Predigt zum bundesweiten evangelischen

Predigt von
Bischöfin Kirsten Fehrs
Bundesweiter evangelischer Frauengottesdienst
„Martas Christusbekenntnis“
Sonntag Trinitatis, 31. Mai 2015
Predigt zu Johannes 11, 1-28
Liebe Hörerinnen und Hörer,
liebe Gemeinde zu St. Jacobi in Hamburg!
Glaubst du das?
Die Frage liegt bei vielen heutzutage obenauf. Meist mit einem „etwa“ dahinter.
Glaubst du das wirklich, etwa?
Auferstehung der Toten?
Und ich zögere. Nicht, weil ich es nicht glauben würde, sondern weil man die Auferstehung
schlicht nicht erklären- und also nur glauben kann. Denn sie sprengt, ja immer schon, was Vernunft und Wissenschaft zu erfassen vermögen. Wie Leben letztlich entsteht und wird und
wächst und auch wieder geht – das ist nichts weniger als ein Wunder. Und für manche, mag
sein auch unter uns, deshalb immer wieder ein intellektuelles Risiko. Allzumal die Auferstehung
der Toten.
Dabei haben wir eben gerade drei eindrucksvolle Auferstehungsgeschichten gehört. Geschichten voller Gefühle und Farben. Von aktuellen Zeitzeuginnen der Auferstehung. Sie erreichen
mich innerlich und rufen eine Fülle eigener Bilder wach. Von einem Dorffriedhof etwa, Station
der Osterliturgie – auf dem Hunderte der Dorfbewohner jedes Jahr Lichter an die Gräber tragen
und hingebungsvoll singen „Christ ist erstanden“. Oder von der schwangeren Syrerin in der
zentralen Erstaufnahme für Flüchtlinge hier in Hamburg, sie hat einen so verstörten Blick - woran glaubt sie noch? Ihre beiden Kinder neben ihr, wohlgemerkt im Dezember, gehen barfuß in
Flip Flops durch die Containerstraße.
Die Bilderflut in mir reißt nicht ab: Ich sehe auch meine Mutter. Sie hat, je älter sie wurde, umso mehr von ihrer Flucht erzählen müssen, damit sie die traumatischen Bilder endlich losließen.
Ich sehe schließlich die Erschöpften unserer Tage, die nicht aufhören dürfen zu funktionieren,
damit´s funktioniert…- all dies wird wachgerufen.
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Denn es geht bei Auferstehungsgeschichten immer ums Wachwerden. Erweckung – könnte
man sagen. Es geht um neue Sichten auf das alte Leben. Um innere Bilder, die einen prägen
und halten, weil sie so schön sind - so dass ich sie gern in die Gegenwart „hinein er-innere“.
Zugleich – das gehört wie eine Art Negativ zu diesen Bildern dazu – sind da auch die Todesschatten. Die einen tief traurig machen und den Atem abschnüren. Und die von Schmerz erzählen und fragen: Wo bist du gewesen? Kyrie. Gott. Wo bist du gewesen?
So ähnlich sind auch Martas erste Worte. Sie geht Jesus entgegen - hinter sich das Trauerhaus
mit lauter Menschen, die den Tod ihres Bruders beklagen - Maria, Martas Schwester, unter
ihnen. Nein, Marta will da jetzt raus. Sie geht Jesus entgegen. Denn er liebt sie, das weiß sie.
Und so ist es eine Mischung aus Feststellung und Vorwurfsmilde, als sie sagt: „Herr, wärst du
hier gewesen, mein Bruder wäre nicht gestorben.“
Und dann folgt ein Satz, der mich in seiner Zuversicht geradezu aufrüttelt – allzumal in dieser
Grenzsituation der Trauer. „Aber auch jetzt weiß ich: Was du bittest von Gott, das wird dir Gott
geben.“ Ja, ist sie denn verrückt vor Hoffnung?
Jesus geht mit ihr mit. Mit ihren Gedanken. Ihren Hoffnungen. Sie treten in einen Dialog. Und
zwar einen anspruchsvollen. Es geht darum, klüger zu werden fürs Leben im Angesicht des Todes. Jesus antwortet ihr: „Ich bin die Auferstehung.“ Und sie versteht das, ja mehr noch: sie erkennt es – nicht nur intellektuell, sondern mit Verstand und Herz. Und so sagt sie einen der berühmtesten Sätze einer Frau in der Bibel: „Ich glaube, dass du der Christus bist, der Sohn Gottes,
der in die Welt gekommen ist.“
Das sagt sonst nur einer: Petrus. Aber Petrus sagt es in einer ganz anderen Situation, nämlich
als er gefragt wird, wer Jesus ist. Marta aber bekennt es im Zusammenhang damit, was Jesus
tut. Im Gespräch unter den Männern geht es um den Status. Im Dialog zwischen Marta und Jesus um die Veränderung.
„Ich glaube, dass du der Christus bist“ – Martas Bekenntnis hatte für mich immer eine enorme
Kraft. Weil es so direkt ist. Kein „eventuell“ und „könnte sein“. Sondern klar. Klug dazu. Denn
sie weiß, dass sie selbst am Tode ihres Bruders Lazarus nichts ändern kann. Aber sie kann den
bitten, der es vermag. Und tut es.
Und er, der sie liebt? Jesus tut, was sie hofft – am Ende der Geschichte holt er Lazarus vom
Tod ins Leben.
Musik mit Saxophon und Orgel
Glaubst du das?
Glaubst du, dass man einfach so sagt: Ich glaube, dass du Christus bist, der in die Welt gekommen ist – und schon ändert sich diese Welt?
Ich glaube das, ja.
Ich glaube, dass Jesus damals viel von den Menschen verstanden hat. Und immer noch versteht. Ihre Sehnsüchte. Ihre Nöte. Ihre Angst, herabgewürdigt zu werden – gerade als Frauen.
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Er hat sie angeschaut. Ist dem Schmerz und dem Tod gerade nicht ausgewichen. Er geht ins
Grab hinein und geht durch Kreuzesnot hindurch. Ja, ich glaube mit Marta: Kein Leid, kein
Kreuz der Welt ist mehr bedeutungslos, seit Gott Mensch geworden ist. Nicht ob eine traurig
ist, ist bedeutungslos. Nicht ob einer nur noch sterben will, weil er nicht mehr zu leben weiß.
Nicht ob Krieg ist oder Frieden, in der Welt und in uns selbst. Nichts ist bedeutungslos und
nichts kann uns trennen von der Liebe, die mit Christus in diese Welt gekommen ist. Mitten
hinein geboren in Gewalt und Hass und Entwürdigung. Das ist so ehrlich, so kompromisslos
wahr, Marta spürt es genau. Und deshalb ist sie so unbeirrbar in ihrem Vertrauen und sagt: Was
du bittest von Gott, wird Gott dir geben…
…Auch das versöhnende Wort. Dieses manchmal so erlösende Wort, wenn frau oder man nicht
mehr aus der Frage heraus kommt: Wo bist du gewesen? Warum hast du mich verlassen, verletzt, gekränkt? Oder dies: was habe ich bloß getan? Wie konnte ich dich verlassen und so verletzen? Ich schaue auf unseren und Martas Christus, dem nichts Menschliches fremd, und vertraue auf die Vergebung. Vergebung, die uns – natürlich ! - ernüchtert sein lässt über uns selbst
und die um Gottes Willen niemals hinter dem Rücken der Opfer geschehen darf, ja, daran glaube ich. Denn nicht der Tod hat das letzte Wort, sondern die Auferstehung. Nicht die Strafe, sondern das Verzeihen. Nicht die Wunde, sondern das Verbinden.
Ist es doch eine pragmatische, tatkräftige Marta, die uns mit ihrem Bekenntnis aufwecken will.
Christus zu bekennen – das hat Hand und Fuß, von Frau und Mann. In immer wieder bewegter
Gemeinschaft der Heiligen. Und das sind wir hier, liebe Schwestern und Brüder, so menschlich
und verzagt, zugewandt und höchst verschieden wir eben sind. Wir haben den Auftrag, aber
auch die Kraft (!) geerdet, laut und vernehmlich in dieser oft so orientierungslosen Gesellschaft
davon zu reden, was uns wert und heilig ist - so wie Marta es tat. Dass wir als Kirche nicht
schweigen dürfen zu Kriegstreiberei, zu Menschenverachtung und Flüchtlingsnot, und dass wir
dabei eine Sprache finden müssen, die die Herzen erreicht, das glaube ich. Eine Sprache, die die
Ehrlichkeit der Tat liebt. Und die uns herauslockt zu tun, was wir glauben, als Frauen, als Männer. Dass wir Mensch werden und also mitfühlen und vertrauen, lachen und leben. Geht es
doch just in allen Auferstehungsgeschichten heute um das, was Jesus der Marta schließlich zuspricht: „Wenn du glaubst, wirst du die Herrlichkeit Gottes sehen!“
Liebe Gemeinde, liebe Hörerinnen und Hörer, das ist das Ziel unseres Glaubens: die Herrlichkeit.
Und die erreicht nicht erst im Jenseits, sondern meint genau das, was wir von Leila und Corinna
und den Marta-Geschichten eben lernen durften: wieder erwachte Lebensfreude. Befreiend,
wunderbar genussvoll und sogar vergnügt. Wie Paula zum Beispiel. Ihr gehört mein Schluss. Sie
ist die kleine Tochter meiner Freundin, die mich kirchenkritisch oft fragt: „`Mal ehrlich, was soll
ich denn bei euch noch glauben?“ Eines Abends geschieht es ihr, dass Paula vorm Schlafengehen beten will, wie sie es im Kindergarten gelernt hat. Meine Freundin windet sich und erzählt
Geschichten und fragt dann irgendwann gerade heraus: „Warum, Paula, glaubst du eigentlich
an Gott?“ „Ach Mama, sagt sie, es macht einfach so viel Spaß!“
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Ich weiß nicht, ob das „Argument“ ihre Mutter überzeugt hat, aber ans Herz ist es ihr gegangen.
Wir haben wahrlich tragenden Grund, uns des Lebens zu freuen, das glaube ich. Gewiss.
Denn der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahrt unsere Herzen und Sinne in
Christus Jesus, den wahrhaftig Auferstandenen. Amen