4. Grundlagen einer Kreditentscheidung – das mÅssen Sie wissen

KAPITEL 4
Grundlagen einer Kreditentscheidung
4. Grundlagen einer Kreditentscheidung – das
mÅssen Sie wissen
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Begleitblåtter „Grundlagen Kreditentscheidung – Teil 1: Jahresabschluss“
Ihr Kreditwunsch wird in der Bank geprÅft und anschließend wird ein Beschluss gefasst.
Welche Informationen dabei zugrunde gelegt und wie diese hinterfragt und bewertet
werden, genau das ist Gegenstand dieses Kapitels. Es geht also ganz bewusst darum,
die Sichtweise der Banker besser kennen und verstehen zu lernen, sozusagen die Bankerbrille einmal selbst aufzusetzen. FÅr Sie als Kreditnehmer ist das ein Hintergrundwissen, das Sie bei der Steuerung Ihres Unternehmens nutzen kÇnnen: Dabei sollten
Sie sich u. a. folgende Fragen stellen:
"
Gibt es aus der Bankensicht Ûberlegungen und Hinweise, die auch Sie als berechtigt
beurteilen und zukÅnftig berÅcksichtigen werden?
"
Welche Informationen und Unterlagen werden Sie Ihren Kreditgebern zur VerfÅgung stellen (vgl. die Details dazu in Kapitel 7), um deren InformationsbedÅrfnisse
zu erfÅllen, damit diese Ihr Unternehmen angemessen beurteilen kÇnnen? Dabei
geht es nicht darum, Informationen und Unterlagen fÅr Ihre Kreditgeber zu „schÇnen“, sondern diese so aufzubereiten, dass sich Kreditgeber mÇglichst ohne weitere
Nachfragen ein klares eigenes Bild machen kÇnnen.
4.1 Analyse Ihrer JahresabschlÅsse – worauf es ankommt
Die Analyse der JahresabschlÅsse war immer schon „die“ wesentliche Beurteilungsgrundlage fÅr Kreditgeber. Im Rahmen der Risikoklassifizierung nach MaRisk (vgl. Kapitel 3.1.3) – also im Rating (vgl. ab Kapitel 4.2 im Detail) – sind die JahresabschlÅsse
„ein“ wesentlicher Informations- und Beurteilungsbaustein bezeichnet auch als quantitative Analyse oder „harte Faktoren“. Die Akzentverschiebung von „die“ Beurteilungsgrundlage zu „eine“ Beurteilungsgrundlage sollte aber nicht darÅber hinwegtåuschen,
dass die Jahresabschluss-Analyse i. d. R. immer noch mit mehr als 50 % Gewichtung in
die Rating-Note einfließt.
Aus diesem Grund werden die Details zur Jahresabschluss-Analyse in diesem Kapitel 4.1
als Einstieg in das Thema „Grundlagen der Kreditentscheidung“ behandelt.
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Analyse Ihrer JahresabschlÅsse – worauf es ankommt
KAPITEL 4
In Kapitel 11.2 wird das „Bilanzgespråch“ – also das Gespråch mit Ihrem Bankbetreuer
Åber Ihre Bilanzzahlen – nochmals unter dem Aspekt der Kommunikation geschildert.
Sehen Sie dieses Kapitel 4.1 aber nicht nur aus dem Blickwinkel Ihrer Kreditgeber. Sondern „verdoppeln“ Sie den Blick unter der Fragestellung, wie Sie die hier angesprochenen Themen fÅr die kaufmånnische Steuerung Ihres Unternehmens (noch mehr) nutzen kÇnnen!
4.1.1 Auswertungsmethodik von Kreditinstituten
Ihre Kreditgeber Åbertragen die Daten aus Ihren JahresabschlÅssen in eine jeweils bundesweite Datenbank, in der die JahresabschlÅsse aller Kreditnehmer enthalten sind.
„Bundesweit“ gilt auch das fÅr Sparkassen und Genossenschaftsbanken – d. h. diese haben jeweils ein einheitliches bundesweites System.
In diesen Datenbanken werden Ihre Jahresabschluss-Zahlen
"
nach einer bestimmten Systematik verarbeitet,
"
zu bestimmten Kennzahlen verdichtet,
"
immer im Drei-Jahres-Vergleich betrachtet, um die zeitlichen Entwicklungen und
Strukturverånderungen beobachten und beurteilen zu kÇnnen,
"
mit anderen Unternehmen Ihrer Branche verglichen
und abschließend in einer bestimmten Struktur an die Bank zurÅckgespielt – man
spricht vom Ergebnis als von einer „Bilanzgliederung“.
Dabei werden z. T. die Zahlen nicht in der gleichen Systematik erfasst wie diese in Ihrem
Jahresabschluss stehen – es erfolgen mitunter abweichende Zuordnungen. Auch die
Berechnung der Kennzahlen kann von Bank zu Bank im Detail unterschiedlich erfolgen
– auch wenn die Kennzahlen den gleichen Namen tragen. Einzelheiten werden in den
folgenden Abschnitten dargestellt; dabei wird nur auf die fÅr eine KreditprÅfung relevanten Positionen eingegangen.
Dabei sollten Sie als Unternehmer auch eine uralte Bankenregel kennen: „Gute Bilanzen sind immer noch besser, schlechte Bilanzen sind immer noch schlechter!“
Ab Ihrem Jahresabschluss 2010, also dem ersten, den Sie zwingend nach dem Bilanzrechts-Modernisierungs-Gesetz (BilMoG) aufstellen mÅssen, spielt die Frage eine Rolle,
„welche“ Bilanz Ihre Banken zur Analyse von Ihnen haben mÇchten:
"
Ihre Handelsbilanz
"
Ihre Steuerbilanz (wenn denn eine erstellt wurde)
"
Ihre Handelsbilanz und Ihre Steuerbilanz (wenn denn eine erstellt wurde)
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Ihre Handelsbilanz und Ihre steuerliche Ûberleitungsrechnung (die erstellt wird,
wenn keine separate Steuerbilanz erstellt wird)
Hintergrund: Gab es bisher im Mittelstand håufig die sog. “Einheitsbilanz“, die gleichzeitig die handels- wie die steuerrechtlichen Regelungen abbildete, wird nach BilMoG
zwingend eine Handelsbilanz erstellt und alternativ zusåtzlich eine Steuerbilanz oder
eine steuerliche Ûberleitungsrechnung. Dies ist sowohl mit Ihren Kreditgebern wie Ihrer Buchhaltung/Steuerberatung/WirtschaftsprÅfung zu klåren.
Die Kreditgeber selbst scheinen auch noch nicht alle entschieden zu haben, welche Unterlagen zukÅnftig erforderlich sein werden. Die Handelsbilanz wird aber die entscheidende Rolle spielen, denn sie spiegelt die betriebswirtschaftlichen Grundlagen wider.
Mit zunehmender Komplexitåt werden die steuerlichen Informationen ebenfalls angefordert werden. Dabei ist auch mit Blick auf die Vergleichbarkeit Åber die Jahre (Transparenz fÅr Sie selbst wie fÅr Dritte) der Steuerbilanz der Vorzug zu geben vor einer
Ûberleitungsrechnung. Bei einfacheren Situationen sollten die Erlåuterungen im Anhang oder falls nicht erstellungspflichtig im (freiwilligen) Erlåuterungsbericht (vgl. Kapitel 4.1.6) ausreichen, um die Abweichungen zwischen Handelsbilanz und steuerlichen
Rechenwegen zu erklåren.
FAZIT:
"
Klåren Sie die Fragestellung Handelsbilanz/Steuerbilanz.
"
Lassen Sie sich die Bilanzgliederungen der Banken aushåndigen und erlåutern.
"
Nutzen Sie so die Chance, die Zahlensicht der Banken nachzuvollziehen und diese
ggfs.
– ebenso zu sehen und zukÅnftig zu nutzen,
– oder schlÅssig gegen die Sichtweise der Bank Argumente vortragen zu kÇnnen.
"
FÅr Berater: Klåren Sie mit den regionalen Banken deren Herangehensweise und informieren Sie Ihre Mandanten.
4.1.2 Wesentliche Positionen in der Bilanz
Auf welche Positionen der Aktiv- und Passivseite der Bilanz schauen Kreditgeber besonders – und unter welchem Blickwinkel?
Der Blickwinkel eines Kreditgebers ist prinzipiell eindeutig: Welche Risiken sind in einer
Bilanz enthalten und welches Potenzial besteht, ein Risiko aufzufangen – fÅr den Fall,
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Analyse Ihrer JahresabschlÅsse – worauf es ankommt
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dass es eintreten sollte? Um ein Risiko aufzufangen, bietet eine Bilanz zwei MÇglichkeiten:
"
Das ausgewiesene Eigenkapital ist „der Risikopuffer“. Je mehr davon vorhanden ist,
desto besser.
"
DarÅber hinaus kÇnnten in der Bilanz „Stille Reserven“ enthalten sein – allerdings
mit der Frage, ob und wie schnell sich diese realisieren lassen. Als Stille Reserve wird
ein VermÇgenswert auf der Aktivseite der Bilanz bezeichnet, dessen in der Bilanz
ausgewiesener Wertansatz unter dem derzeit am Markt erzielbaren Verkaufspreis
liegt. Auf der Passivseite kann eine Stille Reserve in einer nicht mehr benÇtigten
aber aufrechterhaltenen RÅckstellung liegen, die aufgelÇst werden kann.
Die Betrachtung der Bank folgt dabei einer einfachen Richtung: Welchen Anteil hat
eine Bilanzposition prozentual an der Bilanzsumme? Je hÇher dieser Prozentsatz ist,
desto genauer wird die Bank diese Position und deren Bewertung betrachten. Denn:
wenn hier Risiken fÅr das Unternehmen enthalten sein sollten, kÇnnten diese umso
grÇßer sein, je hÇher der Prozentanteil ist. Im Sinne des Risikopuffers Eigenkapital wird
dann weiter gefragt, ob das Eigenkapital ausreicht, um evtl. enthaltene Risiken abdecken zu kÇnnen.
Im Folgenden werden die aus Bankensicht besonders wichtigen Bilanzpositionen betrachtet.
Alle hier nicht nåher besprochenen Bilanzpositionen werden i. d. R. nur intensiver betrachtet, wenn sie als fÅr Ihre Branche unÅblich hoch beurteilt werden (das kann sich
sowohl auf den absoluten Betrag wie auf den relativen Anteil beziehen). Sollten Sie das
selbst so beurteilen, sollten Sie die Besonderheiten und HintergrÅnde dieser Positionen
erlåutern kÇnnen.
FAZIT:
"
Achten Sie bei der Analyse auf den Prozentanteil einer Bilanzposition an der Bilanzsumme.
"
Vergleichen Sie diesen fÅr die Risikoeinschåtzung mit dem Risikopuffer Eigenkapital.
"
FÅr Berater: UnterstÅtzen Sie Ihre Mandanten bei der kritischen Betrachtung des eigenen Jahresabschlusses – das gilt fÅr alle weiteren Punkte bis 4.1.9.
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4.1.2.1 UmlaufvermÇgen
Die wesentlichen Positionen des UmlaufvermÇgens sind:
"
Fertige und Halbfertige Arbeiten mit der Frage: wie wurden diese im Rahmen der
durch das Handelsgesetzbuch (HGB) gegebenen Bewertungsspielråume angesetzt:
Wurde hier vorsichtig bzw. konservativ bewertet, d. h. nicht alle AnsatzmÇglichkeiten lt. HGB ausgeschÇpft? Diese Bewertung im Sinne des „vorsichtigen Kaufmanns“
wird von Kreditgebern begrÅßt: es sind „stille Reserven“ in der Position vorhanden,
die beim Abverkauf aus dem Bestand realisiert werden – also sind Ertråge in die Zukunft verschoben worden. Andererseits wurden alle Ansatzwahlrechte des HGB ausgenutzt, sehen dies Kreditgeber kritisch, weil bei Abverkauf ggf. kaum noch oder je
nach Marktentwicklung keine Ertråge mehr erzielt werden kÇnnen.
Ein besonderer Blick gilt dabei auch dem Alter dieser Bestånde: Wie lange sind die
einzelnen Gegenstånde schon im Bestand sind diese noch marktgångig oder kaum
noch verkåuflich? Sind im letzteren Fall bereits entsprechende Teilwertabschreibungen vorgenommen worden?
"
Warenbestånde mit der gleichen Frage wie oben geschildert. Hier nimmt das Thema
Alter der Bestånde und Verkåuflichkeit einen besonderen Schwerpunkt ein – besonders in Branchen, die stark saisonabhångige Sortimente haben.
"
Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe mit der gleichen Frage nach den Wertansåtzen und
der weiteren Nutzbarkeit.
"
Forderungen an Kunden mit der Frage nach dem Alter dieser Forderungen und ihrer
Werthaltigkeit bzw. Realisierbarkeit. Diese Frage wird in Abhångigkeit von den branchenÅblichen Zahlungszielen beurteilt. Sind in Ihrer Branche oder in Teilmårkten
(z. B. im Ausland) besondere Zahlungsgepflogenheiten zu beachten, sollten Sie Ihre
Banken darÅber informieren. Denken Sie daran, dass Ihr Bankbetreuer und auch
sein Kollege in der Marktfolge keine Branchenspezialisten sind (vgl. Kapitel 2.2). Banken verlangen daher oft ergånzend Auswertungen zur Fålligkeits- und Mahnstruktur
des Forderungsbestandes.
Hinzu kommen Fragen nach der Nutzung einer steuerlichen Pauschalwertberichtigung und der gezielten Bildung von Einzelwertberichtigungen (nach welchen Kriterien, derzeitiger Umfang).
Bedenken Sie dabei auch die Bewertung dieser VermÇgensgegenstånde als Sicherheit
fÅr Ihre Kredite, wie in Kapitel 8 dargestellt (Bestånde vgl. Kapitel 8.4.3, Forderungen
vgl. Kapitel 8.4.4).
Am Beispiel des UmlaufvermÇgens sei die Betrachtungsweise der Banken nochmals an
einem Beispiel dargestellt:
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