Essen&Trinken. | Freitag, 22. Mai 2015 | Seite 25 Wein fürs Weekend Trouvaillen aus lokalen Reblagen Von Chandra Kurt Stimmung und Wetter beeinflussen seinen Teegeschmack. Der deutsch-britische Staatsbürger Andreas Karrasch (37). Fotos Grand Resort Bad Ragaz Der Teemeister von Bad Ragaz Andreas Karrasch verwöhnt seine Gäste als Tea-Master im Ostschweizer «Grand Resort» Von Geraldine Friedrich Der Ansturm an einem Samstagnachmittag im Januar ist grösser als erwartet. Erstmals hat das «Grand Resort» Bad Ragaz zum Afternoon Tea geladen – mit allem, was dazugehört: dreieckige Gurken- und Lachssandwiches aus Toastbrot, kleine Schokokuchen mit Nüssen, Muffins und Törtchen mit Erdbeeren. Natürlich gibt es auch Scones, das typisch englische Gebäck, welches man erst durchschneidet, dann mit der britischen Spezialität Clotted Cream bestreicht und abschliessend mit einem Häubchen Konfitüre aus roten Früchten bedeckt. Insider sagen auch, dass es sich umgekehrt gehört: Erst Marmelade und dann Clotted Cream – das endet aber meist in einer Sauerei. Neckisches Detail. Andreas Karraschs Manschettenknöpfe. Afternoon Tee made in Switzerland heisst allerdings: Es wird statt Clotted Cream die Schweizer Crème double de la Gruyère serviert. «Die schmeckt nicht nur gut, sondern hat es auch in sich: Der Fettgehalt beträgt 45 Prozent», sagt Andreas Karrasch, Teamaster des Grand Resorts. Ob oberhalb oder unterhalb der Konfitüre überlässt er dem Gast. Drei Cappuccini – pro Jahr Der Name Andreas Karrasch klingt ungefähr so britisch wie, sagen wir mal, Reto Züblin. Das Geheimnis ist schnell gelüftet: Karrasch wurde als Sohn deutscher Eltern in Kingston upon Thames geboren und erhielt damit neben der deutschen die britische Staatsbürgerschaft. Tatsächlich fühlt sich Karrasch aber mehr britisch als deutsch, obwohl er nur bis zu seinem vierten Lebensjahr in Grossbritannien lebte: «Ich kann das auch nicht erklären, aber wenn ich einmal jährlich nach London fliege, fühle ich mich viel heimischer als etwa in der Region Frankfurt, in der ich bis zu meinem 30. Lebensjahr lebte und arbeitete.» Der Hotelprofi wacht in Livree und stets mit weissen Handschuhen bekleidet über die Wünsche und Bedürfnisse der Gäste. Der 37-Jährige ist Profi in Sachen Tee, aber auch bezüglich Eti- kette, denn er ist nicht nur Tea-Master, sondern wirkt auch als Chefbutler des Fünf-Sterne-Hauses. Die Ausbildung zum Tea-Master hat der gelernte Hotelkaufmann vor vier Jahren bei einem bekannten Teeunternehmen in Deutschland absolviert. Bereits damals gab es einen Tea-Master im «Grand Resort», der verliess jedoch das Unternehmen. Karrasch, damals ein Jahr in Bad Ragaz, wurde gefragt, ob er sich das vorstellen könne. Er konnte, denn Karrasch war schon immer passionierter Teetrinker, heute ist er einer von insgesamt drei Tea-Mastern in der Schweiz. Mit Kaffee, so sagt er, kann er im Grunde nichts anfangen: «Wenn es hoch kommt, trinke ich drei Cappuccini pro Jahr.» Im ersten Ausbildungsblock absolvierte er die Theorie und musste in einer Abschlussprüfung verschiedene Tees anhand der Farbe vor und nach dem Aufguss sowie aufgrund des Geschmacks unterscheiden. Karrasch: «Kräutertees wie Pfefferminze oder aromatisierte Tees sind einfach zu erkennen, auch lässt sich ein Darjeeling im Vergleich zu einem Earl Grey leicht herausschmecken, aber die erste Ernte (first flush) von der zweiten Ernte (second flush) einer Teesorte zu unterscheiden – das sind dann nur noch Nuancen.» Im zweiten Teil der Ausbildung ging es eine Woche nach Sri Lanka. Dort habe er selbst Tee gepflückt und erlebt, wie hart die Arbeit der Pflückerinnen ist: «Die Frauen sind teilweise 60 Jahre alt, stehen den ganzen Tag in der prallen Sonne an steilen Hängen, ernten gewissenhaft einzelne Teeblätter und transportieren diesen in einem Korb, den sie auf dem Rücken tragen.» Die Ernte wiegt dann am Abend bis zu 15 Kilogramm pro Pflückerin, je schwerer, desto besser, denn bezahlt wird nach Gewicht. «Wir selbst haben in einer halben Stunde keine 100 Gramm geschafft», erinnert sich Karrasch. Nachts bei Vollmond Angesichts der Schufterei sollte man Tee auch schätzen, findet der Brite. Guten Tee kauft man hierzulande im Teeladen, preislich beginnt er bei sieben bis zehn Franken pro 100 Gramm, nach oben seien die Grenzen allerdings offen, oder wie Karrasch es formuliert: «Es gibt Teesorten, da muss nachts bei Vollmond ein Panda drübergelaufen sein.» Das kostet natürlich extra. Der TeeExperte legt weder Wert auf Gedöns dieser Art noch hat er einen speziellen Lieblingstee. Er entscheidet nach Stimmung und Wetter. «Im Moment wäre mir nach einem chinesischen Grüntee namens Gyokuro, das heisst so viel wie ‹edler Tautropfen›, im Sommer trinke ich gerne Rooibos, der schmeckt auch kalt.» Genaugenommen ist Rooibos aber kein Tee, genauso wenig wie Pfefferminze oder Kamille. Echter Tee stammt ausschliesslich von der Teepflanze, Kräuter- und Früchtetees nennen sich korrekt «Infusionen». Bei der Qualität ist die Ernte entscheidend, aber auch die weitere Verarbeitung. Tees können mit natürlichen Zutaten wie Jasminblüten aromatisiert werden oder mit naturidentischen Aromastoffen, Letzteres sei dann eher die Supermarktware. Mindestens genauso wichtig wie die Qualität des Tees ist die Art und Weise, wie er zubereitet wird. «Tee ist ein Aufgussgetränk», betont Karrasch, das heisst, das kochend heisse Wasser muss über den offenen Tee gegossen werden. 3,8 Gramm Tee auf 4 Deziliter Wasser. Das perfekte Verhältnis machts aus. Kürzlich habe ich zwei neue Weine aus der Region Basel entdeckt. Der erste wurde mir zugesandt von Stefan Geyer, der zusammen mit seiner Frau Jacqueline in Pratteln einen Pinot noir aus sehr alten Rebstöcken produziert. Als Hobby sozusagen. 300 Flaschen pro Jahr. Das Resultat schmeckt wunderbar fruchtig mit Noten von Waldfrüchten, Backpflaumen und etwas Schokolade. Eine Flasche Grande Goutte 2012 kostet 18 Franken und kann direkt ab Hof bestellt werden (Telefon 079 794 37 47). Beim zweiten Wein handelt es sich um den ersten Jahrgang einer sehr interessanten Kooperation. «Le Petit» Pinot blanc 2013 von Jost & Ziereisen, ein trockener, rassiger und extrem süffiger Weisswein, mit klarer Struktur und grossem Erfrischungspotenzial. Jungwinzer Thomas Jost bewirtschaftet den etwas über drei Hektaren grossen Riehener Weinberg Schlipf, die grösste Reblage in Basel-Stadt. Zuvor erlernte er sein Handwerk in verschiedenen Betrieben im In- und Ausland unter anderem bei Hanspeter Ziereisen im nahe gelegenen süddeutschen Efringen-Kirchen, dass sich übrigens nur unweit von Josts Betrieb befindet. Diesen wichtigen Arbeitsschritt erledigt er als Tea-Master höchstpersönlich. 3,8 Gramm Tee, das entspricht etwa zwei Teelöffeln, braucht es für 4 Deziliter Wasser, was ungefähr einer kleinen Kanne entspricht, wie sie in Bad Ragaz serviert wird. Ein Glas mit heissem Wasser, bei dem der Teebeutel danebenliegt, geht dagegen gar nicht. Der Champagner unter den Tees Überhaupt: Teebeutel! Da sei nur der sogenannte Teestaub drin, mit Qualität habe das nichts zu tun, sagt Karrasch. Er bestelle sich Tee nur an Orten, an denen er eine korrekte Zubereitung erwartet. «Auf einer Berghütte oder in einem einfachen Restaurant erspare ich mir die Erfahrung, da bestelle ich einfach keinen Tee», erklärt Karrasch. In einem guten Hotel dagegen schon. «Wenn da die Zubereitung nicht stimmt, erlaube ich mir auch etwas zu sagen.» Karrasch berät jeden Gast bei der Wahl des Tees. Im «Grand Resort» stehen beim Afternoon Tee 15 verschiedene zur Auswahl, insgesamt hat das Hotel rund 60 Tees im Sortiment. Etwa die bekannten Schwarztees wie Darjeeling oder Assam, Letzterer malzig und kräftig, schmeckt gut mit Milch und Kandis, Ersterer gilt gemäss Karrasch als «Champagner unter den Tees». Eine Entdeckung sind für die Gäste vor allem zwei Sorten: ein Jasmintee, dessen Blätter von Hand gerollt als Kugeln mit einem Zentimeter Durchmesser serviert werden und die sich beim Aufbrühen langsam entrollen, sowie ein japanischer Grüntee namens Sencha, dessen Aroma an Marroni erinnert. Karrasch brüht für jeden Gast seinen Tee auf und serviert diesen anschliessend mit Sanduhr, damit der Gast genau weiss, wie lange der Tee noch ziehen soll. Grundsätzlich gilt: Bei Schwarztee tritt die beruhigende Wirkung nach drei bis vier Minuten ein, Grüntee – grün bedeutet nicht fermentiert – beruhigt bereits, wenn er zwei bis drei Minuten gezogen hat. «Wir hatten hier auch schon Gäste, die haben sich an einem Nachmittag fünf Kannen bestellt», sagt der TeaMaster. Schlimme Nebenwirkungen seien aber selbst bei ausschweifendem Teegenuss nicht zu befürchten: «Lediglich das Herz pumpt schneller – und man muss öfters mal auf das stille Örtchen.» Der Afternoon Tea im Grand Hotel Bad Ragaz steht auch Nicht-Hotelgästen offen. Kosten: Fr. 65.– mit Champagner, Fr. 45.– ohne. Termine: www.resortragaz.ch/kulinarik-genuss/ afternoon-tea.html; Reservation erwünscht. Le Petit 2013, Pinot blanc, Jost & ziereisen Fr. 22.–, Paul Ullrich AG, www.ullrich.ch Beim Namen Ziereisen horchen Weinaficionados schnell auf, denn einige seiner Weine gelten als absolute Kultweine – für mich zum Beispiel sein Chasselas «Jaspis», einer der besten Chasselas-Weine, die ich je getrunken habe. Hanspeter Ziereisen, der als Quereinsteiger 1991 seinen ersten Jahrgang vinifizierte, präsentiert mit diesem Gutedel aus der über 40 Jahre alten Rebanlage auf den Kalksteinmassiven des Markgräflerlandes einen Chasselas für extrem Passionierte. Spontan vergoren im 650-Liter-Holzfass. Er steht übrigens auf dem Podest der Chasselas-Verkostung, die ich für das Juni-Vinum (www.vinum.ch) organisiert habe (erscheint am 26. Mai 2015). www.chandrakurt.com ANzeiGe Super Aktion! Crémant d’Alsace Meyer Goldmedaille WP: 92/100 7.95€/Fl. Bis 23 Fl.: 24 bis 59 Fl.: Ab 60 Fl.: 6.76€/Fl. 5.96€/Fl. 5.57€/Fl. Châteauneuf du Pape BEAUCASTEL 2012 RP: 96/100 60.00€/Fl. Pro Fl.: 51.00€/Fl. Caves MEYER THUET 86, rue de Saint-Louis, tél. 0033 389 69 76 30 HÉSINGUE – Elsass www.caves-meyer-thuet.com
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