ÜBUNG ÖFFENTLICHES RECHT I Diplomstudium der Rechtswissenschaften (K 101) Bachelorstudium Wirtschaftsrecht (K 033/500) Bruno Binder/Bettina Renner/Gudrun Trauner 148.006 [Cyber] 140.071 FORMULIEREN SIE JEWEILS DIE ANTRÄGE ! 1. Alfred A ist österreichischer Staatsbürger, am 01.03.1950 geboren, wohnhaft in Villach, Bahnhofstraße 44. Im Juli und August 2015 möchte er in seiner Wohnung – bei freiem Zutritt und gegen eine Eintrittsgebühr von € 9 – alte Kinofilme vorführen und bringt am 16.04.2015 einen entsprechenden Antrag ein. Kärntner Kinogesetz 1962 LGBl 1963/2 § 1 (Erfordernis der Berechtigung) (1) Die Vorführung von Filmen ist nur auf Grund einer von der Behörde (§ 23) erteilten Berechtigung zulässig. Als Vorführung von Filmen gilt dabei jede Wiedergabe von auf Bildträgern aufgezeichneten Laufbildern durch Projektion auf eine Bildfläche und jede sonstige Wiedergabe von Laufbildern, sofern die Bildfläche einen Quadratmeter übersteigt. (3) Der Verleihung einer Berechtigung bedürfen nicht Filmvorführungen, die ohne Erwerbsabsicht a) in Privatwohnungen vor Familienangehörigen und geladenen Gästen, […] vorgeführt werden. § 2 (Arten der Berechtigung) (4) Die Berechtigung … darf nur für bestimmte Räumlichkeiten oder Plätze und für bestimmte Zeiträume erteilt werden. § 3 (Persönliche Voraussetzungen) (2) Natürlichen Personen darf eine Berechtigung nur dann erteilt werden, wenn sie eigenberechtigt sind. § 23 (Zuständigkeit) Zur Verleihung der Berechtigungen … ist die Bezirksverwaltungsbehörde zuständige Behörde. [Text in Farbe orange: RECHTSFOLGE Text in Farbe grün: ZUSTÄNDIGKEIT Text in lila: DEFINITIONEN] An den MAGISTRAT DER STATUTARSTADT VILLACH Rathausplatz 1 A-9500 Villach Antragsteller: Alfred A Pensionist Bahnhofstraße 44 A-9500 Villach Alfred A wegen: Filmvorführungsberechtigung gemäß § 3 Kärntner Kinogesetz 1962 einfach 2 Beilagen ANTRAG (Cyber)Übung Öffentliches Recht I [SS 2015] Falllösung III: Anträge (Lösung)/1 I. a. Ich bin am 01.03.1950 geboren und möchte im Juli und August 2015 in meiner Wohnung in Villach, Bahnhofstraße 44, gegen eine Eintrittsgebühr von € 9 – bei freiem Zutritt – alte Kinofilme vorführen. b. Beweisanbote: PV, Geburtsurkunde (, Raumplan). II. Ich stelle daher den Antrag, der Bürgermeister der Statutarstadt Villach möge mir gemäß § 3 Kärntner Kinogesetz 1962 für die Wohnung Bahnhofstraße 44 in Villach für den Zeitraum von 01.07.2015 bis 31.08.2015 eine Filmvorführungsberechtigung erteilen. III. Meinen Antrag begründe ich wie folgt [= rechtliche Begründung]: [Zulässigkeit]:1 1. Die „Vorführung von Filmen“ ist nach § 1 Abs 1 Kärntner Kinogesetz 1962 nur aufgrund einer Berechtigung der Behörde zulässig. [= Nennen des ersten Tatbestandselements] Was unter „Vorführung von Filmen“ zu verstehen ist, erläutert § 1 Abs 1 zweiter Satz Kärntner Kinogesetz 1962 näher. Danach gilt „jede Wiedergabe von auf Bildträgern aufgezeichneten Laufbildern durch Projektion auf eine Bildfläche und jede sonstige Wiedergabe von Laufbildern, sofern die Bildfläche einen Quadratmeter übersteigt“, als Vorführung von Filmen. [= Auslegung des ersten Tatbestandselements] Ich möchte alte Kinofilme vorführen und brauche dafür – grundsätzlich – eine behördliche Berechtigung. [= Subsumtion unter das erste Tatbestandselement] 2. Keiner behördlichen Berechtigung bedürfen nach § 1 Abs 3 lit a Kärntner Kinogesetz 1962 Filmvorführungen allerdings dann, wenn sie „ohne Erwerbsabsicht in Privatwohnungen vor Familienangehörigen und geladenen Gästen“ vorgeführt werden. [= Nennen des zweiten Tatbestandselements] „Erwerbsabsicht“ bedarf als unbestimmter Gesetzesbegriff der Auslegung. Erwerbsabsicht bedeutet nach dem Wortsinn, dass man die Absicht hat, ein Einkommen, einen Gewinn oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen. Dabei ist es unerheblich, in welcher Höhe oder welcher Form, ob mit selbstständiger oder unselbstständiger Tätigkeit der „Erwerb“ erzielt wird. Es spielt auch keine Rolle, ob tatsächlich ein Gewinn erzielt wird oder nicht. [= Auslegung des zweiten Tatbestandselements] Da ich € 9 Eintritt verlange und die Filmvorführungen zwar in meiner Wohnung stattfinden, aber nicht nur vor Familienangehörigen und geladenen Gästen, sondern bei freiem Zutritt für jedermann, findet der Ausnahmetatbestand des § 1 Abs 3 lit a Kärntner Kinogesetz 1962 keine Anwendung. Ich brauche für die Filmvorführungen in meiner Wohnung eine behördliche Berechtigung. [= Subsumtion unter das zweite Tatbestandselement] [Begründetheit]:2 3. Eine Berechtigung zur Vorführung von Filmen darf nach § 3 Abs 2 Kärntner Kinogesetz 1962 nur „eigenberechtigten“ „natürlichen Personen“ erteilt werden. [= Nennen des dritten Tatbestandselements] 1 2 Das Kärntner Kinogesetz (§ 1 Abs 1) bestimmt, dass die „Vorführung von Filmen“ nur mit einer behördlichen Berechtigung zulässig ist. Nur wenn A eine solche „Vorführung von Filmen“ vorhat, dann braucht er auch tatsächlich eine Berechtigung der Behörde. Ist A’s Vorhaben hingegen keine „Vorführung von Filmen“ iSd Kärntner Kinogesetzes, braucht er keine Berechtigung und wäre ein von ihm dennoch gestellter Antrag unzulässig. Wir können diesen Punkten unserer Antragsbegründung daher die (Zwischen)Überschrift „Zulässigkeit“ voranstellen. Bei der Begründetheit (unter III.) wissen wir schon, dass A einen Antrag stellen muss (sein Antrag also zulässig ist). Wir wissen aber noch nicht, ob er alle kumulativ zu erfüllenden Voraussetzungen erbringt, damit ihm die Behörde die Berechtigung auch erteilen kann, ob sein Antrag in diesem Sinn auch „begründet“ ist. Wir können diesem Teil unserer Antragsbegründung daher die (Zwischen)Überschrift „Begründetheit“ voranstellen. (Cyber)Übung Öffentliches Recht I [SS 2015] Falllösung III: Anträge (Lösung)/2 Unter „Eigenberechtigung“ in § 3 Kärntner Kinogesetz 1962 ist die volle Handlungsfähigkeit gemeint. Ein (geistig gesunder) Mensch ist „nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts“ (§ 9 AVG) mit Vollendung des 18. Lebensjahres (§§ 21 iVm 170 Abs 1 ABGB) voll handlungsfähig und damit eigenberechtigt. [= Auslegung des dritten Tatbestandselements] Ich bin (als Mensch) eine natürliche Person und als geistig gesunder 64-jähriger auch eigenberechtigt. [= Subsumtion unter das dritte Tatbestandselement] 4. Das Kärntner Kinogesetz 1962 spricht zwar in § 2 Abs 4 und § 3 Abs 2 davon, dass eine Berechtigung erteilt werden „darf“. Dies ist aber nicht als Einräumung von Ermessen zu verstehen. Aufgrund des Gesetzmäßigkeitsgebots der Bundesverfassung (Art 18 Abs 1 B-VG) ist von der gebundenen Entscheidung (= Rechtsentscheidung) als Regelfall des verwaltungsbehördlichen Gesetzesvollzugs auszugehen (der Verwaltung soll beim Gesetzesvollzug kein eigener Spielraum für die nach dem Gesetz zu treffenden Anordnungen zukommen). Wenn der Gesetzgeber in einem konkreten Fall ausnahmsweise eine – aufgrund des Art 130 Abs 3 B-VG zulässige – Ermessensentscheidung anordnet, so müssen sich dafür Hinweise im Gesetzestext finden. Ein derartiger Hinweis auf eine Ermessensentscheidung könnte das „darf“ in § 2 Abs 4 und § 3 Abs 2 Kärntner Kinogesetz 1962 sein. Durch die Verwendung des Wortes „darf“ will der Gesetzgeber der Behörde häufig aber bloß eine Kompetenz einräumen, die Behörde zu einem bestimmten Verhalten ermächtigen, so auch in § 2 Abs 4 und § 3 Abs 2 Kärntner Kinogesetz 1962. „Nur“ wenn alle genannten Voraussetzungen erfüllt sind, „darf“ die Behörde eine Bewilligung erteilen, der Behörde kommt kein Ermessen zu. Sie muss die Berechtigung zur Vorführung von Filmen – im Sinne einer gebundenen Entscheidung –erteilen, wenn ich alle Voraussetzungen des § 3 Kärntner Kinogesetz 1962 erfülle. 5. Sachlich zuständig ist nach § 23 Kärntner Kinogesetz 1962 die Bezirksverwaltungsbehörde. „Bezirksverwaltungsbehörde“ ist der Bezirkshauptmann, in Statutarstädten der Bürgermeister (Art 116 Abs 3 letzter Satz B-VG). Über die örtliche Zuständigkeit enthält das Kärntner Kinogesetz 1962 keine Aussagen. Daher ist der – subsidiär anzuwendende – § 3 AVG anzuwenden, wonach sich die örtliche Zuständigkeit in Sachen, die sich auf eine sonstige dauernde Tätigkeit beziehen, „nach dem Ort, an dem die Tätigkeit ausgeübt wird oder werden soll“, richtet (§ 3 Z 2 AVG). Da die Filme in Villach vorgeführt werden sollen, ist der örtliche Anknüpfungspunkt die Statutarstadt Villach. Die Bezirksverwaltungsagenden einer Statutarstadt besorgt der Bürgermeister, er ist die „Bezirksverwaltungsbehörde“. Der Bürgermeister der Statutarstadt Villach ist daher die zur Erteilung einer Filmvorführungsberechtigung sachlich und örtlich zuständige Verwaltungsbehörde. Villach, 16.04.2015 (Cyber)Übung Öffentliches Recht I [SS 2015] Alfred A Falllösung III: Anträge (Lösung)/3 2. Belinda B ist am 20.04.1993 geboren, österreichische Staatsbürgerin und unbescholten; sie wohnt in der Goldschmidstraße 13, in 4020 Linz. Auf einem 3.000 m² großen Grundstück (Grundstück Nr 84, EZ 27, Katastralgemeinde K, Gemeinde K, Bezirk Kirchdorf/Krems) will sie einen Campingplatz errichten und bringt am 30.04.2015 einen bezüglichen Antrag bei der zuständigen Behörde ein. Unmittelbar entlang der Grenze zum Nachbargrundstück soll ein – nachts durch Leuchtstofflampen xy beleuchteter – Weg errichtet werden. Oö Campingplatzgesetz LGBl 1967/49 idF 2001/90 §7 Voraussetzungen für die Bewilligung (1) Persönliche Voraussetzungen für die Erteilung der Bewilligung zur Errichtung eines Campingplatzes sind Eigenberechtigung, Verlässlichkeit in Beziehung auf den Betrieb eines Campingplatzes […]. §1 Campingplatz; Begriff; Bewilligungspflicht (1) […] (2) Unbeschadet der nach sonstigen Rechtsvorschriften erforderlichen behördlichen Genehmigungen (Bewilligungen) bedürfen die Errichtung und der Betrieb eines Campingplatzes der Bewilligung der Bezirksverwaltungsbehörde. §3 Beschaffenheit und Lage des Grundstücks (1) […] Ferner darf durch den Betrieb des Campingplatzes […] die Nachbarschaft […] nicht unzumutbar beeinträchtigt werden. (2) Sind die persönlichen Voraussetzungen gegeben, so ist die Bewilligung zu erteilen, wenn […] die sonst nach diesem Gesetz gebotenen Voraussetzungen erfüllt sind […] (3) Die Bewilligung kann mit Auflagen erteilt werden, wenn dies zur Erfüllung der Voraussetzungen nach Abs. 1 und 2 erforderlich ist. [Text in Farbe orange: RECHTSFOLGE Text in Farbe grün: ZUSTÄNDIGKEIT Text in Farbe blau: sonstige nicht zum eigentlichen Tatbestand gehörende Textteile] An die BEZIRKSHAUPTMANNSCHAFT KIRCHDORF AN DER KREMS Garnisonstraße 1 A-4560 Kirchdorf an der Krems Antragstellerin: Belinda B Goldschmidstraße 13 A-4020 Linz Belinda B wegen: Campingplatzbewilligung gemäß § 7 Oö Campingplatzgesetz einfach 4 Beilagen ANTRAG (Cyber)Übung Öffentliches Recht I [SS 2015] Falllösung III: Anträge (Lösung)/4 I. a. Ich bin am 20.04.1993 geboren und unbescholten. Auf einem 3.000 m² großen Grundstück (Grundstück Nr 84, EZ 27, Katastralgemeinde K, Gemeinde K, Bezirk Kirchdorf/Krems) will ich einen Campingplatz errichten. Unmittelbar entlang der Grenze zum Nachbargrundstück soll ein – nachts durch Leuchtstofflampen xy beleuchteter – Weg errichtet werden. b. Beweisanbote: PV, Geburtsurkunde, Lageplan, Strafregisterbescheinigung (, Beschreibung der Leuchtstofflampen xy). II. Ich stelle daher den Antrag, der Bezirkshauptmann Kirchdorf/Krems möge mir gemäß § 7 Oö Campingplatzgesetz die Bewilligung für die Errichtung eines Campingplatzes auf dem Grundstück Nr 84, EZ 27, Katastralgemeinde K, Gemeinde K, Bezirk Kirchdorf/Krems, erteilen. III. Meinen Antrag begründe ich wie folgt: [Zulässigkeit]:3 1. Nach § 1 Abs 2 Oö Campingplatzgesetz bedürfen die „Errichtung und der Betrieb eines Campingplatzes“ der Bewilligung der Behörde. Da ich einen Campingplatz errichten will, brauche ich eine behördliche Bewilligung. [Begründetheit]:4 2. Die Bewilligung für die Errichtung eines Campingplatzes ist nach § 7 Abs 2 Oö Campingplatzgesetz zu erteilen, wenn die „persönlichen Voraussetzungen“ und die „sonst nach diesem Gesetz gebotenen Voraussetzungen“ erfüllt sind. a. Zu den „sonst nach diesem Gesetz gebotenen Voraussetzungen“ zählt das in § 3 Oö Campingplatzgesetz genannte Tatbestandsmerkmal, dass „die Nachbarschaft nicht unzumutbar beeinträchtigt“ werden darf. Was eine „unzumutbare Beeinträchtigung“ ist, ist zunächst auszulegen. Unter einer „Beeinträchtigung“ kann eine „Behinderung“, eine „Minderung“ der Lebensqualität verstanden werden. „Unzumutbar“ ist eine solche Beeinträchtigung dann, wenn sie „unerträglich“ ist, als äußerst unangenehm, sehr lästig empfunden wird. Solange also eine – durch den Betrieb des Campingplatzes hervorgerufene – Beeinträchtigung zumutbar, also noch tragbar, noch erträglich ist, steht sie einer Bewilligung nicht entgegen. Der durch den Betrieb des Campingplatzes hervorgerufene Lärm (Zu- und Abfahren der Campingplatznutzer und der Lieferanten) ist keine Beeinträchtigung, die der Nachbarschaft nicht zuzumuten wäre. Der unmittelbar entlang der Grenze zum Nachbargrundstück führende Weg wird nachts beleuchtetet werden. Unzumutbare Beeinträchtigungen der Nachbarschaft sind dadurch nicht zu erwarten. Eine „unzumutbare Beeinträchtigung“ steht der Bewilligung daher nicht entgegen. 3 4 Das Oö Campingplatzgesetz (§ 1 Abs 2) bestimmt, dass ein „Campingplatz“ nur mit Bewilligung der Behörde errichtet und betrieben werden darf. Nur wenn B einen „Campingplatz“ errichten und betreiben will, dann braucht sie auch tatsächlich eine Bewilligung der Behörde. Wäre B’s Vorhaben hingegen kein „Campingplatzbetrieb“ im Sinne des Oö Campingplatzgesetzes, braucht sie keine Bewilligung und ein von ihr dennoch gestellter Antrag wäre unzulässig. Wir können diesem Punkt unserer Antragsbegründung daher die (Zwischen)Überschrift „Zulässigkeit“ voranstellen. Bei der Begründetheit (unter III.) wissen wir schon, dass B einen Antrag stellen muss (ihr Antrag also zulässig ist). Wir wissen aber noch nicht, ob sie alle kumulativ zu erfüllenden Voraussetzungen erbringt, damit ihr die Behörde die Bewilligung für den Campingplatz auch erteilen kann, ob ihr Antrag in diesem Sinn auch „begründet“ ist. Wir können diesem Teil unserer Antragsbegründung daher die (Zwischen)Überschrift „Begründetheit“ voranstellen. (Cyber)Übung Öffentliches Recht I [SS 2015] Falllösung III: Anträge – Lösung/5 b. Zu den „persönlichen Voraussetzungen“ für die Erteilung einer Campingplatzbewilligung zählt § 7 Abs 1 Oö Campingplatzgesetz zunächst die „Eigenberechtigung“. Unter „Eigenberechtigung“ ist die volle Handlungsfähigkeit gemeint. Ein (geistig gesunder) Mensch ist „nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts“ (§ 9 AVG) mit Vollendung des 18. Lebensjahres (§§ 21 iVm 170 Abs 1 ABGB) voll handlungsfähig und damit eigenberechtigt. Ich bin am 20.04.1990 geboren, habe somit das 18. Lebensjahr bereits vollendet; sohin bin ich eigenberechtigt iSd § 7 Abs 1 Oö Campingplatzgesetz. c. Als zweite „persönliche Voraussetzung“ für die Erteilung einer Campingplatzbewilligung nennt § 7 Abs 1 Oö Campingplatzgesetz die „Verlässlichkeit in Beziehung auf den Betrieb eines Campingplatzes“. „Verlässlichkeit in Beziehung auf den Betrieb eines Campingplatzes“ ist dann gegeben, wenn aufgrund der in einem konkreten Fall ermittelten Umstände die Annahme gerechtfertigt erscheint, dass die Person Gewähr dafür bietet, den mit der Genehmigung übernommenen rechtlichen Pflichten nach jeder Richtung zu entsprechen. Die Behörde muss eine Prognoseentscheidung treffen und sich im Hinblick auf die – aus dem (bisherigen) Gesamtverhalten der betreffenden Person hervorleuchtende – Persönlichkeit des Bewilligungswerbers darauf verlassen können, dass er/sie die rechtlichen Verpflichtungen, insbesondere die für die bewilligte Tätigkeit geltenden gesetzlichen Bestimmungen, einhalten wird. Ich bin weder mit gerichtlichen noch mit verwaltungsbehördlichen Strafen belastet. Es gibt auch sonst keinerlei Anhaltspunkte für eine Nichteinhaltung der mit der zu genehmigenden Tätigkeit verbundenen rechtlichen Verpflichtungen. Ich bin daher verlässlich im Sinne des § 7 Abs 1 Oö Campingplatzgesetz. 3. Nach § 7 Abs 2 Oö Campingplatzgesetz „ist“ die Bewilligung zu erteilen. Die Rechtsfolge ist in Form einer gebundenen Entscheidung (= Rechtsentscheidung) zu ziehen. Dies folgt einerseits aus dem verwendeten Wort „ist“, anderseits aber auch aus dem Gesetzmäßigkeitsgebot des Art 18 Abs 1 B-VG, das von der gebundenen Entscheidung als Regelfall des verwaltungsbehördlichen Gesetzesvollzugs ausgeht. Der Verwaltung soll – aus demokratischen und rechtsstaatlichen Gründen – beim Gesetzesvollzug kein eigener Spielraum für die nach dem Gesetz zu treffenden Anordnungen zukommen. Wenn der Gesetzgeber in einem konkreten Fall ausnahmsweise eine aufgrund des Art 130 Abs 3 B-VG zulässige – Ermessensentscheidung anordnet, so müssen sich dafür Hinweise im Gesetzestext – gegebenenfalls im Wege der Auslegung – finden. Derartige Hinweise auf eine Ermessensentscheidung fehlen aber im Text des § 7 Abs 2 Oö Campingplatzgesetz. 4. Sachlich zuständig ist nach § 1 Abs 2 Oö Campingplatzgesetz die Bezirksverwaltungsbehörde. „Bezirksverwaltungsbehörde“ ist der Bezirkshauptmann, in Statutarstädten der Bürgermeister (Art 116 Abs 3 letzter Satz B-VG). Über die örtliche Zuständigkeit enthält das Oö Campingplatzgesetz keine Aussagen. Die örtliche Zuständigkeit bemisst sich daher nach dem – subsidiär anzuwendenden – § 3 Z 2 AVG „nach dem Ort, an dem das Unternehmen betrieben oder die Tätigkeit ausgeübt wird oder werden soll.“ Der Campingplatz soll in der Gemeinde K, Bezirk Kirchdorf/Krems, errichtet werden. Der Bezirkshauptmann Kirchdorf an der Krems ist daher die zur Erteilung der Bewilligung für die Errichtung eines Campingplatzes nach § 1 Abs 2 Oö Campingplatzgesetz sachlich und örtlich zuständige Verwaltungsbehörde. Linz, 30.04.2015 (Cyber)Übung Öffentliches Recht I [SS 2015] Belinda B Falllösung III: Anträge – Lösung/6 3. Carmelina C, geboren am 11.03.1995 in Bogotá, unbescholten, wohnhaft in A-6020 Innsbruck, Sonnenstraße 2, will im Haus O-straße 66, Gemeinde S (Bezirk Innsbruck-Land) ein Bordell betreiben und stellt am 30.04.2015 einen entsprechenden Antrag. Tiroler Landes-Polizeigesetz LGBl 1976/60 idgF Tiroler Gemeindeordnung 2001 (TGO) LGBl 2001/36 idgF § 15 Bordellbewilligung (1) Ein Bordell ist ein Betrieb, in dem die Prostitution ausgeübt wird. Ein Bordell darf nur mit behördlicher Bewilligung (Bordellbewilligung) betrieben werden. § 17 Besorgung des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde; Ausschluss des Instanzenzuges (1) […] (2) Eine Bordellbewilligung darf nur Personen erteilt werden, die a) voll handlungsfähig und verläßlich sind; b) […]. § 23 Behörden (1) Behörde im Sinne dieses Gesetzes ist der Bürgermeister. (2) Die Durchführung von Verwaltungsstrafverfahren nach diesem Gesetz obliegt den Bezirksverwaltungsbehörden. Für das Gebiet der Stadt Innsbruck obliegt die Durchführung von Verwaltungsstrafverfahren der Landespolizeidirektion, [...] § 27 Eigener Wirkungsbereich der Gemeinde Die Gemeinden haben die ihnen nach diesem Gesetz obliegenden Aufgaben im eigenen Wirkungsbereich zu besorgen. (2) Gegen Bescheide der Gemeinde in den landesgesetzlich geregelten Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches ist unbeschadet des § 31 Abs. 2 die Berufung ausgeschlossen. § 31 Aufgaben des Gemeindevorstandes (1) Dem Gemeindevorstand obliegt, unbeschadet des § 30 Abs. 2, die Vorberatung und Antragstellung in allen der Beschlussfassung durch den Gemeinderat unterliegenden Angelegenheiten, soweit hiefür nicht besondere Ausschüsse eingerichtet sind. (2) Der Gemeindevorstand ist in den hoheitlichen Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde Berufungsbehörde, sofern gesetzlich die Möglichkeit der Berufung vorgesehen und landesgesetzlich keine andere Behörde als Berufungsbehörde bestimmt ist. [Text in Farbe orange: RECHTSFOLGE Text in Farbe grün: ZUSTÄNDIGKEIT Text in lila: DEFINITIONEN] An das GEMEINDEAMT S Musterweg 9 A-6154 S Antragstellerin: Carmelina C Sonnenstraße 2 A-6020 Innsbruck Carmelina C wegen: Bordellbewilligung gemäß § 15 Abs 2 Tiroler Landes-Polizeigesetz einfach 3 Beilagen ANTRAG (Cyber)Übung Öffentliches Recht I [SS 2015] Falllösung III: Anträge – Lösung/7 I. a. Ich bin am 11.03.1995 geboren und unbescholten. Ich will im Haus O-straße 66, Gemeinde S, ein Bordell betreiben. b. Beweisanbote: PV, Geburtsurkunde, Strafregisterbescheinigung. II. Ich stelle daher den Antrag, der Bürgermeister der Gemeinde S möge mir gemäß § 15 Abs 2 Tiroler Landes-Polizeigesetz für das Haus O-Straße 66, Gemeinde S, eine Bordellbewilligung erteilen. III. Meinen Antrag begründe ich wie folgt [= rechtliche Begründung]: [Zulässigkeit]:5 1. Nach § 15 Abs 1 Tiroler Landes-Polizeigesetz darf ein „Bordell (…) nur mit behördlicher Bewilligung (Bordellbewilligung) betrieben werden.“ Ich will ein Bordell betreiben und brauche daher eine Bordellbewilligung. [Begründetheit]:6 2. Voraussetzung für die Erteilung einer Bordellbewilligung sind nach § 15 Abs 2 Tiroler Landes-Polizeigesetz die „volle Handlungsfähigkeit“ und die „Verlässlichkeit“ des Bewilligungswerbers. a. Die „volle Handlungsfähigkeit“ in § 15 Abs 2 lit a Tiroler Landes-Polizeigesetz hat die Behörde gemäß § 9 AVG „nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts“ zu beurteilen. Nach den §§ 21 iVm 170 Abs 1 ABGB ist ein (geistig gesunder) Mensch mit Vollendung des 18. Lebensjahres voll handlungsfähig. [Der Gesetzgeber verwendet anstelle des Begriffs der „vollen Handlungsfähigkeit“ häufig den Begriff „Eigenberechtigung“.] Ich bin 20 Jahre alt, geistig gesund und somit voll handlungsfähig iSd § 15 Abs 2 lit a Tiroler LandesPolizeigesetz. b. Die „Verlässlichkeit“ des Bewilligungswerbers in § 15 Abs 2 lit a Tiroler Landes-Polizeigesetz ist als unbestimmter Gesetzesbegriff auslegungsbedürftig. „Verlässlichkeit“ bedeutet nach dem allgemeinen Sprachgebrauch „sich verlassen können“. Verlässlichkeit mit Beziehung auf eine bestimmte, an eine behördliche Genehmigung gebundene Tätigkeit ist dann gegeben, wenn aufgrund der in einem konkreten Fall ermittelten Umstände die Annahme gerechtfertigt erscheint, dass die Person Gewähr dafür bietet, den mit der Genehmigung übernommenen rechtlichen Pflichten nach jeder Richtung zu entsprechen. Die Behörde muss sich also im Hinblick auf die – aus dem (bisherigen) Gesamtverhalten der betreffenden Person hervorleuchtende – Persönlichkeit des Bewilligungswerbers verlassen können, dass er die rechtlichen Verpflichtungen einschließlich der für die genehmigte Tätigkeit geltenden gesetzlichen Bestimmungen einhalten wird. Verwaltungsbehördliche und ge- 5 Das Tiroler Landes-Polizeistrafgesetz (§ 15 Abs 1) bestimmt, dass ein „Bordell“ nur mit einer behördlichen Bewilligung betrieben werden darf. Nur wenn C ein „Bordell“ betreiben will, dann braucht sie auch tatsächlich eine Bewilligung der Behörde. Wäre C’s Vorhaben hingegen kein „Bordellbetrieb“ iSd Tiroler Landes-Polizeistrafgesetzes, braucht sie keine Bewilligung und wäre ein von ihr dennoch gestellter Antrag unzulässig. Wir können diesem Punkt unserer Antragsbegründung daher die (Zwischen)Überschrift „Zulässigkeit“ voranstellen. 6 Bei der Begründetheit (unter III.) wissen wir schon, dass C einen Antrag stellen muss (ihr Antrag also zulässig ist). Wir wissen aber noch nicht, ob sie alle kumulativ zu erfüllenden Voraussetzungen erbringt, damit ihr die Behörde die Bewilligung auch erteilen kann, ob ihr Antrag in diesem Sinn auch „begründet“ ist. Wir können diesem Teil unserer Antragsbegründung daher die (Zwischen)Überschrift „Begründetheit“ voranstellen. (Cyber)Übung Öffentliches Recht I [SS 2015] Falllösung III: Anträge – Lösung/8 richtliche Strafen des Bewilligungswerbers etwa zählen zum bisherigen Verhalten und sind als solche in die Beurteilung der Verlässlichkeit mit einzubeziehen. „Verlässlichkeit“ beim Betrieb eines Bordells ist dann gegeben, wenn aufgrund der konkreten Umstände die Annahme gerechtfertigt erscheint, dass der Bordellbetreiber den mit der Bordellbewilligung übernommenen rechtlichen Pflichten nach jeder Richtung entsprechen wird. Die Behörde muss sich also im Hinblick auf die – aus dem (bisherigen) Gesamtverhalten hervorleuchtende – Persönlichkeit des Bewilligungswerbers verlassen können, dass er die für den Bordellbetrieb geltenden gesetzlichen Bestimmungen einhalten wird. Ich habe keinerlei Verwaltungsübertretungen begangen, auch liegen keine Justizstrafen vor. Ich habe mich somit immer an die geltenden gesetzlichen Bestimmungen gehalten und werde dies auch künftighin, insbesondere beim Betrieb des Bordells tun. Somit bin ich verlässlich iSd § 15 Abs 2 lit a Tiroler LandesPolizeigesetz 3. Das Tiroler Landes-Polizeigesetz spricht zwar in § 15 Abs 2 davon, dass eine Bordellbewilligung erteilt werden „darf“. Dies ist aber nicht als Einräumung von Ermessen zu verstehen. Aufgrund des Gesetzmäßigkeitsgebots der Bundesverfassung (Art 18 Abs 1 B-VG) ist von einer gebundenen Entscheidung (= Rechtsentscheidung) als Regelfall des verwaltungsbehördlichen Gesetzesvollzugs auszugehen (der Verwaltung soll beim Gesetzesvollzug kein eigener Spielraum für die nach dem Gesetz zu treffenden Anordnungen zukommen). Wenn der Gesetzgeber in einem konkreten Fall ausnahmsweise eine – aufgrund des Art 130 Abs 3 B-VG zulässige – Ermessensentscheidung anordnet, so müssen sich dafür Hinweise im Gesetzestext finden. Ein derartiger Hinweis auf eine Ermessensentscheidung könnte das „darf“ in § 15 Abs 2 Tiroler LandesPolizeigesetz sein. Durch die Verwendung des Wortes „darf“ will der Gesetzgeber der Behörde häufig aber bloß eine Kompetenz einräumen, die Behörde zu einem bestimmten Verhalten ermächtigen, uzw insbesondere dann, wenn – wie in § 15 Abs 2 Tiroler Landes-Polizeigesetz – das Behördenverhalten sehr eingehend regelt und der Behörde dadurch jeder Spielraum genommen ist. „Nur“ wenn alle genannten Voraussetzungen erfüllt sind, „darf“ die Behörde eine Bewilligung erteilen, der Behörde kommt kein Ermessen zu. Sie muss die Bordellbewilligung – im Sinne einer gebundenen Entscheidung –erteilen, wenn ich alle Voraussetzungen des § 15 Abs 2 Tiroler Landes-Polizeigesetz erfülle. 4. Sachlich zuständig ist nach § 23 Abs 1 Tiroler Landes-Polizeigesetz der Bürgermeister, und zwar im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde (§ 27 Tiroler Landes-Polizeigesetz). Über die örtliche Zuständigkeit enthält das Tiroler Landes-Polizeigesetz keine Aussagen. Daher ist der – subsidiär anzuwendende – § 3 AVG heranzuziehen, wonach sich die örtliche Zuständigkeit „in Sachen, die sich auf den Betrieb einer Unternehmung oder sonstigen dauernden Tätigkeit beziehen“, „nach dem Ort, an dem das Unternehmen betrieben oder die Tätigkeit ausgeübt wird oder werden soll“, richtet (§ 3 Z 2 AVG). Da das Bordell in der Gemeinde S betrieben werden soll, ist der Bürgermeister der Gemeinde S die zur Erteilung der Bordellbewilligung sachlich und örtlich zuständige Verwaltungsbehörde. Innsbruck, 30.04.2015 (Cyber)Übung Öffentliches Recht I [SS 2015] Carmelina C Falllösung III: Anträge – Lösung/9 4. Daisy D betreibt die „Schneiderei Wiesendorf 33“ in einem umgebauten Wohnwagen hinter ihrem Wohnhaus, Wiesensiedlung 33, Wiesendorf (Bezirk Gmunden). An maschineller Ausstattung sind zwei Nähmaschinen, eine Endelmaschine und eine Dampfbügelmaschine vorhanden. Die Maschinen werden zumindest zeitweise auch bei offenem Fenster betrieben, um die Betriebswärme abzuleiten, wodurch es zu einer nach außen dringenden Geräuschentwicklung kommt. D möchte Gewissheit über die Genehmigungspflicht ihrer „Schneiderei Wiesendorf 33“ und stellt daher am 30.04.2015 einen Antrag nach § 358 Gewerbeordnung 1994. Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) BGBl 194 idgF § 1. (1) [...] (2) Eine Tätigkeit wird gewerbsmäßig ausgeübt, wenn sie selbständig, regelmäßig und in der Absicht betrieben wird, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen, […]; 8. Betriebsanlagen § 74. (1) Unter einer gewerblichen Betriebsanlage ist jede örtlich gebundene Einrichtung zu verstehen, die der Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit regelmäßig zu dienen bestimmt ist. (2) Gewerbliche Betriebsanlagen dürfen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen [..] geeignet sind, 1. das Leben oder die Gesundheit […] der Nachbarn […] zu gefährden, 2. die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen, … § 333. (1) Soweit nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, ist Behörde im Sinne dieses Bundesgesetzes […] die Bezirksverwaltungsbehörde. § 358. (1) Werden Umstände bekannt, die die Genehmigungspflicht einer Anlage im Sinne des § 74 begründen könnten, zieht aber der Inhaber der Anlage in Zweifel, daß die Voraussetzungen für die Genehmigungspflicht gegeben seien, so hat die Behörde auf Antrag des Inhabers der Anlage die Anlage oder das Vorhaben zu prüfen und durch Bescheid festzustellen, ob die Errichtung und der Betrieb der Anlage der Genehmigung bedürfen. [Text in Farbe orange: RECHTSFOLGE Text in Farbe grün: ZUSTÄNDIGKEIT Text in Farbe lila: LEGALDEFINITIONEN] An die BEZIRKSHAUPTMANNSCHAFT GMUNDEN Esplanade 10 A-4810 Gmunden Antragstellerin: Daisy D Wiesensiedlung 33 A-4444 Wiesendorf Daisy D wegen: Feststellung der Genehmigungspflicht der „Schneiderei Wiesendorf 33“ gemäß § 358 GewO 1994 einfach 2 Beilagen ANTRAG (Cyber)Übung Öffentliches Recht I [SS 2015] Falllösung III: Anträge – Lösung/10 I. a. Ich betreibe die „Schneiderei Wiesendorf 33“ in einem umgebauten Wohnwagen hinter meinem Wohnhaus, Wiesensiedlung 33, Wiesendorf. Meine maschinelle Ausstattung besteht aus zwei Nähmaschinen, einer Endelmaschine und einer Dampfbügelmaschine. Die Maschinen werden zumindest zeitweise auch bei offenem Fenster betrieben, um die Betriebswärme abzuleiten, wodurch es zu einer nach außen dringenden Geräuschentwicklung kommt. b. Beweisanbote: PV, Betriebsbeschreibung einschließlich Maschinenverzeichnis, Pläne. II. Ich stelle daher den Antrag, der Bezirkshauptmann Gmunden möge gemäß § 358 Abs 1 GewO 1994 feststellen, ob die Errichtung und der Betrieb meiner „Schneiderei Wiesendorf 33“ in Wiesensiedlung 33, Wiesendorf, einer Genehmigung nach § 74 Abs 2 GewO 1994 bedarf. III. Meinen Antrag begründe ich wie folgt [= rechtliche Begründung]: 1. Eine „gewerbliche Betriebsanlage“ bedarf nach § 74 Abs 2 GewO 1994 unter Umständen einer Genehmigung der Behörde. Was unter dem unbestimmten Gesetzesbegriff „gewerbliche Betriebsanlage“ zu verstehen ist, ist in § 74 Abs 1 GewO 1994 legaldefiniert. Danach ist „jede örtlich gebundene Einrichtung, die der Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit regelmäßig zu dienen bestimmt ist“, eine gewerbliche Betriebsanlage. Unter einer „gewerblichen Tätigkeit“ ist nach § 1 Abs 2 GewO 1994 eine Tätigkeit zu verstehen, die „selbständig, regelmäßig und in der Absicht betrieben wird, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen“. Ich betreibe die Schneiderei „selbständig“, dh auf eigene Rechnung und Gefahr; ich trage das unternehmerische Risiko. Der Betrieb meiner Schneiderei ist auf Dauer angelegt, somit jedenfalls „regelmäßig“. Und schließlich betreibe ich meine Schneiderei in der Absicht, Gewinne zu erwirtschaften, somit „in der Absicht, einen Ertrag zu erzielen“. Die Tätigkeit (Schneiderei) ist sohin eine gewerbliche. Der umgebaute Wohnwagen mitsamt der maschinellen Ausstattung (zwei Nähmaschinen, eine Endelmaschine, eine Dampfbügelmaschine) dient der „Entfaltung“ der gewerblichen Tätigkeit. Er ist auch „örtlich gebunden“ iSd § 74 Abs 1 GewO 1994: Er dient – mitsamt den Maschinen – ausschließlich und auf Dauer am Standort Wiesensiedlung 33, Wiesendorf, der Ausübung der gewerblichen Tätigkeit. Meine Schneiderei ist sohin eine „gewerbliche Betriebsanlage“ iSd § 74 Abs 1 GewO 1994. 2. Für die Errichtung oder den Betrieb einer „gewerblichen Betriebsanlage“ ist nach § 74 Abs 2 GewO 1994 nur dann eine Genehmigung der Behörde erforderlich, „wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen […] geeignet“ ist, „das Leben oder die Gesundheit der Nachbarn zu gefährden oder die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen.“ Nicht jede „gewerbliche Betriebsanlage“ iSd § 74 Abs 1 GewO 1994 ist also genehmigungspflichtig, sondern nur eine solche Betriebsanlage, die potentiell gefährlich („geeignet, das Leben oder die Gesundheit zu gefährden“) ist bzw von der potentielle Belästigungen („geeignet, die Nachbarn zu belästigen“) ausgehen. (Cyber)Übung Öffentliches Recht I [SS 2015] Falllösung III: Anträge – Lösung/11 Unter einer „Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit der Nachbarn“ versteht man eine Gefahr für Leben oder Gesundheit. Somit eine potentielle Lebensgefahr für die Nachbarn bzw eine potentielle Gefahr für die Nachbarn, krank zu werden. Eine „Belästigung der Nachbarn“ ist – ausgehend vom Wortsinn „belästigen“, worunter „behelligen“, „quälen“, „stören“ zu verstehen ist – eine Störung, eine Quälerei der Nachbarn, etwa durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub oder Erschütterung. Wenn meine „Schneiderei Wiesendorf 33“ im eben dargelegten Sinn für die Nachbarn potentiell gefährlich sein kann oder von ihr für die Nachbarn potentielle Belästigungen ausgehen können, darf die Schneiderei nur mit einer Betriebsanlagengenehmigung betrieben werden. Anders formuliert: Wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass die „Schneiderei Wiesendorf 33“ Leben oder Gesundheit der Nachbarn gefährdet oder die Nachbarn belästigt, ist für den Betrieb eine Genehmigung erforderlich. Ist hingegen sowohl eine Gefährdung des Lebens und der Gesundheit der Nachbarn als auch eine Belästigung der Nachbarn durch meine Schneiderei ausgeschlossen, dann darf ich die Schneiderei ohne eine Genehmigung der Behörde betreiben. 3. Bestehen Umstände, welche die Genehmigungspflicht der Betriebsanlage im Sinne des § 74 Abs 2 GewO 1994 begründen könnten, bezweifelt der Betriebsanlageninhaber aber diese Genehmigungspflicht, so kann der Betriebsanlageninhaber nach § 358 GewO 1994 bei der Behörden einen Feststellungsantrag stellen. Umstände, welche die Genehmigungspflicht meiner Betriebsanlage iSd § 74 Abs 2 GewO 1994 begründen könnten, sind die von mir verwendeten Maschinen, die eine gewisse Geräuschentwicklung verursachen, welche – insbesondere wenn die Maschinen bei offenem Fenster betrieben werden – auch nach außen dringt. Ich bezweifle allerdings, dass meine kleine Schneiderei der Genehmigungspflicht nach § 74 Abs 2 GewO 1994 unterliegt, da wohl niemand gefährdet oder belästigt wird. 4. Nach § 358 GewO 1994 „hat“ die Behörde auf Antrag des Betriebsanlageninhabers durch Bescheid festzustellen, ob die Errichtung und der Betrieb der Anlage einer Genehmigung bedürfen. Die Rechtsfolge ist in Form einer gebundenen Entscheidung (= Rechtsentscheidung) zu ziehen. Dies folgt einerseits aus dem verwendeten Wort „hat“, anderseits aber auch aus dem Gesetzmäßigkeitsgebot des Art 18 Abs 1 B-VG, das von der gebundenen Entscheidung als Regelfall des verwaltungsbehördlichen Gesetzesvollzugs ausgeht. Hinweise auf eine Ermessensentscheidung fehlen im Text des § 358 GewO 1994. 5. Sachlich zuständig ist nach § 333 GewO 1994 die Bezirksverwaltungsbehörde. „Bezirksverwaltungsbehörde“ ist der Bezirkshauptmann, in Statutarstädten der Bürgermeister (Art 116 Abs 3 letzter Satz B-VG). Über die örtliche Zuständigkeit enthält die GewO 1994 keine Aussagen. Daher ist der – subsidiär anzuwendende – § 3 AVG anzuwenden, wonach sich die örtliche Zuständigkeit in Sachen, die sich auf Betrieb einer Unternehmung oder sonstigen dauernden Tätigkeit beziehen, „nach dem Ort, an dem das Unternehmen betrieben oder die Tätigkeit ausgeübt wird oder werden soll“, richtet (§ 3 Z 2 AVG). Da die Schneiderei in Wiesendorf betrieben wird, ist der örtliche Anknüpfungspunkt Wiesendorf, Bezirk Gmunden. Der Bezirkshauptmann Gmunden ist daher die zur bescheidmäßigen Feststellung der Genehmigungspflicht nach § 358 GewO 1994 sachlich und örtlich zuständige Verwaltungsbehörde. Wiesendorf, 30.04.2015 (Cyber)Übung Öffentliches Recht I [SS 2015] Daisy D Falllösung III: Anträge – Lösung/12 5. Emil E (E-Straße 5, 4020 Linz) studiert Rechtswissenschaften an der JKU. Er möchte einen Braunbären als Haustier halten. Im 1.500m2 großen Garten will er den Braunbären frei laufen lassen. Abends kann der Bär in einer Garage, an der Emil das Tor entfernte, um dem Freiheitsdrang des Tieres gerecht zu werden, Unterschlupf finden. Am 30.04.2015 bringt E einen entsprechenden Antrag auf Bewilligung des Haltens von gefährlichen Tieren bei der zuständigen Behörde ein, obwohl er fest davon überzeugt ist, dass Braunbären aufgrund ihrer angeborenen Sanftmütigkeit ohnehin nicht unter den Tatbestand „gefährliches Tier“ fallen. Oö Polizeistrafgesetz (Oö PolStG) LGBl 1979/36 idgF mäße Verwahrung unter Berücksichtigung des Tierschutzes gewährleistet ist. §6 Halten gefährlicher Tiere (1) Das Halten von gefährlichen Tieren ist nur auf Grund einer Bewilligung der Gemeinde zulässig. (4) Die Gemeinde hat die Bewilligung gemäß Abs. 1 zu erteilen, wenn keine Gefährdung des Lebens, der Gesundheit und der Sicherheit von Menschen, … zu besorgen ist sowie eine sachge- § 11 Schlußbestimmungen (1) Die in diesem Gesetz geregelten behördlichen Aufgaben der Gemeinde mit Ausnahme der Strafbefugnis des Bürgermeisters einer Stadt mit eigenem Statut gemäß § 10 Abs. 2 sind im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde wahrzunehmen. An den MAGISTRAT DER LANDESHAUPTSTADT LINZ Hauptstraße 1-5 A-4040 Linz Antragsteller: Emil E E-Straße 5 A-4020 Linz Emil E wegen: Bewilligung des Haltens eines gefährlichen Tieres gemäß § 6 Oö PolStG einfach 2 Beilagen ANTRAG (Cyber)Übung Öffentliches Recht I [SS 2015] Falllösung III: Anträge – Lösung/13 I. a. Ich möchte in meinem Haus (E-Straße 5, 4020 Linz) einen Braunbären als Haustier halten. Im 1.500m2 großen Garten will ich den Braunbären frei laufen lassen. Abends kann der Bär in einer Garage, an der ich das Tor entfernte, um dem Freiheitsdrang des Tieres gerecht zu werden, Unterschlupf finden. b. Beweisanbote: PV, Lageplan, tierärztliches Attest. II. Ich stelle daher den Antrag, der Magistrat der Landeshauptstadt Linz möge mir die Bewilligung für das Halten eines Braunbären in meinem Haus (E-Straße 5, 4020 Linz) samt 1.500m2 großen Garten gemäß § 6 Oö PolStG erteilen. III. Meinen Antrag begründe ich wie folgt [= rechtliche Begründung]: … [Zulässigkeit]: 7 1. Gemäß § 6 Abs 1 Oö PolStG ist das Halten von gefährlichen Tieren ist nur auf Grund einer Bewilligung der Gemeinde zulässig. Was ein „gefährliches Tier“ ist, bedarf der Auslegung. … Da es sich bei einem Braunbären um ein gefährliches Tier handelt, brauche ich iSv § 6 Abs 1 Oö PolStG eine Bewilligung der Gemeinde. [Begründetheit]: 8 2. …. 3. … Die Erteilung der Bewilligung für das Halten eines gefährlichen Tieres überträgt § 11 Abs 1 Oö Polizeistrafgesetz in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde. Für alle behördlichen Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches ist nach § 51 Abs 2 Statut für die Landeshauptstadt Linz 1992 (StL 1992) in erster Instanz der Magistrat zuständig. Der Magistrat der Landeshauptstadt Linz (der Bär soll in Linz gehalten werden) ist daher die für die Erteilung einer Bewilligung zum Halten von gefährlichen Tieren sachlich und örtlich zuständige Behörde erster Instanz. Linz, 30.04.2015 7 8 Emil E Das Oö PolStG (§ 6 Abs 1) bestimmt, dass das „Halten gefährlicher Tiere“ nur mit einer Bewilligung zulässig ist. Nur WENN E ein „gefährliches Tier“ halten will, DANN braucht er auch tatsächlich eine Bewilligung der Behörde. Ist das Halten des Braunbären hingegen kein „Halten eines gefährlichen Tieres“ iSd Oö PolStG, braucht er keine Bewilligung und wäre ein von ihm dennoch gestellter Antrag unzulässig. Wir können diesem Punkten unserer Antragsbegründung daher die (Zwischen)Überschrift „Zulässigkeit“ voranstellen. Bei der Begründetheit (unter III.) wissen wir schon, dass E einen Antrag stellen muss, weil der Braunbär ein gefährliches Tier ist (sein Antrag also zulässig ist). Wir wissen aber noch nicht, ob er alle kumulativ zu erfüllenden Voraussetzungen erbringt, damit ihm die Behörde die Bewilligung auch erteilen kann, ob sein Antrag in diesem Sinn auch „begründet“ ist. Wir können diesem Teil unserer Antragsbegründung daher die (Zwischen)Überschrift „Begründetheit“ voranstellen. (Cyber)Übung Öffentliches Recht I [SS 2015] Falllösung III: Anträge – Lösung/14 Variante: Emil E will den Braunbären in seinem Garten in A-4203 Altenberg, Sonnberg 9 (Bezirk UrfahrUmgebung), halten. An das GEMEINDEAMT ALTENBERG Reichenauer Straße 4 A-4203 Altenberg bei Linz Antragsteller: Emil E E-Straße 5 A-4020 Linz Emil E wegen: Bewilligung des Haltens eines gefährlichen Tieres gemäß § 6 Oö PolStG einfach Beilagen ANTRAG Seitenwechsel I. a. Ich möchte in meinem Haus (A-4203 Altenberg, Sonnberg 9) einen Braunbären als Haustier halten. Im 1.500m2 großen Garten will ich den Braunbären frei laufen lassen. Abends kann der Bär in einer Garage, an der ich das Tor entfernte, um dem Freiheitsdrang des Tieres gerecht zu werden, Unterschlupf finden. b. Beweisanbote: PV, Lageplan, tierärztliches Attest. II. Ich stelle daher den Antrag, der Bürgermeister von Altenberg möge mir die Bewilligung für das Halten eines Braunbären in meinem 1.500m2 großen Garten in Sonnberg 9, A-4203 Altenberg, gemäß § 6 Oö PolStG erteilen. III. Meinen Antrag begründe ich wie folgt: …. Die Erteilung der Bewilligung für das Halten eines gefährlichen Tieres überträgt § 11 Abs 1 Oö Polizeistrafgesetz (Oö PolStG) in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde. Für alle behördlichen Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches ist nach § 58 Abs 2 Z 1 Oö Gemeindeordnung 1990 (Oö GemO 1990) in erster Instanz der Bürgermeister zuständig. Der Bürgermeister der Gemeinde Altenberg (der Bär soll in Altenberg gehalten werden) ist daher die für die Erteilung einer Bewilligung zum Halten von gefährlichen Tieren sachlich und örtlich zuständige Behörde erster Instanz. Linz, 30.04.2015 (Cyber)Übung Öffentliches Recht I [SS 2015] Emil E Falllösung III: Anträge – Lösung/15
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