POLITIK der niedergelassene arzt 6/2015 Keine eitle Freude Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe zeigt nach eigener Auffassung mit dem E-Health Gesetz Stärke: „Viel zu lang wurde schon gestritten. Jetzt gehört endlich der Patient und der konkrete Nutzen der elektronischen Gesundheitskarte für den Patienten in den Mittelpunkt. Deshalb machen wir Tempo durch klare gesetzliche Vorgaben, Fristen und Anreize, aber auch Sanktionen, wenn blockiert wird. Es gibt also viele gute Gründe, künftig Termine einzuhalten, aber keine Ausreden mehr – weder für die Selbstverwaltung noch für die Industrie.“ A uslöser für diese ministeriale Freude ist das Gesetz für sichere digitale Kommunikation und Anwendungen im Gesundheitswesen. Nach Ansicht des Bundesgesundheitsministeriums ist der Nutzen für die Patienten enorm: Wenn es nach einem Unfall schnell gehen muss, soll der Arzt überlebenswichtige Notfalldaten sofort von der Gesundheitskarte abrufen können. „Und wir wollen, dass ein Arzt direkt sehen kann, welche Medikamente sein Patient gerade einnimmt. So können gefährliche Wechselwirkungen verhindert werden. Erweiterte Möglichkeiten der Gesundheitskarte und höchste Datensicherheit müssen immer Hand in Hand gehen.“ So schnell, wie in diesen markigen Worten angekündigt, wird es aber erst einmal nicht gehen. Denn das E-Health Gesetz soll erst im Herbst nächsten Jahres in Kraft treten und den Medikationsplan, den es als Vorgabe enthält, wird es erst einmal nur auf Papier geben. Datenschutz hatte Priorität Darüber ist aber der oberste Datenschützer ebenfalls zufrieden. „Das E-Health-Gesetz stellt auch einen Meilenstein für die ITSicherheit im Gesundheitswesen dar. Die Telematik-Infrastruktur und die elektroni- © Milles Studio / Fotolia Kabinettsentwurf zum E-Health-Gesetz stößt auf viel Kritik sche Gesundheitskarte tragen dazu bei, die Sicherheit sensibler Patienten-Daten weiter zu verbessern. Damit profitieren die Patienten von einem Plus an Datenschutz im Gesundheitswesen“, erklärte der Präsident des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik, Michael Hange. Gerade beim sensiblen Thema Datenschutz wollte sich die Bundesregierung k eine Blöße geben. Deswegen wurden nicht nur die Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI), sondern auch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) von Anfang in die Formulierung des Gesetzentwurfes einbezogen. Zudem würden die Sicherheitsanforderungen an die elektronische Gesundheitskarte unter Berücksichtigung der Entwicklung der technischen Möglichkeiten kontinuierlich fortgeschrieben. Mit dem Gesetz will die Koalition vor allem auch Druck auf die Akteure machen. Die Politik ist es leid, dass sich das ehemals größte EDV-Projekt im Gesundheitswesen immer mehr in die Länge zieht. Deswegen wurde in das Gesetz auch ein klarer Fahrplan und Sanktionen bei Nichteinhaltung integriert. Ärzte als Datenaktualisierer Das beginnt schon beim sogenannten Stammdatenmanagement, in das auch die Ärzte durch Prüfung und Aktualisierung von Versichertenstammdaten mit einbezogen werden. Nach einer zweijährigen bundesweiten Erprobung in Testregionen ab Juli 2016 soll dies für alle gelten. Ziel sei es, die Voraussetzungen für medizinische Anwendungen wie beispielsweise eine elektronische Patientenakte zu schaffen, so das BMG. Sobald die Anwendung zur Verfügung stehe, erhielten Ärzte und Zahnärzte, die diese Anwendung nutzen, einen Vergütungszuschlag. Dagegen sind ab 1. Juli 2018 pauschale Kürzungen der Vergütung für Ärzte und Zahnärzte vorgesehen, die nicht an der Online-Prüfung der Versichertenstammdaten teilnehmen. Dies stößt auf Kritik unter anderem der Kassenärztlichen Bundesvereinigung. Der Gesetzgeber habe die Chance verpasst, die Aktualisierung der Versichertenstamm daten fest bei den Krankenkassen anzusiedeln und nicht in den Praxen der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte. „Beim 31 POLITIK Versichertenstammdaten-Abgleich handelt es sich eigentlich um eine ureigene Verwaltungsaufgabe der Krankenkassen. Es muss zudem bezweifelt werden, dass bei den künftigen Herausforderungen die Industrie in der Lage ist, ihre Aufgaben zeitgerecht zu erledigen. Daraus folgende Verzögerungen dürfen nicht einzelnen Beteiligten wie beispielsweise den Ärzten angelastet werden, indem etwa die Haushalte der beteiligten Körperschaften sanktioniert werden“, heißt es in einer KBV-Mitteilung. Zu freier Umgang mit Notfalldaten? Anlass zur Kritik bietet auch die vorgesehene Notfalldatenspeicherung wie zum Beispiel bei Allergien oder Vorerkrankungen auf der eGK. Diese soll ab 2018 erfolgen, wenn der Patient dies wünscht. Ärzte, die diese Datensätze erstellen, sollen dafür ebenfalls eine Vergütung erhalten. Nicht die Honorierung, sondern die Art der Umsetzung sieht die Bundesärztekammer als Problem. Das Notfalldatenkonzept der Bundesärztekammer sei primär auf die Versorgung von Notfällen ausgerichtet. Bald sollten mehr als ein Dutzend weiterer Berufsgruppen – darunter Masseure, medizinische Bademeister, Diätassistenten – zum Zwecke der regelhaften Versorgung auf die Daten zugreifen können. „Wenn der Gesetzgeber nun den Notfalldatensatz kurz vor der Ziellinie in eine kleine Patientenakte umdeutet, dann muss der Zugriff dieser Berufsgruppen zwingend mit einem PIN-Schutz versehen werden. Mit der Eingabe der PIN kann der Patient dann autonom entscheiden, ob er einen Zugriff auf seine Daten gewähren möchte oder nicht.“ Elektronische Arztbriefe sicherer machen Zudem bedauert die Bundesärztekammer, dass der Kabinettsentwurf des E-HealthGesetzes konstruktive Vorschläge der Bundesärztekammer nicht aufgenommen hat. Stattdessen ließe er in Teilen Rechtssicherheit für Ärzte und Patienten sowie das informationelle Selbstbestimmungsrecht von Patienten außer Acht. „Wenn wir in Zukunft elektronisch im Gesundheitswesen kommunizieren wollen, dann sollten Arztbriefe wie in der Papierwelt auch durch einen Arzt unterschrieben werden“, stellte der niedergelassene arzt 6/2015 Dr. Franz Bartmann, Vorsitzender des Telematikausschusses der Bundesärztekammer, fest. Dies sehe das E-Health-Gesetz jedoch offensichtlich nicht vor; es falle also hinter den Standard in der Papierwelt zurück. Allerdings soll es auch für elektronische Arztbriefe mehr Geld geben. Ärzte, die diese sicher elektronisch übermitteln, sollen 2016 und 2017 eine Vergütung von 55 Cent pro Brief erhalten. Für Krankenhäuser, die ab dem 1. Juli 2016 Entlassbriefe elektronisch verschicken, gibt es einen Euro pro Brief. Ärzten soll das Einlesen des elektronischen Entlassbriefes mit 50 Cent vergütet werden. Spätestens ab 2018 werden elektronische Briefe nur noch vergütet, wenn für die Übermittlung die Telematikinfrastruktur genutzt wird. © cutimage / Fotolia 32 Apotheker wollen mehr Mitwirkung beim Medikationsplan Unerwünschten Arzneimittelnebenwirkungen soll die Einführung eines Medikationsplanes entgegenwirken. An ihnen sterben Jahr für Jahr mehr Menschen als im Straßenverkehr. Die neue Dokumentation, die alle Informationen über die vom Patienten angewendeten Arzneimittel enthält, soll für mehr Sicherheit bei der Arzneimitteltherapie sorgen. Versicherte, denen mindestens drei Medikamente gleichzeitig verordnet werden, haben ab Oktober 2016 einen Anspruch auf einen Medikationsplan, der mittelfristig über die elektronische Gesundheitskarte abrufbar sein wird. Die Zuständigkeit hierfür soll alleine bei den Ärzten liegen. Das stößt auf Kritik der Apotheker, die zumindest derzeit noch keine Vergütung für ihre Mitwirkung erhalten sollen. Sie mahnten unter anderem auch deshalb in einer Stellungnahme Nacharbeiten des Gesetzgebers in Sachen Medikationsplan an. Hier geht es unter anderem um Präparate der Selbstmedikation, die ebenfalls erfasst werden sollen. Allerdings ist noch unklar, welche genaue Rolle dabei den Apothekern zukommt. Geregelt ist bislang nur, dass Inhalt und Struktur zwischen KBV, Bundesärztekammer und Apothekerverband zu vereinbaren ist. Der Präsident der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) kritisiert insbesondere, dass noch keine Rede von der Medikationsanalyse ist, die derzeit gemeinsam von Ärzten und Apothekern in Sachsen und Thüringen erprobt wird. „Die reine Auflistung von Arzneimitteln ist kaum etwas wert, wenn keine Medikationsanalyse erfolgt. Dazu gehört, dass die Medikation systematisch auf Wechselwirkungen und andere Risiken überprüft wird und für erkannte Probleme Lösungen zwischen Arzt und Apotheker abgestimmt werden. Die Liste allein bringt den Patienten nicht mehr Arzneimitteltherapiesicherheit.“ Schmidt bezeichnete diese Analyse als aufwendige pharmazeutische Leistung, die nicht kostenfrei erbracht werden könne. Er mahnte ein verbindliches Verfahren unter Einbindung der Apotheker an. Haushaltskürzungen bei zu langsamer Umsetzung Damit die Umsetzung schneller geht, sieht der Gesetzentwurf Fristen vor, die sich insbesondere an die mit der Umsetzung beauftragten Organisationen der Selbstverwaltung (GKV-Spitzenverband, Kassenärztliche Bundesvereinigung und die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung) richten. So erhält die von der Selbstverwaltung getragene Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte klare Vorgaben für den Abschluss ihrer Arbeiten. Es drohen sogar Haushaltskürzungen bei den genannten Gesellschaftern, wenn die Frist nicht gehalten wird. Elmar Esser
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