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Newsletter
Nr. 6 / 17. August 2015
ZMS
Zentrum für Militärgeschichte und
Sozialwissenschaften der Bundeswehr
Villa Ingenheim, Dienstsitz des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr.
Impressionen einer neuen Kollegin,
oder: Vom Glück einer Wissenschaftlerin
Sie lesen diesen Newsletter im schönen Monat Juli. Kalt
wird Ihnen im Moment wahrscheinlich nicht sein, eher ein
wenig zu warm. Aber erinnern Sie sich doch einmal kurz
zurück an den Januar 2015. Bereit? Wolkengrau und Wintergrimm – besonders spürbar auf dem Fußweg vom
Bahnhof Charlottenhof zum ZMSBw. Sie frieren fürchterlich, betreten Ihr (zum Glück warmes) Büro und schalten
mit klammen Fingern Ihren Rechner an. Stellen Sie sich
weiterhin vor, Sie erhalten per Email eine Einladung zu
einer Fachkonferenz. Schon bald, im Frühjahr. Und nicht
in Berlin, nicht in Hamburg. In Athen! Und während Sie
sich gerade noch einen Tee eingießen, lesen Sie den Einladungstext und denken zugleich: »Hoffentlich kann ich
thematisch etwas beisteuern!«. Und stellen Sie sich dann
Ihre Freude darüber vor, dass das Thema der Konferenz
(The Warrior’s Ethos, the National Psyche and Soldiery)
nicht ein wenig, nicht halb, sondern ganz und gar zu Ihnen
passt, dass Ihnen schon Ideen für einen Vortrag, ach,
gleich für ein ganzes Buchkapitel in den Kopf schießen
und Sie mit innerer Überzeugung – aber eben auch mit der
wärmenden Aussicht auf Sonne – »Ja« sagen und Ihre
Teilnahme anmelden. So oder so ähnlich ist es im Januar
dieses Jahres geschehen, und schon bald, im April, flog
Dr. Ina Wiesner nach Athen, um auf der jährlichen Tagung der Conflict Studies Working Group – einem Treffen der führenden militärhistorischen Institute Europas,
das vom Partnership for Peace Consortium organisiert
wird – vorzutragen. In ihrem Vortrag zu »Armed Forces
as Ressource Dependent Actors« stellte Frau Wiesner aus
organisationssoziologischer Sicht die vielfältigen externen
Herausgegeben vom Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr,
Zeppelinstraße 127/128, 14471 Potsdam. V.i.S.d.P. Projektbereich Medien, Oberstleutnant Dr. Heiner Möllers,
Mail: [email protected]!
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Einflussfaktoren dar, die auf militärische Organisationen
wirken. Regierung, Parlament, Öffentlichkeit verlangen
von Streitkräften Transparenz, regelkonformes Verhalten,
aber auch effizientes und effektives Handeln. Im Gegenzug gewähren diese Bereiche den Streitkräften wichtige
Ressourcen – finanzielle Mittel, Arbeitskraft und Legitimität. Organisationen befinden sich, so Wiesner, in einem
fortwährenden Prozess der Entscheidung darüber, welchen Anforderungen aus ihrer Umwelt sie nachgeben und
welche Ressourcen sie dafür erhalten können. Anhand von
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Beispielen aus der Bundeswehr und den U.S. Streitkräften
illustrierte Wiesner die verschiedenen Reaktionsmöglichkeiten – zum Beispiel compliance, avoidance, oder decoupling. Der Vortrag wird im Konferenzband der Conflict Studies Working Group zeitnah erscheinen.
Möglicherweise schon im Herbst. Dann könnten Sie es
nachlesen. Im Winter. In Deutschland. Gedanklich aber
vielleicht im warmen Athen.
I.W.
Quartalsvortrag mit Anlass:
Michael Epkenhans ist 60
In Verbindung mit dem 60. Geburtstag des Leitenden
Wissenschaftlers des Zentrums für Militärgeschichte und
Sozialwissenschaften der Bundeswehr, Prof. Dr. Michael
Epkenhans, hielt Prof. Dr. Holger H. Herwig am 1. Juli
2015 den Quartals- und Festvortrag zum Thema »Moderne
Perspektiven Deutscher Marinegeschichte«. Clio und die
Marine – das war oft kein glückliches Verhältnis. Kein
Wunder – bei den Höhen und Tiefen der preußischdeutschen Marine, den Legenden und Mythen ihrer Geschichtsschreibung, der ewigen Sorge um Existenzbedrohung und dem gleichfalls ewigen Zyklus von Untergang
und Auferstehung. Erst Mitte der 1960er Jahre traf die
Aufarbeitung der Vergangenheit auf eine Scheidelinie, als
die Akten des ehemaligen Marinearchivs aus London und
Washington nach Freiburg zurückgeführt wurden. Auf der
einen Seite dieser Linie gab es Legendenbildung und Legendenfortbildung – auf der anderen nüchterne Analyse
und kritisches Aktenstudium. Die Väter dieser modernen
Marinegeschichte sind Volker Berghahn, Wilhelm Deist,
Werner Rahn und Michael Salewski. Ihr renommiertester
Nachfolger ist Michael Epkenhans.
Prof. Dr. Holger H. Herwig war u.a. seit 1989 Professor an der University of Calgary und von 1991 bis 1996
Head of the Department of History. Seit 2001 hat Prof.
Herwig den Canada Research Chair in Military and Strategic Studies inne.
Erste Projektphase der Studie zur
Organisationskultur von SHAPE abgeschlossen
Mit einem Feedback an die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen am 20. und 21. April 2015 wurde die erste Phase des
Projekts »Study on SHAPE’s Organizational Culture
(OCS)«, das vom ZMSBw in Kooperation mit Wissenschaftlern der Netherlands Defence Academy (NLDA) aus
Breda durchgeführt wurde, abgeschlossen. Die Studie hatte
der Chef des Stabes des Supreme Headquarters Allied Powers Europe (SHAPE) in Mons, Belgien, General Werner
Frees (DEU), 2013 initiiert. Der zurzeit im militärischen
Hauptquartier der NATO laufende Veränderungsprozess
zur Optimierung der Aufbau- und Ablauforganisation mit
dem Ziel einer Effizienz- und Effektivitätssteigerung sollte
durch eine sozialwissenschaftliche, interne Befragung begleitet werden. Hierzu befragten das NLDA und das
ZMSBw alle ca. 800 militärischen und zivilen Angehörigen
des multinationalen Stabes von SHAPE im Online-Ver fahren. Inhalte der Organisationsdiagnose waren unter anderem die Arbeitszufriedenheit, die Führungskultur, die
Kommunikationsprozesse und das Organisations-Commitment. Auf Grundlage eines erfreulich hohen Rücklaufs von
44 Prozent konnten Empfehlungen erarbeitet werden, die
nun im Stab des NATO-HQ aufgegriffen werden. Das
Projektteam hat ein überaus positives Feedback aus der
Führungsspitze von SHAPE für seine Arbeit erhalten und
wurde gebeten, bei einer Evaluation der Veränderungsmaßnahmen mit einer zweiten Befragungswelle wieder zur Verfügung zu stehen. Die Studienergebnisse finden nicht nur
im Rahmen der sozialwissenschaftlichen Organisationsberatung Verwendung, sondern werden in der nächsten Zeit
auch für wissenschaftliche Publikation des ZMSBw und der
NLDA genutzt.
Heiko Biehl/Gregor Richter
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Nr. 6 / 17. August 2015
Gastwissenschaftlerin vom
King’s College London am ZMSBw
Sarah Katharina Kayß ist Promotionsstudentin am War
Studies Department am King’s College London und in der
Zeit vom 1. Juni bis 21. August 2015 als Gastwissenschaftlerin im Fachbereich Militärsoziologie tätig. In ihrer Doktorarbeit unter dem Titel »The Relevance and Understanding of the National Past to the Motivation to Enlist –
British and German Army Officer Cadets in Comparison«
beschäftigt sie sich mit den Geschichtsbildern deutscher
und britischer Offizieranwärter und deren Einfluss auf die
Berufsentscheidung der jungen Soldaten. Die qualitative
und quantitative Datengrundlage der Studie bilden 755
Fragebögen sowie 103 durchgeführte Interviews an Ausbil-
dungseinrichtungen der britischen und deutschen Streitkräfte. So hat Frau Kayß deutsche Offizieranwärter an der Offizierschule des Heeres in Dresden, an der Artillerieschule in
Idar-Oberstein sowie an der Helmut-Schmidt-Universität –
Universität der Bundeswehr in Hamburg befragt. In Großbritannien galt ihr Interesse den Offizieranwärtern der British Army an der Royal Military Academy Sandhurst. Ziel
der Arbeit ist es, die Relevanz von Geschichtsvorstellungen
nicht nur in Bezug auf das soldatische Berufsbild, sondern
auch in Hinsicht auf Traditionsbilder und verschiedene
Typisierungen von Soldaten zu analysieren.
Heiko Biehl
Tag der Bundeswehr 2015
Auf dem erstmals stattfindenden »Tag der Bundeswehr«
war das ZMSBw an allen 15 Veranstaltungsorten mit der
Ausstellung »Militär und Gesellschaft seit 1945« vertreten.
In Storkow und Eckernförde konnten zudem durch Frau
Katrin Hentschel bzw. Fregattenkapitän Dr. Oliver Krauß
zahlreiche Besucher durch die gemeinsam mit der Bundesstiftung Aufarbeitung konzipierte Tafelausstellung
führen. Im Fokus der 20 Tafeln umfassenden Darstellung
steht die vergleichende Betrachtung des Militärs in beiden
Teilen Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg sowie
ihrer unterschiedlichen Verankerung in Staat und Gesellschaft. Gleichzeitig erinnert die Ausstellung an die Gründung der Bundeswehr vor 60 Jahren.
Tagung »Kriegsheimkehr« in Seelow
am 11./12. Juni 2015
Gemeinsam mit der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der
SED-Diktatur, dem Deutsch-Russischen Museum Karlshorst, dem Institut für Zeitgeschichte München-Berlin
und dem Zentrum für Zeithistorische Forschung veranstaltete das ZMSBw als Kooperationspartner der Gedenkstätte Seelower Höhen am 11./12. Juni 2015 eine Tagung
zum Thema »Der Krieg ist vorbei. Heimkehr, Trauma,
Weiterleben«. Das Ende des Zweiten Weltkrieges vor
70 Jahren bot den Anlass, sich einmal näher mit der
Heimkehr der Soldaten und den daraus entstehenden Folgen für die jeweiligen Gesellschaften zu beschäftigen. Zum
anderen konnte die Gedenkstätte bei dieser Gelegenheit
auf ihre vor einem Jahr eröffnete neue Dauerausstellung
aufmerksam machen, an deren Konzipierung und Realisierung die Kooperationspartner durch Vertreter im wissenschaftlichen Beirat (für das ZMSBw: Oberstleutnant
Dr. Thomas Vogel) maßgeblich beteiligt waren.
Den Auftakt zur Tagung bildete am 11. Juni eine Führung über das Außengelände und durch die neue Dauerausstellung der Gedenkstätte. Etwa 80 Personen waren der
Einladung gefolgt. Sie wurden durch den stv. Landrat des
Kreises Märkisch Oderland begrüßt. Die anschließende
Führung übernahm der Leiter der Gedenkstätte, Gerd Ulrich Herrmann. Nach der Tagungseröffnung durch den
Sprecher des Beirates, Dr. Jürgen Danyel (Potsdam) im
Kreiskulturhaus in Seelow, referierte als Keynotespeaker
Prof. Christoph Kleßmann (Potsdam) zur Gesamtthematik. Im Anschluss galt das erste Panel dem Thema
»Heimkehr und Nachkriegsgesellschaften« mit speziellen
Blicken auf die Verhältnisse in der Sowjetunion und in
Frankreich. Den Tag beschloss eine Podiumsdiskussion
(Jürgen Danyel; Prof. Monika Flacke, Berlin; Prof. Bernd
Greiner, Hamburg/Berlin; PD Annette Vosswinkel, Potsdam) zum Thema »Kriegserfahrung im 20. Jahrhundert
und ihre Wirkungsmacht«. Sie entzündete sich nicht zuletzt an der zuvor gezeigten TV-Dokumentation »Die
Heimkehr der Verlierer«. Die anwesende Autorin und
Regisseurin, Heike Römer-Menschel (MDR), fand sich
schnell eingebunden in die rege Diskussion auf dem Podium und mit dem Publikum.
Am zweiten Tag vervollständigten Panels zu den Themen »Gewalterfahrung im gesellschaftlichen Umfeld«
sowie »Anerkennungsrituale und Vergemeinschaftung« das
Spektrum der Tagung. Dabei wurden unter anderem die
großen Unterschiede deutlich, die im Umgang mit den
Kriegsheimkehrern zwischen »Ost« und »West« herrsch-
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ten. Insgesamt brachten die Vorträge beider Tage nicht
nur den Forschungsstand auf den Punkt, sondern setzten
zum Teil auch neue Akzente, etwa hinsichtlich des Themas »Reintegration von Soldaten als Motor gesellschaftlicher Innovation« (Dr. Klaas Voß, Hamburg) oder mit
Blick auf die Verbindung zwischen »Soldatenverbänden,
Kriegsgräberfürsorge und ›Schlachtfeldtourismus‹ in der
Bundesrepublik« (Prof. Arndt Bauerkämper, Berlin). Angeregt und anregend gestaltete sich der Austausch zwi-
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schen Referenten, Podium und Publikum, das überwiegend aus dem Großraum Berlin, aber auch aus entfernten
Regionen Deutschlands angereist war. Die Bundeswehr
war an der Tagung durch Oberst Dr. Wolfgang Schmidt
von der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg
sowie PD Dr. Jörg Echternkamp und Oberstleutnant Dr.
Thomas Vogel vom ZMSBw aktiv vertreten.
Thomas Vogel
Europeana-Projekt der Bibliothek des ZMSBw
26 einmalige Dokumente aus der Zeit des Ersten Weltkrieges sind seit Kurzem weltweit im Volltext lesbar und
recherchierbar. Die FH Potsdam hat die Digitalisierung
übernommen, die UB Potsdam präsentiert im Rahmen
von »Digitales Brandenburg« die Scans und die dazugehörigen Metadaten auf der Internetplattform »Europeana
Collections 1914-1918«. Die kleine Auswahl zeigt auf
eindrucksvolle Weise den Kriegsalltag an West- und Ostfront. Sie gewährt Einblicke in Kämpfe und ihre Auswirkungen verschiedener Waffengattungen (Heer, Marine,
Luftwaffe) sowie in das Lagerleben kriegsgefangener deutscher Soldaten in Australien, Japan und der Schweiz. Beeindruckend sind die autobiografischen Aufzeichnungen,
Tagebücher und Fotos, aber auch künstlerische Verarbeitungen der Kriegswahrnehmung. Die Originalunterlagen
aus dem Kriegsgefangenenlager Bando (Japan) und Umgebung sind besonders erwähnenswert. Deutsche Soldaten
wurden in Lagern festgesetzt, damit sie nicht am Kriegsgeschehen teilnehmen konnten. Sie hatten von Anfang an
gewisse Freiheiten und entwickelten ein außerordentlich
kreativ-künstlerisches Lagerleben u.a. mit Theatergruppen
und mehreren Orchestern. Die japanische Erstaufführung
Beethovens 9. Symphonie
im Sommer 1918 ist in
Japan bis heute unvergessen. Als besonderer Schatz
sind zudem die vierzehn
Aquarelle und Steinzeichnungen des Malers Oscar
Achenbach
anzusehen.
Der Künstler hielt sich
zwar nie an den Fronten
des Krieges auf, aber um
sich während der Kriegszeit finanziell über Wasser
zu halten, fertigte er Auftragsarbeiten für Zeitungen und Zeitschriften mit
Kriegsmotiven an. Darunter sind Bilder zum deutschösterreichischen Gebirgskampf, eine deutsche Feldartilleriebatterie im afrikanischen Raum, ein Unterseeboot,
Schiffbrüchige aufnehmend, der Luftkampf über Venedig
und der Luftangriff auf London.
Gabriele Bosch
Internationales I: EuroISME/IUC
Vom 10. bis zum 13. Mai nahm Frau Prof. Dr. DörflerDierken an der 5. Konferenz des europäischen Ablegers der
International Society of Military Ethics, der EuroISME, in
Belgrad teil. Dazu versammelten sich 75 Personen aus
zahlreichen europäischen Ländern, aber auch aus Japan und
Brasilien: Wissenschaftler, Praktiker und Soldaten, um aktuelle ethische Fragen der militärischen Führung zu diskutieren. So ergab sich ein profunder Einblick in die jeweiligen
Militärkulturen der verschiedenen europäischen Staaten und
die jeweils präferierte Bearbeitung militärethischer Fragestellungen. Codices der Ehre und Loyalität wurden vorge stellt und Fragen der Traditionsbildung diskutiert. In den
verschiedenen europäischen Streitkräften sind für ethische
Unterweisung und Bildung der Soldaten nicht nur Militärseelsorger, sondern auch Historiker, Philosophen, Psychologen, Sozialwissenschaftler tätig. Frau Dörfler-Dierken
konnte ebenfalls neuere Studien zur Inneren Führung und
die Erkenntnisse zur Beurteilung des Führungsverhaltens in
der Bundeswehr vorstellen.
Vom 22. bis zum 27. Juni nahm Frau Dörfler-Dierken
zudem am diesjährigen Religionsphilosophischen Studienkurs am Inter University Center (IUC) in Dubrovnik teil.
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Das IUC ist von Reformkommunisten 1972 gegründet
worden, um den wissenschaftlichen Austausch jenseits der
Ost-West-Blockkonfrontation zu ermöglichen. Heute bietet
es mit seinen Studienkursen eine Plattform für interdisziplinäres und internationales Zusammenwirken von Wissenschaftlern. »Modern Anthropology of Religion« war das
Thema des regelmäßig seit 7 Jahren stattfindenden Sommerkurses von deutschen, Schweizer, kroatischen und bosnischen Philosophen, Theologen und Literaturwissenschaftlern. Aktuelle (religions)philosophische Fragen wurden
interdisziplinär und generationenübergreifend diskutiert,
z.B.: Wird Hass durch Vernunft oder durch Liebe überwunden? Zeichnet Transzendenzbewusstsein – wie etwa die
Fähigkeit zur Hoffnung – den Menschen aus? Welche Bedeutung hat das »Leibgedächtnis« für die Formulierung
einer modernen Anthropologie? Wie ändert sich das Bild
vom Menschen durch die Entwicklung der Neurowissen-
5 schaften? Professoren, Habilitanden, Promovenden und
Nachwuchswissenschaftler aus den genannten Nationen
arbeiteten gemeinsam an diesen und weiteren Fragen. Frau
Dörfler-Dierken konnte das Thema »Soldat und Religion«
einbringen.
Beide Vortragsreisen führten in kurzem zeitlichen Abstand in Länder, die gegeneinander im Krieg standen. Es
ist beeindruckend zu hören und zu erleben, wie die jugoslawischen Sezessionskriege fast zwei Jahrzehnte nach den
Ereignissen noch ein ständiges Thema sind: In Belgrad
zeugen noch zahlreiche ausgebrannte Häuser im Stadtzentrum von den militärischen Auseinandersetzungen mit
der NATO; Dubrovnik ist dagegen derart vorbildlich restauriert, dass es schon fast künstlich wirkt. Aus einer am
Hang gelegenen Stellung, aus der die serbischen Soldaten
in die Altstadt geschossen haben, wurde ein Museum.
Internationales II: Besuch aus Tunesien
Im Rahmen der bilateralen Jahresmaßnahmen – eines
Kooperationsprogramms Deutschlands mit Staaten
außerhalb des NATO-Bündnisses – besuchte eine dreiköpfige tunesische Delegation von Militärhistorikern
vom 19. bis zum 21. Mai das ZMSBw in Potsdam. Im
Verlauf des Arbeitstreffens wurden mit den Delegationsmitgliedern die aktuellen wissenschaftlichen Projekte
aus allen Forschungsbereichen des Zentrums und Möglichkeiten für gemeinsame Forschungen erörtert. Natür-
lich durfte im Umfeld des geschichtsträchtigen Potsdam
auch eine Einführung unser Gäste in die bewegte Vergangenheit der Stadt und die Gärten und Bauten Friedrich des Großen nicht fehlen. Am Ende des Treffens
sprach die tunesische Delegation neben einer Einladung
zu einem Gegenbesuch des ZMSBw auch die Hoffnung
aus, die gegenseitige Zusammenarbeit im Bereich der
Militärgeschichte in Zukunft noch weiter ausbauen zu
können.
Jochen Maurer
Internationales III: Erinnerungen an den
Zweiten Weltkrieg in Frankreich und Deutschland
An der École Militaire in Paris fand am 11. April eine
Podiumsdiskussion über die Erinnerungen an den
Zweiten Weltkrieg in Frankreich und Deutschland statt.
Die Veranstaltung gehörte zum Rahmenprogramm der
Ausstellung »La Collaboration 1940-1945«, die das
Nationalarchiv veranstaltete. Es diskutierten: Serge
Barcellini (Sonderbeauftragter beim Staatssekretär des
Verteidigungsministeriums für Veteranen und Erinne-
rung) und die Historiker Prof. Jean-François Muracciole
(Montepllier), Prof. Annette Wieviorka (CNRS, Paris)
und Priv.-Doz. Dr. Jörg Echternkamp (ZMSBw/MLU
Halle-Wittenberg). Moderiert wurde die Debatte von
dem Zeithistoriker Prof. Olivier Wieviorka.
Informationen zum Programm finden Sie hier:
www.zmsbw.de/html/aktuelles/podiumsdiskussionande
rcolemilitaireinparis?teaser=0
Buchpräsentation im Bundespresseamt
Am 27. Mai 2015 fand im Presse- und Informationsamt
der Bundesregierung in Berlin im Beisein des Mitglieds
des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages MdB Dr. Fritz Felgentreu (SPD) sowie namhafter
Vertreter der Medien, Industrie und Wissenschaft die
Präsentation des von Dr. Dieter H. Kollmer für das
ZMSBw herausgegebenen Bandes »Militärisch-Industrieller Komplex? Rüstung in Europa und Nordamerika
nach dem Zweiten Weltkrieg« statt.
Im Rahmen der Veranstaltung, die in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für Sicherheitspolitik und der
Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik durchgeführt
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wurde, fand eine Podiumsdiskussion mit MdB Felgentreu und dem Herausgeber statt. Ergänzt wurden sie auf
der Bühne durch Prof. Dr. Holger Mey von Airbus
Industries, Dr. Florian Seiller, einem der Autoren des
Buches, sowie dem Moderator aus dem ARD-Hörfunk
Hauptstadtstudio, Christoph Prössl. Neben derzeit virulenten Themen, wie den Problemen mit dem Gewehr
G36 und dem Transportflugzeug Airbus A400M, wurden auch Fragen in Bezug auf das Buch diskutiert, wie
z.B. ob es in Deutschland einen »Militärisch-Industriellen Komplex« gibt. Das Podium war einhellig der
Meinung, dass die Verhältnisse in Deutschland nicht
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mit denen z.B. in den USA oder in Frankreich vergleichbar sind und deshalb hierzulande eher von einer
Politik des »Rüstungsinterventionismus« ausgegangen
werden müsse. Dieser Begriff umschreibt eine Form der
Ordnungspolitik, mit der der Staat im Idealfall rüstungswirtschaftliche Prozesse so steuert, dass wichtige
volkswirtschaftliche Globalgrößen im Rahmen der gesamtgesellschaftlichen Wohlfahrt positiv beeinflusst
werden.
Näheres zum Buch finden Sie unter: www.zmsbw.de/
html/publikationen/neuerscheinungen/
D.H.K.
Personelle Veränderungen – der Aufwuchs geht weiter
Neu im Zentrum ist seit dem 1. Mai Dr. Peter Lieb. Bisher hat der 1974 in Garmisch-Partenkirchen geborene
Bayer – das hört man raus – nach dem Studium der
Geschichte in München unter anderem am Institut für
Zeitgeschichte geforscht. Zuletzt war er an der Royal
Military Academy der British Army in Sandhurst Senior
Lecturer im Department of War Studies tätig und bildete dort den Offiziernachwuchs der britischen Landstreitkräfte mit aus – übrigens im Team mit weiteren
drei deutschen Historikern! Im ZMSBw bereichert er
den Bereich Grundlagen in der Abteilung Bildung.
Ebenfalls im Bereich Grundlagen arbeitet und
forscht seit dem 1. Juli Cornelia Grosse M.A. Die 1985 in
Göttingen geborene Historikerin hatte zuvor in Münster Neuere und Neueste Geschichte studiert und entwickelt ein Forschungsprojekt, das sie zur Dissertation
und Promotion führen soll.
Im Forschungsbereich Militärsoziologie hat Dr. Markus
Steinbrecher seine Tätigkeit im Projektbereich Bevölkerungsbefragungen aufgenommen. Zuvor war der 1978
geborene neue Kollege Akademischer Rat an der Fakultät für Sozialwissenschaften der Universität Mannheim.
Näheres über unsere Mitarbeiter finden Sie unter
http://zmsbw.de/html/zms_mitarbeiter.php
Neuerscheinungen
Florian Seiller, Rüstungsintegration
Mit dem nur wenige Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg
unternommenen Versuch einer Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG) unter westdeutscher Beteiligung betraten die sechs Mitgliedstaaten der Montanunion
völliges Neuland. Es sollte eine mit umfassenden Kompetenzen ausgestattete multinationale Rüstungsverwaltung entstehen, um gleichermaßen die westdeutsche Aufrüstung zu kontrollieren und die Rüstungsanstrengungen
der Westeuropäer zu koordinieren – mit dem Ziel, hohe
Stückzahlen und maximale Qualität zu günstigen Preisen
Florian Seiller, Rüstungsintegration. Frankreich, die Bundesrepublik Deutschland und die
Europäische Verteidigungsgemeinschaft 1950 bis 1954,
München: De Gruyter Oldenbourg
2015 (= Entstehung und Probleme
des Atlantischen Bundnisses, 9),
XIV, 585 S., 79,95 Euro,
ISBN 978-3-486-76430-7
!
zu produzieren. Florian Seiller untersucht aus deutscher
und französischer Perspektive die teilweise gegenläufigen
Interessen der Akteure: Regierungen, Militärs, Rüstungsfachleute und Wirtschaftsverbände. Die in den Plandokumenten niedergelegten Kompromisse vermitteln einen
bis heute unerreichten Grad europäischer Integration.
Mit der Weiterentwicklung der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) der Europäischen Union steht das Thema der Militär- und Rüstungsintegration wieder auf der Tagesordnung.
Dr. Florian Seiller, geboren 1977, ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in einem Abgeordnetenbüro des Deutschen Bundestages.
Militärisch-Industrieller Komplex? Rüstung in
Europa und Nordamerika nach dem Zweiten
Weltkrieg
Aufgedeckte Fehlentwicklungen und Missstände bei der
Beschaffung von Rüstungsgütern für die Bundeswehr
schrecken die deutsche Öffentlichkeit immer wieder –
wenn auch nur kurzfristig – auf. Dabei werden in den
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Diskussionen häufig Argumentationsmuster und Begriffe
aus der Zeit des Kalten Krieges verwendet, die auch
damals schon nur bedingt der Realität entsprachen. So ist
zum Beispiel der weithin bekannte Begriff des »Militärisch-Industriellen Komplexes« für die Verhältnisse in
Deutschland bis zum heutigen Tag unpassend. Dennoch
ist weder in der Geschichts-, noch in der Politik- oder in
den Sozialwissenschaften bisher ein Modell entwickelt
worden, das die deutschen Gegebenheiten abbildet.
Diesem Desiderat hat sich der multinational, multiperspektivisch und vergleichend angelegte Sammelband
angenommen. Ausgewiesene Experten aus sieben Nationen analysieren erstmalig im deutschen Sprachraum die
unterschiedlichen Formen der Rüstungsgüterbeschaffung
durch die wichtigsten staatlichen Akteure während des
Ost-West-Konfliktes. Um dies zu verdeutlichen, beantworten sie einige grundsätzliche Fragen, die sich bei der
Beschaffung von Rüstungsgütern stellen, z.B.: Welche
Bedeutung misst der Staat der Produktion von Waffen
zu, oder wie organisiert er die Beschaffung von Material
für die Streitkräfte, und welchen Einfluss nehmen die
Entscheidungsträger aus Politik, Militär, Wirtschaft und
Wissenschaft im Rahmen der Rüstungsgüterproduktion
auf die allgemeinen politischen Prozesse des Staates? Das
Ergebnis dieser umfassenden Analyse ist u.a. die Konzeption des »Rüstungsinterventionismus« als ein Gegenentwurf zum »Militärisch-Industriellen Komplex«: Der
»Rüstungsinterventionismus« wird in mehreren europäischen Staaten praktiziert und basiert in ordnungspolitischer Hinsicht auf dem Ausschreibungsverfahren.
Militärisch-Industrieller Komplex? Rüstung in Europa und
Nordamerika nach dem Zweiten Weltkrieg. Mit Beiträgen
von Torsten Diedrich u.a.
Im Auftrag des Zentrums für
Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr, Potsdam, hrsg. von
Dieter H. Kollmer,
Freiburg i.Br.: Rombach 2015,
VIII, 312 S., 24,80 Euro,
ISBN 978-3-7930-9808-9
Wie Napoleon nach Waterloo kam. Eine kleine
Geschichte der Befreiungskriege 1813 bis 1815
Die Französische Revolution sowie die Ära Napoleon
beendeten die politischen und gesellschaftlichen Organisationsprinzipien des »alten« Europas. Sie waren außerdem ein Katalysator für Europas Weg in die Moderne. Die machtpolitische Kehrseite jener Epoche war
jedoch geprägt von zahlreichen Kriegen.
Die in diesem Band versammelten facettenreichen
Beiträge führen in die politischen und militärischen
Grundlagen des Zeitalters und deren Rezeption ein.
Besondere Betrachtung findet die Herausbildung eines
neuen Kriegsbildes sowie dessen Einfluss auf Organisa!
7!
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tion, Ausbildung und Kriegführung. Die Darstellung
und Analyse der Bekämpfung des napoleonischen
Machtanspruches im Rahmen der »Befreiungskriege« bis
zur Schlacht bei Waterloo bilden dabei einen operationsgeschichtlichen Schwerpunkt.
Wie Napoleon nach Waterloo
kam. Eine kleine Geschichte der
Befreiungskriege 1813 bis 1815.
Im Auftrag des Zentrums für
Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr,
Potsdam, und in Zusammenarbeit mit dem Napoleonmuseum
Thurgau hrsg. von Eberhard
Birk, Thorsten Loch und Peter
Popp, Freiburg i.Br.: Rombach
2015, VIII, 340 S., 24,80 Euro,
ISBN 978-3-7930-9802-7
Periphery or Contact Zone? The NATO Flanks
1961 to 2013
Geographically exposed and fissured, the flanks of
NATO have been regarded as relatively critical areas
since the beginning of the Alliance. Some prominent
commentators questioned whether it was wise to integrate these areas at all. There was in fact no alternative.
For a variety of reasons, it was not feasible to defend
the West only at the Central Front.
This book analyzes the complex political and military history of NATO’s flanks, the changing relevance
of these regions in the Cold War, and new dangers in
the post-Cold War era. It takes a multi-perspective approach and appli es the latest historiographical methods.
Twelve experts highlight multifarious aspects in the
member countries, relations and conflicts between
them, complicated relations and problems involving the
Alliance, and not least the significance of the regions
beyond. The time frame was explicitly chosen to cross
the dividing line of 1990 in order to shed light on continuities and discontinuities and on the historical background of current political and military crises and conflicts. One major reason for this volume is the fact that
NATO – and Germany – will have to deal with risks
near the borders of the Alliance in one way or another,
no matter whether they involve combat missions or not.
Periphery or Contact Zone?
The NATO Flanks 1961 to
2013. On behalf of Bundeswehr Centre of Military
History and Social Sciences
edited by Bernd Lemke,
Freiburg i.Br.: Rombach
2015 (= Neueste Militärgeschichte. Analysen und Studien, 4), 231 S., 34,00 Euro,
ISBN 978-3-7930-9798-3
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Nr. 6 / 17. August 2015
Last but not least:
Die Bundeswehr feiert in diesem und im nächsten Jahr
ihren 60. Geburtstag. Unter www.60jahrebundeswehr.de
stellt die Zentralredaktion der Bundeswehr in Berlin unter Mitwirkung des ZMSBw, Oberstleutnant Dr. Heiner
Möllers und Oberleutnant d.Res. Tobias F. König, einen
Internetblog zur Geschichte der Bundeswehr der Öffentlichkeit bereit.
Termine
7.-10.9.2015
33. Arbeitstagung der Arbeitsgemeinschaft wehrgeschichtlicher Museen und Sammlung in Koblenz.
23.-25.9.2015
56. Internationale Tagung für Militärgeschichte in Potsdam. »Geschichtsbewusstsein als Kernkompetenz. 60 Jahre historische Bildung in der Bundeswehr« – Weitere Informationen und Hinweise zur
Anmeldung finden Sie hier:
http://zmsbw.de/html/aktuelles/56.internationaletagungfuermilitaergeschichteinpotsdam?teaser=0
12.11.2015
»Zeitzeugenforum 60 Jahre Bundeswehr« in Berlin gemeinsam mit der Karl-Theodor-MolinariStiftung des Deutschen Bundeswehr-Verbandes (Einladungen ergehen gesondert!)
20.11.2015
Workshop »Politische Vorstellungen vom deutschen Soldaten nach 1945«
2.-3.12.2015
Workshop »Naming and Renaming« – Namensgebungen in Streitkräften (Einladungen ergehen
gesondert!)
18.-21.4.2016
57. Internationale Tagung für Militärgeschichte in Trier. »Materialschlachten 1916. Ereignis,
Bedeutung, Erinnerung«
Weitere Termine, aktuelle Informationen und Ankündigungen
finden Sie auf unserer Homepage unter:
www.zmsbw.de/html/aktuelles/liste.