NextTen: Scheinheiliger Kampf für die Joint Audit

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NextTen: Scheinheiliger Kampf für die Joint Audit
Barnier beim Kampf gegen Prüferkonzentration wohl im Stich gelassen!
Von den sogenannten NextTen haben wir nur noch fünf Gesellschaften als DAX-160-Prüfer
ausfindig machen können, die
nur noch 12 DAX-160-Unternehmen prüfen. Außerhalb der
NextTen prüfen noch sechs mittelständische WP-Gesellschaften im TecDAX- und SDAX-Segment. Diese Entwicklung verwundert uns zutiefst, wollte
doch EU-Binnenkommissar Barnier mit der 2010 in Angriff
genommenen EU-Reform der Abschlussprüfung den NextTen
der Wirtschaftsprüfung Eintrittskarten für die Big4-Treasure-Island „DAX-30-Prüfung“ schenken. Die NextTen sollten
die Möglichkeit erhalten, als gesetzliche Co-Prüfer im großen DAX-30-Segment für mehr Qualität zu sorgen, denn die
EU-Kommission erkannte in der Big4-Marktkonzentration ein
großes Qualitätsrisiko.
Auch wp.net machte sich ab 2010
stark für die Joint-Audit (siehe Magazin 2011, S. 47), u.a. auch durch
unsere Musterschreiben zum Grünbuch. Ein Jahr nach der Veröffentlichung des Grünbuchs war ein großer Teil der NextTen (die sog.
EGIAN-Gruppe) immer noch von der EU-Reform begeistert,
lobte die Reformen aus Brüssel und warnte ausdrücklich vor
zu hoher Marktkonzentration. In der Pressemitteilung vom
21.09.2011, „Wirtschaftsprüfer unterstützen nachhaltige Reform der Abschlussprüfung“, forderten die EGIAN-Sprecher
die Schaffung eines echten Prüfermarktes. Auch der heutige
Beiratsvorsitzer von der PKF sprach sich für Joint Audit aus.
„Die mittelständischen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften sind
bei Gemeinschaftsprüfungen eine gute Alternative zu den Big4-Gesellschaften“, betonte Dr. Marian Ellerich von der PKF.
Von diesem mutigen Vorstoß der EGIAN-Gruppe blieb im Verlauf der Reform jedoch nicht mehr viel übrig. Kein Wunder
also, dass Barnier die Lust verlor, für einen prüfenden Mittelstand zu kämpfen, der dieses Engagement gar nicht will. Die
Politik bestrafte folglich dieses Desinteresse und so beschloss
der TRILOG Anfang 2014 den Joint Audit lediglich als Wahlrecht in die Verordnung aufzunehmen.
Seit den letzten Beiratswahlen zeigt sich, dass sich die NextTen-Gruppe stärker denn je mit den Big4 „verbrüdert“ hat.
Von der sogenannten eigenen Meinung aus dem Jahr 2011
haben wir nichts mehr gehört. Ganz im Gegenteil: Im Verlauf
der Reform haben wir erkennen müssen, dass sich
die Vertreter der NextTen
in Vorstand und Beirat
mit Positionen gegen den
Mittelstand und die Einzelpraxen zu profilieren versuchten. Im wp.net-journal
01-2015 haben wir diese
Positionen zurecht als Mittel aus dem „WPK-Giftschrank“ bezeichnet. Was musste wp.net
nicht alles unternehmen, damit die Einsicht bei den NextTen reifte, dass die
IDW-Qualitätskontrolle 2002 und 2008
(Update IDW PS 140)
übertrieben war. Erst
die EU-Richtlinie entlarvte die unverhältnismäßige deutsche Qualitätskontrolle als
IDW-gesteuert.
Die EGIAN-Gruppe gibt es auch heute noch als europäischen
Verband, in Deutschland ist von dieser Gruppe allerdings
nichts mehr zu hören. Das „Kuscheln“ mit den Big4 wurde
anscheinend intensiver, anstatt
das gemeinsame Ziel „Joint Audit“ zusammen mit wp.net zu
erreichen und um das Jahrhundertgeschenk aus Brüssel zu
kämpfen, gemeinsame Prüfungen
im DAX-30 zu erhalten. Auch hier beobachten wir, dass Einzelinteressen dem Gesamtinteresse vorgezogen wurden. Die
Big4-Strategie scheint weiter Früchte zu tragen. Das Jahrhundertgeschenk wurde von den NextTen verschmäht. Deswegen
wird der „Goldesel DAX-30-Prüfung“ auch die nächsten 100
Jahre das „Pure-Big4-Country“ bleiben. Aus unserer Sicht hatte der NextTen-Einsatz für Joint Audit alle Kennzeichen einer
Scheinheiligkeit.
wp.net - journal - Ausgabe April/Mai/Juni 2015
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Autoren: WP/StB Michael Gschrei,
Geschäftsführender Vorstand wp.net,
Linda Luxi, Vorstandsassistentin wp.net.
Wussten Sie schon, dass ...
... das Beitragsaufkommen des IDW zu rund 57% von den Big4-Gesellschaften kommt?
... von den 20 HFA-Mitgliedern 8 von den Big4, der Vorsitzer von der PwC gestellt wird?
... im Bankenfachausschuss die Big4 die Mehrheit der Mitglieder und die kleinen Gesellschaften nur 1 Mitglied von insgesamt 13 Mitgliedern stellen?
wp.net - journal - Ausgabe April/Mai/Juni 2015