AnarchaFeminismus: Die Vorlage des Vortrag's (Orientiert an: „AnarchaFeminismus“ von Silke
Lohschelder)
1. Einige Definitionen
„Anarchismus – Die Philosophie einer neuen sozialen Ordnung, die auf menschlicher Freiheit
basiert, welche nicht durch Gesetze eingeschränkt werden darf; die Theorie, dass alle
Regierungsformen auf Gewalt beruhen und deswegen falsch, schädlich und unnötig sind.“ (Emma
Goldman)
„Der Anarchismus ist eine Bewegung, die sich in einer unaufhörlichen Bewegung befindet und die
heute wie gestern die Fähigkeit besitzt, neue Formen anzunehmen, sich dem Marsch der
Menschheit einzugliedern, alle neuen Tatsachen zu verstehen und zu akzeptieren.“ (Federica Montseny,
spanische Anarchistin)
Vorbemerkung: Wenn im Text von Frau, Mann, weiblich, männlich die Rede ist, dann sind
diese Begriffe immer kursiv geschrieben. Diese Kennzeichnung soll darauf hinweisen, dass die
Binarität (Zweiteiligkeit) von Geschlecht ein Konstrukt ist, welches auch als unterdrückendes
Instrument bezeichnet werden kann.
Frauen_Lesben_Trans_Inter (abgekürzt: FLTI) umfasst verschiedene Selbstbezeichnungen und
Identitäten. „Lesbe“ wird hier getrennt von der Kategorie „Frau“ aufgeführt, weil es auch eine
Selbstbezeichnung von Menschen ist, die sich explizit nicht als „Frau“ definieren. Außerdem soll
damit darauf hingewiesen werden, dass „Frau“ in der Regel heterosexuell gedacht wird.
Trans bzw. Transgender sind offene Begriffe für Menschen, die nicht (oder nicht ausschließlich) in
dem Geschlecht leben wollen oder können, das ihnen bei ihrer Geburt zugewiesen wurde. In
Abgrenzung hierzu sprechen wir von Cis-Gender, also Menschen, die sich mit dem ihnen bei der
Geburt zugewiesenen Gender1 identifizieren.
Intersexuelle bzw. intergeschlechtliche Menschen werden mit einem Körper geboren, der den
typischen Standards und Normen/Konstrukten von „Mann“ und „Frau“ nicht „eindeutig“
zuzuordnen ist. Die Unterstriche symbolisieren, dass es auch Übergänge und Zwischenräume
zwischen den verschiedenen Kategorien geben kann.
(Selbst-)Befreiung oder Überwindung von patriarchaler Herrschaft.
„Der revolutionäre Feminismus ist ein […] Rahmen und eine Bewegung, die sich der Zerstörung
der Institutionen verschrieben hat, die alle Frauen politisch, ökonomisch, sexuell und körperlich
unterdrücken. Der revolutionäre Feminismus erkennt, dass nicht alle Frauen gleich sind und dass
eine gleiche Erfahrung weiblicher Unterdrückung illusorisch ist. [...]“ (Buch: „AnarchaFeminismus“ von
Silke Lohschelder)
„Weitere Probleme einiger Feminismen sind Sexarbeiter_innenfeindlichkeit, Ignoranz gegenüber ASexualität, Homophobie, Biphobie, Trans- und Interphobie. Manche Feminist_innen weiger(te)n
sich, anzuerkennen, dass das biologische Geschlecht genau so eine Konstruktion ist, wie das
soziale. Mit dieser Argumentation wird insbesondere Transfrauen ihre Weiblichkeit abgesprochen
(das nennt sich Transmisogynie). Oft werden auch Genitalien mit Geschlechtern gleichgesetzt und
ignoriert, dass Sexismus eine Ideologie ist, die nichts mit Körperteilen oder Hormonen, sondern mit
1 Der Begriff Gender bezeichnet als Konzept die soziale, gesellschaftlich konstruierte oder
psychologische Seite des Geschlechts einer Person im Unterschied zu ihrem biologischen
Geschlecht (engl. Sex). Auch das biologische Geschlecht ist nicht als „binär“ zu betrachten.
gesellschaftlichen Strukturen zu tun hat.“
„Schon mal als „Manarchist“ bezeichnet worden? Das ist ein Begriff von AnarchaFeminist_innen
für männliche Anarchisten, die respektlos mit feministischen Belangen umgehen, aktiv
antifeministisch handeln oder auf andere Art unreflektiert das Patriarchat reproduzieren.“
2. Anarchistische Theoretiker und ihr Frauenbild
Dieser Vortrag wird sich nicht mit den jeweiligen theoretischen Ansätzen der genannten
anarchistischen Theoretiker beschäftigen. Die genannten Personen hatten und haben ausreichend
Raum; ihre Theorien sind bekannt und können jederzeit und ohne Probleme eigenständig
recherchiert werden.
Pierre-Joseph Proudhon 1809 – 1865
Die Familie ist Grundstein der gesellschaftlichen Vorstellungen Proudhons. Dabei vertritt er die
Position, dass die bisherigen Rollenverteilungen und die Institution Ehe erstrebens- und
erhaltenswert sind. Die Frau soll ihren Platz weiterhin im Haus, der Mann seinen außerhäuslich
haben. „Der Haushalt […] ist das Königreich der Frau, das Denkmal der Familie.“
„Lieber die Frau hinter Schloß und Riegel, als emanzipiert.“
Antje Schrupp (Journalistin und Politikwissenschaftlerin) schreibt zu Proudhon in ihrem Blog:
„Da gibt es dann so lapidare Sätze wie den, dass sich die antifeministischen Positionen Proudhons
bei vielen Sozialisten des 19. Jahrhunderts fänden. Das stimmt nicht. Proudhon war ein extremer
Antifeminist und in seiner Frauenverachtung deutlich radikaler als alle anderen Denker seiner Zeit,
ob bürgerliche oder sozialistische.“
„Mit seinem Buch “De la Justice” löste er 1858 einen Protest-Sturm unter französischen
Feministinnen und eine Flut anti-proudhonistische Bücher aus. In seiner 1875 posthum
veröffentlichten Hetzschrift „La Pornocratie ou les femmes dans les temps modernes“ legte er noch
mal nach und verteidigte seinen Antifeminismus ausdrücklich gegen den Trend der Zeit.
Der Proudhonismus führte in der französischen Arbeiterbewegung zunächst zu einem Ausschluss
der Frauen aus ihren Organisationen, der erst aufgehoben wurde, nachdem der Proudhonismus an
Einfluss verloren hatte.“
„Hauptforderung der Proudhonisten war zum Beispiel ein Verbot der Frauenerwerbsarbeit und die
Vorstellung, Frauen müssten in Haushalt und Kindererziehung dem Mann zuarbeiten. Dies war
nicht einfach damals eben so, sondern eine dezidierte (eindeutige/bestimmte) Gegenposition zu
anderen Strömungen der Arbeiterbewegung, die eine Integration der Frauen in die Erwerbsarbeit
und in den sozialrevolutionären Kampf favorisierten (bevorzugten). Dieser Streit zwischen
Proudhonisten und anderen über die Rolle der Frau nahm bei den ersten beiden Kongressen der
Internationale einen sehr großen Teil der Debatten ein.“ (http://antjeschrupp.com/2009/01/17/proudhon-dergroste-frauenfeind-des-19-jahrhunderts-wird-gefeiert/)
„Die Gegnerschaft zur Frauenerwerbsarbeit war einer der wenigen Punkte, an dem sich die
Delegierten bei diesen ersten Kongressen einig waren. Sie faßten Beschlüsse, die ein Verbot oder
zumindest eine Einschränkung der Frauenerwerbsarbeit forderten – und das zu einer Zeit, wo das
Hauptthema der Frauenbewegung die Forderung nach mehr Erwerbsarbeitsmöglichkeiten war.“
„Karl Marx und Friedrich Engels fürchteten um ihren Einfluß. Deshalb gingen sie – im Namen des
von ihnen kontrollierten Generalrats in London – zunehmend dazu über, unliebsame Sektionen aus
der Internationale auszuschließen.“
„Auf Protest [...] schloß der Generalrat die Sektion 12 aus der Internationale aus mit der
Begründung, daß in der Internationale nur die Arbeiterfrage zu behandeln sei, und nicht die
Frauenfrage.“ (http://www.antjeschrupp.de/studienvereinigung)
*Sektion 12: „Marx und Engels waren entsetzt. Die Chefin der Anfang 1870 gegründeten Sektion
12 der Ersten Internationalen (IWA) in New York City gab sich nicht mit dem Kampf um
Arbeiterrechte zufrieden, sondern vereinte verschiedene soziale Kämpfe unter einem Dach. Victoria
Woodhull erweiterte das Spektrum der Sektion 12 um Themen wie Frauenwahlrecht und das Recht
auf freie Wahl in der Liebe - Frauen, die sich im 19. Jahrhundert scheiden ließen, galten als
stigmatisiert.“ (http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?
ressort=ku&dig=2008%2F02%2F23%2Fa0178&cHash=a2498fc6c3e878a55d2b6f26ead1f19e)
Michail A. Bakunin
„Die Frau, die vom Mann verschieden ist, aber ihm nicht nachsteht, intelligent, arbeitsam und frei
wie der Mann, wird ihm gleich erklärt in allen politischen und sozialen Rechten wie in allen solchen
Funktionen und Pflichten. […] In der freien Ehe müssen Mann und Frau gleichfalls absolute
Freiheit genießen.“
Bakunins Verständnis für Frauenkämpfe hat jedoch Grenzen: „Ich bin so sehr wie nur jemand
Anhänger der vollständigen Emanzipation der Frauen und ihrer sozialen Gleichmachung mit den
Männern, aber daraus folgt nicht, daß man diese Frauenfrage überall hineinbringen muß, selbst wo
von ihr keine Rede ist.“
Bakunin sieht zwar die Notwendigkeit einer Gleichstellung der Geschlechter in der befreiten
Gesellschaft; das bedeutet für ihn aber noch lange nicht, Frauenkämpfe seiner Zeit zu unterstützen.
Peter A. Kropotkin
Auch wenn Kropotkin seine Überlegungen und Theorien ohne Berücksichtung
geschlechtsspezifischer Unterschiede aufstellte, so findet er doch deutliche Worte für die
antifeministischen Positionen in seinem politischen Umfeld. Er ereifert sich über seine
Geschlechtsgenossen, die „die Befreiung des Menschengeschlechts wollen“, aber „die Frau in ihren
Befreiungstraum nicht inbegriffen haben und es mit ihrer hohen männlichen Würde für unvereinbar
halten, an die Geschäfte der Küche zu denken“.
Dennoch weist er den Frauen den Reproduktionsbereich zu. Kindererziehung und
Haushaltsführung sollen erleichtert und die Teilnahme am sozialen Leben ermöglicht werden.
„Weil diejenigen, welche die Befreiung des Menschengeschlechtes wollen, die Frau in ihrem
Emanzipationstraum nicht begriffen haben und es mit ihrer hohen männlichen Würde für
unvereinbar halten, an die Geschäfte der Küche zu denken; […]. Die Frau zu emanzipieren heißt
nicht, ihr die Pforten der Universität, des Advokatenstandes und des Parlaments öffnen.“
(http://www.abstrakt.lib-ebook.com/abs-psychology/978702-3-einleitendes-vorwort-das-recht-auf-wohlstand-ist-diesozial.php)
Es gibt gegenwärtige Kritik einiger Anarchist_innen, die besagt, dass diese Männer Forderungen
nicht stellvertretend für Frauen hätten aufstellen sollen/dürfen. Aber sie hätten Frauen mehr Raum
für ihre Forderungen überlassen müssen – ganz abgesehen davon, dass Proudhons
Frauenfeindlichkeit absolut ablehnens- und verurteilungswert ist. Außerdem waren diese Männer in
ihrer persönlichen Praxis genauso traditionell-patriarchalen Strukturen verhaftet, wie andere
Männer auch. Und wen hat eigentlich interessiert, dass Bakunin und Kropotkin, als aus dem Adel
kommend, Theorien zur Befreiung des „einfachen Volkes“ entwickelten?
3. Anarchist_innen und Feminist_innen (Selbst- und Fremdbezeichnungen!)
Louise Michel (1830- 1905)
•
geboren in Ostfrankreich
•
teilweise von ihren „Großeltern“ (Eltern des Schloßherren, bei dem Louise Michels' Mutter
gearbeitet hat) aufgezogen
•
Geist der französischen Revolution (1789 bis 1799)
•
keine strenge Erziehung; Liebe und Förderung; wuchs inmitten der Natur auf
•
Liebe zur Literatur
•
beschäftigte sich mit dem Umgang der Menschen mit Tieren, der Not der Bauern in der
Umgebung, drückte Kritik am Regime Napoleons lll. aus, interessierte sich für die Ideen der
Kommune und des Anarchismus
•
machte eine Ausbildung zur Volksschullehrerin
•
sie konnte an staatlichen Schulen nicht unterrichten, da sie sich weigerte einen Eid auf den
Kaiser zu leisten
•
1852 eröffnet sie eine „Freie Schule“
•
ihre fortschrittlichen Unterrichtsmethoden und -inhalte brachten ihr politischen Ärger mit
Aufsichtsbehörden
•
wurde fortwährend mit Misstrauen behandelt, da sie ein uneheliches Kind, Lehrerin und
unverheiratete Frau (im Alter von 23 Jahren) war
•
wollte der dörflichen Enge entkommen und arbeitete ab 1856 an einer Freien
Mädchenschule in Paris
•
besuchte nach der Arbeit Kurse in Mathematik, Pädagogik und Tier- und Pflanzenkunde
(Gebiete, die eigentlich Männern vorbehalten waren)
•
unter dem männlichen Pseudonym „Louis Michel“ veröffentlichte sie politische Artikel
•
schloß sich unterschiedlichen politischen Frauengruppen an
•
forderte unter anderem: Gleichen Lohn für gleiche Arbeit von Mann und Frau, Trennung
von Kirche und Staat, kostenlosen staatlichen Unterricht für Kinder aller Schichten
•
Pariser Kommune
•
Während der Pariser Kommune entstand die erste feministische Massenorganisation mit der
Union des femmes pour la défense de Paris et les soins aux blessès unter dem Einfluss der
russischen Aristokratin Elisabeth Dmitrieff und der Buchbinderin Nathalie Lemel. Die
Frauen verlangten und bekamen in dieser kurzen Zeit erstmals das Recht auf Arbeit und
gleichen Lohn wie Männer und erstritten weitere Rechte wie die Gleichstellung ehelicher
und nicht ehelicher Kinder sowie die Säkularisierung von Bildungs- und
Krankenpflegeeinrichtungen. Frauen wie Louise Michel kämpften auf den Barrikaden mit.
(https://de.wikipedia.org/wiki/Pariser_Kommune)
•
die Frauen um L. Michel nahmen im Kampf gegen den Krieg, für die „Kommune“ und eine
neue Gesellschaftsordnung eine führende Rolle ein
•
L. Michel kommandierte ein Frauenbataillon, wurde verwundet und später zu lebenslanger
Verbannung verurteilt (Deportation auf die Insel Noumèa)
•
hier eröffnete sie eine Schule und unterrichtete die Kinder der Verbannten und die indigene
Bevölkerung
•
sie schloss Freund_innenschaften und kämpfte bei einem Aufstand gegen die französische
Kolonialmacht auf der Seite der indigenen Bevölkerung
•
als eine Generalamnestie alle Kommunard_innen befreite, kehrte sie nach Frankreich zurück
und arbeitete politisch in verschiedenen linken Strömungen
•
sie wurde zu weiteren 6 Jahren Gefängnis verurteilt, da sie eine Arbeitslosendemonstration
angeführt haben soll, bei der es zu Plünderungen von Bäckereien kam
•
sie überlebte ein Attentat (durch politische Gegner_innen) und veröffentlichte mehrere
Schriften zum Beispiel über die Grundlagen libertärer Pädagogik
Frauen und Geschlechterverhältnis
•
„Wenn die Gleichheit zwischen den beiden Geschlechtern anerkannt würde, so würde damit
eine gewaltige Bresche in die menschliche Dummheit geschlagen.“
•
Ungleichbehandlung war für sie Teil der Aufrechterhaltung männlicher Herrschaft
•
sie wendete sich mit ihren Positionen auch explizit gegen Proudhon und dessen
Vorstellungen vom Geschlechterverhältnis
•
L. Michel war Anarchistin (Selbstbezeichnung oder Fremdbezeichnung?)und sah den Kampf
für die gleichen Rechte der Frauen als Teil ihres Kampfes für die Befreiung der Menschen
•
Kampf um Anerkennung innerhalb der eigenen Strukturen und gegen die männlichen
Genossen, wie auch Emma Goldman und die „Mujeres Libres“
•
L. Michel erfährt viel Verachtung aus der bürgerlichen Öffentlichkeit, da sie sich über die
traditionelle Rolle der Frau hinwegsetzte; man sprach ihr die Weiblichkeit ab
•
in linken Kreisen war sie aber meist eine respektierte und angesehene Persönlichkeit
„Mujeres Libres“ (Freie Frauen)
•
1936 von libertären Frauen gegründet (im spanischen Bürgerkrieg gegen Faschismus, für
soziale Revolution)
•
vor dem Bürgerkrieg: Frauen wurde die Rolle der Hausfrau und Mutter zugeschrieben;
soziale Kontakte außerhalb konnten nur bei Kirchenbesuchen gepflegt werden; Ausschluss
von Frauen aus dem öffentlichen Leben
•
Sexismus wurde in anarchistischen Bewegungen nicht als eigenständiger
Unterdrückungsmechanismus anerkannt; wie so oft war auch hier die Meinung vertreten, die
Abhängigkeit zwischen Mann und Frau ende mit dem Beginn der sozialen Revolution
•
Frauen wurden zwar theoretisch in anarchistische Konzepte mit einbezogen, Unterschiede
in der Sozialisation (Anpassung an gesellschaftliche Denk- und Gefühlsmuster durch
Verinnerlichung von sozialen Normen) und der Lebenssituation zwischen den Geschlechtern
wurden aber nicht berücksichtigt
•
spanische Anarchist_innen waren daher der Meinung, es müsse separate Frauengruppen
geben; Gruppen aus Madrid und Barcelona schlossen sich im September 1936 unter dem
Namen „Mujeres Libres“ zusammen
•
die Gruppen (auf lokaler, regionaler und provinzieller Ebene unabhängig und
selbstverwaltet) hatten regen Zulauf: zeitweise 20.000 Anhänger_innen organisiert in etwa
150 lokalen Vereinigungen
•
die „Mujeres Libres“ bestanden auf völlige Autonomie gegenüber anderen libertären
Organisationen
•
die Reaktionen hierauf waren ablehnend; eine spezifisch feministische Organisation wäre
ein Element der Zwietracht; dabei fand sich die Begründung für separate Gruppen in genau
dieser ablehnenden Haltung; sie manifestierte den fehlenden Rückhalt der „Mujeres Libres“
innerhalb der anarchistischen Bewegung Spaniens
•
Inhaltlich distanzierten sich die „Mujeres Libres“ vom sogenannten bürgerlichen
Feminismus (heißt in diesem Kontext: Interessensvertretung privilegierter Frauen); für sie
musste die Zerstörung der patriarchalen Gesellschaft eng mit der revolutionären Umwälzung
der Gesellschaft verbunden sein
•
Finanzielle Unabhängigkeit sei der Schlüssel zur Emanzipation der Frau; ein eigenständiges
Leben und die Entwicklung eigener politischer Meinungen die Folge hiervon
•
sie organisierten allgemein- und berufsbildende Kurse und vor allem
Alphabetisierungskurse; handwerkliche Ausbildungen und Weiterbildung in Fremdsprachen,
Soziologie, Wirtschaft und Gesundheitsfürsorge; Schulungen auf dem Gebiet der
gewerkschaftlichen und politischen Bildung; eigene Kindertagesstätten sollten es Frauen
ermöglichen, einem Beruf oder politischen Aktivitäten nachzugehen; außerdem richteten sie
Zentren für Prostituierte ein (medizinische Versorgung, materielle Hilfe)
Emma Goldman
Emma Goldman ist wohl die bekannteste Persönlichkeit, die einem begegnet, wenn man zum
Thema AnarchaFeminismus recherchiert. An dieser Stelle möchten wir also nicht all die Fülle an
Informationen erneut thematisieren. Sondern ihr etwas weniger Raum einräumen, um über
Menschen berichten zu können, die vielleicht nicht so bekannt sind. (Dieser Teil wurde im Vortrag
noch stark gekürzt.)
Emma Goldman hat an vielerlei Fronten gekämpft. Zu den Bereichen Anarchismus und Feminismus
hat sie viel Spannendes geschrieben, doch auch ihre Aktivitäten sind überaus interessant. Sie hat
ihre theoretischen Standpunkte durch persönliche Erfahrungen weiterentwickelt und konnte so der
anarchistischen Theorie einen wichtigen Beitrag leisten.
Sie bezeichnet sich selbst als eine „bedingungslose(n) Verfechterin der menschlichen Emanzipation
von allen der Humanität entgegenstehenden Kräften“.
Mit 16 Jahren emigriert sie mit ihrer Schwester in die USA. Gründe hierfür sind u.a. das
konservative Elternhaus und ihr autoritärer, gewalttätiger Vater. Der Traum vom Glück in den USA
wich rasch der Enttäuschung über die unmenschlichen, kapitalistischen Arbeitsbedingungen. Und
eine Heirat kostete sie ihre persönliche Unabhängigkeit. Sie sah sich in der Rolle der Ehe- und
Hausfrau wieder, gegen welche sie sich so sehr gewehrt hatte.
Auch auf politischer Ebene wird es ihr als Frau nicht leicht gemacht. Auf ihre Frage, ob es in der
anarchistischen Bewegung in Amerika keine herausragenden Frauen gäbe, antwortete ihr ein
Genosse: „Nein, keine, nur Dummköpfe, die meisten Mädchen kommen zu den Treffen, um sich
einen Mann zu angeln; […].“
Für Emma Goldman musste die Verbesserung weiblicher Lebensbedingungen gleichzeitig mit dem
Kampf für eine befreite Gesellschaft stattfinden.
Auch die Offenlegung der gesellschaftlichen Doppelmoral, die es in ähnlichen Zügen auch heute
noch gibt, welche Männern sexuelle Erfahrungen zugestand/-steht, das gleiche Verhalten bei
Frauen aber als unmoralisch verdammt/e, war Bestandteil ihrer Arbeit.
Von Genossen wurde ihr Engagement kritisiert und teilweise zensiert:
„Der Anarchismus wäre schon genug Missverständnissen ausgesetzt und die Anarchisten würden
für lasterhaft gehalten, es wäre nicht ratsam, die Missverständnisse noch zu vermehren, indem man
sexuelle Perversion aufgriff“, so kommentieren einige Genossen ihre Vorträge zu Homosexualität.
(http://www.kritisch-lesen.de/rezension/und-kein-mann-konnte-mich-aufhalten?enlargedContent=1)
4. Schlusswort
Beispielhaft für den historischen Anarchismus ist der Widerspruch zwischen öffentlich vertretener
Theorie und privat gelebter Praxis anarchistischer Männer.
Der revolutionäre Feminismus der AnarchaFeministinnen hat den Anspruch, alle unterdrückten
Menschen miteinander zu vereinigen und nicht nur gegen das Patriarchat, sondern gegen alle
Unterdrückungsmechanismen zu kämpfen. (nach Peggy Kornegger und Carol Ehrlich)
Das Problem sexistischer Unterdrückung auch innerhalb der Bewegung darf nicht auf die
persönliche Haltung einiger Männer zu feministischen Forderungen reduziert werden. Die
anarchistische Bewegung hat(te) sich viel zu wenig mit feministischen Diskussionen
auseinandergesetzt. Es darf ihr nicht darum gehen, dass feministische Ansätze
Rekrutierungsmöglichkeiten für die anarchistische Bewegung bedeuten, sondern sie sollte sich mit
dem eigenen patriarchalen Verhalten und den patriarchalen Strukturen der Bewegung
auseinandersetzen.