Fall 1

Prof. Dr. Olaf Sosnitza
Examenskurs Kreditsicherungsrecht (ohne Grundpfandrechte)
Fall 1: Der Auslandsaufenthalt
Student
S
möchte
sein
anstrengendes
Jurastudium vor
Beginn
der
Examensvorbereitung durch einen Studienaufenthalt in den USA unterbrechen,
um vorher noch einmal
so
richtig
zu entspannen. Da an seinen
Wunschuniversitäten die Studiengebühren sehr hoch sind und das BAföG-Amt
nicht bereit ist auch noch einen dritten Auslandsaufenthalt zu bezahlen,
beschließt S einen Kredit bei der Bank G aufzunehmen. Da er weiß, dass bei den
Banken ohne Bürgschaft nichts läuft, wendet sich S an seinen vermögenden
Onkel B.
B, hoch erfreut über das Bestreben des S neben Spanisch und Französisch auch
noch seine Englisch-Kenntnisse zu perfektionieren, erklärt sich sofort bereit eine
Bürgschaftserklärung abzugeben. Da die Vorbereitungen des S noch nicht
abgeschlossen sind und er daher noch nicht weiß, in welcher Höhe genau
Studiengebühren anfallen, unterschreibt B eine Blanko-Bürgschaftsurkunde und
ermächtigt S, eine Kreditsumme bis zu 20.000,- € abzusichern. Er solle die leere
Zeile einfach selber ausfüllen. Dabei geht B davon aus, S werde sein
Jurastudium schon erfolgreich abschließen und mal so viel Geld verdienen, dass
die Rückzahlung des Darlehens für ihn kein Problem sein wird.
Die Eltern des S weigern sich, diesem die Lebenskosten im Ausland zu
finanzieren, da sie der Ansicht sind, ihr Sohn solle endlich sein Studium
abschließen und ihnen nicht noch länger auf der Tasche liegen. S nimmt
daraufhin einen Kredit von 40.000,- € auf, um es sich so richtig gut gehen lassen
zu können. Auch die Blankobürgschaft füllt er abredewidrig in dieser Höhe aus
und übergibt sie der Bank.
Als die Rückzahlung des Darlehens einige Jahre später fällig wird, befindet S
sich immer noch in den USA, hat sein Studium mittlerweile abgebrochen und
verdient nicht genug Geld um die Darlehenssumme an G zurückzuzahlen.
G nimmt deshalb B für die Zahlung von 40.000,- € aus dem Bürgschaftsvertrag
in Anspruch. Dieser weigert sich zu zahlen. Er habe doch seinen Neffen
lediglich dazu ermächtigt, eine Kreditsumme von 20.000,- € zu sichern. Mehr
als diesen Betrag zahle er schon mal gar nicht. Selbst diese Summe fühle er sich
aber nicht zu zahlen verpflichtet, schließlich habe er die Bürgschaftserklärung
im Vertrauen darauf abgegeben, S werde durch ein erfolgreiches Jurastudium
mal viel Geld verdienen. Im Zweifel fechte er den Bürgschaftsvertrag an.
Hat G einen Anspruch gegen B?
Abwandlung:
S füllt die Blanko-Bürgschaftsurkunde in Gegenwart des Angestellten X der
G-Bank aus und plaudert dabei aus, dass ihn sein Onkel eigentlich nur zur
Eintragung von 20.000,- € ermächtigt habe. X, dem die familieninternen
Angelegenheiten des S egal sind, nimmt die Urkunde dennoch entgegen und
leitet sie in der Bank weiter, ohne von dem Vorfall etwas zu erwähnen.
Ändert sich bei dieser Sachlage etwas?