Artikel Badische Zeitung vom 15.12.2015 - Titisee

Titisee-Neustadt: Neustadt: Wie das "Café International" Flüchtlinge und Einheimis... Seite 1 von 3
14. Dezember 2015 17:44 Uhr
NEUSTADT
Wie das "Café International" Flüchtlinge und
Einheimische zusammen bringt
Am Samstagnachmittag wird in den Räumen des Rotkreuz-Ortsverbands in
Neustadt vor allem Englisch gesprochen: beim dritten "Café International"
kommen Flüchtlinge und Einheimische zusammen.
Pa Dawda Ceebay aus Gambia möchte gern noch ein Stück Apfelkuchen.
Foto: Ute Kienzler
"Schon beim ersten Nachmittag fanden nahezu 40 Flüchtlinge den Weg zu uns und
zeigen durch ihr Wiederkommen, dass es ihnen gefallen hat", erzählt Sabine Waibel.
Sie ist die Sprecherin des Arbeitskreises "Kontakttreff".
Bei den Gründungsversammlungen des Flüchtlingshelferkreises Neustadt bildeten
sich mehrere Arbeitskreise, darunter der "Kontakttreff" mit dem Ziel, Flüchtlinge aus
ihrer Isolation herauszuholen. "Wir wollen ihnen einen Anlaufpunkt anbieten, an dem
sie Anschluss zu Einheimischen finden können", erläutert Waibel, "ihre Kontakte sind
ja meist beschränkt auf Behördengänge. Zu kurz kommt oft die menschliche
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Anteilnahme, die finden sie bei uns."
Elf Ehrenamtliche organisieren das "Café International"
Aus elf ehrenamtlich Tätigen besteht der Arbeitskreis "Kontakttreff", wechselweise
organisieren sie das "Café International", das jeden zweiten Samstag geöffnet hat.
"Wir können uns glücklich schätzen, denn das Rote Kreuz bot uns spontan an, seine
Räume an der Gutachstraße zu nutzen. Neben zwei hellen, ansprechend
eingerichteten Räumen stehen uns eine Küche und sanitäre Anlagen zur Verfügung,
auch technische Geräte, um Videos zu zeigen, ebenso Flipcharts, die wir benutzen
dürfen. Darüber sind wir ganz begeistert, denn wir planen, sobald Stetigkeit
eingetreten ist, auch Filme oder Vorträge anzubieten", erzählt Waibel.
An diesem dritten Adventsamstag sind die Tische liebevoll gedeckt, die Besucher
finden ein reichhaltiges Kuchen- und Gebäckangebot vor, gebacken und gespendet
von den ehrenamtlichen Helfern. Pa Dawda Ceebay aus Gambia holt sich sein
zweites Stück Apfelkuchen und geht zurück an den "Afrikanischen" Tisch, um den
junge Männer aus Gambia und Eritrea sitzen. Hier verläuft die Kommunikation leise
und verhalten, die Männer sind schüchtern.
Besucher aus Gambia, Eritrea, Pakistan, Russland und Georgien
Am Nachbartisch geht es lauter zu, junge Pakistani unterhalten sich selbstbewusst
mit den ehrenamtlichen Helfern, die sich an allen Tischen verteilt haben. Zwei
Männer aus Russland und aus Georgien haben zueinander gefunden, weil die
Kommunikation mit ihnen auf Englisch aber nicht klappt, gesellt sich der junge
Waled aus Libyen wieder zu seinen Freunden aus Pakistan. Viele Fragen haben die
Männer, nicht jede kann beantwortet werden, aber die Flüchtlinge spüren, dass man
Zeit für sie hat und sie auch über Persönliches sprechen können. Während für die
meisten der vordringlichste Wunsch der ist, Deutsch lernen zu können und vielleicht
einen Job zu finden, wünscht sich der blutjunge Moses aus Gambia ganz einfach
"neue Eltern".
"Natürlich kann man nicht immer nur reden", sagt Waibel. "Mit unserem Kniffelspiel
haben wir schon manche aus der Reserve gelockt und begeistert machen sie mit.
Die Mimik ist international, dass sie Spaß haben, sieht man ihnen an." Der CaféTreff sei aber nicht darauf beschränkt, Flüchtlingen Kontakte zu ermöglichen, sagt
Waibel. Man wolle auch Einheimische ansprechen, herzukommen und Nachmittage
hier zu verbringen: "Nicht alle Bürger haben Berührung mit Flüchtlingen, manche
haben sogar Berührungsängste. Hier bei uns können sie Ängste abbauen und manch
einer, so hoffen wir, wird als Mithelfer bleiben."
Sabine Waibel hat ein großes Herz für Flüchtlinge. Ihre Eltern sind mit der ersten
Gastarbeiterwelle aus Kroatien nach Deutschland gekommen. "Ich bin also als
echtes Gastarbeiterkind hier aufgewachsen, fühle mich im Gegensatz zu meinen
Eltern aber als Deutsche. Meine Eltern sind als Rentner nach Kroatien gegangen,
zurück in ihre Heimat. Dies offenbarte mir, dass das Herz in der Fremde nie
ankommt, und ich kann unseren Zuwanderern nachfühlen, was sie empfinden."
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Da Sabine Waibel beruflich eher pragmatisch gefordert ist, brachte sie sich in den
Flüchtlingshelferkreis ein: "Hier bin ich auch emotional gefordert. Und ich sehe als
Bürgerpflicht, ehrenamtlich den Staat dabei zu unterstützen, den Flüchtlingen das
Ankommen zu erleichtern." Gelöst und entspannt gehen die Besucher nach Hause.
Sie freuen sich schon auf das nächste Treffen im "Café Internatioonal" am
27.Dezember.
Autor: Ute Kienzler
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