Pendred-Syndrom

Pendred-Syndrom
(MIM 274600)
Klinik
Das Pendred-Syndrom ist ein häufiges genetisches Leiden (ca. 7,5-10% aller Fälle kongenitaler
Schwerhörigkeit) und die häufigste Form der syndromalen Schwerhörigkeit überhaupt. Patienten
mit Pendred-Syndrom leiden A. an schwerer sensorineuraler Schwerhörigkeit, B. in 85% an
Fehlbildungen des knöchernen Labyrinths
(Dilatation des vestibulären Aquädukts und/oder
Mondini-Malformation) und C. in 75% an einer
euthyreoten Struma mit abnormer Verstoffwechselung des Jods durch die Schilddrüse.
Das Pendred-Syndrom kann also auch als
isolierte Schwerhörigkeit ohne begleitende
Symptome vorkommen.
Die Schwerhörigkeit ist bereits kongenital vorhanden oder beginnt prälingual, sie liegt meist beidseitig vor. Die knöchernen Defekte des Labyrinths
sind im CT ersichtlich, sie gehen in 66% der Fälle
mit Gleichgewichtsstörungen einher. Die MondiniMalformation ist eine Reduktion der Schnecke
von normalerweise 2¾ auf 1½ Windungen. Diese
Fehlbildung und auch die Dilatation des vestibulären Aquädukts sind nicht spezifisch für das
Pendred-Syndrom. Die Schilddrüsenfunktionsstörung zeigt sich als exzessiver Anstieg des Jodspiegels im Perchlorat-Test nach i.v.-Gabe von
Radiojod bei meist erhöhten ThyroglobulinSpiegeln. Sie tritt im späten Kindesalter oder im
frühen Erwachsenenalter auf. TSH-Erhöhungen
treten nur in ca. 10% der Fälle auf. In Jodmangelgebieten kann die Struma bei Patienten mit
Pendred-Syndrom versehentlich mit dem Jodmangel in Verbindung gebracht werden und damit
die Diagnose verschleppt werden.
Genetik
Das Pendred-Syndrom wird autosomal rezessiv
vererbt, so dass das rechnerische Wiederholungsrisiko von Geschwistern Betroffener 25%
beträgt. Bei etwa 75% der Patienten findet man
Mutationen in dem SLC26A4-Gen in 7q22-31.
Dabei betreffen 50% der Mutationen einen von
drei bekannten Gendefekten.
Pathophysiologie
Das Produkt des SLC26A4-Gens, das Pendrin,
findet sich am apikalen Pol der Thyrozyten. Es
stellt einen Transporter für Chlorid- und JodidIonen aus den Zellen heraus dar. Über den ei-
gentlichen Krankheitsmechanismus ist bislang
wenig bekannt. In einer Studie an kryokonserviertem Schilddrüsengewebe von Pendred-Patienten
wurde nachgewiesen, dass ein metabolischer
Defekt nach der Jodaufnahme vorliegen muß, der
vermutlich die Jodisation (Organifikation) betrifft.
Indikationen
Die molekulargenetische Diagnostik erlaubt es,
die möglichen Ursachen der Schwerhörigkeit zu
untersuchen und Aussagen über das Wiederholungsrisiko Betroffener zu machen. Weiterhin
kann bei rechtzeitiger Diagnosestellung im Säuglingsalter eine frühzeitige Therapie eingeleitet
werden.
Diagnostik
Der Mutationsnachweis des PDS-Gens erfolgt
mittels Polymerase-Kettenreaktion (PCR) und
anschließender Sequenzierung. Dabei werden
die drei genannten Hot-Spot-Regionen des Gens
untersucht. Auf Wunsch kann der gesamte kodierende Bereich des PDS-Gens untersucht werden.
Untersuchungsmaterial
•
5 ml EDTA-Vollblut (Versand durch Post
oder Boten)
Dauer der Untersuchung
2 Wochen
Literatur
Bidart J-M et al. „Expression of Pendrin and the
Pendred Syndrome (PDS) Gene in Human Thyroid Tissues. J Clin Endocrinol Metabol 85(5):
2028-2033 (2000)
Fugazzola L et al. „Molecular Analysis of the
Pendred’s Syndrome Gene and Magnetic Resonance Imaging Studies of the Inner Ear Are Essential for the Diagnosis of True Pendred’s Syndrome. J Clin Endocrinol Metabol 85(7): 24692475 (2000)
Mian C et al. „Sodium Symporter and Pendrin
Expression in Human Thyroid Tissues“. Thyroid
11(9): 825-830 (2001).
Phelps PD et al. „Radiological malformation of
the ear in Pendred syndrome“. Clin Radiol 53(4):
268-273 (1998).
Sheffield VC et al. „Pendred syndrome maps to
chromosome 7q21-34 and is caused by an intrinsic defect in thyroid iodine organification. Nat
Genet 12: 424-426 (1996).
Waldegger S et al. „Cloning and Characterization
of SLC26A6, a Novel Member of the Solute Carrier 26 Gene Familiy“. Genomics 72: 43-50
(2001).