Seite 1 - Aranka Szabó

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Wer Peter Weihe kennt, der spricht mit Respekt und Anerkennung
über den 1955 in Bremervörde geborenen Musiker. Dabei ist er
einer, der eher zu den „leisen Stars“, gehört. Mehrere Gold- und
Platinschallplatten schmücken seine Wand. Als Studiomusiker, Komponist, Produzent und Professor ist er in Fachkreisen
geschätzt. Vor elf Jahren verlegte er sein Studio von Bremervörde
nach Norderstedt bei Hamburg. Dort hat ihn der Anzeiger besucht.
ARANKA SZABÓ 40-Band „Kentucky“, damals
mit Ian Cussick als Sänger, und
„Es gab einen entscheidenden den Jazz-Rock-Bands „To Be“
Tag, der diese Weichen alle und „Känguru“. Weihe wurde
stellte. Das ist wirklich das Ver- gefragt, ob er mitmachen wollte
rückte“, sagt Peter Weihe. Als und stieg direkt nach dem Abitur
16-jähriger Schüler fuhr er mit als Vollprofi ein. Fünf Jahre, von
einem Freund auf eine Party nach 1974 bis 1979, blieb er dabei.
Stade, auf der auch drei Musiker Das Arbeitspensum war hart.
zu Gast waren. „Als Autodidakt An zwei oder drei Wochenendwusste ich nicht, wo ich über- tagen stand man auf der Bühne.
haupt stehe“, erinnert er sich. „Montags war es Pflicht, die Ins„Ich war naiv und habe einfach trumente vom Zigarettenrauch
drauflos gespielt. Das hat denen zu befreien und dann zu üben.
irgendwie gefallen.“ Man blieb Dienstags wurde mit den Jazzin Kontakt, und Weihe wurde Rock-Bands geprobt, mittwochs,
gelegentlich in Clubs wie das manchmal auch donnerstags
„Onkel Pö“ in Hamburg mitge- gespielt. Donnerstags oder freinommen, dorthin, „wo die große tags wurden neue Songs rausgeweite Welt von Leuten atmete, hört und diese am Wochenende
gespielt. Dazwischen habe ich
die da gespielt haben“.
Die drei Musiker fand man später mir einen Stundenplan gemacht
in drei Bands wieder: in der Top- mit dem, was ich alles üben wollVON
te und mich dann eisern mit dem
Metronom (Taktell) hingesetzt
und geübt.“
1977 hatte Weihe seine erste
Plattenproduktion als Produzent
und war 1979 als Studiomusiker
so erfolgreich, dass er bei Kentucky aufhörte. „Außerdem hatte
ich gar keine Lust dazu, viel live
und immer dasselbe zu spielen.“
Die Selbstdisziplin hat Weihe
bis heute aufrechterhalten. Er
arbeitet, wenn es gut läuft von 8
bis 20 Uhr. „Mit Pech auch bis 4
Uhr morgens. Als Gitarrist muss
ich mich fit halten und üben.
Ich merke, dass die Geläufigkeit
des Spiels leidet, wenn ich nicht
spätestens jeden zweiten Tag
übe“, sagt er. Sein Tonstudio ist
sein zweiter Job, und sein dritter,
der allerdings heute den Großteil
seiner Tätigkeit ausmacht, sind
Professuren an der Hochschule in
Hannover und Hamburg.
Im Jahr 1982 schien das kaum
möglich, an einer Hochschule
Rock und Pop zu unterrichten.
Die einen schimpften: „Rock
und Pop hat an einer Hoch-
schule nichts zu suchen und ist
eine Musik, die es nicht lohnt,
zu lehren. Die anderen kritisierten, dass es Quatsch ist, das
zu unterrichten. Das muss aus
dem Bauch kommen.“ Trotzdem
nahm Weihe das Angebot an,
sich als Professor im „Modellversuch Popularmusik“ zu engagieren. Heute heißt der Kurs
„Popkurs“ und findet zweimal
jährlich für je drei Wochen statt.
Peter Weihe ist dort immer noch
aktiv. Ein Ergebnis der 30 Jahre
Lehrtätigkeit ist ein Lehrvideo, an
dem er arbeitet, inklusive einem
Notenheft. „Eins der anderen
Art“, sagt er, „in das ich nur die
Dinge hineingetan habe, die den
Studenten im Popkurs geholfen
haben, ihr Rhythmusspiel zu verbessern.“
Die Auswahl der Studenten erfolge danach, ob sie „die Musik, die
sie gerne machen möchten, für
uns glaubhaft vertreten. Dazu
gehört ein hoher Grad an Musikalität.“ Jemand, der diese Musik
lebt, passend für die Szene, für
die er sie machen möchte, so
„Talent allein reicht nicht“
Musiker Peter Weihe gehört zu den „leisen Stars“ der Szene
beschreibt Weihe den idealen
Bewerber. Noten lesen zu können, ist keine Voraussetzung.
Noten werden in dem Popkurs
nicht gelehrt. „Er ist eher eine
Austauschbörse“, sagt Weihe.
Im Popkurs haben sich etwa
„Selig“ und „Wir sind Helden“
gefunden. „Das Wichtige ist,
dass sich die richtigen Leute da
kennen lernen.“ Etwa der ausgebildete Jazzpianist, der dort vielleicht einen „Spinner“ kennen
lernt. „Der Königsweg der Popmusik ist, dass man sie erfindet“,
sagt Weihe. „Das funktioniert
immer noch am besten, wenn
Leute, die gut ausgewählt sind,
aufeinander losgelassen werden,
sich in einem Raum treffen und
anfangen, kreativ zu werden.“
Die Inspiration käme aus der individuellen musikalischen Sozialisation, erklärt Weihe. „Es ist ganz
lustig. Man hört dann, wenn der
Vater eines jungen Musikers gerne Soulmusik gehört hat oder ob
er Klavierunterricht hatte.“ Oder
sie greifen ganz alte Stile wieder
neu auf wie Blues, oder machen
das Gegenteil der vorherigen
Generation.
Die Quote derer, die mit ihrer
ureigenen Musik ihr Publikum
finden und damit in der Musikszene so erfolgreich sind, dass
sie davon leben können, sei sehr
gering, sagt Weihe.