Ein gemächlicher Marathon

Ein gemächlicher Marathon
21.04.2016 21:20 Uhr
Hilpoltstein/Roth
(HK) Beim Blitzmarathon haben die Beamten nur wenig zu tun: In gut zwei Stunden wurde bei
einer Lasermessung der Polizeiinspektion Roth auf der Strecke zwischen der Stadtgrenze und der Rother Lände
gerade einmal ein Auto wegen zu hoher Geschwindigkeit gestoppt.
Der einzige Verkehrssünder innerhalb von zwei Stunden. Armin Harrer lotst den
zu schnellen Kleintransporter auf den Parkplatz. - Foto: Bader
"Es geht uns nicht darum, abzukassieren, es geht uns darum, die Leute darauf
aufmerksam zu machen, wenn sie zu schnell unterwegs sind", sagt Simone
Wiesenberg, die stellvertretende Chefin der Rother Polizei. Doch zum
Abkassieren gibt es an diesem Vormittag auch kaum eine Chance.
Der dunkle BMW der Rother Beamten steht knapp neben der Staatsstraße von Roth nach Allersberg, kurz vor der
Abzweigung zur Rother Lände. Der Polizist Jeffrey Feigl sitzt hinter dem Steuer, die Laserpistole im Anschlag. Wer ihm
aus der langgezogenen Linkskurve entgegenkommt, hat kaum eine Chance, zu bremsen. Nicht einmal, wenn er den
Polizeibeamten in Warnkleidung, der direkt neben dem Zivilfahrzeug steht, auf Anhieb erkennt.
"Ich messe in einem Abstand von 250 bis 350 Metern", sagt Feigl. "Damit haben wir ihn schon kurz nach der Kurve." Der
Beamte zielt mit der Laserpistole durch die Windschutzscheibe direkt auf das Kennzeichen des nahenden Wagens.
"Man soll zentral messen. Bei einem Alfa, der das Kennzeichen seitlich hat, messe ich trotzdem in der Mitte - es ist
immer etwas da, das reflektiert", sagt er und schaut konzentriert durch das Gerät.
Fast im Sekundentakt piepst das die Laserpistole, wenn Feigl Fahrzeug für Fahrzeug misst. 70 km/h sind erlaubt und
das Display zeigt in roten Zahlen die Geschwindigkeit. 63, 69, 68, 71, 59. Kollege Armin Harrer, der mit der Kelle
bereitsteht, um Temposünder herauszuwinken, schüttelt den Kopf. "Die haben alle was vom Blitzmarathon mitgekriegt,
die fahren betont langsam", sagt er. "Außerdem wird mir da vorne zu viel gegrüßt, meint er mit Blick auf die Fahrer, die
sich mit Lichthupe bei den Entgegenkommenden bedanken, weil sie gewarnt wurden.
Als die folgenden Wagen dann nur noch knapp über 50 fahren, verdreht Feigl die Augen. "Wenn wir sonst hier messen,
haben die alle zwischen 70 und 80." Und selbst bei 80 km/h müsste heute keiner eine Strafe fürchten. "Wir stoppen erst,
wenn wir in den Bußgeldbereich von 30 Euro kommen", sagt der Beamte. "Das wäre bei einer Geschwindigkeit von
86 km/h. Da immer eine Messtoleranz von 3 km/h abgezogen wird, stoppen die Beamten erst, wenn das Gerät 89 km/h
anzeigt."
"Wie gesagt, es geht nicht ums Abkassieren", wiederholt Wiesenberg. "Aber die Leute sollen einfach merken, wann sie
zu schnell sind. "Wir reden mit ihnen, sagen warum es hier eine Geschwindigkeitsbegrenzung gibt - und die meisten sind
auch einsichtig", sagt sie.
Kurz vor der Rother Lände stellt sich jetzt ein Streifenwagen mit blinkendem Blaulicht quer. Es geht nichts mehr.
Innerhalb weniger Minuten steht der Verkehr und staut sich bis weit nach der Kurve zurück. Der Streifenwagen ist nicht
aus Roth. "Die müssen aus Hilpoltstein sein", sagt Wiesenberg. "Ich schau mal, was die hier machen." Als sie
zurückkommt, steht fest, was ihre Kollegen vermutet haben: Es nähert sich ein Schwertransporter. Als die zwei großen
Lastwagen nach rund zwanzig Minuten ankommen und schließlich abbiegen, räumen die Hilpoltsteiner Beamten die
Strecke und der Stau löst sich auf. Feigl nimmt wieder sein Lasermessgerät zur Hand. Piep - 73, Piep - 81, Piep - 69.
"Der da vielleicht", sagte Harrer, als ein weißer Reno um die Kurve kommt. Piep - 79.
Es kommen ein paar Lastwagen, dann ein weißer Kleintransporter. "90", sagt Feigl und Harrer greift nach der Kelle. Er
stellt sich eine knappen Meter auf den Fahrstreifen, hält die Kelle mit der Aufschrift "Halt Polizei" mit der rechten Hand
bis zur Fahrzeugmitte, deutet mit der Linken auf den Parkplatz. Der Transporter wird langsamer, die Fahrerin biegt ein,
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bleibt stehen und macht die Tür auf. "Sie waren zu schnell - haben Sie vom Blitzmarathon etwas mitbekommen", fragt
Harrer freundlich. Die etwa 50-Jährige nickt. "Schon, im Radio - aber ich hab nicht gedacht, dass ich zu schnell bin. Es
war ja auf der ganze Strecke Stau."
"Sie bekommen gleich das Messergebnis, ich bekomme bitte Führerschein und Fahrzeugschein", sagt Harrer. Die Frau
kramt im Auto. Sie erzählt, dass sie mehrmals pro Woche beruflich fährt. "Und ich wurde schon lange nicht mehr
erwischt." Harrer erklärt, dass sie mit 90 km/h gemessen wurde, es blieben also nach Abzug der Toleranz 87. "Das ist 17
zu schnell und kostet 30 Euro", so Harrer. "Sie können es wahlweise bar zahlen, oder überweisen." Sie entscheidet sich
für die Überweisung. "Aber gell, da kommt dann nichts mehr drauf, das wird nicht teurer", fragt sie vorsichtshalber.
Harrer schüttelt den Kopf und lässt sie nach einer Unterschrift weiterfahren. "Wenn ich heute ins Zentrallager
zurückkomme, darf ich keinem sagen, dass die mich beim Blitzmarathon erwischt haben", sagt sie und lächelt. "Das
kann ich mir sonst wochenlang anhören."
Es bleibt bei diesem einen Verstoß in den vergangenen zwei Stunden." Nach
weiteren zehn Minuten lässt Wiesenberg die Aktion abbrechen. "Es ist besser,
wir lassen es für heute. Die wissen alle, was los ist."
Von Kai Bader
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