes, in dem er auf eine neue Weise unter den Menschen wohnen will.
Es wird nirgends beschrieben, wie das gehen soll. Da gibt es für uns nichts zu
sehen oder zu spekulieren. Im Gegensatz zu den heidnischen Geschichten
von heiligen Hochzeiten zwischen Göttern und Menschen, wird nirgends gesagt, dass Gott in irgendeiner Weise wie ein Mann mit Maria Verkehr hatte.
Typisch auch – wie die Geschichte endet: „Und der Engel verließ sie.“ In den
nächsten Tagen geht Maria zu Elisabeth und ihre Verwandte stellt fest, dass
Maria schwanger sein muss, weil ihr Kind bei der Begegnung mit Maria im Leib
hüpft. So schlicht ist das alles.
Wir kommen nun zu Maria. Wie antwortet sie auf dieses Geschehen? Zunächst
reagiert sie mit „Erschrecken“ auf den Gruß des Engels und dann denkt sie
nach, was dieser Gruß wohl bedeutet. Sie erschrickt nicht über den Engel,
sondern über den Gruß. Es scheint fast so, als wollte Lukas sagen: Maria war
eine junge Frau, die gewohnt war, mit Gottes Welt zu verkehren, zu beten, zu
hören. Eine Engel bringt sie nicht aus dem Konzept. Sie scheint eine furchtlose
Frau zu sein. „Sei gegrüßt, du Begnadete. Der Herr ist mit dir.“ – Dieser Gruß ist
jedoch nicht alltäglich. Er klingt nach Erwählung, Berufung, einer besonderen
Aufgabe! Das erschreckt. Zugleich ist Maria eine innerliche Frau, die Herz und
Verstand beieinander hält. Das begegnet uns noch einmal in der Weihnachtsgeschichte, wo es heißt: (2, 19): „Maria aber behielt alle diese Worte
und bewegte sie in ihrem Herzen.“ Sie sucht den Zusammenhang zu erkennen, das Ganze von Gottes Botschaft. Sie sucht zu verstehen und bewahrt
das Geschenkte im Gedächtnis.
Maria fragt, aber sie zweifelt nicht. Sie fragt: „Wie soll das geschehen, da ich
doch von keinem Mann weiß?“ Sie fragt nach dem Wie. Das ist für sie nicht
erkennbar: Wie soll sie einen Sohn bekommen, und dann erst noch den Messias? Sie, eine einfache junge Frau aus dem galiläischen Städtchen Nazareth,
von dem man sagt: „Was kann aus Nazareth schon Gutes kommen?“ Sie ist
einem Mann versprochen, mit ihm verlobt: mit Joseph. Aber noch ist die
Hochzeit nicht gefeiert, die Ehe nicht vollzogen. Sie ist Jungfrau. Nun gibt sie
sich zufrieden mit den Worten des Engels. Es ist ihr genug zu hören, dass es
Gottes Werk sein wird.
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Darum gibt sie ihr schlichtes Ja. „Ich bin des Herrn Magd. Mir geschehe, wie
du gesagt hast.“ Wie ist über diese Antwort von Maria gepredigt worden!
Bernhard von Clairvaux (12. Jahrhundert) hat diesen Augenblick dramatisch
in einer Adventspredigt dargestellt: Nach dem Sündenfall der ersten Eltern ist
die ganze Welt verdunkelt und unter der Herrschaft des Todes. Nun sucht Gott
einen neuen Eingang in die Welt. Er klopft bei Maria an. Er braucht die
menschliche Freiheit. Er kann den frei geschaffenen Menschen nicht ohne ein
freies Ja zu seinem Willen erlösen. In einem gewissen Sinn ist Gottes Macht
gebunden an das Ja eines Menschen. Himmel und Erde halten sozusagen
den Atem an im Augenblick, da der Engel Maria verkündigt, wozu Gottes sie
erwählt hat: Wird sie ja sagen? Wird sie ängstlich sein? Gib dein Ja! Und Maria
sagt ja. Ein freies Ja. Maria wird Mutter durch ihr Ja: Sie hört Gottes Wort,
glaubt und gehorcht: Mir geschehe, wie du gesagt hast. Ich stehe dir, Gott
zur Verfügung.
Dann verlässt sie der Engel. Maria bleibt allein zurück mit einem Auftrag, der
über jedes menschliche Vermögen hinausgeht. Keine Engel stehen um sie
herum. Sie muss den Weg gehen, der auch durch Dunkelheiten hindurch
führt, angefangen damit, dass Joseph über ihre Schwangerschaft erschrickt
bis zu dem Augenblick, wo sie ihren Sohn am Kreuz sterben sieht.
„Empfangen durch den Heiligen Geist. Geboren von der Jungfrau Maria.“
Dieses Geschehen ist in das erste Glaubensbekenntnis der christlichen Kirche
aufgenommen worden. Heute sagen viele: Das ist nicht möglich! Das glaub
ich nicht. Das kann ich nicht nachsprechen! Das ist doch eine Legende! Jeder weiß doch, wie Menschenkinder gezeugt und geboren werden! Das wussten auch die Menschen damals. Lukas war immerhin Arzt!
Ich werde jetzt nicht zu einer Beweisführung antreten. Das kann ich nicht. Der
biblische Text bewahrt das letzte Geheimnis. Eines ist mir klar: Wir dürfen Gott
nichts Unsinniges und Unvernünftiges oder der Schöpfung Widersprechendes
zuschreiben. Gewiss. Aber hier geht es nicht um Unvernünftiges, sondern um
die schöpferische Macht Gottes, die die ganze Schöpfung durchdringt. Das
ist am Anfang so, wenn der Sohn Gottes Mensch wird und es ist am Ende in
seiner Auferstehung so. Es ist nicht möglich – sagen die einen. Beides sind somit Prüfsteine unseres Glaubens. Wenn Gott keine Macht hat über die Schöpfung, dann ist er eben nicht Gott. Dann wäre er ein ohnmächtiger Gott, der
vor dem Tod kapitulieren müsste. Aber nun hat er diese Macht und er hat mit
der Empfängnis und der Auferstehung von Jesus eine neue Schöpfung eröffnet.
So können wir zuletzt nur bescheiden neben Maria treten und hören, wie Gott
uns Menschen einen Retter verheißt. Unsere Welt schreit nach einem Retter.
Wir sind verloren: Das deckt uns gerade diese heilige Geschichte auf. Sie sagt
uns sehr deutlich: Wir finden den Retter nicht unter uns, in unseren Reihen. Wir
können ihn nicht selbst hervorbringen. Die Bibel führt uns hier vor Augen: Hier
wird der Sohn Gottes Mensch! Hier überbietet sich nicht ein Mensch, der irgendwie zum Sohn Gottes wird: Hier hat sich Gottes Sohn zu uns herabgelassen!
Wenn wir das nicht mehr glauben wollen oder können, dann wird eben aus
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dem Christentum bloß Moral und Appell. Dann sind wir letztlich allein mit ein
paar interessanten Lehren, die ein gewisser Jesus geäußert hat, der vor 2000
Jahren gelebt hat. Es wäre alles beim Alten geblieben. Gott wäre weit weg
und gerettet wären wir nicht.
Weihnachten dagegen ist Freudenbotschaft: Freut euch! Ihr habt Grund zur
Freude! Das Unfassliche ist geschehen. Gott hat einen neuen Anfang gesetzt.
Er hat sein Wort erfüllt. Jesus ist der menschensuchende, der in die Not einmarschierende, der in die Hölle einschwenkende Himmel. (Paul Schütz). Gott
hat uns aufgesucht. Seine Liebe hat ihn zu uns getrieben. Halleluja. Ehre sei
Gott in der Höhe. AMEN
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