Aufzuchtfutter bei der Naturbrut von Langflügelpapageien

Dieser männliche Rüppells Papagei (Poicephalus rueppellii) wird mit Früchten des Weißdorns
(Crataegus laevigata) gefüttert, die er gerne annimmt
Aufzuchtfutter bei der Naturbrut
von Langflügelpapageien
Rudolf K. Wagner, Dietzenbach
Über die richtige Ernährung von Papageien wird viel diskutiert, weil wir als
Vogelhalter mit unseren Futtermischungen, die wir zur Verfügung haben, nie
das bieten können, was die Tiere in
ihrem natürlichen Lebensraum als Ernährungsmöglichkeiten vorfinden. Das
trifft selbstverständlich auch auf das Futter zu, mit dem die Papageien-Brutpaare ihren Nachwuchs in unseren Volieren
versorgen können, denn sie können ja
nur das an ihre Jungen verfüttern, was
wir ihnen zur Verfügung stellen.
Inzwischen konnte ich seit mehr als 20
Jahren Erfahrungen in Haltung und
Zucht von Langflügelpapageien (Poicephalus) aus Afrika sammeln. Dass sich
diese Erkenntnisse auch auf Papageienarten von anderen Erdteilen übertragen lassen, ist allerdings zu vermuten.
Meine Brutpaare bekommen bereits
einige Wochen vor dem erwarteten
Zuchtbeginn ihre tägliche Körnermischung zur Hälfte angekeimt, um sie auf
die Fortpflanzung vorzubereiten. Ich
habe beobachtet, dass die Weibchen
kurz vor der Eiablage ganz kräftig die
Rinde der ausgetrockneten Naturäste
benagten. Also fehlt ihnen doch etwas!
Deshalb habe ich mir angewöhnt, spätestens vom Zeitpunkt der ersten Kopulationen an vermehrt Zweige von Weiden
zur Verfügung zu stellen, die immer
sofort benagt und zerkleinert werden.
Ebenfalls erhalten die Zuchtpaare vor
Beginn der Eiablage Kalk unterschiedlicher Herkunft: im Mörser zerstoßene
und gekochte Schalen von Hühnereiern,
von meiner Nachbarin an der Atlantikküste Nord-Frankreichs gesammelte, gewässerte Sepiaschalen (Schulp von Tintenfischen), Mineralblöcke oder Grit.
Nach Beendigung der Eiablage, die ich
täglich dokumentieren kann, weil ich
sehr einfach eine Klappe am Nistkasten
ohne große Störung öffnen kann, bekommen die verschiedenen Langflügelpapageien-Paare während der Brutdauer von 26 bis 28 Tagen die tägliche Körnermischung ausschließlich als Trockenfutter.
PAPAGEIEN 5/2010
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PRAXISTIPP
Durch leichtes Anklopfen an den Nistkasten, jeden Tag in derselben Art und
Weise, kündige ich mich an, und die brütenden Weibchen wissen, dass ich das
Nest kontrollieren möchte. Sie erheben
sich von ihrem Gelege, und ich kann
durch Öffnen der Klappe überprüfen,
ob es irgendwelche Veränderungen seit
dem Vortag gegeben hat.
Schon ein paar Tage vor Ablauf des
errechneten Schlupftermins des ersten
Jungtiers bekommen die Zuchtpaare im
Obst/Gemüse-Napf all die Futterkomponenten, die ich aufgrund der langjährigen Erfahrungen für die Jungenaufzucht
für absolut notwendig erachte. (Berücksichtigt sind dabei auch einige Empfehlungen von Rosemary Low.) Sie bieten
nach meinen Erkenntnissen die beste
Gewähr für eine erfolgreiche Aufzucht
bei Langflügelpapageien.
In dieser Zeit achte ich darauf, dass ich
folgende Obst- und Gemüsebestandteile,
immer in Würfel kleingeschnitten, anbieten kann:
• knackiger Roma-Herzen-Salat als Unterlage
• Äpfel der Sorte Golden Delicious
• frische Möhren
• rote Paprika
• (süßer) Mais, vom Kolben abgepult
• Erbsen (aufgetaute Tiefkühlware)
• eine große Anzahl frischer oder aufgetauter Hagebutten von Rosa rugosa
(die ich jeweils im Sommer eines Jah-
Sepiaschalen enthalten Mineralstoffe (vor allem Kalzium), von
denen große Mengen zum Aufbau der Eischalen benötigt werden
res sammle, reinige und einfriere)
• frische Ebereschenbeeren (Sorbus
aucuparia)
• Weißdornfrüchte (Crataegus laevigata)
• Schlehenfrüchte (Prunus spinosa)
• Stangen-Sellerie
und
• Hüttenkäse (hier gibt es große Qualitätsunterschiede; ich verwende krümeligen Hüttenkäse einer Discounterkette, die im Norden und Süden
Deutschlands überall anzutreffen ist,
denn der Wasseranteil ist hier deutlich
geringer als bei Hüttenkäse anderer
Anbieter; Hüttenkäse enthält u. a.
wichtige Mineralstoffe und Spurenelemente, verschiedene Aminosäuren
und Laktobazillen)
Ich konnte häufig feststellen, dass, wenn
ich nach einer längeren Pause einem
Paar wieder Hüttenkäse anbot, dieser
als erstes Futtermittel aufgenommen
wurde, nachdem ich die Futterschalen in
den Käfig gestellt hatte. Es sah aus, als
hätten die Vögel richtig Heißhunger darauf. Auch die Mengen, die aufgenommen werden, sind aus meiner Sicht beachtlich: nicht einzelne Körner des Hüttenkäses, sondern manchmal ein ganzer
Esslöffel pro Paar und Tag.
Bei meinen Reisen nach Afrika habe ich
vor Ort immer wieder feststellen können, dass Papageien der Gattung Poicephalus tierisches Protein aufnehmen,
wie beispielsweise die in den Feigen der
in Afrika weit verbreiteten Sykomore
(Ficus sycomorus) zahlreich vorhandenen Larven einer kleinen Wespe. Das
bestätigt erneut, dass Papageien, ausschließlich vegetarisch ernährt, nicht
optimal versorgt wären.
Anschrift des Autors:
Rudolf K. Wagner
Dreieichstraße 69
63128 Dietzenbach
Auswahl an Obst und Gemüse, die der Autor den Brutpaaren
während der Aufzucht der Jungen anbietet
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PAPAGEIEN 5/2010
Fotos: S. 163 von G. Gagelmann,
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