ASR-0615_title 1..1

ASR 6/2015
Erste Seite
Erste Seite
Clearingstelle und nichts ist klar
Besteht hinsichtlich der Feststellung des Sozialversicherungsstatus, ob also jemand
abhängig beschäftigt oder
selbstständig tätig ist, Unsicherheit, so eröffnet sich nach
§ 7a Abs. 1 SGB VI die Möglichkeit, in einem Antragsverfahren eine Statusprüfung
durch die Clearingstelle der
Deutschen Rentenversicherung Bund zu beantragen.
Hat man sich mit seinem Mandanten für diesen Weg entschieden, sind erst einmal eine Reihe formalisierter Fragebögen zum
Auftrags-/Beschäftigungsverhältnis auszufüllen. Zunächst ist
das Auftragsverhältnis, für das der sozialversicherungsrechtliche Status festgestellt werden soll, zu beschreiben. Anschließend ist zu schildern, wie die Auftragsausführung kontrolliert
wird und ob vom Auftraggeber Vorgaben hinsichtlich der Art
und Weise der Auftragsausübung gemacht werden. Ferner sind
die regelmäßigen Arbeitszeiten und evtl. Vorgaben des Auftraggebers darzulegen. Zu ergänzen sind weiterhin Ausführungen
zum Ort der Tätigkeit, der organisatorischen Eingliederung, der
Außendarstellung durch Werbung und Preisgestaltung sowie
des eigenen Unternehmerrisikos.
Selbstverständlich werden diese Punkte sorgfältig und detailliert beantwortet und wiederum eingereicht. Nun soll auf der
Grundlage einer Gesamtwürdigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalles festgestellt werden, ob eine abhängige
Beschäftigung oder eine selbstständige Tätigkeit vorliegt.
In der Entscheidung BSG – B 5 RE 17/14 R – vom 23.7.2015
(in diesem Heft, S. 238 ff.) hat ein solches Verfahren eine
Logopädin durchlaufen. Neben rechtlichen Ausführungen zur
Abgrenzung der versicherungsfreien von den versicherungspflichtigen Heilberufen ist die Entscheidung auch deshalb
interessant, weil das BSG den Finger in die Wunde legt und
glasklar auf fehlende tatsächliche Feststellungen hinweist. Das
Sozialgericht verzichtet weitgehend auf eigene Feststellungen
zu den konkret-individuellen Verhältnissen und prüft nur abstrakt generell die Versicherungspflicht der Logopädin nach § 2
S. 1 Nr. 2 SGB VI. Dies ist nach Auffassung des BSG nicht
ausreichend. Es geht sogar noch weiter und weist darauf hin,
dass dem Urteil des SG weitgehend die Gründe i.S.v. § 136
Abs. 1 Nr. 6 SGG, also die Entscheidungsgründe, die Zusammenfassung der Erwägungen, auf denen die Entscheidung zu
einem wesentlichen Streitpunkt in tatsächlicher und rechtlicher
Hinsicht beruht, fehlen. Daher sieht das BSG die Revision im
Sinne einer Aufhebung und Zurückverweisung begründet.
Für unsere Vertretung in diesem Bereich bedeutet dies, mehr
denn je darauf zu achten, dass im gerichtlichen Verfahren
konkrete und individuelle Tatsachenermittlungen durchgeführt werden. Die formalisierten Angaben im Clearingverfahren – nicht selten auch ohne anwaltliche Beratung – sind
nicht ausreichend, um die tatsächlichen Verhältnisse zu klären.
Und ich gebe die Hoffnung nicht auf, vielleicht wird dann
auch einmal festgestellt, dass eine selbstständige Tätigkeit
vorliegt und keine Sozialversicherungspflicht besteht!
Anne Schröder, Rechtsanwältin, Oldenburg
221