Forschungsbericht Arbeit, Gesundheit, Spiritualität & Religiosität -Forschungsbericht- Prof. Dr. Tim Hagemann -1- Forschungsbericht Das Verhältnis von Spiritualität, Arbeit und Gesundheit 1. Einleitung Die günstige Wirkung von Spiritualität und Religiosität auf Krankheitsbewältigung und Gesundheit sowie auf die Bewältigung kritischer Lebensereignisse ist durch zahlreiche Studien gut untersucht (vgl. Büssing & Kohls, 2011; Hagemann, Shallcross, & Mauss, 2006). Weit weniger erforscht ist, inwieweit sich Spiritualität, individuelle Glaubensvorstellungen und religiöse Angebote auf die Bewältigung beruflicher Anforderungen auswirken. Die Arbeitswelt, nicht zuletzt in den sozialen Dienstleistungen, hat sich in den letzten Jahren deutlich gewandelt. Die Einführung zahlreicher Managementtechniken fördern die Führung und Steuerung einer sozialen Einrichtung mittels Kennzahlen und „harter Fakten“. Eine Orientierung an den Vorgaben eines Qualitätsmanagements und betriebswirtschaftlichen Steuerungsinstrumenten sind dafür Beispiele. Unbestritten wurde dadurch die Effizienz, Wirtschaftlichkeit und Konkurrenzfähigkeit einzelner Unternehmensverbände und Einrichtungen verbessert. Untersuchungen zeigen aber auch, dass Mitarbeitende diese Veränderungen als bedrohlich erleben können (vgl. Sparrow & Cooper, 2003; Bartlett & Ghoshal, 1995; Meyer & Allen, 1997; Biberman & Whitty, 1997). Nicht zuletzt in konfessionell-gebundenen Einrichtungen haben solche Reorganisationsmaßnahmen zu manchen Irritationen unter den Mitarbeitenden geführt. Diskussionen um das besondere (christliche) Profil einer Einrichtung und Leitbildentwicklungen kann man als Antwort darauf sehen. Die Veränderung der Arbeitsbedingungen spiegelt sich auch in den Verschiebungen der Krankheitsbilder von Mitarbeitenden wider. Bei gleichzeitiger Abnahme somatischer ist eine rasante Zunahme psychischer Erkrankungen, insbesondere von Depressionen und Angsterkrankungen, zu beobachten. In der letzten Dekade haben sich die Arbeitsunfähigkeitstage auf Grund dessen fast verdoppelt (BKK, 2010). Da medizinische Studien zunehmend den Einfluss von Spiritualität und Religiosität auf die psychische Gesundheit aufzeigen, es ist naheliegend zu untersuchen, ob sich diese Effekte auch günstig auf die Bewältigung psychischer Arbeitsbelastungen auswirken. Religiosität, Spiritualität und Arbeit In arbeitswissenschaftlichen Studien werden Spiritualität, Religiosität und Arbeit bezüglich folgender Fragestellungen adressiert: Welche Auswirkung haben Spiritualität und Religiosität hinsichtlich der Befindlichkeit und Lebensqualität von Mitarbeitenden des Sinns und Bedeutung von Arbeit des zwischenmenschlichen Umgangs und dem Gefühl einer Gemeinschaft anzugehören des Umgangs mit bzw. der Bewältigung von Arbeitsbelastungen Während Religiosität mit einer Vielzahl validierter Skalen erfasst werden kann, gestaltet sich dies für Spiritualität sehr viel schwieriger. Aus wissenschaftlicher Sicht wirft der Begriff Spiritualität bzw. christliche Spiritualität methodische Probleme auf, da er schwer zu greifen ist. Es findet sich diesbezüglich eine Vielzahl unterschiedlicher Definitionen und Zugänge (vgl. Lubatsch, 2008). Einige Wissenschaftlicher merken in diesem Zusammenhang kritisch an, dass Spiritualität etwas Immaterielles ist und sich positivistischen, klassischen Forschungsansätzen grundsätzlich entzieht (Lips-Wiersma, 2003; Fornaciari, Lund Dean & McGee, 2003). Allerdings betonen alle, dass Spiritualität und Religiosität ein menschliches Bedürfnis ist, welches nicht „am Eingang“ abgegeben werden kann, und deswegen nicht zuletzt in sozialen Feldern eine besondere Rolle spielt (Garcia-Zamor, 2003; Giacalone & Jurkiewicz, 2003; Fry, 2005). Zudem sind in vielerlei Studien die Zusammenhänge zwischen Spiritualität und Religiosität mit Wohlbefinden, psychi- -2- Forschungsbericht scher Gesundheit, Lebenszufriedenheit, Selbstbewusstsein und Optimismus sowie Sinnfindung gut belegt (Reave, 2005). Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass Unternehmen, die sich diesem Thema öffnen, Fehlzeiten der Mitarbeitenden reduzieren und deren Zufriedenheit sowie die Produktivität erhöhen konnten (Paloutzian, Emmons & Keortge, 2003; Burack, 1999; Reave, 2005; Giacalone & Jurkiewicz, 2003; Krishnakumar & Neck, 2002; Fry, 2003; 2005; Milliman, Czaplewski & Ferguson, 2003). Trotz alledem ist Spiritualität schwer zu definieren und zu operationalisieren. Als kleinster gemeinsamer Nenner wird stets eine besondere Verbundenheit mit einem höheren Wesen, der Natur oder mit anderen Menschen genannt. Im Arbeitskontext könnte man es auch beschreiben, als die besonderen Momente, in denen man eine tiefe Erfüllung und Sinnhaftigkeit dessen was man tut, fühlt (siehe Ergebnisse in diesem Bericht). Singhal (2005) hat hinsichtlich Spiritualität in der Arbeitswelt drei Zugänge identifiziert: 1. Eine besondere Form der Einbettung und Integration in die Arbeitsgemeinschaft. 2. Die besonderen sinnstiftenden Momente in der Arbeit. 3. Das Gefühl Teil eines größeren Ganzen zu sein, bzw. die besondere Identifikation mit der Gemeinschaft und ihren Zielen. Andere Autoren sehen in dem Konzept Spiritualität in der Arbeitswelt eher eine innere Einstellung, die damit einhergeht, dass man sich der Tätigkeit und der Arbeit sowie der Gemeinschaft besonders verbunden fühlt und eine persönliche Erfüllung daraus zieht (Ashmos & Duchon, 2000; Harrington et al., 2002). Zusammenfassend kann man der Literatur entnehmen, dass es vielerlei Hinweise dafür gibt, dass Unternehmen, die religiöse und spirituelle Bedürfnisse ihrer Mitarbeitenden aufgreifen und fördern, Vorteile daraus ziehen. Arbeitszufriedenheit, Unternehmensidentität und Sinnfindung werden bestärkt und somit auch die Leistung der Organisation. Spiritualität und Religion ist für viele Menschen ein Teil ihrer Person und Identitätsprägend. Menschen wollen auch in ihrer Rolle als Mitarbeitende mit ihren Hoffnungen, Emotionen, Stimmungen, Talenten und Sehnsüchten wahrgenommen werden. Insbesondere für konfessionellgebundene Häuser ist zudem das Bewusstsein, Teil einer besonderen christlich geprägten Gemeinschaft zu sein, relevant. Arbeitspsychologisch hat dieses Gemeinschaftsgefühl zwei Facetten: das Erleben besonderer sozialer Unterstützung und das Gefühl gleiche und übergeordnete Ziele zu verfolgen. 2. Studien der FH der Diakonie zu Arbeit, Gesundheit und Spiritualität Eine große Ressource der Mitarbeitenden in christlichen-diakonischen Einrichtungen ist die sinnstiftende Tätigkeit. Diese führt dazu, dass diese vergleichsweise stark belastungsfähig sind (Braun & Müller, 2005). Aber stellt ein christliches Profil einer Einrichtung eine Gesundheitsressource für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dar? Wie erleben die Mitarbeitenden dies in diakonischen Einrichtungen? Die damit verbundenen Fragestellungen sind im Bereich der betrieblichen Gesundheitsförderung wenig erforscht. Es geht darum, spirituelle und religiöse Angebote bzw. ein diakonisches Profil, welche ein Wesensmerkmal der Diakonie sind oder sein sollten, als wirksame Ergänzung des Spektrums der Maßnahmen zur betrieblichen Gesundheitsförderung zu nutzen. Dazu wurden u.a. folgende Hypothesen formuliert: Werte- und Glaubenshaltungen und Spiritualität könnte sich in diakonischen Einrichtungen günstig auf die Bewältigung von Arbeitsbelastungen auswirken, da mehr soziale Unterstützung erlebt wird (weniger Hilflosigkeitsgefühl etc.) die Identifikation mit dem Arbeitgeber erhöht ist (u.a. moralische Verankerung) größeres Vertrauen in die Führung besteht gemeinsame Werte eine günstige Organisationskultur (Orientierung, Sinn, Identität) bewirken religiöse „Rituale“ (Singen, Beten etc. ) sich entspannend auswirken religiöse Vorstellungen helfen, Arbeitsbelastungen (Krankheit, Tod etc.) zu verarbeiten -3- Forschungsbericht religiöse Vorstellungen mit einem Kohärenzgefühl (Verstehbarkeit, Sinn, Machbarkeit) einhergehen religiöse Vorstellungen positive Emotionen (Dankbarkeit, Hoffnung, Freude, Zuversicht) verstärken Aufbauend auf den Ergebnissen qualitativer Datenerhebungsphasen - bestehend aus 22 narrativen Interviews - wurde mit einer quantitativen Datengewinnung die bis dahin erzielten Erkenntnisse an einer größeren Stichprobe validiert und weitere Erkenntnisse hinsichtlich Arbeit, Gesundheit & Religiosität gewonnen. 2.1 Ergebnisse aus den qualitativen Studien Es ist anzumerken, dass die erzielten qualitativen Ergebnisse keinen Anspruch auf Repräsentativität haben. Insgesamt wurden 22 Interviews durchgeführt und in „Forschungswerkstätten“ (vgl. Grounded Theory, Corbin & Strauss, 1990) ausgewertet. Die wichtigsten Ergebnisse aus den bisherigen qualitativen Datenerhebungen sind in Kürze wie folgt zusammengefasst: Viele von den „gläubigen“ Mitarbeitenden kommen „religiös gefestigt“ in die Einrichtungen und der Glaube an Gott ist für sie Motivations- und Kraftquelle im Arbeitsleben. Religiöse Deutungsmuster helfen Krisensituationen zu meistern und es wird eine enorme Entlastung erlebt, indem teilweise die Verantwortung an Gott abgegeben wird. Mitarbeiter/innen, die sich als Christen verstehen, nutzen in Krisensituationen verstärkt christliche Rituale, um psychische Probleme zu bewältigen. Dabei ist besonders auch das Gefühl der Gemeinschaft von Bedeutung. In Gemeinschaftsmomenten mit den zu betreuenden Menschen zeigen sich Spiritualität, Sinn und erlebte diakonische Gemeinschaft. Verbindung von Sinn, „besonderen Momenten bei der Arbeit“ und Spiritualität wird unabhängig von der Religiosität gemacht. Aufgrund der zunehmenden Belastungen haben viele Mitarbeitende das Gefühl, ihren eigenen (christlich motivierten) Ansprüchen nicht gerecht werden zu können. Der fachliche Paradigmenwechsel irritiert traditionelle, religiös motivierte Haltungen. Auffallend bei einigen Interviewten ist die starke Differenzierung in „Gläubige“ und „weniger Gläubige“, welche abgewertet werden oder deren religiöse Orientierung nicht anerkannt wird – Polarisierung. Bei vielen Interviewten spielt eher die Zugehörigkeit zu der dörflichen/heimatlichen Glaubensgemeinschaft eine entlastende Rolle. Bei Mitarbeiter/innen, die sich als nicht religiös verstehen, ergibt sich ein anderes Bild. Für diese Gruppe sind soziale Kontakte, die Erfahrung von Unterstützung sowie Ausgleichstätigkeiten wichtige Kraftquellen. Hilfreich ist für viele auch die Fähigkeit, sich von problematischen Situationen emotional zu distanzieren. Es gibt auch ein Bedürfnis nach „Orten und Zeiten, die Kraftquellen sind“ für Reflexion, Standortbestimmung etc. Viele meinen, dass diakonische, christliche, ethische Maßstäbe der Nächstenliebe und Barmherzigkeit sich an die Betreuung der Patienten/Bewohner richten, aber diese Maßstäbe im Blick auf den Umgang mit Mitarbeitenden oft vernachlässigt werden. Wenn das Leitbild in der Einrichtung nicht gelebt wird, nehmen insbesondere religiöse Mitarbeitende schnell innerlich Abstand von der diakonischen Einrichtung. Im Zusammenhang mit erlebten Missständen werden religiöse Angebote sogar als „Maskerade“ wahrgenommen. Ein zentraler Punkt für ein diakonisches (kraftspendendes) Profil scheint das Gefühl der Gemeinschaft zu sein. Dieses wird im Zuge vieler Umstrukturierungen als bedroht erlebt. Die vermehrt von außen an die Einrichtungen gestellten Anforderungen, wie die eines Qualitätsmanagements, drohen ein diakonisches Profil zu „verwässern“: Beispielsweise wird die -4- Forschungsbericht besondere Zuwendung zu den betreuten Menschen nun durch die Anforderungen an die „Kundenorientierung“ einer ISO-Norm begründet. Für ein professionelles Handeln, welches sich früher aus einer christlichen Ethik speiste, wird nun also als Begründung die Anforderung eines QMs zu Grunde gelegt. Dies demotiviert Mitarbeitende, denn eine ausgeprägte, lang tradierte intrinsische Motivation wird durch eine technokratische und bürokratische externe Normanforderung mit einer abstrakten, auf viele befremdlich wirkenden Sprache ersetzt. Spirituelle, kraftspendende Momente finden die Mitarbeitenden in den besonderen Momenten mit den Menschen, die sie betreuen, beraten etc. Von den Mitarbeitenden wird aber eine Verschiebung hin zu „Schreibarbeiten“ erlebt. „Anstatt Qualität zu leisten, ist man zunehmend damit beschäftigt, diese zu dokumentieren“. Arbeitsverdichtung und insbesondere die zusätzlichen bürokratischen Mehraufgaben verhindern die Zeit für einen besonderen Umgang mit den Klienten, der aber für die Sinnhaftigkeit und die Erfüllung der eigenen Ansprüche elementar ist. Die Mitarbeitenden erleben die Gefährdung eines diakonischen Profils eher durch die Führungskräfte bzw. durch die Veränderungen im „Management und der Organisation“. Bei einigen Mitarbeitenden zeigt sich eine gewisse Verunsicherung bezüglich der Erwartungen seitens einer Einrichtung mit konfessioneller Prägung. Ein mangelnder offener Umgang mit den diversen Abstufungen hinsichtlich der gefühlten Zugehörigkeit zur Kirche fördert bei einigen Betroffenen Unsicherheit. Die Erwartungen aller Beteiligten aneinander scheinen in diakonischen Einrichtungen höher zu sein. Führungskräfte erwarten ein besonderes Engagement und Professionalität Ihrer Mitarbeitenden, die Mitarbeitenden eine besonders transparente und fair gelebte Unternehmenskultur und Klienten sowie Angehörige eine besondere Zuwendung. Diese vielfältigen, impliziten Erwartungen können zu Belastungssituationen führen. 2.2 Fragebogenstudie Zur Absicherung der in den narrativen Interviews erzielten Ergebnisse wurde an einer größeren Stichprobe repräsentative Daten mittels eines Fragebogen erhoben. In Abbildung 1 ist die Struktur des Fragebogens dargestellt. Bezüglich der theoretisch angenommenen Wirkzusammenhänge ergeben sich drei Ebenen: Hinsichtlich der unabhängigen Variablen Alter, Ausbildung, Stellenumfang, Arbeitsbereich und Religiosität. Als abhängige Variable wurde das Beanspruchungserleben (Beanspruchungserleben, Reward/Effort) erhoben. Inwieweit sich Arbeitsbelastungen in einem Beanspruchungserleben manifestieren, hängt aber letztendlich von den angewandten Bewältigungsstrategien ab. Diese Strategien wurden in dem Fragebogen ebenfalls systematisch untersucht (Mediatoren). In der vorliegenden Analyse liegt der Fokus auf spirituellen und religiösen Bewältigungsstrategien bzw. auf den Ressourcen, die sich aus einem diakonischen Setting heraus ergeben. -5- Forschungsbericht Biographische Daten: Geschlecht, Alter, Ausbildung, Familienstand, Konfession Arbeitsverhältnisse: Arbeitsbereich, Art der Anstellung, Arbeitgeber Formen des Copings (Stressbewältigung): Intrinsisches religiöses Coping Aus einem religiösen, spirituellen Setting Innere Stabilität - sence of coherence Nutzung religiöser, spiritueller Angebote Religiosität & Spiritualität: Intrinsisch, extrinsisch, spirituell Wahrnehmung der Einrichtung: Profil, Kultur, Erwartungen Beanspruchungserleben Gratifikation Psychisch & (Physisch) Unabhängige Variablen Mediatoren Abhängige Variablen Abbildung 1: Aufbau des Fragebogens und angenommene Wirkzusammenhänge Die vorliegende Analyse der Daten beruht auf insgesamt 996 Personen, die im sozialen Bereich arbeiten und an der Studie teilgenommen haben. Davon sind 18 Mitarbeitende im Johanneswerk und 810 aus anderen diakonischen Einrichtungen. Als Kontrollgruppe wurden 168 Mitarbeitende, die nicht in konfessionell-gebundenen sozialen Einrichtungen arbeiten, herangezogen. 2.2.1 Biographische Daten: Beschreibung der Stichprobe Im Folgenden werden die verschiedenen Merkmale (biografische Daten) der Mitarbeitenden getrennt nach den Gruppen „Mitarbeitende in diakonischen Einrichtungen“ und „Mitarbeitende in nicht konfessionell gebundenen Häusern“ dargestellt. Abbildung 2 zeigt das Verhältnis zwischen weiblichen und männlichen Mitarbeitenden, die an der Studie teilgenommen haben. Mit über 70 % in beiden Gruppen, stellen Frauen den Großteil der Teilnehmenden dar. Hinsichtlich der beiden Gruppen sind keine besonderen Unterschiede festzustellen. -6- Forschungsbericht Abbildung 2: Verteilung „Geschlecht“ in den beiden Gruppen Bei der Verteilung der Altersstruktur zeigen sich in den Gruppen Unterschiede. Die Mitarbeitenden in den nicht konfessionell gebundenen Einrichtungen sind etwas jünger als die Mitarbeitenden in den diakonischen Häusern. Siehe dazu Abbildung 3. Abbildung 3: Verteilung „Alter“ in den Gruppen Hinsichtlich der Arbeitsbereiche liegen Unterschiede in den Gruppen vor. Die Mitarbeitenden in nichtkonfessionell-gebundenen Häusern arbeiten am häufigsten in der Krankenpflege und die in der Diakonie im Bereich der Behindertenhilfe. In allen Beschäftigungsgruppen bilden allerdings Mitarbeitende aus dem Bereich Pflege (Altenpflege, Krankenpflege, Psychiatrie) deutlich mehr als die Hälfte aller Teilnehmenden. Siehe dazu Abbildung 4. Abbildung 4: Verteilung „Arbeitsbereich“ in den verschiedenen Gruppen -7- Forschungsbericht Hinsichtlich der Konfession zeigt sich in den Beschäftigungsgruppen ein ähnliches Bild. Mitarbeitende, die der evangelischen Kirche angehören, stellen jeweils die größte Gruppe. Siehe dazu Abbildung 5. Abbildung 5: Verteilung „Konfession“ in den verschiedenen Gruppen 2.2.2 Allgemeiner Zusammenhang von Religiosität und Beanspruchungserleben Die folgenden Analysen zeigen den Zusammenhang zwischen Religiosität und dem Beanspruchungserleben bezogen auf die Gesamtstichprobe. Das Beanspruchungserleben wurde mit einem Fragebogeninventar von Sigrist (2002) erhoben. Mit diesem Instrument konnten in zahlreichen Studien psychophysiologischen Beanspruchungen von Mitarbeitenden zuverlässig gemessen werden. Dabei geht ein hoher Wert mit einem erhöhten Risiko für burnout und andere stressbedingte Erkrankungen einher. Bei den Ergebnissen in den folgenden Tabellen handelt es sich um Korrelationen. In einer ersten Analyse wurde also betrachtet, inwieweit die Ausprägung eines Merkmals mit der Ausprägung eines Anderen zusammenhängt. Bezüglich der Betrachtung von Ressourcen sind dabei negative Korrelationen interessant. Denn wenn potentielle Ressourcen in einer hohen Ausprägung vorliegen, sollte dies zu niedrigen Beanspruchungswerten führen. Hohe positive Korrelationen zeigen dagegen ein Zusammenhang mit den besonderen Arbeitsbelastungen an. Es sei ausdrücklich darauf verwiesen, dass Korrelation keine Kausalbeschreibungen – also Aussagen über Ursache und Wirkung – zulassen. -8- Forschungsbericht Tab. 1: Zusammenhang zwischen Religiosität und Beanspruchungserleben (n = 996). Beanspruchung Als wie religiös würden Sie sich selbst beschreiben? Wie wichtig ist Ihnen die Verbindung zu einer religiösen Gemeinschaft? Wie oft beten Sie? Wie oft besuchen Sie einen Gottesdienst? Korrelation -.052* Signifikanz .049 Korrelation -.066 Signifikanz .021 Korrelation -.043 Signifikanz .088 Korrelation -.048 Signifikanz .066 * Die Ergebnisse zeigen hinsichtlich intrinsischer und extrinsischer Religiosität negative Korrelation mit dem Beanspruchungserleben. D.h. je religiöser sich jemand selbst beschreibt oder je wichtiger ihm oder ihr die Verbindung zu einer religiösen Gemeinschaft ist, so geringer ist sein Beanspruchungserleben. Für die ersten beiden Fragen (intrinsische Religiosität) ist der Zusammenhang statistisch bedeutsam bzw. signifikant. Für die Fragen "wie oft beten Sie" und "wie oft besuchen Sie einen Gottesdienst?" (extrinsische Religiosität) ist der Zusammenhang ebenfalls zu erkennen, allerdings lässt sich dieser statistisch nicht absichern. Betrachtet man weitere Fragen bezüglich Spiritualität, Religiosität, Arbeit um Beanspruchungserleben erhärtet sich der in Tabelle 1 aufgezeigte Trend. Tab. 2: Zusammenhang zwischen Beanspruchungserleben und verschiedenen Fragen zu spirituellen und religiösen Bewältigungsstrategien bzw. Ressourcen (n = 996). Beanspruchungserleben Aussagen Korrelation Ich fühle mich von Gott oder einem höheren Wesen geliebt .008 ** .000 ** .009 ** .004 * .015 * .048 ** .000 ** .000 ** .000 ** .000 -.076 Ich fühle oftmals eine tiefe innere Ausgeglichenheit -.126 In schwierigen Situationen bekomme ich von Gott bzw. einer höheren Wirklichkeit Mut und Kraft -.087 Mein Leben ist bedeutsam und sinnvoll, da es Teil von etwas Göttlichem oder Großartigem ist In schwierigen Zeiten ist Gott für mich ein Partner -.085 -.069 Manchmal bete ich für andere -.053 Ich fühle mich in meiner Arbeit als Teil einer besonderen Gemeinschaft -.126 Bei uns besteht von der Führung bis zu den Auszubildenden eine Gemeinschaft Unser Miteinander ist geprägt durch christliche Werte -.350 -.197 Mein Arbeitgeber legt Wert auf die persönliche (spirituelle) Entwicklung der Angestellten Signifikanz ** -.235 Bei der Beantwortung dieser Fragen zeigt sich ein starker Zusammenhang mit dem Beanspruchungserleben. Je stärker Formen von Religiosität, Spiritualität oder das Gefühl Teil einer besonderen Gemeinschaft zu sein, wahrgenommen werden, je geringer ist das Beanspruchungserleben aufgrund der beruflichen Tätigkeit. Diese Zusammenhänge sind bei vielen Aussagen statistisch "hoch signifikant". -9- Forschungsbericht Neben den Ressourcen und Bewältigungsstrategien, die einem spirituellen oder religiösen Setting heraus entstammen, empfinden die Mitarbeitenden geringere Beanspruchungswerte, wenn sie gleichzeitig die Unterstützung durch das Team, die empfundene Wertschätzung und die Möglichkeit sich einzubringen hoch einschätzen. In Tabelle 3 sind diese Zusammenhänge dargestellt. Tab. 3: Zusammenhang zwischen Beanspruchungserleben und der wahrgenommenen sozialen Unterstützung und Wertschätzung (n = 996). Beanspruchungserleben Korrelation Ich finde stets Unterstützung bei anderen Menschen Signifikanz ** .000 ** .005 ** .000 ** .000 ** .000 ** .000 ** .000 ** .000 ** .000 ** .000 ** .000 ** .000 -.116 Mein Team stellt eine wichtige seelische Unterstützung für mich dar Mein Arbeitgeber bemüht sich um eine wertschätzende Arbeitsatmosphäre Die Arbeitsatmosphäre ist geprägt von gegenseitigem Vertrauen In meiner Einrichtung wird auch individuellen Arbeitszeitwünschen entsprochen Auch bei persönlichen Problemen kann ich mit der Unterstützung meines Arbeitgebers rechnen Bei uns ist das Wohlergehen der Beschäftigten wichtig -.085 -.389 -.329 -.179 -.325 -.379 Ich bin stolz darauf, in dieser Einrichtung beschäftigt zu sein -.319 Über wichtige Dinge und Vorgänge in unserer Einrichtung sind wir ausreichend informiert Bei meiner Arbeit habe ich viel Freiraum eigene Ideen umzusetzen Bei uns sind Führungskräfte offen für Kritik -.313 -.276 -.347 Bei uns begegnen sich Mitarbeitende und Führungskräfte auf „gleicher Augenhöhe“ -.328 Neben den oben dargestellten Ressourcen, zeigen sich in den Daten auch Hinweise darauf, welche kulturellen Faktoren mit einem erhöhten Beanspruchungserleben einhergehen. Wie auch schon in den qualitativen Erhebungen (Interviews), zeigt sich, dass die empfundene „Verschiebung“ in den Tätigkeiten - weniger Zeit für die eigentlichen Betreuungsaufgaben zu haben – als Belastung erlebt werden. Andere Faktoren, die in einem Zusammenhang mit einem erhöhten Beanspruchungserleben stehen, sind ein empfundener Informations- und Vertrauensmangel und Ängste vor Arbeitsplatzverlust. Siehe dazu Tabelle 4. Tab. 4: Zusammenhang zwischen hohem Beanspruchungserleben und Merkmalen der Arbeit Beanspruchungserleben Korrelation Ich kann meinen eigenen Ansprüchen und Wertvorstellungen bei der Arbeit oftmals nicht gerecht werden Die Benutzung von Managementbegriffen wie „Kunden“ etc. schaden dem Profil unserer Einrichtung Mein Beruf erfordert gelegentlich, dass ich gegen meine Grundsätze handle. Aufgrund bürokratischer Tätigkeiten komme ich nicht zu meiner Kerntätigkeit. Bei Planungen werden gerade diejenigen nicht beteiligt, die später die Auswirkungen zu tragen haben. Wegen beruflicher Verpflichtungen muss ich Pläne für private oder Familienaktivitäten ändern. Anstelle von sachlicher Information gibt es bei uns viele Gerüchte. In unsere Einrichtung haben die Mitarbeitenden viele Ängste (vor Arbeitsplatzverlust, Fehlern etc.). Bei uns wird eher durch Kontrolle als mit Vertrauen geführt. Signifikanz ** .000 ** .006 ** .000 ** .000 ** .000 ** .000 ** .000 ** .000 ** .000 .380 .083 .365 .366 .330 .257 .291 .330 .317 -10- Forschungsbericht 2.2.3 Vergleich von Mitarbeitenden, die in diakonischen oder nicht konfessionell geprägten Einrichtungen arbeiten In den folgenden Tabellen werden die Mitarbeitenden, die in diakonischen Einrichtungen bzw. in nicht konfessionell gebundene Einrichtung arbeiten, verglichen. Die Darstellung erfolgt nun anhand der Mittelwerte. Die Versuchsteilnehmer konnten verschiedene Fragen auf einer Skala von 1 = „stimme überhaupt nicht zu“ und 6 = „stimme vollkommen zu“ beantworten. Statistisch signifikante Unterschiede wurden rot gekennzeichnet. In Tabelle 5 sind die Mittelwerte für verschiedene Fragen zu spirituellen und religiösen Bewältigungsstrategien bzw. Ressourcen angegeben. Deutliche Unterschiede zeigen sich insbesondere bezüglich der Aussagen "Unser Mitarbeit ist geprägt durch christliche Werte" und "Mein Arbeitgeber fördert die Auslebung meines Glaubens oder meiner Spiritualität". Keine Unterschiede zeigen sich bei den intrinsischen Ressourcen (siehe dazu erste Fragen). Tab. 5: Vergleich von Mitarbeitenden aus der Diakonie mit Mitarbeitenden in nicht-konfessionell gebundenen Einrichtungen. Angegeben sind Mittelwerte. Die 6-stufige Skala hat die Pole: 1 = „stimme überhaupt nicht zu“ und 6 = „stimme vollkommen zu“. Mittelwerte Mittelwerte Diakonie Nicht-konf. Ich fühle mich von Gott oder einem höheren Wesen geliebt 3.93 3.75 Ich fühle oftmals eine tiefe innere Ausgeglichenheit 3.70 3.67 In schwierigen Zeiten ist Gott für mich ein Partner 3.44 3.11 Manchmal bete ich für andere 4.17 3.81 Ich fühle mich in meiner Arbeit als Teil einer besonderen Gemeinschaft 3.92 3.47 Bei uns besteht von der Führung bis zu den Auszubildenden eine Gemeinschaft 3.34 2.95 Unser Miteinander ist geprägt durch christliche Werte. 3.28 2.60 Mein Arbeitgeber fördert die Auslebung meines Glaubens oder meiner Spiritualität. 3.07 2.03 In Tabelle 6 sind die Mittelwerte für die von den Mitarbeitenden wahrgenommene sozialer Unterstützung und Wertschätzung angegeben. Hier zeigen sich nur geringfügige Unterschiede. Mitarbeitende der Diakonie zeigen eine höhere Identifikation und fühlen sich besser informiert. Siehe Tabelle 6. Tabelle 6:. Vergleich von Mitarbeitenden aus der Diakonie mit Mitarbeitenden in nicht-konfessionell gebundenen Einrichtungen. Angegeben sind Mittelwerte. Die 6-stufige Skala hat die Pole: 1 = „stimme überhaupt nicht zu“ und 6 = „stimme vollkommen zu“. Mittelwerte Mittelwerte Diakonie Nicht-konf. Ich finde stets Unterstützung bei anderen Menschen. 4.36 4.47 Mein Team stellt eine wichtige seelische Unterstützung für mich dar 3.85 3.72 Mein Arbeitgeber bemüht sich um eine wertschätzende Arbeitsatmosphäre. 3.97 3.71 Die Arbeitsatmosphäre ist geprägt von gegenseitigem Vertrauen. 3.85 3.63 In meiner Einrichtung wird auch individuellen Arbeitszeitwünschen entsprochen 3.76 3.68 Bei uns ist das Wohlergehen der Beschäftigten wichtig. 3.79 3.48 Ich bin stolz darauf, in dieser Einrichtung beschäftigt zu sein. 4.19 3.76 Über wichtige Vorgänge in unserer Einrichtung sind wir ausreichend informiert. 3.77 3.43 Bei meiner Arbeit habe ich viel Freiraum eigene Ideen umzusetzen. 4.12 4.08 Bei uns sind Führungskräfte offen für Kritik. 3.76 3.53 Bei uns begegnen sich Mitarbeitende und Führungskräfte auf „gleicher Augenhöhe“. 3.54 3.34 -11- Forschungsbericht In Tabelle 7 sind weitere Faktoren der Unternehmenskultur, die in einem Zusammenhang mit dem Beanspruchungserleben stehen, dargestellt. Hier zeigen sich insbesondere bei den Mitarbeitenden der Diakonie Vorbehalte gegen Managementbegriffe, eine besonders hohe Erwartungen an den Arbeitgeber, aber auch signifikant höhere Ängste vor Arbeitsplatzverlust oder davor, Fehler zu machen. Siehe dazu Tabelle 7. Tab. 7:. Vergleich von Mitarbeitenden aus der Diakonie mit Mitarbeitenden in nicht-konfessionell gebundenen Einrichtungen. Angegeben sind Mittelwerte. Die 6-stufige Skala hat die Pole: 1 = „stimme überhaupt nicht zu“ und 6 = „stimme vollkommen zu“. Ich kann meinen eigenen Ansprüchen und Wertvorstellungen bei der Arbeit oftmals nicht Mittelwerte Mittelwerte Diakonie Nicht-konf. 3.59 3.54 Managementbegriffen wie „Kunden“ etc. schaden dem Profil unserer Einrichtung 3.26 2.61 Mein Beruf erfordert gelegentlich, dass ich gegen meine Grundsätze handle. 3.21 3.17 Aufgrund bürokratischer Tätigkeiten komme ich nicht zu meiner Kerntätigkeit. 3.56 3.18 Aufgrund des Selbstverständnisses meines Arbeitsgebers erwarte ich einen besonders 4.82 4.38 3.51 3.25 Anstelle von sachlicher Information gibt es bei uns viele Gerüchte. 3.33 3.12 In unsere Einrichtung haben die Mitarbeitenden viele Ängste (vor Arbeitsplatzverlust, 3.25 2.78 2.79 2.68 gerecht werden. fairen Umgang Bei Planungen werden gerade diejenigen nicht beteiligt, die später die Auswirkungen zu tragen haben. Fehlern etc.). Bei uns wird eher durch Kontrolle als mit Vertrauen geführt. Weitere Analysen Hinsichtlich des Beanspruchungserleben ergaben sich in den Analysen keine Unterschiede zwischen Mitarbeitenden der Diakonie und nicht konfessionell gebundener Häuser. Aber Mitarbeitende, die sich als religiös beschreiben, zeigen allgemein ein geringeres Beanspruchungserleben. Auch wenn die Mehrheit der Mitarbeitenden in diakonischen Einrichtungen angeben, dass sie religiöse Angebote wie Andachten, Seelsorge und allgemeine Gottesdienste eher selten oder gar nicht in Anspruch nehmen, so beurteilen doch fast Zweidrittel aller Mitarbeitenden in diakonischen Einrichtungen positiv, dass es diese Angebote gibt. -12- Forschungsbericht 3. Diskussion und Fazit Die Ergebnisse der Studie zeigen eindeutig, dass ein Zusammenhang besteht zwischen individuellen Glaubensvorstellungen sowie Bewältigungsstrategien, die sich aus einem religiösen oder spirituellen Setting heraus ergeben, und dem Beanspruchungserleben. Mitarbeitende, die Formen von religiösen oder spirituellen coping nutzen, zeigen ein signifikant geringeres Beanspruchungserleben. Des Weiteren zeigt sich, dass insbesondere Formen von sozialer Unterstützung, Wertschätzung sowie Transparenz und Partizipation in einem engen Zusammenhang mit dem subjektiv empfundenen Erleben stehen. Ein Vergleich zwischen diakonischen und nicht konfessionell gebundenen Einrichtungen zeigt, dass Mitarbeitende in der Diakonie, die oben genannten (organisationalen) Ressourcen günstiger einschätzen. Nähere Analysen zeigen allerdings auch, dass sich diese Bewertungen in den verschiedenen Einrichtungen der Diakonie durchaus unterscheiden. Hinsichtlich individueller religiöser Glaubensvorstellungen und spirituellen sowie religiösen coping konnte zwischen den Mitarbeitenden der Diakonie und nicht konfessionell gebundener Häuser nur geringfügige Unterschiede festgestellt werden. Einrichtungen sollten Ihre Mitarbeitenden ermuntern und es ermöglichen, religiöse Glaubensvorstellung und Spiritualität zu leben. Dies setzt heute sowohl für konfessionell als auch nicht konfessionell gebundene Einrichtung voraus, dass Diversität und eine interkulturelle Öffnung gelebt wird. Dem Führungsverhalten kommt dabei eine zentrale Rolle zu. Untersuchungen zeigen, dass das Verhalten der Führungskräfte in nicht industriellen Berufen – ein wichtiger Prädiktor für die Gesundheit der Mitarbeitenden ist (Zimber & Gregersen, 2007). Die bisherigen Ergebnisse des vorliegenden Projektes konnten zeigen, dass seitens der Mitarbeitenden besonders hohe Erwartungen bezüglich eines transparenten und fairen Umgangs in konfessionelle gebundenen Einrichtungen bestehen. Diese Erwartungen sollten konstruktiv aufgegriffen werden. Zusammenfassend lassen sich folgende Empfehlungen aus den bisherigen Ergebnissen ableiten: Stärkung des Empfindens der Mitarbeitenden ein Teil einer besonderen (Arbeits-) Gemeinschaft zu sein Ein großes „Pfund“ mit dem die Diakonie hinsichtlich einer Ressourcenstärkung “wuchern“ kann, ist Ihre Identität und gelebte Gemeinschaft. Diese sollte einrichtungsübergreifend auf Mitarbeiterebene gefördert werden. Anzudenken wären hier berufsbezogene, aber auch soziale Maßnahmen, die das besondere Gemeinschaftsgefühl, Teil der Diakonie zu sein, fördern. Besondere Momente in der Arbeit mit den Klienten schaffen (spirituelle, kraft- und sinngebende Momente) In den bisherigen Ergebnissen spiegelt sich deutlich wieder, dass spirituelle, kraft- und sinngebende Momente im direkten Kontakt mit den Menschen die man betreut, erlebt werden. Trotz des personellen und finanziellen Druckes sollte überlegt werden, wie in der Arbeit, auch zur deutlichen Abgrenzung zu anderen Einrichtungen, Räume für solche Momente geschaffen werden können. Einen offenen Umgang hinsichtlich religiöser und christlicher Diversität Individuelle spirituelle und religiöse Vorstellungen werden selbst bei konfessionell gebundenen Arbeitgebern selten kommuniziert. Über das Thema offen und ehrlich zu sprechen, kann für Beschäftigte in einem Tendenzbetrieb wie der Diakonie mit positiven, aber auch mit negativen Konsequenzen einhergehen. Grundsätzlich können Mitarbeitende davon ausgehen, dass in der Diakonie eine besondere Bereitschaft vorhanden sein sollte, sich über spirituelle Aspekte auszutauschen. Gleichzeitig kann sich aber für Mitarbeitende die Frage stellen, ob sie hinsichtlich Religion und Spiritualität mit dem Arbeitgeber übereinstimmende Einstellungen haben. Da die Kirche ihr Monopol für Sinngebung in unserer Gesellschaft verloren hat, finden sich unter den Mitarbeitenden unterschiedlichste religiöse Einstellungen und Haltungen, die mehr oder weniger christlich geprägt sind. Die Tabuisierung des Themas verstärkt aber das Gefühl der Unsicherheit bezüglich der Frage, ob die eigenen religiösen Haltungen und spirituellen Praktiken den Erwartungen des Trägers entsprechen. Die manchmal floskelhafte und wenig konkrete Sprache, die diesbezüglich in Organisationen und beispielsweise in Leitbildern vorzufinden ist, stellt somit gleichzeitig eine Ursache und ein Symptom der Tabuisierung von individuellen Glaubensbekenntnissen in der Diakonie dar. Zu überlegen wäre, wie man den offenen Diskurs diesbezüglich vertiefen kann. -13- Forschungsbericht Religiöse Angebote der Träger Mit „religiösen Angeboten“ in der Diakonie sind Maßnahmen und Strukturen zur Förderung von oder die Auseinandersetzung mit christlich- diakonischen Haltungen und rituellen Formen verbunden. Klassische Formen solcher Angebote, und in weiten Teilen der Diakonie anzutreffen, sind: o Fort- und Weiterbildungen (mit spezifischen oder integrierten religiösen Fragestellungen) o Einkehr- und Begegnungstage o Seelsorge o „Geistliches Leben“ in der Diakonie (Andachten, Aussegnungen, Feste im Jahreskreis) o Strukturen, die „religiöse Auseinandersetzung“ für Mitarbeitende ermöglichen (Kooperation mit Kirchengemeinden) Wichtig ist hier die Frage, inwieweit manche Angebote - wie beispielsweise Seelsorge – tatsächlich auf die Mitarbeitenden in der Diakonie ausgerichtet sind. Seelsorger in den Interviews äußerten, dass sie zwar viele ihrer Gespräche mit Mitarbeitenden führen, weil es dafür einen hohen Bedarf gibt, diese Gespräche aber eigentlich nicht zu ihren Aufgaben gehören und dann auch weniger Zeit für die Patientinnen und Patienten bleibt. Im Umkehrschluss haben Mitarbeitende oft Hemmungen, Seelsorgerinnen und Seelsorger mit ihren Belangen anzusprechen, da sie den Patienten „nichts wegnehmen“ wollen. Es wird deutlich, dass bei klassischen religiösen Angeboten Mitarbeitende nur dann im Fokus stehen, wenn die Angebote explizit für sie außerhalb der alltäglichen Praxis (in Fortbildungen oder Einkehrtagen) stattfinden. Bei Maßnahmen im Arbeitsalltag, die Ausdruck geistlichen Lebens und diakonischer Kultur sind, befinden Mitarbeitende sich oft in Doppelfunktionen, wenn sie beispielsweise Aussegnungen organisieren und gleichzeitig von Menschen, die sie begleitet haben, Abschied nehmen. Inwieweit und welche religiösen Angebote gerne angenommen und als Ressource zur Bewältigung gesehen werden, wird sich in den Ergebnissen der quantitativen Erhebungen zeigen. Ausgehend von diesen sollte überlegt werden, welche Angebote weiter entwickelt werden sollten. Eine mitarbeiterorientierte, gesundheitsförderliche Unternehmenskultur Ob man einen besonderen diakonischen oder christlichen Führungsstil beschreiben kann, bleibt fraglich. Aber nicht zuletzt auf Grund hoher Erwartungen seitens der Mitarbeitenden bezüglich einer besonderen Mitarbeiterorientierung sind Führungskräfte in der Diakonie besonders gefordert. Dieser Anspruch spiegelt sich auch in den Leitbildern der Einrichtungen wider. Wichtig ist es dabei aber, den Führungskräften konkretes „Handwerkszeug“ an die Hand zu geben. Also wie sie sich verhalten müssen, um den Erwartungen entsprechen bzw. gesundheitsförderliches Führen verwirklichen zu können. Führungsleitsätze sollten konkrete Beschreibungen in „Verben“ beinhalten und genau nennen, welches Verhalten in Bezug auf Mitarbeitende belastungsreduzierend und gesundheitsförderlich ist. In Bezug auf gesundheitsförderliche Mitarbeiterführung können schnell allgemeine Dimensionen identifiziert werden, die jeweils in unterschiedlichen Ausprägungen Hinweise für ein entsprechendes Führungsverhalten eröffnen (Matyssek, 2003): o Anerkennung/Wertschätzung (z.B. Rückmeldung über erbrachte Leistungen) o Interesse/Kontakt (z.B. Sensibilität gegenüber persönlichen Veränderungen des Mitarbeiters) o Einbeziehung / Partizipation (Beteiligung an Planungs- und Entscheidungsprozessen) o Transparenz/Offenheit ( transparente betriebliche Informationspolitik etc.) o Stimmung/Betriebsklima (positive zwischenmenschliche Beziehungen am Arbeitsplatz etc.). Aber diese allgemeinen und all bekannten Dimensionen, die sich in den meisten Leitbildern wiederfinden, geben wenig konkrete Verhaltensempfehlungen vor. Etwas differenzierter sind Hinweise unter Einbeziehung salutogener Sichtweisen (vgl. Lauterbach, 2005): -14- Forschungsbericht o Dafür sorgen, dass Mitarbeiter durchschauen und sich erklären können, was passiert, ihre Aufgabe ist und welche Entwicklungen anstehen o Notwendigen Ressourcen an Zeit, Energie, Know-how zur Verfügung stellen o Engagement und richtiges Verhalten muss sich für die Mitarbeitenden lohnen o Es muss dem MA der Sinn der Arbeit vermittelt werden o Aufbau von wertschätzenden Beziehungen zu den Mitarbeitern o Für die Mitarbeiter berechenbar bleiben o Für ausreichende Klarheit über die geltenden Regeln sorgen o Klarheit über die aktuelle Ausrichtung des Unternehmens schaffen Sehr viel „handlungsnäher“ und somit aussagekräftiger sind Handlungsinventare für gesundheitsorientiertes Führen, wie sie beispielsweise von van Quaquebeke & Eckloff (2010) vorschlagen werden. In diesen sind anhand von zahlreichen Dimensionen konkrete Verhaltensempfehlungen aufgeführt. Zu überlegen wäre, wie man Führungskräften in diakonischen Einrichtungen - auf Grundlage solcher Inventare - ein Instrument an die Hand geben könnte, mit dem sich ein besonderer diakonischer Führungsstil und somit Führungskultur etablieren lässt, die die Mitarbeitenden als eine Gesundheitsressource erleben. Integration von Gesundheitsförderung ins normative Management In einer diakonischen Unternehmenskultur sollte Gesundheitsförderung Teil des normativen Managements sein. Dazu sollte auf allen Ebenen Gesundheit zum Thema und Ziel gemacht und ins strategische Management und in die dazugehörigen Instrumente integriert werden. D.h. Gesundheitsfragen sollten beispielsweise regelmäßig bei Dienstbesprechungen aufgegriffen werden, die Führungskräfte als Vorbild dienen (Rauchen, Einhaltung von Arbeitszeiten), sowie eine Transfersicherung von Gesundheitsthemen sichergestellt werden. Auch hinsichtlich der Zuweisung von Aufgaben und Verantwortlichkeiten, der Gestaltung von Arbeitsumgebungen und der Arbeitsorganisation ist eine „umfassende“ gesundheitsorientierte Ausrichtung empfehlenswert. Schließlich sollte als eine übergreifende Managementstrategie eine möglichst hohe Form der Mitarbeiterbeteiligung realisiert werden. Zudem sind Fragen der sozialen Aktivierung interessant, also ob z.B. die Anwesenheit einer Führungskraft zu schnelleren oder zu gesünderen Arbeitshandlungen führt. Kritische Anmerkungen Bei einer Ausrichtung auf Spiritualität und Religiosität besteht die Gefahr, da dieses sehr persönliche Bedürfnisse und Belange des Einzelnen berührt, dass sich Menschen überfordert, ausgegrenzt oder missioniert fühlen. Ein weiteres Problem ist das der „Systemverträglichkeit“. Unternehmenswerte können nur dann gemeinsam erlebt und gelebt werden, wenn sie mit den äußeren Bedingungen als stimmig empfunden werden. Beispielsweise kann eine kennzahlen- und leistungsorientierte Führung eines Unternehmens im Widerspruch zur Ausbildung einer besonderen Arbeitsgemeinschaft erlebt werden. Ein drittes Problem besteht darin, dass die Mitarbeitenden in der Hinwendung zu einem besonderen christlichen Profil oder auch christlicher Spiritualität eine Maßnahme zur „Leistungssteigerung“ sehen (Fernando, 2005; Brown, 2003). Also die Gefahr, dass die Hinwendung zu Spiritualität und Religiosität lediglich als ein weiteres „Managementinstrument“ wahrgenommen wird. -15- Forschungsbericht Literatur Ashmos, D. P. & Duchon, D. (2000). Spirituality at work: A conception and measure. Journal of Management Inquiry, 9, 2, 134-145. Bartlett, C. A. & Ghoshal, S. (1995). Transnational Management (2. Auflage). Irwin, Chicago, USA. Biberman, J.,& Whitty, M. (1997). A postmodern spiritual future for work. Journal of Organizational Change Management, 10(2), 130–138. BKK (2010). BKK Gesundheitsreport 2010. 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