Lenzburger «Asyl-Verbund» stösst auf Skepsis

SAMSTAG, 6. JUNI 2015
AARGAUER ZEITUNG
www.aargauerzeitung.ch
AARAU
23
AARGAUER TAGBLATT AARAU, WYNENTAL-SUHRENTAL, LENZBURG-SEETAL
Rupperswil
Lenzburger «Asyl-Verbund»
stösst auf Skepsis
Neue Leuchten für
die Dorfstrassen
Gemeinde-Asylheime Regionalverbände wollen nicht noch mehr Aufgaben übernehmen
Die Region Lenzburg-Seetal wagt im
Asylwesen den Befreiungsschlag. Weil
die Hälfte der Gemeinden nicht genug
Asylsuchende aufnehmen kann oder
will, wie es der kantonale Verteilschlüssel vorschreibt, soll die Unterbringung
jetzt gemeinsam gelöst werden. Der Regionalverband «Lebensraum Lenzburg-Seetal» mit seinen 23 Gemeinden
erarbeitet dafür ein Konzept (die az berichtete). Mögliche Stossrichtung: Gemeinden, die keine Asylbewerber beherbergen können, geben diese einer
Partnergemeinde mit freiem Wohnraum ab und entschädigen sie dafür.
Das soll günstiger kommen, als dem
Kanton viel Geld abzuliefern. Denn ab
2016 müssen Gemeinden, die ihre Aufnahmepflicht nicht erfüllen, dem Kanton dafür zehn Mal mehr bezahlen. Das
hat der Grosse Rat im Mai entschieden.
Die eher symbolische Ersatzabgabe von
10 Franken pro Asylbewerber und Tag
fällt weg. Neu verrechnet der Kanton
den Gemeinden die Vollkosten von voraussichtlich 113 Franken pro Tag. Das
wirft manch Gemeindebudget über den
Haufen: Hunzenschwil, das derzeit nur
drei statt acht Asylbewerber beherbergt, müsste dafür über 200 000
Franken bezahlen. Das sind etwa vier
Steuerprozente.
Kommt die Zusammenarbeit in der
Region Lenzburg-Seetal zustande, wäre
dies der grösste «Asylverbund» im Kanton. Im Aargau gibt es heute zwölf Verbunde mit zwei bis fünf Gemeinden,
die ihre Asylplätze unter sich aufteilen
und sich gegenseitig entschädigen.
Warnungen aus dem Wynental
Beim Nachbarn, dem Gemeindeverband aargauSüd impuls im Oberen Wynental, stösst diese Idee nicht nur auf
Sympathie. Geschäftsführer Herbert
Huber begrüsst zwar grundsätzlich,
wenn sich Gemeinden untereinander
absprechen und gemeinsam nach Lösungen suchen: «Wenn es für alle Beteiligten stimmt, ist es eine gute Sache.»
Huber wehrt sich aber dezidiert dagegen, die Umsetzung des Verteilschlüssels zur Angelegenheit der Gemeindeverbände werden zu lassen. Er sorgt
sich, das Beispiel des Nachbarverbands
«Lebensraum Lenzburg-Seetal» könnte
Schule machen und der Kanton deshalb auf den Geschmack kommen, die
Verantwortung für die Unterbringung
von Asylsuchenden den Regionaverbänden statt den Gemeinden zu übertragen. «Ich wehre mich gegen die Praxis, dass immer mehr unangenehme
Aufgaben an die Regionalverbände abgeschoben werden.»
Auch beim «Lebensraum Lenzburg
Seetal» ist man sich bewusst, dass der
Kanton auf die Idee kommen könnte,
die Verteilung der Asylsuchenden gene-
rell den Regionalverbänden zu delegieren. «Ein gewisses Risiko ist da», sagt
Geschäftsführer Jörg Kyburz, und hält
wie sein Kollege Herbert Huber aus
dem Wynental fest: «Beim Kanton sind
generell Bestrebungen spürbar, mehr
Aufgaben den Regionen zu delegieren
statt den Gemeinden.» Das sei für den
Kanton effizienter und einfacher. «Wir
müssen deshalb genau hinschauen,
welche Folgen unser Engagement haben könnte.» Genau über solche Fragen werde man sich im Regionalverband in den kommenden Monaten unterhalten. Kyburz relativiert aber: «Wir
sehen eine gewisse Gefahr, wollen diese aber nicht überbewerten.» Man erarbeite im Verband derzeit erst ein Konzept für eine regionale Zusammenarbeit im Asylwesen. «Wir wissen noch
nicht, wo uns dieses hinführt.»
Die Gemeinde
Schöftland hat
Asylbewerber in
der ehemaligen
Dorf-Chäsi
untergebracht. EFU
Hirschthal
Kreditabrechnung
gutgeheissen
In Lenzburg
werden bald Asylbewerber in diese
Liegenschaft an
der Niederlenzerstrasse einziehen.
BA
«Auch wir sehen eine Gefahr»
Die Bemühungen der Lenzburger
und Seetaler Gemeinden, das Asylproblem gemeinsam zu lösen, kommen
beim Kanton jedenfalls gut an. Am
Treffen des Gesamtregierungsrates mit
den Gemeindeammännern des Bezirks
Kulm vom Mittwoch begrüsste die für
das Asylwesen zuständige Susanne
Hochuli regionale Lösungen, um Asylbewerber in den Gemeinden unterzubringen. Sie könne sich ein Vorgehen
via Regionalverbände durchaus vorstellen, sagte sie laut Anwesenden.
Auf Nachfrage ergänzt Hochulis Sprecher Balz Bruder: «Wir begrüssen dies
zwar, es ist aber nicht geplant, die Verteilung den Regionalverbänden zu delegieren.» Dies sei im eben teilrevidierten
Sozial- und Präventionsgesetz auch
nicht vorgesehen.
Die Seetaler
Gemeinde Birrwil
hat Asylbewerber
in einem Holzhaus
untergebracht. EFU
Skepsis auch im Suhrental
In anderen Regionalverbänden ist ein
gemeinsames Vorgehen für die Unterbringung von Asylbewerbern kein Thema. «Das ist bei uns Sache der Gemeinden», sagt Jolanda Urech, Präsidentin
des Planungsverbandes der Region Aarau (PRA), dem 19 Gemeinden angehören. Eine regionale Lösung sei bisher
nicht diskutiert worden.
Ähnlich tönt es im Suhrental: «Bei
uns drängt sich im Asylwesen eine Zusammenarbeit auf Verbandsstufe nicht
auf», sagt Rolf Buchser, Präsident vom
Regionalverband Suhrental und Gemeindeammann von Schöftland. «Die
meisten unserer Gemeinden erfüllen
ihre Pflicht und nehmen genügend
Asylsuchende auf.» Mit Blick auf den
geplanten «Asylverbund» in der Region
Lenzburg-Seetal hält Buchser fest: «Eine Zusammenarbeit ist grundsätzlich
gut. Man kann aber nicht immer mehr
Aufgaben an die Regionalverbände delegieren und die Gemeinden aus ihrer
Verantwortung entlassen.»
KOMMENTAR MEINUNGSSEITE
ASYLREGIONEN
«Aktuell sind in Küttigen neun Asylbewerber untergebracht», sagt Gemeinderat Peter Forster. Damit wird das
Hochwasserschutz
zugestimmt
Zum zweiten Mal stand an der Gemeindeversammlung Uerkheim ein Projekt
zum Hochwasserschutz zur Abstimmung. Die 102 anwesenden Stimmberechtigten (total 1029) nahmen den Verpflichtungskredit von 5,81 Millionen
Franken mit 47 zu 40 Stimmen an. Der
Verpflichtungskredit für die Sanierung
des Schulhauses Hübeli von rund
2,2 Millionen Franken wurde grossmehrheitlich genehmigt. (SIH)
Densbüren
Ja zu LED-Leuchten
Kantonale Unterkünfte zählen nicht und Mergelabbau
G
emeinden, auf deren Grund
eine kantonale Asylunterkunft
steht, müssen weniger oder
gar keine Asylbewerber in einer eigenen Gemeindeunterkunft einquartieren. Die Zahl der «kantonalen» Asylbewerber wird von der Zahl Asylbewerber, die eine Gemeinde gemäss
Verteilschlüssel aufnehmen muss, abgezogen. Beispiel: Beinwil am See
müsste 6 Asylbewerber aufnehmen,
weil in der Gemeinde aber eine Kan-
tonsunterkunft mit 31 Personen steht,
wird diese Pflicht hinfällig.
Doch was geschieht, wenn eine kantonale Asylunterkunft in einem «AsylVerbund» von mehreren Gemeinden
steht, die ihre Plätze zusammenrechnen und Asylbewerber unter sich aufteilen? Gar nichts, die Asylbewerber
in einer kantonalen Unterkunft werden nur der Standortgemeinde angerechnet. Die Partnergemeinden profitieren nicht von dieser Entlastung. (PI)
Die Gemeindeversammlung hat Rechenschaftsbericht und Jahresrechnung grossmehrheitlich genehmigt.
Von den 534 Stimmberechtigten haben
41 teilgenommen. Bewilligt wurde auch
der Kredit von 55 000 Franken für den
Ersatz der Quecksilberdampflampen
der Strassenbeleuchtung mit LEDLeuchten. 110 000 Franken wurden für
den Mergelabbau im Steinbruch Kohlplatz gesprochen. (AZ)
INSERAT
Gemeinde bekommt zu wenige Asylbewerber
Küttigen Die Gemeinde soll
Ersatzabgabe zahlen, weil der
Kanton zu wenig Asylbewerber zuteilt.
An der Hirschthaler Einwohnergemeindeversammlung waren 46 von total
1134 Stimmberechtigten anwesend. Sie
genehmigten die Rechnung 2014 und
den Rechenschaftsbericht. Zudem
stand auch die Kreditabrechnung für
die Sanierung und Erweiterung des Primarschulhauses auf der Traktandenliste. Der Kredit wurde mit rund
194 000 Franken unterschritten. Die
Abrechnung wurde von den Anwesenden ebenfalls genehmigt. (AZ)
Uerkheim
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VON RAHEL PLÜSS UND PASCAL MEIER
Die Rupperswiler Strassen werden auf
LED-Leuchten umgerüstet. Der Souverän
hat dafür einen Kredit von 950 000 Franken gesprochen. Gutgeheissen wurde
auch ein Verpflichtungskredit von
849 000 Franken für die Sanierung der
Gemeindestrasse «im Bifang». Zudem bevollmächtigten die 96 Anwesenden von
3269 Stimmberechtigten den Gemeinderat, für rund 100 Meter Industriestammgleis, die auf Gemeindegrund verlaufen,
mit der Jura-Cement-Fabriken AG einen
Baurechtsvertrag abzuschliessen. (STR)
Kontingent, das die Gemeinde zur Verfügung stellen muss, um drei Personen
nicht erfüllt. Was bedeutet, dass die Gemeinde dem Kanton pro Quartal gegen
2000 Franken erstatten müsste. «Das
ist doch nicht in Ordnung», erklärt
Forster. Die Gemeinde wird denn auch
beim Kanton in der Sache vorstellig
werden. Als Asylunterkunft dient das
Haus an der Küttigerstrasse 9.
Die Liegenschaft gehört dem Kanton.
Bis Herbst 2010 hatte sie die Gemeinde
gemietet und bedürftigen Familien weitervermietet. Als dafür kein Bedarf
mehr bestand, wurde das Mietverhältnis gekündigt. Dass der Kanton das
Haus als Asylunterkunft vorsehen
könnte, war der Gemeinde damals bewusst, wie Gemeindeammann Dieter
Hauser erklärte. Man wehrte sich erst
dagegen, als darin ausschliesslich Männer hätten untergebracht werden sollen.
Heute leben da zwei Familien. Weitere Asylbewerber wohnen in privaten
Unterkünften. Gemeinderat Forster:
«Wir haben mit den Asylbewerbern keine Probleme. Und aus der Bevölkerung
haben wir keine Reaktionen, weder positive noch negative.» (KEL)