Landtag von Baden-Württemberg Kleine Anfrage Antwort

Landtag von Baden-Württemberg
Drucksache 15 / 6829
15. Wahlperiode
29. 04. 2015
Kleine Anfrage
des Abg. Thaddäus Kunzmann CDU
und
Antwort
des Innenministeriums
Anzeige der Union Europäisch-Türkischer Demokraten
(UETD) zur Diskussion um die Anerkennung
des Völkermords an den Armeniern
Kleine Anfrage
Ich frage die Landesregierung:
1. Kennt sie die Anzeige der UETD e. V. Stuttgart vom Freitag, 24. April zur Diskussion um die Anerkennung des Völkermords an den Armeniern in mindestens zwei großen Tageszeitungen?
2. Wie bewertet sie den Inhalt dieser Anzeige aus ihrer Sicht, insbesondere die
Formulierung, dass sich zwischen Türken und Armeniern „keine Feindschaften
entwickeln, die auf moralisch und rechtlich ungerechtfertigten Schuldzuweisungen beruhen“?
3. Welche Informationen besitzt sie zu den diese Anzeige unterschreibenden Organisationen?
4. Welche Erkenntnisse besitzt sie über Querverbindungen von Personen dieser
Organisationen mit Organisationen, die vom Verfassungsschutz beobachtet
werden?
29. 04. 2015
Kunzmann CDU
1
Eingegangen: 29. 04. 2015 / Ausgegeben: 08. 06. 2015
Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet
abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente
Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“.
Landtag von Baden-Württemberg
Drucksache 15 / 6829
Antwort
Mit Schreiben vom 26. Mai 2015 Nr. 4-1083/295 beantwortet das Innenministerium im Einvernehmen mit dem Staatsministerium die Kleine Anfrage wie folgt:
1. Kennt sie die Anzeige der UETD e. V. Stuttgart vom Freitag, 24. April zur Diskussion um die Anerkennung des Völkermords an den Armeniern in mindestens
zwei großen Tageszeitungen?
Zu 1.:
Der Landesregierung ist diese Anzeige bekannt.
2. Wie bewertet sie den Inhalt dieser Anzeige aus ihrer Sicht, insbesondere die
Formulierung, dass sich zwischen Türken und Armeniern „keine Feindschaften
entwickeln, die auf moralisch und rechtlich ungerechtfertigten Schuldzuweisungen beruhen“?
Zu 2.:
Für die Außenpolitik liegt die Zuständigkeit beim Bund. Der Deutsche Bundestag
hat sich zu dem Thema in seinem Beschluss vom 24. April 2015 (Antrag der
Fraktionen der CDU/CSU und SPD, Drucksache 18/4648) geäußert. Im Bundestag lagen ferner Anträge der Abgeordneten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Drucksache 18/4687) sowie der Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE
(Drucksache 18/4335) dazu vor. Bundespräsident Gauck hat sich in seiner Ansprache im Anschluss an den „Ökumenischen Gottesdienst im Berliner Dom anlässlich der Erinnerung an den Völkermord an Armeniern, Aramäern und PontosGriechen“ am 23. April 2015 dezidiert zum Gedenken an den „Völkermord an
den Armeniern“ und zur deutschen „Mitverantwortung, unter Umständen sogar
Mitschuld“ geäußert.
In dem Beschluss des Deutschen Bundestages wird auch deutlich gemacht, dass
eine offene Aufarbeitung und Auseinandersetzung mit der Geschichte notwendig
ist, um einen Grundstein für Versöhnung zu legen. Die Landesregierung begrüßt
daher alle Maßnahmen und alle Schritte, die geeignet sind, um eine nachhaltige
Verständigung und – wo nötig – Versöhnung herzustellen.
3. Welche Informationen besitzt sie zu den diese Anzeige unterschreibenden Organisationen?
Zu 3.:
Die Organisationen, die die genannte Anzeige unterschrieben haben, sind keine
Beobachtungsobjekte des Landesamts für Verfassungsschutz (LfV).
Bei den acht in Rede stehenden Organisationen handelt es sich um Vereinigungen, die dem Vereinsgesetz unterliegen. Derzeit besteht gegen keinen dieser Vereine ein (Betätigungs-)Verbot nach § 3 des Vereinsgesetzes in Deutschland. Strafrechtlich relevante Sachverhalte in Baden-Württemberg im Zusammenhang mit
diesen Vereinen sind polizeilich nicht bekannt. In der Vergangenheit wurden
allenfalls ordnungsrechtliche bzw. verkehrsrechtliche Polizeimaßnahmen bei der
Durchführung von angemeldeten Versammlungen der Vereinigungen erforderlich. Beispielsweise wurde im Zusammenhang mit dem Anschlag auf die französische Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ am 7. Januar 2015 in Paris eine bundesweite Aktion der DITIB (Türkisch Islamische Union der Anstalt für Religion
e. V.) nach dem Freitagsgebet am 16. Januar 2015 vor Redaktionsgebäuden verschiedener Tageszeitungen veranstaltet. Auch in Baden-Württemberg fanden Versammlungen der „Islamischen Religionsgemeinschaft DITIB e. V.“ zum Thema
„Solidaritätskundgebung/Mahnwache für Meinungsvielfalt und Meinungsfreiheit“
in Stuttgart, Weil am Rhein, Kehl, Mannheim, Heidelberg, Hockenheim und Freiburg statt. Die Veranstaltungen verliefen allesamt friedlich.
2
Landtag von Baden-Württemberg
Drucksache 15 / 6829
Zudem liegen zu den Vereinen folgende Informationen vor:
– DITIB Türkisch-Islamische Gemeinde zu Stuttgart e. V.: Es handelt sich um
eine türkisch-islamische Moscheegemeinde, die sich dem Dachverband DITIB
angeschlossen hat.
– Islamische Religionsgemeinschaft DITIB Baden-Württemberg e. V.: Es handelt sich um den Landesverband Baden-Württemberg, der auch dem Dachverband DITIB angehört.
– Union Europäischer-Türkischen Demokraten (UETD) Stuttgart e. V.: Es wird
auf die Ausführungen in der Landtagsdrucksache 15/6842 verwiesen. Darüber
hinaus liegen keine weiteren polizeilichen Erkenntnisse vor.
– Verein unabhängiger Industrieller und Unternehmer (MÜSIAD) Stuttgart e. V.:
MÜSIAD gilt als islamisch konservative türkische Wirtschaftsvereinigung.
4. Welche Erkenntnisse besitzt sie über Querverbindungen von Personen dieser
Organisationen mit Organisationen, die vom Verfassungsschutz beobachtet
werden?
Zu 4.:
Seitens des LfV liegen lediglich Hinweise auf gemeinsame Veranstaltungen der
UETD mit der „Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs e. V.“ (IGMG) vor, beispielsweise im Vorfeld der türkischen Präsidentschaftswahlen im August 2014.
Bei Milli Görüs handelt es sich um die bedeutendste Bewegung des legalistischen
Islamismus in Deutschland und um ein Beobachtungsobjekt des LfV.
Polizeiliche Erkenntnisse im Sinne der Fragestellung liegen nicht vor.
In Vertretung
Dr. Zinell
Ministerialdirektor
3