Auftaktveranstaltung Modellprojekt Perspektive Beruf für Asylbewerber und Flüchtlinge Freitag, 02.10.2015 um 15:45 Uhr Sparkassenakademie Bayern, Bürgermeister-Zeiler-Straße 1, 84036 Landshut Begrüßung Bertram Brossardt Hauptgeschäftsführer vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. Es gilt das gesprochene Wort. 1 Sehr geehrter Herr Staatsekretär Eisenreich, sehr geehrter Herr Kaulfuß, sehr geehrter Herr Beier, Sehr geehrte Damen und Herren, die heutige Auftaktveranstaltung zum Modellprojekt „Perspektive Beruf für Asylbewerber und Flüchtlinge“ zeigt einmal mehr: Das, was in Bayern derzeit geleistet wird, um die Asylsituation in den Griff zu bekommen, ist bundesweit einzigartig und verdient Anerkennung. Den im Freistaat herrschenden Zweiklang aus einem gesunden Realismus einerseits und dem Anbieten konkreter Lösungen andererseits würde ich mir auch im Rest des Bundesgebiets wünschen. Denn eins ist klar: Die Integration der Asylbewerber in unsere Gesellschaft und in den Arbeitsmarkt werden wir nicht meistern, indem wir eine rosarote Brille aufsetzen. Auftaktveranstaltung Modellprojekt „Perspektive Beruf und Flüchtlinge“, 02.10.2015 Bertram Brossardt 2 Beitrag der Flüchtlinge zur Fachkräftesicherung realistisch einschätzen Ja. Es gibt eine Fachkräftelücke. Zum Ausbildungsstart 2015 blieben in Bayern 10.000 bis 15.000 Ausbildungsplätze unbesetzt, weil die Betriebe keine Azubis finden. Auf jeden Bewerber kamen im August 1,19 Berufsausbildungsstellen. Die aktuelle vbw Studie Arbeitslandschaft 2040 prognostiziert für Bayern zudem bis zum Jahr 2020 eine Fachkräftelücke in Höhe von 230.000 Personen. Besonders ausgeprägt wird dabei mit 163.000 Personen der Mangel an beruflich qualifizierten Arbeitskräften sein. Zum Realitätssinn gehört aber auch eine realistische Einschätzung des Beitrags, den Flüchtlinge zur Fachkräftesicherung leisten können: - Kurzfristig ist ein Eintritt in Arbeit und Ausbildung nur für wenige möglich und damit kein Beitrag zur Fachkräftesicherung zu erreichen. - Mittelfristig können die Jugendlichen einen Beitrag zur Fachkräftesicherung leisten und sind in den Arbeitsmarkt integrierbar, wenn es gelingt, das Schulsystem noch mehr Auftaktveranstaltung Modellprojekt „Perspektive Beruf und Flüchtlinge“, 02.10.2015 Bertram Brossardt 3 darauf auszurichten und parallel begleitende oder ersetzende Systeme zu schaffen. - Langfristig sind Jugendliche gut in den Arbeitsmarkt integrierbar und können einen erheblichen Beitrag zur Fachkräftesicherung leisten. - Die Erwachsenen sind in den Arbeitsmarkt am schwierigsten integrierbar. Mittelfristig können sie nur beschränkt in den Arbeitsmarkt integriert werden. Auch langfristig ist nur von einem Teil dieser Gruppe ein Beitrag zur Fachkräftesicherung zu erwarten. Wir müssen davon ausgehen, dass wir eine neue Facette der strukturellen Arbeitslosigkeit in unserem Land bekommen werden. Integration in den Arbeitsmarkt kein Selbstläufer Insgesamt heißt das für uns: Die Integration der geflüchteten Menschen in den Arbeitsmarkt ist alles andere als ein Selbstläufer. Hier ist extrem viel zu tun. Fokus auf Flüchtlinge mit Bleibeperspektive Dafür müssen wir den Fokus unserer Integrationsbemühungen auf anerkannte Auftaktveranstaltung Modellprojekt „Perspektive Beruf und Flüchtlinge“, 02.10.2015 Bertram Brossardt 4 Flüchtlinge und Geduldete sowie Asylbewerber mit hoher Bleibeperspektive richten. Qualifizierung ist der Schlüssel Der Weg dahin führt vor allem über die Qualifizierung. Qualifizierung baut auf drei Säulen auf: Sprachvermittlung Kompetenzvermittlung Kulturelle Kenntnisse Ohne ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache ist es schlicht unmöglich, auf unserem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Daher muss sichergestellt sein, dass der Bund ausreichende Mittel für die Sprachqualifikation zur Verfügung stellt – Anfang 2016 soll es endlich soweit sein. In der Zwischenzeit hat erfreulicherweise die Bundesagentur für Arbeit auf bayerische Initiative hin beschlossen, eine entsprechende Förderung aus Beitragsmitteln bereit zu stellen. Was die Vermittlung von Kompetenz angeht: Von der Schule über die Berufsschule bis hin zur Ausbildung muss eine Förderkette sichergestellt sein, so dass Flüchtlinge später im Beruf Auftaktveranstaltung Modellprojekt „Perspektive Beruf und Flüchtlinge“, 02.10.2015 Bertram Brossardt 5 durchstarten können. Unternehmen erwarten von Ihren Auszubildenden und ihren zukünftigen Mitarbeitern neben Basiskompetenzen wie Sprache und Rechentechniken insbesondere auch Fachkompetenz, Handlungskompetenz und Sozialkompetenz. Aber auch bei Erwachsenen Flüchtlingen müssen wir prüfen, ob zum Beispiel durch Teilqualifizierungen ein erster Schritt in Richtung Beschäftigung getan werden kann. Hier müssten dann die entsprechenden Fördermittel zur Verfügung gestellt werden. Ohne kulturelle Kompetenz, also dem Gespür dafür, wie unsere Gesellschaft tickt, wird Integration scheitern. Wir müssen den Menschen, die zu uns kommen, vermitteln, welche Werte und Traditionen unsere Gesellschaft prägen. An diesem Punkt müssen wir einerseits die Hand reichen und Flüchtlinge in unserer Mitte aufnehmen andererseits aber auch klar die Akzeptanz und Einhaltung der Regeln unseres gesellschaftlichen Miteinanders einfordern. Wenn wir an diesen drei Punkten – Sprache, fachliche Kompetenz und kulturelle Kenntnisse – Auftaktveranstaltung Modellprojekt „Perspektive Beruf und Flüchtlinge“, 02.10.2015 Bertram Brossardt 6 ordentliche Arbeit leisten, dann wird es auf jeden Fall in Teilen mittel- und langfristig gelingen, die geflüchteten Menschen in unseren Arbeitsmarkt zu integrieren. Projekt „Perspektive Beruf für Asylbewerber“ Das Modellprojekt „Perspektive Beruf für Asylbewerber“ der Stiftung Bildungspakt, bei dem wir Exklusivpartner sind, trägt allen drei Qualifizierungsaspekten – Sprache, Kompetenz und Kultur – Rechnung. Ziel des Projekts ist es, junge Flüchtlinge, die Integrationsklassen besuchen, erfolgreich in eine duale Ausbildung zu vermitteln. Jugendliche sollen dazu befähigt werden, in der Berufspraxis, der Berufsschule und bei Prüfungen, den jeweiligen Anforderungen gerecht werden zu können. Neben der Vermittlung von Fachkompetenzen spielt die Sprachförderung eine entscheidende Rolle. Bei dem Modellprojekt werden sogenannte „Gelingensfaktoren“ für die erfolgreiche Befähigung von jungen Flüchtlingen für eine Ausbildung identifiziert. Die Erkenntnisse sollen dann in die Fläche getragen werden und der Auftaktveranstaltung Modellprojekt „Perspektive Beruf und Flüchtlinge“, 02.10.2015 Bertram Brossardt 7 Weiterentwicklung des gesamten Systems dienen. Ist nach den zwei Jahren in der Integrationsklasse noch keine Ausbildungsreife erlangt, können die Betroffenen in einem weiteren einjährigen Berufsübergangsjahr noch einmal unterstützt werden. Bei diesem beruflichen Übergangsjahr findet eine sinnvolle Integration von Know-how und Angeboten der Regionaldirektion Bayern der BA statt. An fünf Modellschulen wird jeweils eine Klasse zusätzlich eingerichtet und die BA bringt ihre Erfahrungen im Bereich der Berufsorientierung und Arbeitsvermittlung ein. Zu den Berufsschulen generell Lassen Sie mich an dieser Stelle noch generell etwas zu den Berufsschulen im Freistaat sagen: Die Lehrkräfte an den Berufsschulen in Bayern leisten Bemerkenswertes. Das aktuelle bayerische Beschulungskonzept für berufsschulpflichtige Asylbewerber und Flüchtlinge ist in Konzeption und Umfang bundesweit einmalig und leistet einen großen und wertvollen Beitrag. Auftaktveranstaltung Modellprojekt „Perspektive Beruf und Flüchtlinge“, 02.10.2015 Bertram Brossardt 8 Im Schuljahr 2015 / 2016 stehen 440 Berufsintegrationsklassen für berufsschulpflichtige Asylsuchende zur Verfügung. Aktuell hat damit rund ein Drittel der berufsschulpflichtigen Zielgruppe einen Platz. Das ist vorbildlich. Allerdings müssen wir diesen Weg konsequent weitergehen. Wir brauchen einen weiteren Ausbau der Integrationsklassen, so dass jeder berufsschulpflichtige Jugendliche der Zielgruppe künftig einen Platz bekommt. Weitere Aktivitäten der Verbände Dass Modellprojekt „Perspektive Beruf für Asylbewerber“ ist bei weitem nicht die einzige Aktivität der bayerischen Arbeitsgeberverbände Im Bereich der Integration von geflüchteten Menschen in den Arbeitsmarkt“ ist. Als vbw haben wir zusammen mit der Regionaldirektion Bayern der Bundesagentur für Arbeit und dem bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Soziales zudem das Projekt IdA – Integration durch Arbeit aufgelegt. Unsere aktuell 106 Projektteilnehmer an den fünf Standorten München, Nürnberg, Regensburg, Mainburg und Augsburg befinden sich derzeit in Auftaktveranstaltung Modellprojekt „Perspektive Beruf und Flüchtlinge“, 02.10.2015 Bertram Brossardt 9 einer arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen, mit dem Ziel, Kompetenzen festzustellen und über Praktika sowie Arbeitserprobungen erste Schritte am Arbeitsmarkt zu gehen. Die ersten Projektteilnehmer haben schon Praktika bei Unternehmen begonnen und ich bin zuversichtlich, dass wir es schaffen, diese Personen in Beschäftigung zu vermitteln. Zudem haben wir unser Service Portal „Integration durch Arbeit“ im Internet eingerichtet. Dort können sich unsere Mitglieder Rat und Unterstützung holen, wenn sie geflüchtete Menschen beschäftigen wollen. Dazu haben wir auch eine eigene Telefonhotline gestaltet. Schluss Meine Damen und Herren, die Integration möglichst vieler Flüchtlinge und Asylbewerber in den Arbeitsmarkt ist eine Mammutaufgabe. Das Modellprojekt „Perspektive Beruf für Asylbewerber und Flüchtlinge“ kann einen Beitrag zur Bewältigung dieser riesigen Herausforderung leisten. Ich wünsche den beteiligten 21 Modellschulen und ihren Lehrkräften gutes Gelingen! Auftaktveranstaltung Modellprojekt „Perspektive Beruf und Flüchtlinge“, 02.10.2015 Bertram Brossardt 10 Fest steht aber auch: Es muss darüber hinaus noch viel, viel mehr passieren. - Für alle Flüchtlinge, die schulpflichtig sind, muss der Zugang zu unserem Schulsystem gut ausgestattet sein. Das bestehende Angebot an Übergangsklassen muss dafür weiter bedarfsgerecht ausgebaut werden. - Auch die Zielgruppe der Einundzwanzig- bis Fünfundzwanzigjährigen, die offiziell nicht mehr als berufsschulpflichtig gilt, benötigt eine bedarfsgerechte Vorbereitung für den Übergang in den Arbeitsmarkt – Stichwort Sprachkompetenz! Sie sehen: Wir brauchen insgesamt viel guten Willen, viel Energie, viel Kreativität und einen langen Atem, denn die Erfolge werden sich nicht sofort einstellen. Abschließend ist mir noch ein Punkt sehr wichtig: Wir dürfen in der aktuellen Situation nicht vergessen, dass nicht nur Asylbewerber Unterstützung brauchen, sondern auch unsere eigenen Problemgruppen am Arbeits- und Ausbildungsmarkt. Auch um diese Gruppen müssen wir uns weiter intensiv bemühen. Auftaktveranstaltung Modellprojekt „Perspektive Beruf und Flüchtlinge“, 02.10.2015 Bertram Brossardt 11 Auf keinen Fall darf in der Gesellschaft der Eindruck entstehen, die Integrationsbemühungen für Asylbewerber gingen zu Lasten der einheimischen Bevölkerung. Vielen Dank! Auftaktveranstaltung Modellprojekt „Perspektive Beruf und Flüchtlinge“, 02.10.2015 Bertram Brossardt
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