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Michael Klöcker / Udo Tworuschka (Hrsg.)
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Handbuch der Religionen
Kirchen und andere Glaubensgemeinschaften in Deutschland/im
deutschsprachigen Raum
Ausgabe: 25
Thema: IV | Islam
Titel: Imame - Funktion, Aufgaben, Status und Typen (19 S.)
Produkthinweis
Der vorliegende Beitrag ist Teil des Standardwerkes „Handbuch der
Religionen“. Dieses Praxishandbuch ist ein in Anspruch und Umfang einzigartiges, wissenschaftlich fundiertes Nachschlagewerk über das gesamte
Spektrum der Religionen. Das Werk informiert umfassend über Geschichte,
religiöse
Kernaussagen
und
Autoritäten,
Organisation
und
Verbreitung, Glaubenspraxis, das Verhältnis zum Staat und zu
anderen Religionen.
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Imame – Funktion, Aufgaben, Status und
Typen muslimischer Prediger in deutschmuslimischen Gemeinden
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IMAME – FUNKTION, AUFGABEN, STATUS UND TYPEN
VON RAUF CEYLAN
Einleitung
Die Berufsgruppe „Imam“ existiert offiziell nicht und wird daher auch nicht
registriert. Wir wissen aber, dass in Deutschland ca. 2500 islamische Einrichtungen existieren. Es kann davon ausgegangen werden, dass es sich bei mindestens 2000 dieser Einrichtungen um Moscheevereine handelt. Anhand der
Zahl der Moscheevereine kann man auf die Zahl der Imame schließen. Mit relativer Sicherheit können wir daher sagen, dass etwa 2000 Imame in Deutschland tätig sind. Wenn man davon ausgeht, dass pro Moschee etwa 150 bis 250
Muslime die Freitagsgebete besuchen (die Zahl kann steigen, wenn der Freitag auf einen Feiertag in Deutschland trifft oder in den Schulferien liegt), dann
erreichen die 2000 Imame 300.000 bis 500.000 Muslime allein an einem Tag
pro Woche.1 Zwischen 3,8 bis 4,2 Millionen Muslime leben in Deutschland.
Während Frankreich einen maghrebinisch geprägten Islam und England einen
indopakistanisch geprägten Islam aufweist, ist der Islam in Deutschland eindeutig türkisch geprägt. Mit etwa 2,7 Millionen stellen die türkeistämmigen
Migranten (Türken, Kurden) den größten Teil der Muslime dar. Sie dominieren das islamische Leben in Deutschland mit ihren zahlreichen religiösen
Strukturen. Wir können davon ausgehen, dass ca. 70 % der Imame türkeistämmig sind. Ein Großteil der restlichen 30 % verteilt sich auf Ex-Jugoslawien und Nordafrika. Über 90 % der Imame in Deutschland stammen nach
wie vor aus dem Ausland. Nur die wenigsten sind in Deutschland sozialisiert.2
Imame üben einen großen Einfluss auf die muslimische Gemeinde aus. Sie
sind die theologische Referenz, sind wichtige gesellschaftliche sowie politische Multiplikatoren. In vielen islamischen Gebieten dieser Erde genießen sie
meistens mehr Autorität und Vertrauen als staatliche Institutionen. Muslimische Kinder und Jugendliche erhalten zudem ihre religiöse Erziehung durch
die Imame in Moscheegemeinden. Imame prägen die Religiosität und die religiöse Orientierung dieser jungen Menschen. Damit beeinflussen sie auch die
Zukunft des Islam in Deutschland. Denn schließlich bestimmen sie mit, ob die
jungen Muslime einen liberalen, konservativen oder extremistischen Islam
vertreten werden. Darüber hinaus nehmen die Imame zahlreiche andere AufKlöcker/Tworuschka: Handbuch der Religionen 25. EL 2010
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gaben wie die Rolle des Vorbeters, der seelsorgerischen Betreuung der Gemeinde oder die Vermittlung in Ehe- und Scheidungskonflikten ein. Im Folgenden sollen ihre Funktion, Aufenthalts- und Beschäftigungsverhältnisse,
Qualifikation, Rolle sowie Typologisierung näher beschrieben werden.
Definition des Begriffs und Funktion der Imame
Der Imambegriff im Koran
Das arabische Wort Imam bezeichnet wörtlich übersetzt einen „führenden
Mann“ bzw. eine „Person, die vorne steht“. In den meisten Wörterbüchern
wird der Begriff mit „Vorbeter“ bzw. „Leiter des Gebets“ oder mit „Gebieter
in religiösen Angelegenheiten“ umschrieben. Wie die folgenden beispielhaften
Koranverse darlegen, findet der Terminus im Sinne von Vorbild, Führungsfunktion bzw. geistiger Leitung Verwendung:
„Und als Abraham von seinem Herrn durch Gebote, die er erfüllte, geprüft
wurde, sprach Er: ‚Siehe, Ich mache dich zu einem Imam für die Menschen.’“3
„Eines Tages werden wir alle Menschen mit ihren Führern (Imamen) rufen.“4
„Und Wir machten sie zu Vorbildern (Imamen), die auf Unser Geheiß rechtleiteten, und wiesen sie an, Gutes zu tun, das Gebet zu verrichten und Almosen zu entrichten.“5
Imam als geistige, religiöse und politische Führungsfunktion
Die Rolle des Imam schließt sämtliche (geistige) Führungs- und Leitungsfunktionen im religiösen Bereich mit ein. Laut Koran ist es zudem eine Funktion und kein Amt. Dennoch trug in der islamischen Geschichte auch das
Staatsoberhaupt des muslimischen Reiches den Imam-Titel (auch Kalif genannt).6 Er hatte dafür Sorge zu tragen – neben politischen und militärischen
Aufgaben – die religiösen Normen und Werte der Umma (muslimische Gemeinschaft) zu wahren. Davon hing auch sein eigenes Schicksal als politischer
und religiöser Führer ab. Solange die öffentliche Ordnung und die Scharia (islamisches Rechtssystem) gewahrt wurden, sahen die Ulama (die islamischen
Gelehrten) über den oft unislamisch, pompös geführten Lebensstil der HerrOlzog Verlag, 81373 München
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scher hinweg. Ganz anders dagegen sahen es die Kharidschiten, die erste radikal-islamische Strömung (entstanden im 7. Jahrhundert). Der religiöse und
politische Führer musste zugleich gerecht sein und einen strikten islamischen
Lebenswandel führen, andernfalls sollte er – auch mit Waffengewalt – abgesetzt werden.7 Die Führungsfrage ist eine entscheidende religiöse Frage für
radikale Gruppen wie die Kharidschiten und ähnliche Gruppierungen in der
Gegenwart. Viele Jahrhunderte spielte das Amt des Imam bzw. des Kalifen eine zentrale Rolle im islamischen Reich. Mehr und mehr reduzierte sich dieser
jedoch im Verfallsprozess der muslimischen Weltreiche wie im Osmanischen
Reich zunehmend auf repräsentative Funktionen, bis Letzteres im Rahmen der
modernen Nationalstaatengründungen schließlich ganz aufgelöst wurde.8
Die Bedeutung des Imam in panislamischen Bewegungen
Der Imam bzw. Kalif symbolisierte den Islam und die Einheit der Muslime.
Der Todesstoß infolge der Entthronung des Kalifen, des symbolträchtigen Amtes, machte vielen Muslimen das Ende eines langen Kapitels in der islamischen Geschichte erst deutlich. Eines der Ziele der panislamischen Bewegungen wie der in Deutschland seit 2003 verbotenen Hizb ut-Tahrir-Organisation
ist es daher, das Amt des Imam bzw. Kalifen als Symbol der Einheit der Muslime – durch den Sturz der Regierungen in den islamisch geprägten Ländern –
wieder einzuführen. Die Wiederherstellung des Kalifats gilt als Allheilmittel
für die gegenwärtige ökonomische, politische und kulturelle Misere in den islamisch geprägten Ländern. Während der Prophet Muhammad noch ganz informell – wie jeder andere Sterbliche auch – von seinen Gefährten mit seinem
Namen gerufen wurde, entwickelte sich das Amt des Kalifen zu einer absolutistischen Monarchie. Der Kalif schmückte sich mit dem Titel „Schatten Gottes“. Muhammad war stets darauf bedacht, sich mit seinen Gefährten demokratisch zu beraten, die späteren Kalifen dagegen regierten mit eiserner Hand.
Für panislamische Bewegungen – die sich nach einer starken Führungspersönlichkeit sehnen – ist das Amt des autokratischen Kalifen die einzige Lösung. Wird der Kalif als oberster Imam wieder eingesetzt, werden sich alle gegenwärtigen Probleme von alleine lösen. Ebenfalls in der Auseinandersetzung
mit dem Westen tritt das Kalifat in der Ideologie von Hizb ut-Tahrir als
Schutzwall auf. Seine Einführung steht für die religiöse und politische Re-Organisation der Muslime.9
Der Imam im sunnitischen und schiitischen Islam
Ein völlig anderes Imam-Konzept als im sunnitischen Islam wird im schiitischen Islam vertreten. Schiiten machen etwa 10 % der Muslime weltweit aus.
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