Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7377 15. Wahlperiode 14. 09. 2015 Mitteilung des Präsidenten des Landtags Gesetz zur Änderung des Schulgesetzes für Baden-Württemberg und des Kindertagesbetreuungsgesetzes hier: Anhörung zu dem Gesetzentwurf der Fraktion GRÜNE und der Fraktion der SPD – Drucksache 15/7061 Gemäß § 50 a Abs. 2 der Geschäftsordnung habe ich im Einvernehmen mit den Antragstellern die Landesregierung gebeten, zu dem Gesetzentwurf der Fraktion GRÜNE und der Fraktion der SPD – Drucksache 15/7061 – die nach Artikel 71 Absatz 4 der Landesverfassung notwendige Anhörung der kommunalen Landesverbände durchzuführen. Die Stellungnahmen der kommunalen Landesverbände sowie weiterer Verbände und Institutionen liegen vor und sind nachstehend abgedruckt. 17. 09. 2015 Der Präsident des Landtags Klenk 1 Eingegangen: 14. 09. 2015 / Ausgegeben: 22. 09. 2015 Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7377 Kopftuch Gesetzesänderung 2015 Stellungnahmen Städtetag Baden-Württemberg Von Bundespräsident Wulff stammt der Satz: „Der Islam gehört zu Deutschland." Bundeskanzlerin Angela Merkel hat diese Feststellung Anfang dieses Jahres wiederholt. „Gehört" zu Deutschland bedeutet, den Islam nicht nur zu tolerieren, also zu dulden, sondern ihn mit seinen Eigenheiten zu akzeptieren. Das Bundesverfassungsgerichtsurteil bewegt sich auf dieser Linie: Erlaubt ist und zu akzeptieren ist, was nicht verboten ist und die öffentliche Ordnung, hier in Gestalt der schulischen Ordnung und Ordnung in Kindertageseinrichtungen, nicht stört oder gefährdet. Zu Deutschland gehören auch Menschenwürde, Gleichberechtigung, persönliche Freiheit und Religionsfreiheit. Auch sie sind nicht nur zu dulden, sondern zu akzeptieren und nötigenfalls zu schützen. Freiheit wirkt nicht nur auf den jeweiligen Menschen, sondern auch auf dessen Umfeld. Die Freiheit eines Menschen kann für andere Menschen eine Zumutung sein. Solche Zumutungen in akzeptablen Grenzen aushalten zu müssen, unterscheidet Demokratien von autoritären Regimen. Die Freiheit des anderen zu akzeptieren, zeichnet Demokratien aus. Demokratie ist daher ganz sicher nicht die einfachste Staatsform - aber die beste. Es wäre in den Schulen und Kindergärten leichter zu handhaben, wenn jedwede religiösen Bekundungen dort per se verboten wären. Damit wären aber christliche und islamische Symbole auch dann untersagt, wenn niemand an ihnen Anstoß nimmt oder nehmen kann. Das widerspräche dem Freiheitsgedanken der Verfassung. Und eine unterschiedliche Behandlung von Christentum und Islam bei religiösen Bekundungen wäre verfassungswidrig, wie dem Gerichtsurteil ebenfalls zu entnehmen ist. Der Gesetzentwurf bewegt sich in diesem Spannungsfeld und nimmt eine vermittelnde Position ein, die den Vorgaben des Gerichts entspricht und somit verfassungskonform ist. Aus unseren Mitgliedstädten hat uns weder ein Alternativvorschlag noch ein Einwand zur vorgesehenen Regelung erreicht. Wir haben alle Städte befragt. Vor diesem Hintergrund stimmen wir dem Gesetzesvorhaben zu. Wir glauben, dass die Schul- und Kindertagesstättenleitungen mit einer solchen Regelung sensibel umgehen werden. Um sie darin zu unterstützen und den sachgerechten Umgang mit der neuen Rechtslage zu fördern, bitten wir das Land, begleitend zur Gesetzgebung Hinweise zur Anwendung der beiden geänderten Bestimmungen zu veröffentlichen. 2 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7377 Gemeindetag Baden-Württemberg Aufgrund der Ferienzeit können wir unsere Stellungnahme nur unter dem Vorbehalt der erforderlichen Gremienbefassung abgeben. Soweit der Gesetzentwurf dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 27.01.2015 Rechnung trägt, erhebt der Gemeindetag dagegen keine Bedenken. Das bedeutet, dass arbeitsrechtliche Konsequenzen möglich sind, wenn es im Einzelfall zu einer Gefährdung oder Störung des Friedens in der Einrichtung kommt oder wenn gegen das Neutralitätsgebot verstoßen wird. Die Vermittlung von Grundwerten der überwiegend christlich geprägten abendländischen Kultur in Kindergärten und Schulen in kommunaler Trägerschaft darf nicht eingeschränkt werden. Im Einzelnen sind dafür aus kommunaler Sicht folgende Erwägungen maßgebend: Städte und Gemeinden sind von dem Beschluss des BVerfG und dem Gesetzentwurf vor allem als Kindergartenträger betroffen. Als Schulträger haben sie keinen Einfluss auf die Zusammensetzung des Lehrerkollegiums und gegenüber Lehrkräften keine Führungsfunktion. Als Kindergartenträger wird den Städten und Gemeinden daran gelegen sein, dass die Vermittlung von Grundwerten der überwiegend christlich geprägten abendländischen Kultur nicht eingeschränkt wird. Das gilt unbeschadet der Tatsache, dass kommunale Kindergärten sich gleichzeitig der Integration und Offenheit gegenüber anderen Kulturen verpflichtet fühlen. § 7 Abs. 8 KiTaG ist jedoch eine personalrechtliche Vorschrift. Sie enthält keine Regelungen für die Gestaltung des Betriebsablaufs in den Betreuungseinrichtungen oder deren pädagogische Ausrichtung. Als Arbeitgeber fällt es Städten und Gemeinden zunehmend schwer, fachlich qualifizierte und charakterlich geeignet erscheinende Bewerberinnen abzuweisen, nur weil sie ein Kopftuch tragen wollen. In solchen Fällen ist ihnen daran gelegen, zunächst in einer Probezeit beobachten zu können, wie sich solche Erzieherinnen in der Praxis bewähren. Auch wenn bereits länger beschäftigte muslimische Erzieherinnen sich für ein Kopftuch entscheiden, ist ihnen daran gelegen, darauf individuell angemessen und nicht nur schematisch mit einer Kündigung reagieren zu können. Sowohl nach dem Beschluss des BVerfG als auch nach dem Gesetzentwurf bleiben arbeitsrechtliche Konsequenzen (Abmahnung, verhaltensbedingte Kündigung) möglich, wenn es im Einzelfall zu einer Gefährdung oder Störung des Friedens in der Einrichtung kommt oder wenn gegen das Neutralitätsgebot verstoßen wird. Landkreistag Baden-Württemberg Der Gesetzentwurf nimmt die vermittelnde Position des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts ein und trägt dieser Entscheidung damit Rechnung. Gegen die vorgesehenen gesetzlichen Änderungen bestehen unsererseits keine Einwände. Es bleibt zu hoffen, dass sich die Regelungen auch als praxistauglich erweisen werden. 2 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7377 Erzdiözese Freiburg, Diözese Rottenburg Stuttgart, Evangelische Landeskirche in Baden, Evangelische Landeskirche in Württemberg Die Erzdiözese Freiburg, die Diözese Rottenburg-Stuttgart und die beiden evangelischen Landeskirchen in Baden und Württemberg begrüßen das Anliegen des Gesetzentwurfs, die durch den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Januar 2015 notwendig gewordenen gesetzlichen Änderungen in Baden-Württemberg vorzunehmen. Die vorgesehenen Änderungen sind aus unserer Sicht zwar erforderlich, aber aus zwei Gründen nicht ausreichend, um zukünftig die Rechtssicherheit zu gewährleisten. Zum einen birgt die isolierte Aufhebung von § 38 Absatz 2 Satz 3 Schulgesetz und § 7 Absatz 8 Satz 3 Kindertagesbetreuungsgesetz die Gefahr einer laizistischen Fehldeutung. Zum anderen sind die verbleibenden und nur marginal geänderten Regelungen in § 38 Absatz 2 Schulgesetz und § 7 Absatz 8 Kindertagesbetreuungsgesetz nicht mehr aus sich heraus verständlich, sondern bedürfen der verfassungskonformen Interpretation im Sinne des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Januar 2015, die den Leiterinnen und Leitern der Schulen und der Tageseinrichtungen nicht zugemutet werden sollte. Wir haben uns daher erlaubt, mit dem beiliegenden Gesetzentwurf Regelungen vorzuschlagen, die der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vollumfänglich gerecht zu werden suchen. Zur Vermeidung von Wiederholungen dürfen wir zur näheren Erläuterung auf die ausführliche Begründung des Gesetzentwurfs verweisen. Für Rückfragen stehen wir gerne zur Verfügung. Entwurf Gesetz zur Änderung des Schulgesetzes für Baden-Württemberg und des Kindertagesbetreuungsgesetzes Artikel 1 Änderung des Schulgesetzes für Baden-Württemberg Das Schulgesetz für Baden-Württemberg in der Fassung vom 1. August 1983 (GBl. S. 397), zuletzt geändert durch Gesetz vom …….(GBl. S. ….. ), wird wie folgt geändert: 1. § 1 wird wie folgt geändert: a) Nach Absatz 2 wird folgender neuer Absatz 3 eingefügt: „(3) Der Schule ist aufgegeben, in Offenheit für die verschiedenen religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen die christlichen und abendländischen Überliefe3 4 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7377 rungen und Werte in ihrer Bedeutung als prägende Kultur- und Bildungsfaktoren im Unterricht zu vermitteln.“ b) An den bisherigen Absatz 3, der zu Absatz 4 wird, wird folgender Satz angefügt: „Sie gibt der religiösen und weltanschaulichen Freiheit Raum.“ c) Der bisherige Absatz 4 wird zu Absatz 5. 2. § 38 wird wie folgt geändert: a) An Absatz 1 wird folgender Satz angefügt: „Sie haben bei ihrer Tätigkeit in der Schule diejenige Fachlichkeit, Mäßigung und Zurückhaltung zu wahren, die sich aus ihrer Stellung ergibt.“ b) Absatz 2 erhält folgende Fassung: „(2) Lehrkräfte an öffentlichen Schulen nach § 2 Absatz 1 dürfen in der Schule ihre religiöse oder weltanschauliche Überzeugung auch außerhalb des Religionsunterrichts unter Wahrung derjenigen Mäßigung und Zurückhaltung, die sich aus ihrer Stellung ergibt, bekunden. Die obere Schulaufsichtsbehörde kann eine entsprechende Bekundung verbieten, wenn sie die gebotene Mäßigung und Zurückhaltung überschreitet. Wird einer Bekundung im Sinne des Satzes 1 aus ernsthaften und gewichtigen Gründen des Glaubens oder der Weltanschauung durch die Erziehungsberichtigten widersprochen, versucht der Schulleiter eine gütliche Einigung. Gelingt eine Einigung nicht, hat die obere Schulaufsichtsbehörde für den Einzelfall eine Regelung zu treffen, welche die religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen aller Betroffenen zu einem gerechten Ausgleich bringt.“ c) In Absatz 3 Satz 1 werden die Wörter „des Absatzes 2“ durch die Wörter „seiner Pflichten gemäß Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2“ ersetzt. d) In Absatz 4 werden die Wörter „den Absätzen 2 und 3“ durch die Angabe „Absatz 3“ ersetzt. e) In Absatz 5 wird die Wörter „Absätze 2 bis 4“ durch die Wörter „Absätze 1 bis 4“ ersetzt. 3. Nach § 91 wird folgender neuer § 91 a eingefügt: „§ 91 a Glaubensfreiheit der Schüler in der öffentlichen Schule (1) An öffentlichen Schulen nach § 2 Absatz 1 wird den Schülern ausreichend Gelegenheit zur Ausübung ihrer Glaubensfreiheit auch außerhalb des Religionsunterrichts, insbesondere zur Teilnahme an Angeboten nach Absatz 2 gegeben. Schüler 4 5 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7377 dürfen in der Schule ihre religiöse oder weltanschauliche Überzeugung auch außerhalb des Religionsunterrichts bekunden; § 38 Absatz 2 Satz 3 und 4 gilt entsprechend. (2) Schulgebete, Schul- und Schülergottesdienste können während der für den Unterricht vorgesehenen Zeit im Schulgebäude stattfinden. Die Schulseelsorge, die schulpastoralen Dienste und die Schülerarbeit der Kirchen und sonstigen öffentlichrechtlichen Religionsgemeinschaften bleiben gewährleistet. (3) Es ist sicherzustellen, dass über die Teilnahme an Angeboten nach Absatz 2 frei und ohne Zwang entschieden werden kann und zumutbare Ausweichmöglichkeiten bestehen. Über die Teilnahme an diesen Angeboten bestimmen die Erziehungsberechtigten. Nach Eintritt der Religionsmündigkeit steht dieses Recht den Schülern zu.“ Artikel 2 Änderung des Kindertagesbetreuungsgesetzes Das Kindertagesbetreuungsgesetzes in der Fassung vom 19. März 2009 (GBl. S. 161), zuletzt geändert durch Gesetz vom 19. Dezember 2013 (GBl. 2014 S. 1), wird wie folgt geändert: 1. An §,2 Absatz 1 wird folgender Satz angefügt: „Sie geben der religiösen oder weltanschaulichen Entwicklung des Kindes Raum.“ 2. § 7 wird wie folgt geändert: Absatz 8 erhält folgende Fassung: „(8) Fachkräfte im Sinne der Absätze 2 und 4 Satz 2 sowie Zusatzkräfte dürfen in Einrichtungen, auf die dieses Gesetz Anwendung findet und die in Trägerschaft des Landes, eines Landkreises, einer Gemeinde, einer Verwaltungsgemeinschaft, eines Zweck- oder Regionalverbandes stehen, ihre religiöse oder weltanschauliche Überzeugung unter Wahrung derjenigen Mäßigung und Zurückhaltung, die sich aus ihrer Stellung ergibt, bekunden. Der Leiter der Einrichtung kann eine entsprechende Bekundung verbieten, wenn sie die gebotene Mäßigung und Zurückhaltung überschreitet. Wird einer Bekundung im Sinne des Satzes 1 aus ernsthaften und gewichtigen Gründen des Glaubens oder der Weltanschauung durch die Erziehungsberichtigten widersprochen, versucht der Leiter der Einrichtung eine gütliche Einigung. Gelingt eine Einigung nicht, hat er für den Einzelfall eine Regelung zu treffen, welche die religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen aller Betroffenen zu einem gerechten Ausgleich bringt.“ b) In Absatz 9 Satz 1 werden die Wörter „des Absatzes 8“ durch die Wörter „eines Verbotes oder einer Regelung gemäß Absatz 8“ ersetzt. 5 6 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7377 c)In Absatz 10 wird die Angabe „Absatz 8“ durch die Angabe „Absatz 9 Satz 1“ ersetzt. Artikel 3 Inkrafttreten Dieses Gesetz tritt am Tag nach seiner Verkündung in Kraft. Begründung zum Vorschlag für ein Gesetz zur Änderung des Schulgesetzes für BadenWürttemberg Artikel 1: Änderung des Schulgesetzes für Baden-Württemberg 1. Streichung des bisherigen § 38 Abs. 2 S. 3 des Schulgesetzes und Einfügung eines neuen § 1 Abs. 3 in das Schulgesetz Das Bundesverfassungsgericht hat im Beschluss des Ersten Senats vom 27.01.2015, 1 BvR 471/10, 1 BvR 1181/10 (NJW2015, 1359 = DÖV2015, 471 = NVwZ 2015, 884 = BayVBI. 2015, 445/484 m. Anm. Wolff) unter Nummer 1. des Tenors festgestellt, dass § 57 Abs. 4 Satz 3 des Schulgesetzes für das Land NordrheinWestfalen in der aktuellen Fassung mit Art. 3 Abs. 3 Satz 1 und mit Art. 33 Abs. 3 des Grundgesetzes unvereinbar und nichtig ist. Das Bundesverfassungsgericht begründete die Verfassungswidrigkeit des § 57 Abs. 4 Satz 3 des Schulgesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen damit, dass die vom Gesetzgeber als Privilegierungsbestimmung zu Gunsten der Darstellung christlicher und abendländischer Bildungs- und Kulturwerte oder Traditionen gewollte Teilregelung in Satz 3 der Vorschrift eine gleichheitswidrige Benachteiligung aus Gründen des Glaubens und der religiösen Anschauungen darstelle (Tz. 123 der Entscheidung). Diese Norm führe nämlich zu einer Benachteiligung anderer als christlicher und jüdischer Religionsangehöriger, die verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen sei (Tz. 124 der Entscheidung). Die Gesamtkonzeption des § 57 Abs. 4 des Schulgesetzes von Nordrhein-Westfalen sollte nach den Vorstellungen, die im Gesetzgebungsverfahren hervorgetreten sind, in Satz 3 der Regelung eine Freistellung vom Verbot äußerer religiöser Bekundungen des Satzes 1 und damit eine unmittelbare Ungleichbehandlung aus Gründen der Religion bewirken. Eine solche Ungleichbehandlung sei verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen. Werden äußere religiöse Bekundungen durch das pädagogische Personal in der Schule untersagt, so müsse dies grundsätzlich unterschiedslos geschehen (Tz. 127 f. der Entscheidung). Die für nichtig erklärte Norm ist wortgleich mit § 38 Abs. 2 Satz 3 des Schulgesetzes für BadenWürttemberg in seiner derzeit geltenden Fassung. Damit muss aufgrund des Tenors und der ihn stützenden Begründung des Bundesverfassungsgerichts 6 7 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7377 auch die baden-württembergische Regelung als mit den genannten Normen des Grundgesetzes unvereinbar und verfassungswidrig angesehen werden. Andererseits hat das Bundesverfassungsgericht in seiner bisherigen Rechtsprechung (beispielsweise BVerfGE 41, S. 29 ff. [51 f.] - Christliche Gemeinschaftsschule in BadenWürttemberg; die diesbezüglichen Passagen der einschlägigen Entscheidungen des BVerfG sind im Anhang unter Nr. 1. bis 4. wiedergegeben) ausdrücklich festgestellt, dass die Schule zwar keine missionarische Schule sein dürfe, außerhalb des Religionsunterrichts dürften christliche Glaubensinhalte keine Verbindlichkeit beanspruchen, wohl aber dürfe das Christentum Anerkennung finden als prägender Kultur- und Bildungsfaktor, wie er sich in der abendländischen Geschichte herausgebildet habe. Dies sei auch gegenüber Nichtchristen durch das Fortwirken geschichtlicher Gegebenheiten legitimiert. Zu diesem Faktor gehöre nicht zuletzt der Gedanke der Toleranz für Andersdenkende. Deren Konfrontation mit einem Weltbild, in dem die prägende Kraft christlichen Denkens bejaht wird, führe jedenfalls solange nicht zu einer diskriminierenden Abwertung der dem Christentum nicht verbundenen Minderheiten und ihrer Weltanschauung, als es hierbei nicht um den Absolutheitsanspruch von Glaubenswahrheiten, sondern um das Bestreben nach Verwirklichung der autonomen Persönlichkeit im weltanschaulich-religiösen Bereich gemäß der Grundentscheidung des Art. 4 GG gehe. Eine solche Schule, die Raum für eine sachliche Auseinandersetzung mit allen weltanschaulich-religiösen Auffassungen, wenn auch von einer bestimmten weltanschaulichen Orientierungsbasis her biete, führe Eltern und Kinder nicht in einen verfassungsrechtlich unzumutbaren Glaubens- und Gewissenskonflikt. Diese Rechtsprechung hat das Bundesverfassungsgericht auch in seinem Beschluss vom 27.01.2015, 1 BvR 471/10, 1 BvR 1181/10 (NJW2015, 1359 = DÖV 2015, 471) nicht aufgegeben. Betrachtet man seine dortigen Äußerungen zur Frage einer Bejahung des Christentums in den profanen Fächern als bloße Darstellung und Anerkennung als prägender Kultur- und Bildungsfaktors näher, so ist festzustellen, dass es sich lediglich gegen den Missbrauch dieser Figur wendet, um religiöse Äußerungen wie das Tragen eines Nonnenhabits oder einer Kippa in der Schule zu ermöglichen, das Kopftuch aber zu verhindern. Dies (und nur dies) hat es für verfassungswidrig erklärt. Zur Frage der Zulässigkeit einer Bejahung des Christentums in den profanen Fächern als prägender Kultur- und Bildungsfaktors, wie er sich in der abendländischen Geschichte herausgebildet hat, sagt dieser Beschluss gar nichts aus (vgl. dazu die Auszüge aus dem Beschluss im Anhang unter Nr. 5.). Den Feststellungen oder Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts zur Zulässigkeit einer Anerkennung des Christentums als prägender Kultur- und Bildungsfaktor könnte durch eine Verlagerung des - verfassungsrechtlich zulässigen - Kerns der Regelung des bisherigen § 38 Abs. 2 Satz 3 des Schulgesetzes für BadenWürttemberg in die systematisch hier sehr viel zutreffendere Vorschrift des § 1 des Schulgesetzes für Baden-Württemberg Rechnung getragen werden. 7 8 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7377 Um der Forderung des Bundesverfassungsgerichts nach weltanschaulicher Neutralität der Regelung, wie sie im Beschluss seines Ersten Senats vom 27.01.2015 aufgestellt wurde, zusätzlich Rechnung zu tragen, empfiehlt es sich, die Aufgabe der Schule, die Bedeutung der christlichen Bildungs- und Kulturwerte, wie sie der europäisch-abendländischen Geschichte ihre spezifische Prägung verliehen haben, den Schülerinnen und Schülern zu vermitteln, in den weiteren Kontext der Offenheit für weitere religiöse und weltanschauliche Überzeugungen zu stellen, die in Deutschland, in Europa und weltweit existieren und die ebenfalls in der Geschichte und Gegenwart menschliche Gemeinschaft, unterschiedlich geformte Gesellschaften und staatlich verfasste Ordnungen geformt haben, und daher ebenfalls den Schülerinnen und Schülern als entsprechend wichtige Prägekräfte nahe gebracht werden sollten. Durch die konkrete Ausgestaltung dieses Auftrags wird sichergestellt, dass in der Schule keine gezielte Beeinflussung im Dienste einer bestimmten politischen, ideologischen oder weltanschaulichen Richtung erfolgt oder sich die Schule durch von ihr ausgehende oder ihr zuzurechnende Maßnahmen ausdrücklich oder konkludent mit einem bestimmten Glauben oder einer bestimmten Weltanschauung identifiziert, was ihr untersagt ist (BVerfG, Beschluss vom 27.1.2015, Tz. 110). Die Einbettung in andere Überzeugungen sucht sicherzustellen, dass keine einseitige, ausschließliche Darstellung erfolgt. Dass diese in Offenheit für die verschiedenen religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen geschehen muss, kann angesichts der Wertentscheidungen unserer Verfassungsordnung nicht zweifelhaft sein, die ausdrückliche Nennung eines entsprechenden Auftrags unterstreicht aber die Bedeutung weltanschaulicher Neutralität und Offenheit als Bedingung für das Gelingen einer entsprechenden Wertevermittlung. Im Ergebnis kann angesichts des soeben Ausgeführten kein Zweifel daran bleiben, dass die Aufnahme einer entsprechenden Regelung in das Schulgesetz des Landes Baden-Württemberg nicht gegen die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts verstößt, die es hinsichtlich der weltanschaulichen Neutralität der Schule im Beschluss des Ersten Senats vom 27.01.2015 aufgestellt hat. Damit würde sich eine entsprechende Regelung als verfassungsgemäß erweisen. 2. Anfügung eines Satzes 2 an § 1 Abs. 3 bisherige/Abs. 4 neue Zählung des Schulgesetzes Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 27. 1. 2015 (Tz. 110 f.) nochmals (unter Verweis auf seine bisherige diesbezügliche Rechtsprechung) ausdrücklich festgestellt, dass die dem Staat gebotene weltanschaulich-religiöse Neutralität nicht als eine distanzierende im Sinne einer strikten Trennung von Staat und Kirche zü verstehen sei, sondern als eine offene und übergreifende, die Glaubensfreiheit für alle Bekenntnisse gleichermaßen fördernde Haltung. Insbesondere entnimmt es Art. 4 Abs. 1 und 2 GG ein Gebot an den Staat auch im positiven Sinn, Raum für die aktive Betätigung der Glaubensüberzeugung und die Verwirklichung der autonomen Persönlichkeit auf weltanschaulich-religiösem Gebiet zu sichern. Dies gelte 8 9 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7377 auch für den vom Staat in Vorsorge genommenen Bereich der Schule, für den seiner Natur nach religiöse und weltanschauliche Vorstellungen von jeher relevant gewesen seien. Weil Bezüge zu verschiedenen Religionen und Weltanschauungen bei der Gestaltung der öffentlichen Schule möglich seien, sei für sich genommen auch die bloß am äußeren Erscheinungsbild hervortretende Sichtbarkeit religiöser oder weltanschaulicher Zugehörigkeit einzelner Lehrkräfte - unabhängig davon, welche Religion oder Weltanschauung im Einzelfall betroffen sei - durch die dem Staat gebotene weltanschaulich-religiöse Neutralität nicht ohne Weiteres ausgeschlossen. So gelangt das Bundesverfassungsgericht zu dem Ergebnis (Leitsatz 1 der Entscheidung), dass der Schutz des Grundrechts auf Glaubens- und Bekenntnisfreiheit (Art. 4 Abs. 1 und 2 GG) auch Lehrkräften in der öffentlichen bekenntnisoffenen Schule das Recht gewährleisten kann, einem aus religiösen Gründen als verpflichtend verstandenen Bedeckungsgebot zu genügen, wie dies etwa durch das Tragen eines islamischen Kopftuchs der Fall sein kann. Nichts anderes kann aber für Schülerinnen und Schüler gelten, die in der öffentlichen bekenntnisoffenen Schule unterrichtet werden. Der Umsetzung dieser Feststellungen des Bundesverfassungsgerichts in geltendes Recht dient die Anfügung des Satzes 2 an § 1 Abs. 3 des Schulgesetzes. 3. Änderungen des § 38 des Schulgesetzes a) Zur Streichung des bisherigen § 38 Abs. 2 S. 3 des Schulgesetzes Vgl. dazu bereits die Ausführungen oben unter 1.a) b) Anfügung eines neuen Satzes an § 38 Absatz 1 des Schulgesetzes Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 27.01.2015 (Tz. 98) ausdrücklich festgestellt, dass sich Einschränkungen der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit von Lehrkräften zwar aus der Verfassung selbst ergeben müssen, weil Art. 4 Abs. 1 und 2 GG keinen Gesetzesvorbehalt enthalte. Zu solchen verfassungsimmanenten Schranken zählten aber die Grundrechte Dritter sowie Gemeinschaftswerte von Verfassungsrang. Als mit der Glaubensfreiheit in Widerstreit tretende Verfassungsgüter kämen neben dem staatlichen Erziehungsauftrag (Art. 7 Abs. 1 GG), der unter Wahrung der Pflicht zu weltanschaulich-religiöser Neutralität zu erfüllen sei, das elterliche Erziehungsrecht (Art. 6 Abs. 2 GG) und die negative Glaubensfreiheit der Schüler (Art. 4 Abs. 1 GG) in Betracht. Das normative Spannungsverhältnis zwischen diesen Verfassungsgütern sei unter Berücksichtigung des Toleranzgebots zu lösen. Diese Aufgabe obliege dem demokratischen Gesetzgeber, der im öffentlichen Willensbildungsprozess einen für alle zumutbaren Kompromiss zu suchen habe. Hieraus folgt, dass wenn auch Lehrkräften einerseits äußere religiöse Bekundungen wegen der bloß abstrakten Eignung zur Begründung einer Gefahr für den Schulfrieden oder die staatliche Neutralität nicht untersagt werden dürfen, diese doch nicht in 9 10 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7377 der Schule werbend oder gar missionarisch für ihre religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen eintreten dürfen, weil sie sonst die genannten Rechte verletzen würden. Entsprechendes muss mutatis mutandis auch für andere grundrechtlich geschützte äußere Bekundungen durch Lehrkräfte gelten. Einen sachgerechten, möglichst schonenden Ausgleich der hier miteinander konkurrierenden oder gegenläufigen, gleichermaßen verfassungsrechtlich geschützten Rechte, der dem Gesetzgeber aufgegeben ist, sucht der neue Satz in § 38 Absatz 1 des Schulgesetzes herzustellen, indem er einerseits zurückhaltende und gemäßigte äußere (durch Grundrechte geschützte) Bekundungen durch Lehrkräfte grundsätzlich zulässt, Bekundungen hingegen, die dem nicht genügen und die damit geeignet sind, die genannten Rechte zu verletzen und den Schulfrieden zu stören, für unzulässig erklärt. Konkret bedeutet dies: Weil in einem freiheitlichen, pluralistischen Staat abweichende Auffassungen und Anschauungen hinzunehmen sind und keinen Anlass für Intoleranz und Aversionen bieten dürfen und die Schule eines solchermaßen geprägten Staates hierfür zu erziehen und die Kinder zu befähigen hat, sich entsprechend zu verhalten, sind einerseits äußere religiöse, aber auch andere grundrechtlich geschützte Bekundungen durch Lehrkräfte auch dann hinzunehmen, wenn sie den eigenen Überzeugungen widersprechen. Andererseits haben Kinder und Eltern ein Recht darauf, in ihren eigenen Überzeugungen und Anschauungen respektiert zu werden und sich nicht einer werbenden oder gar missionarischen Beeinflussung durch die Schule und ihre Lehrkräfte ausgesetzt zu sehen. Dieses Spannungsverhältnis sucht der neue Satz unter angemessener Berücksichtigung aller beteiligten verfassungsrechtlich geschützten Interessen allgemein aufzulösen, ehe dann in Absatz 2 eine Regelung speziell zu religiösen und weltanschaulichen Bekundungen folgt. c) Änderungen in § 38 Absatz 2 des Schulgesetzes Das Bundesverfassungsgericht hat zwar im Beschluss des Ersten Senats vom 27.01.2015 (Tenor, Nr. 2) festgestellt, dass § 57 Absatz 4 Sätze 1 und 2 des Schulgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen, soweit sie religiöse Bekundungen durch das äußere Erscheinungsbild betreffen, nach Maßgabe der Entscheidungsgründe mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Dies muss dann auch für die inhaltlich vollständig mit diesen übereinstimmenden Sätze 1 und 2 des § 38 Abs. 2 des Schulgesetzes für Baden-Württemberg gelten. Dennoch erscheint es - sowohl um den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts konsequent umzusetzen als auch aus Gründen rechtsstaatlicher Klarheit und Sicherheit - wünschenswert, die Voraussetzungen, unter denen Lehrkräfte an öffentlichen Schulen in der Schule ihre religiöse oder weltanschauliche Überzeugung außerhalb des Religionsunterrichts bekunden dürfen, und die diesem Recht gezogenen Grenzen tatbestandlich näher zu umschreiben und damit zu präzisieren. Dies geschieht hier in Orientierung an den tragenden Gründen im Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 27.01.2015. 10 11 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7377 Dabei sucht jedoch der Entwurf ein Problem zu vermeiden, das im Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 27.01.2015 angelegt ist. Nach diesem ist die Frage, wann ein Kopftuch getragen werden darf, von konkreten Gefährdungen des Schulfriedens abhängig. Damit besteht die Gefahr, dass es einzelne intolerante oder gar militante Schüler, Eltern oder Gruppen von ihnen in der Hand haben können, das Tragen eines Kopftuchs zu verhindern, indem sie hiergegen mit Worten oder gar Taten aufbegehren. Angemessener erscheint es, das Recht zum Tragen religiös motivierter Bekleidung hiervon unabhängig zu machen. Dies versucht der Entwurf dadurch zu erreichen, dass er nur ernsthafte und gewichtige Gründe des Glaubens oder der Weltanschauung als geeignet ansieht, das Tragen religiös motivierter Bekleidung zu verhindern. Er sucht damit dem Gebot der Herstellung eines angemessenen Ausgleichs zwischen den verschiedenen, hier miteinander konkurrierenden grundrechtlich geschützten Positionen unter möglichst weitgehender Verwirklichung beider, wie es vom Bundesverfassungsgericht in seiner ständigen Rechtsprechung aufgestellt wird, gerecht zu werden. 4. Einfügung eines neuen § 91 a in das Schulgesetz Der Vorschlag, einen neuen § 91 a in das Schulgesetz einzufügen, dient zwar nicht der Umsetzung von Anforderungen an das Schulgesetz, die sich aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 27.01.2015 ergeben, er greift aber dessen Feststellung, dass die dem Staat gebotene weltanschaulich-religiöse Neutralität nicht als eine distanzierende im Sinne einer strikten Trennung von Staat und Kirche zu verstehen sei, sondern als eine offene und übergreifende, die Glaubensfreiheit für alle Bekenntnisse gleichermaßen fördernde Haltung, und dass Art. 4 Abs. 1 und 2 GG ein Gebot an den Staat auch im positiven Sinn enthalte, Raum für die aktive Betätigung der Glaubensüberzeugung und die Verwirklichung der autonomen Persönlichkeit auf weltanschaulich-religiösem Gebiet zu sichern (Tz. 110 des Beschlusses), auf und setzt diese in geltendes Recht um. Dabei dient er der Konkretisierung und Präzisierung der eher generalklauselartigen Vorschrift des neuen Satzes 2 des § 1 Abs. 3 bisherige/Abs. 4 neue Zählung des Schulgesetzes, indem er in religiösweltanschaulicher Offenheit und Neutralität die Glaubensfreiheit der Schüler in der öffentlichen Schule stärker zu profilieren und rechtlich zu konturieren sucht. Schon um die entsprechenden Rechte der Schülerinnen und Schüler tatbestandlich klarer zu fassen und so Unsicherheiten und Meinungsverschiedenheiten im Schulalltag und bei der Gewährleistung religiöser und weltanschaulicher Freiheit entgegenzuwirken, empfiehlt es sich, eine entsprechende Klarstellungsregelung in das Schulgesetz aufzunehmen. Eine Änderung des bestehenden Rechtszustandes wird damit nicht bewirkt, vielmehr wird nur die bislang nicht ausdrücklich geregelte Rechtslage im Interesse stärkerer Rechtsstaatlichkeit und Rechtssicherheit einer präzisen und eingehenden Regelung zugeführt. 11 12 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7377 Artikel 2: Änderung des Kindertagesbetreuungsgesetzes - KiTaG 1. Anfügung eines weiteren Satzes an § 2 Abs. 1 des Kindertagesbetreuungsgesetzes Da auch kommunal und staatlich betriebene Kindertagesstätten einen vom Staat in seine Vorsorge genommenen Bereich bilden und damit für sie ebenfalls die Aussage des Bundesverfassungsgerichts gilt, dass Art. 4 Abs. 1 und 2 GG ein Gebot an den Staat auch im positiven Sinn enthalte, Raum für die aktive Betätigung der Glaubensüberzeugung und die Verwirklichung der autonomen Persönlichkeit auf weltanschaulich-religiösem Gebiet zu sichern, ist es nur folgerichtig, dass der Satz im Schulgesetz, der dieses Gebot rechtlich abzusichern sucht, in das Kindertagesbetreuungsgesetz ebenfalls modifiziert Aufnahme findet. 2. Änderung des § 7 des Kindertagesbetreuungsgesetzes Die Änderungen der § 7 Absätze 8 bis 10 des Kindertagesbetreuungsgesetzes dient lediglich der Umsetzung des Beschlusses des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 27.01.2015 im Bereich des Kindertagesbetreuungsgesetzes, in dem sich eine § 38 Absatz 2 des Schulgesetzes für Baden-Württemberg entsprechende Regelung findet. Der Vorschlag wendet die oben für das Schulgesetz entwickelten Grundsätze konsequent und sinngleich auch auf das Kindertagesbetreuungsgesetz an und berücksichtigt lediglich die zwischen beiden Rechtsbereichen bestehenden Unterschiede, die sich aus den abweichenden Aufträgen und der verschiedenen Struktur der Schule und der Kindertagesbetreuung ergeben, wie sie in den vorhandenen unterschiedlichen Regelungen ihren Niederschlag gefunden haben. Anhang: Anerkennung des Christentums in den profanen Schulfächern als prägender Kultur- und Bildungsfaktor in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Hervorhebungen durch Kursivdruck nicht im Original) 1. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 17. Dezember 1975,1 BvR 63/68, BVerfGE 41, 29 ff., S. 52 - Simultanschule: Die Bejahung des Christentums in den profanen Fächern bezieht sich in erster Linie auf die Anerkennung des prägenden Kultur- und Bildungsfaktors, wie er sich in der abendländischen Geschichte herausgebildet hat, nicht auf die Glaubenswahrheit, und ist damit auch gegenüber dem Nichtchristen durch das Fortwirken geschichtlicher Gegebenheiten legitimiert. Zu diesem Faktor gehört nicht zuletzt der Gedanke der Toleranz für Andersdenkende. Deren Konfrontation mit einem Weltbild, in dem die prägende Kraft christlichen Denkens bejaht wird, führt jedenfalls solange nicht zu 12 13 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7377 einer diskriminierenden Abwertung der dem Christentum nicht verbundenen Minderheiten und ihrer Weltanschauung, als es hierbei nicht um den Absolutheitsanspruch von Glaubenswahrheiten, sondern um das Bestreben nach Verwirklichung der autonomen Persönlichkeit im weltanschaulich-religiösen Bereich gemäß der Grundentscheidung des Art. 4 GG geht. Eine solche Schule, die Raum für eine sachliche Auseinandersetzung mit allen weltanschaulich-religiösen Auffassungen, wenn auch von einer bestimmten weltanschaulichen Orientierungsbasis her bietet, führt Eltern und Kinder nicht in einen verfassungsrechtlich unzumutbaren Glaubens- und Gewissenskonflikt. Für die elterliche Erziehung bleibt in jeder weltanschaulich-religiösen Hinsicht genügend Raum, dem Kind den individuell für richtig erkannten Weg zu Glaubens- und Gewissensbindungen oder auch zu deren Verneinung zu vermitteln. 2. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 17. Dezember 1975, 1 BvR 428/69, BVerfGE 41, 65 ff., S. 78 f. - Gemeinsame Schule: Die Bejahung des Christentums in den profanen Fächern bezieht sich in erster Linie auf die Anerkennung eines prägenden Kultur- und Bildungsfaktors, wie er sich in der abendländischen Geschichte herausgebildet hat, jedoch nicht auf Glaubenswahrheiten, wobei nicht zuletzt dem Gedanken der Toleranz für Andersdenkende eine maßgebliche Bedeutung zukommt. Eine derartige Schule, die Raum für eine sachliche Auseinandersetzung mit allen weltanschaulichreligiösen Auffassungen, wenn auch von einer bestimmten Orientierungsbasis her, bietet, führt Eltern und Kinder nicht in einen verfassungsrechtlich unzumutbaren Glaubens- und Gewissenskonflikt. Für die elterliche Erziehung bleibt in jeder Hinsicht genügend Raum, dem Kind den individuell für richtig erkannten Weg zu Glaubens- und Gewissensbindungen oder auch zu deren Verneinung zu vermitteln. 3. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 16. Oktober 1979, 1 BvR 647/70, 7/74, BVerfGE 52, 223 ff., S. 226 f. - Schulgebet: Danach ist die Einführung christlicher Bezüge bei der Gestaltung der öffentlichen Schulen nicht schlechthin verboten, mag auch eine Minderheit der Erziehungsberechtigten, die bei der Erziehung ihrer Kinder dieser Schule nicht ausweichen kann, keine religiöse Erziehung Ŷ wünschen. Die Schule darf jedoch keine missionarische Schule sein und keine Verbindlichkeit christlicher Glaubensinhalte beanspruchen; sie muß auch für andere weltanschauliche und religiöse Inhalte und Werte offen sein. Das Erziehungsziel einer solchen Schule darf - außerhalb des Religionsunterrichts, zu dessen Besuch niemand gezwungen werden kann - nicht christlich konfessionell fixiert sein. Die Bejahung des Christentums in den profanen Fächern bezieht sich in erster Linie auf die Anerkennung des prägenden Kulturfaktors und Bildungsfaktors, wie er sich in der abendländischen Geschichte herausgebildet hat, nicht auf die Glaubenswahrheit und ist damit auch gegenüber dem Nichtchristen durch das Fort13 14 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7377 wirken geschichtlicher Gegebenheiten legitimiert. Zu diesem Faktor gehört nicht zuletzt der Gedanke der Toleranz für Andersdenkende. 4. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 16. Mai 1995,1 BvR 1087/91, BVerfGE 93,1 ff. = NJW 1995, 2477 = DVBI. 1995, 1069 = DÖV 1995, 905 = JuS 1996, 258 (F. Hufen) = öarr, 57 (2010), 519 ff. - Kruzifix-/ Schulkreuzentscheidung: BVerfGE 93, S. 19: b) Das Kreuz ist Symbol einer bestimmten religiösen Überzeugung und nicht etwa nur Ausdruck der vom Christentum mitgeprägten abendländischen Kultur. Zwar sind über die Jahrhunderte zahlreiche christliche Traditionen in die allgemeinen kulturellen Grundlagen der Gesellschaft eingegangen, denen sich auch Gegner des Christentums und Kritiker seines historischen Erbes nicht entziehen können. Von diesen müssen aber die spezifischen Glaubensinhalte der christlichen Religion oder gar einer bestimmten christlichen Konfession einschließlich ihrer rituellen Vergegenwärtigung und symbolischen Darstellung unterschieden werden. Ein staatliches Bekenntnis zu diesen Glaubensinhalten, dem auch Dritte bei Kontakten mit dem Staat ausgesetzt werden, berührt die Religionsfreiheit. Davon ist das Bundesverfassungsgericht schon in der Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit der Simultanschulen mit christlichem Charakter im überlieferten badischen Sinne ausgegangen, als es feststellte, daß die zulässige Bejahung des Christentums sich in erster Linie auf die Anerkennung des prägenden Kultur- und Bildungsfaktors bezieht, wie er sich in der abendländischen Geschichte herausgebildet hat, nicht dagegen auf die Glaubenswahrheiten der christlichen Religion. Nur bei einer solchen Begrenzung ist diese Bejahung auch gegenüber dem Nichtchristen durch das Fortwirken geschichtlicher Gegebenheiten legitimiert (vgl. BVerfGE 41, 29 [52]). Das Kreuz gehört nach wie vor zu den spezifischen Glaubenssymbolen des Christentums. 5. BVerfG, Beschl. v. 27. 1. 2015, 1 Bv R 471/10, 1 BvR 1181/10, NJW 2015, 1359 = NVwZ 2015, 884 = BayVBI. 2015, 445/484 m. Anm. Wolff = DÖV 2015, 471 - Religiös motiviertes Kopftuch einer Lehrerin im Unterricht: [Tz. 78] Die Vorschriften des § 57 Abs. 4 Satz 1 und 2 und des § 58 Satz 2 SchuIG NW sind in den Fällen religiöser Bekundungen durch das äußere Erscheinungsbild von Pädagoginnen und Pädagogen nur nach Maßgabe einer der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit (Art. 4 Abs. 1 und 2 GG) gerecht werdenden einschränkenden Interpretation mit dem Grundgesetz vereinbar. Die von den Beschwerdeführerinnen beanstandeten arbeitsgerichtlichen Entscheidungen werden diesen Anforderungen nicht gerecht und verletzen sie deshalb in ihrem Grundrecht auf Glaubens- und Bekenntnisfreiheit. Der als Privilegierungsvorschrift zugunsten christlichabendländischer Bildungs- und Kulturwerte oder Traditionen konzipierte § 57 Abs. 4 Satz 3 SchuIG NW steht nicht im Einklang mit dem Verbot der Benachteiligung aus religiösen Gründen (Art. 3 Abs. 3 Satz 1 und Art. 33 Abs. 3 GG). Das lässt jedoch 14 15 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7377 den Bestand der Regelung im Übrigen und die Möglichkeit der verfassungskonformen Auslegung der Sätze 1 und 2 des § 57 Abs. 4 SchuIG NW unberührt. [Tz. 111] Dies gilt auch für den vom Staat in Vorsorge genommenen Bereich der Schule, für den seiner Natur nach religiöse und weltanschauliche Vorstellungen von jeher relevant waren (vgl. BVerfGE 41, 29 <49>; 52, 223 <241 >). Danach sind etwa christliche Bezüge bei der Gestaltung der öffentlichen Schule nicht ausgeschlossen; die Schule muss aber auch für andere weltanschauliche und religiöse Inhalte und Werte offen sein (vgl. BVerfGE 41, 29 <51 >; 52, 223 <236 f.>). Weil Bezüge zu verschiedenen Religionen und Weltanschauungen bei der Gestaltung der öffentlichen Schule möglich sind, ist für sich genommen auch die bloß am äußeren Erscheinungsbild hervortretende Sichtbarkeit religiöser oder weltanschaulicher Zugehörigkeit einzelner Lehrkräfte - unabhängig davon, welche Religion oder Weltanschauung im Einzelfall betroffen ist - durch die dem Staat gebotene weltanschaulich-religiöse Neutralität nicht ohne Weiteres ausgeschlossen. In dieser Offenheit bewahrt der freiheitliche Staat des Grundgesetzes seine religiöse und weltanschauliche Neutralität (vgl. BVerfGE 41, 29 <50>). [Tz. 123] Die weitere von den Beschwerdeführerinnen erhobene verfassungsrechtliche Beanstandung von Satz 3 des § 57 Abs. 4 SchuIG NW ist begründet. Die vom Gesetzgeber als Privilegierungsbestimmung zugunsten der Darstellung christlicher und abendländischer Bildungs- und Kulturwerte oder Traditionen gewollte Teilregelung in Satz 3 der Vorschrift stellt eine gleichheitswidrige Benachteiligung aus Gründen des Glaubens und der religiösen Anschauungen dar (Art. 3 Abs. 3 Satz 1, Art. 33 Abs. 3 GG). [Tz. 129] Tragfähige Gründe für eine Benachteiligung äußerer religiöser Bekundungen, die sich nicht auf christlich-abendländische Kulturwerte und Traditionen zurückführen lassen, sind nicht erkennbar. [...] Ein solcher vermeintlicher Rechtfertigungsgrund muss darüber hinaus schon daran scheitern, dass er bei generalisierender Betrachtung keineswegs für alle nicht-christlichabendländischen Kultunwerte und Traditionen einen Differenzierungsgrund anbieten kann. [Tz. 135] Gleichwohl wurde ebenso wie von den Gesetzesinitiatoren auch im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens die Absicht gehegt, jedenfalls keine Regelung zu treffen, die beispielsweise Lehrerinnen das Unterrichten in einem Ordenshabit verbietet oder das Tragen der jüdischen Kippa untersagen sollte (LTDrucks 14/569, S. 9). Insofern folgerichtig hat der Gesetzgeber die Regelung des § 57 Abs. 4 Satz 3 SchuIG NW ausdrücklich auf das Bekundungsverbot des Satzes 1 bezogen und diese gesetzgebungstechnisch als Ausnahme konstruiert. Dies wird noch dadurch verstärkt, dass Satz 3 in seinem Wortlaut zwar den Erziehungsauftrag der Landesverfassung insgesamt envähnt, dann aber nur die entsprechende Darstellung christlicher und abendländischer Bildungs- und Kultun/verte oder Traditionen vom Verhaltensgebot des Satzes 1 ausnimmt. Die im Wortlaut der Verfassungsbestimmung des Art. 12 Abs. 3 Satz 1 Verf NW daneben ausdrücklich erwähnte Offenheit 15 16 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7377 auch für andere religiöse und weltanschauliche Überzeugungen wird indessen außer Acht gelassen und nicht mehr aufgeführt. [Tz. 136] In der vom Bundesarbeitsgericht gewählten Auslegung kommt der Regelung des § 57 Abs. 4 Satz 3 SchuIG NW allenfalls noch klarstellende Funktion zu. Die Darstellung christlicher und abendländischer Kulturwerte enveist sich in dieser Auslegung schon wesensmäßig als etwas von vornherein anderes als die in Satz 1 untersagte äußere Bekundung einer individuellen religiösen Auffassung. Dann bedurfte es aber nicht der in Satz 3 getroffenen Ausnahmeregelung, dass eine solche Darstellung nicht dem Verhaltensgebot des Satzes 1 widerspreche. Die gesetzliche Feststellung der Zulässigkeit solcher bloßen Darstellung von Glaubensinhalten losgelöster Lehrgehalte fügt sich systematisch nicht. Konferenz der evangelischen und katholischen Kirchenleitungen BadenWürttemberg und ihrer Spitzen-/Trägerverbände über Kindergartenfragen (4-K-Konferenz) Mit Schreiben vom 4. August 2015 haben die vier Kirchenleitungen in Baden Württemberg der Evangelischen Landeskirchen und der Diözesen und Erzdiözesen zu dem Gesetzentwurf Stellung genommen. Dieser schließen wir uns an und werden daher keine eigene Stellungnahme der Konferenz der 4KK zum Gesetzentwurf zur Änderung des Schulgesetzes abgeben. Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) e. V. Der Zentralrat der Muslime in Deutschland befürwortet den Gesetzesentwurf der Fraktion Grüne und der Fraktion der SPD zur Beseitigung des integrationshemmenden Kopftuchverbots in Baden-Württemberg. Dieser verkörperte bisher im Vergleich zu der bisherigen Praxis des Grundgesetzes ein Rückschritt in der Religionsfreiheit. Das hohe Gut der Religionsfreiheit besteht vor allem in der Freiheit eines Menschen, seine Glaubensüberzeugung oder ein weltanschauliches Bekenntnis frei zu bilden und seine Religion oder Weltanschauung ungestört auszuüben sowie ihren im Rahmen des Grundgesetzes entsprechend zu handeln. Das derzeitige Baden-Württembergische Schul- und Kinderbetreuungsgesetz entspricht unserer Auffassung nach nicht dem Prinzip des Grundgesetzes, da in der Ausübung des Lehr-oder Erziehungsamtes für muslimische Staatsbedienstete die Religionsfreiheit verwehrt wird. Es besteht eine Einschränkung insbesondere in der Berufswahl und in der Verrichtung religiöser Pflichten. Jeder Muslima muss das Recht eingeräumt werden, sich für das Tragen eines Kopftuchs zu entscheiden (oder auch nicht) im Sinne ihrer Persönlichkeitsrechtes. Ein gesetzliches Verbot religiös motivierter Kleidung ist hier unangemessen und folglich abzulehnen. Daraus könnte eine gesetzliche „Diskriminierung des Islams" und eine Einschränkung der Persönlichkeitsrechte erfolgen. Der Zentralrat der Muslime 16 17 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7377 in Deutschland fordert eine Grundgesetz konforme Handhabung des Schul- und Kinderbetreuungsgesetzes. Eine beispielhafte Regelung diesbezüglich hat das Land Nordrhein-Westfalen vorgelegt, indem man am 31.03.2015 die bisherige Rechtsprechung revidierte, nachdem das Bundesverfassungsgericht die Rechtsprechung zum Kopftuchverbot kippte. Die Streichung der Formulierungen „äußeres" bzw. „äußeren" in den ersten beiden Sätzen in Artikel 1 § 38 Absatz 2 des Schulgesetz und in Artikel 2 §7 Absatz 8 des Kinderbetreuungsgesetzes ist demnach zu bejahen, weil dadurch eine Anpassung an das Grundgesetz und die muslimischen Bestimmungen erfolgt. Islamische Religionsgemeinschaft DITIB Württemberg e. V. Unserer Rechtsauffassung nach setzt der vorliegende Gesetzesentwurf die Vorgaben der dieser Gesetzesänderung zu Grunde liegenden Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts derart um, dass die Vereinbarkeit des Schulgesetzes und des Kindertagesbetreuungsgesetzes mit unserem Grundgesetz wiederhergestellt würde. Durch die Aufhebung des § 38 Absatz 2 Satz 3 des Schulgesetzes — und der entsprechenden Änderungen im Kindertagesbetreuungsgesetz - wird der Verstoß gegen das Verbot der Benachteiligung aus religiösen Gründen (Art. 3 Abs. 3 Satz 1 und Art. 33 Abs. 3 Grundgesetz) behoben. Durch die in den vorbezeichneten Paragraphen vorgesehenen Streichungen wird deutlich, dass der Bezugspunkt der entsprechenden Normen nicht mehr das äußere Erscheinungsbild der Lehr- und Betreuungskräfte sein darf. Dies ist zu begrüßen. Allerdings wird durch die vorliegende Umsetzung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes nicht in hinreichendem Maße deutlich, dass das Tragen eines Kopftuches durch muslimische Lehrerinnen nicht für sich eine abstrakte Gefahr für den Schulfrieden darstellt. Wir möchten deshalb höflichst anregen, dass zur Wahrung einer verfassungskonformen Auslegung und Anwendung des Schulgesetzes und des Kindertagesbetreuungsgesetzes in den ministeriellen Anwendungshinweisen deutlich zum Ausdruck gebracht wird, dass das Tragen eines Kopftuches durch muslimische Lehr- und Betreuungskräfte keine Gefahr für den Schulfrieden oder das Neutralitätsgebot des Staates bedeutet. Wir haben wahrgenommen, dass in den bundesweiten Diskussionen diese Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes insbesondere von Lehrerverbänden und aus dem Kreis der Lehrerkollegien sehr kritisch und gerade auch in einer die wesentlichen Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts verkennenden Weise kommentiert wurden. Wir halten es aus diesen Gründen für sachdienlich und geboten, dass im Rahmen der Anwendungshinweise der Unterschied zwischen abstrakter und konkreter Gefährdung herausgestellt und verdeutlicht wird, dass das Tragen eines Kopftuchs durch muslimische Lehr- und Betreuungskräfte keine Gefährdung des Schulfriedens 17 18 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7377 oder der staatlichen Neutralität darstellt, sondern Ausdruck der Wahrnehmung grundgesetzlich garantierter Rechte ist. Islamische Glaubensgemeinschaft Baden-Württemberg (IGBW) e. V. Überblick Es war die Weigerung des Landes Baden-Württemberg im Jahr 1998, eine Lehrerin mit einer Kopfbedeckung in den Schuldienst einzustellen, die zu der sog. „Kopftuchentscheidung I" des Bundesverfassungsgerichts vom 24.09.2003 - 2 BvR 1436/02 führte. Das BVerfG stellte fest, dass das Verbot des Kopftuchtragens gegenüber Lehrkräften in deren Grundrecht auf gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt aus Art. 33 Abs. 2 und 3 GG in Verbindung mit dem ihr durch Art. 4 Abs. 1 und 2 GG gewährleisteten Grundrecht der Glaubensfreiheit eingreife und daher eine hinreichend bestimmte gesetzliche Grundlage im Landesrecht erforderlich sei. Dabei zeigte das Gericht den Bundesländern zwei Wege auf: Angesichts der zunehmenden Heterogenität moderner Gesellschaften könne der Gesetzgeber eine striktere Einhaltung des Neutralitätsgebots im Erziehungswesen verlangen und das zulässige Maß religiöser Bezüge in der Schule neu bestimmen. Andererseits ließen sich aber auch gute Gründe dafür anführen, die zunehmende religiöse Vielfalt in der Schule aufzunehmen und als Mittel für die Einübung von gegenseitiger Toleranz zu nutzen. Ein tolerantes Miteinander mit Andersgesinnten könne hier am nachhaltigsten durch Erziehung geübt werden.1 Baden-Württemberg war das erste Bundesland, welches sich gegen den Weg der Toleranz entschied und als Reaktion auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts am 02.04.2004 ein Gesetz verabschiedete, das Lehrkräften an öffentlichen Schulen untersagte, in der Schule politische, religiöse, weltanschauliche oder ähnliche äußere Bekundungen abzugeben, § 38 Abs. 2 Schulgesetz Baden-Württemberg (SchG BW). Gleichzeitig sah die Bestimmung eine Privilegierung zugunsten der Darstellung christlich-abendländischer Bildungs- und Kulturwerte oder Traditionen vor. Das Gesetz trat Mitte Mai in Kraft und betraf drei muslimische Lehrerinnen in BadenWürttemberg. Das Verbot wurde durch die Änderung des Kindertagesbetreuungsgesetzes im Jahr 2006 auf das pädagogische Personal in Kindertageseinrichtungen ausgedehnt. Betroffen waren von dem Gesetz mehr als 30 Erzieherinnen. Schon frühzeitig wurden verfassungsrechtliche Bedenken gegen das Gesetz geltend gemacht. Der damalige Vorsitzende der Grünen-Fraktion und heutige Ministerpräsident Winfried Kretschmann bemängelte seinerzeit, die gesetzliche Regelung sei entweder wegen Ungleichbehandlung der Religionen verfassungswidrig oder in 1 BVerfG, Urt. v. 24.09.2003 - 2 BvR 1436/02, Rn. 65. 18 19 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7377 Wirklichkeit laizistisch und widerspreche der eigentlichen Absicht des Gesetzgebers.2 Noch deutlicher fiel die Kritik des Deutschen Gewerkschaftsbunds im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens aus. Die Landesregierung könne schon mit dem Entwurf als solchem einen Beitrag zur Diskriminierung einer Bevölkerungsgruppe in der Öffentlichkeit leisten. Auch äußerte der DGB die Befürchtung, das Gesetz würde letztendlich vor dem Bundesverfassungsgericht keinen Bestand haben. Der DGB hat im Grund Recht behalten. Mit Beschluss vom 27.01.2015-1 BvR 471/10, 1 BvR 1181/10 - stellte das Bundesverfassungsgericht fest, dass ein pauschales Verbot religiöser Bekundungen im Schuldienst unverhältnismäßig sei. Weiterhin erklärte das Gericht die nach § 57 Abs. 4 S. 3 SchuIG NRW geltende Privilegierung der Darstellung christlicher und abendländischer Bildungs- und Kulturwerte für nichtig. Als Reaktion auf das Urteil hat nun auch das Land Baden-Württemberg einen Gesetzesentwurf zur Änderung der bisherigen Regelungen vorgelegt. Aufhebung des § 38 Absatz 2 Satz 3 SchG BW sowie des § 7Absatz 8 Satz 3 des KiTaG BW Das BVerfG erklärte mit Beschluss vom 27.01.2015 die Regelung des § 57 Abs. 4 S. 3 SchuIG ausdrücklich für verfassungswidrig und nichtig. Die Bestimmung führe zu einer Benachteiligung anderer als christlicher und jüdischer Religionsangehöriger, die verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen sei.3 § 38 Abs. 2 S. 3 SchG BW und § 7 Abs. 8 S. 3 KiTaG BW entsprechen der Regelung in NRW. Ihre Aufhebung ist daher folgerichtig und unvermeidbar. Weitestgehende Beibehaltung der weiteren Vorschriften des § 38 Abs. 2 SchuIG BW und des § 7 Abs. 8 KiTaG BW Bis auf die redaktionellen Änderungen wird nach dem Gesetzesentwurf auf eine weitergehende Änderung des § 38 Abs. 2 SchG BW bzw. des § 7 Abs. 8 KiTaG verzichtet. Mithin entscheidet sich das Land - den Bundesländern NRW, Niedersachsen und Bremen folgend - für eine minimale Änderung der schulrechtlichen Regelungen. Dies ist verfassungsrechtlich ausreichend, aus rechtspolitischer Sicht aber unzureichend. 2 Bernd Dörries, Baden-Württemberg beschließt Kopftuchverbot in: http://www.sueddeutsche.de/politik/religioese-symbole-baden-wuerttemberg-beschliesst-kopftuchverbot- 1.436144 (zuletzt abgerufen am 29.07.2015). 3 BVerfG, Beschl. v. 27.01.2015 - Az.: 1 BvR 471/10, 1 BvR 1181/10, Rn. 123 ff. 19 20 Landtag von Baden-Württemberg - Drucksache 15 / 7377 Dass § 38 Abs. 2 SchG BW bzw. § 7 Abs. 8 S. 3 KiTaG in erster Linie darauf gerichtet war, kopftuchtragende Lehrerinnen aus dem Schuldienst und Kindertagesstäten auszuschließen, ist unbestritten. Dieses Ansinnen beruhte, wie die Gesetzesbegründung und Äußerungen einzelner damaliger Landespolitiker aufzeigen, auf nicht fundierten Vorbehalten gegen kopftuchtragende Frauen und weniger der Durchsetzung des Neutralitätsgebots oder des Schulfriedens. So erklärte die seinerzeitige Kultusministerin im Rahmen der Gesetzgebungsverfahren: „Das Kopftuch sei weniger ein religiöses Symbol als ein Zeichen für die politische Unterdrückung im Islam"; „Das Kopftuch einer Lehrerin habe in der Schule auf Grund seiner Mehrdeutigkeit und der damit verbundenen politischen Bedeutung im Sinne des politischen Islamismus keinen Platz." 4 Bereits in seiner ersten Entscheidung zur Causa Kopftuch erklärte das BVerfG, dass das Kopftuch nicht auf ein Zeichen gesellschaftlicher Unterdrückung reduziert werden dürfe. In seiner jetzigen Entscheidung stellt das BVerfG noch deutlicher fest, dass sich eine pauschale Schlussfolgerung verbiete, nach der im Tragen eines islamischen Kopftuchs vom objektiven Betrachterhorizont her ein Zeichen für die Befürwortung einer umfassenden auch rechtlichen Ungleichbehandlung von Mann und Frau zu sehen sei.5 Ferner zeigt die Entscheidungsbegründung auch auf, dass vielmehr ein Verbot, welches vor allem Frauen treffe, in einem Spannungsverhältnis zum Gebot der tatsächlichen Gleichberechtigung von Frauen nach Art. 3 Abs. 3 GG stehe. Muslimische Frauen und Religionsgemeinschaften treten schon seit Jahren den vorurteilsbeladenen Bewertungen des Kopftuchs entgegen. Das BVerfG hat dem nun Rechnung getragen. Insofern bleibt auch zu hoffen, dass unwürdige Diskussionen über die Bedeutung des Kopftuchs unter Missachtung der Ansicht der kopftuchtragenden Frauen nicht wieder eröffnet werden, wie es einigen Stimmen aus der Politik fordern. - Welche Geisteshaltung hinter der Regelung stand, zeigt sich vor allem anhand des § 38 Abs. 2 S. 2 SchG BW. Objektiv gesehen handelt es sich um eine Bestimmung, die lediglich die Einhaltung demokratischer Grundwerte durch die Lehrkräfte sicherstellen will. In der Gesetzesbegründung heißt es diesbezüglich: „Auf dieser Grundlage ist z. B. das Tragen eines Kopftuchs unzulässig, weil zumindest ein Teil seiner Befürworter mit ihm sowohl eine mindere Stellung der Frau in Gesellschaft, Staat und Familie, die mit Artikel 1 und 3 Abs. 2 und 3 GG unvereinbar ist, als auch eine fundamentalistische, kämpferische Stellungnahme für ein theokratisches Staatswesen entgegen den Grundwerten des Artikel 20 GG verbindet." Mit dem Gesetzestext wurde damit implizit zum Ausdruck gebracht, dass eine kopftuchtragende Frau unter anderem gegen die Menschen- 4 Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg, Der Kopftuchstreit, in: http://www.lpbbw.de/kopftuchstreit.html (zuletzt abgerufen am 29.07.2015). 5 BVerfG, Beschl. v. 27.01.2015 - Az.: 1 BvR 471/10 ,1 BvR 1181/10, Rn. 129 20 21 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7377 würde verstößt. Somit wurden diskriminierende Vorbehalte gegen eine Bevölkerungsgruppe, nämlich muslimische Frauen, in ein Gesetzeswerk gegossen. Wiederum tritt das Bundesverfassungsgericht diesen verallgemeinernden Wertungen in aller Deutlichkeit entgegen: „...Allerdings ist mit Rücksicht auf die grundrechtlichen Gewährleistungen des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG die Annahme verfehlt, schon das Tragen eines islamischen Kopftuchs oder einer anderen, auf eine Glaubenszugehörigkeit hindeutenden Kopfbedeckung sei schon für sich genommen ein Verhalten, das gemäß § 57 Abs. 4 Satz 2 SchuIG NW bei den Schülern oder den Eltern ohne Weiteres den Eindruck hervorrufen könne, dass die Person, die es trägt, gegen die Menschenwürde, die Gleichberechtigung nach Art. 3 GG, die Freiheitsgrundrechte oder die freiheitlich-demokratische Grundordnung auftrete." Auch hinsichtlich der Richtung des Islams, die das Kopftuchtragen als Pflicht ansehe, verbiete sich solch eine pauschale Wertung.6 Mithin ist es nicht die kopftuchtragende Frau, die gegen demokratische Grundwerte verstößt, sondern ein Gesetz, das ihr dies unterstellt. - Nach alledem ist eine vollständige Korrektur bzw. Aufhebung des § 38 Abs. 2 SchG BW und § 7 Abs. 8 KiTaG BW angezeigt. Dies würde ein rechtspolitisch wichtiges Signal nicht nur an die muslimischen Frauen, aber auch an die Gesellschaft insgesamt senden, dass kopftuchtragende Frauen fortan wie andere Menschen behandelt werden. Eine Sondergesetzgebung bezüglich ihrer Person bedarf es nicht.7 Die geltenden Disziplinarregelungen sind in Hinblick auf etwaige Verfehlungen genau wie beim übrigen pädagogischen Personal ausreichend. Zudem würde auf diese Weise, wenn auch viel zu spät, eine symbolische Wiedergutmachung gegenüber den muslimischen Frauen erfolgen, die aufgrund dieser gesetzlichen Regelungen bzw. ihrer verfassungswidrigen Auslegung, ihren Beruf als Lehrkräfte oder Erzieherinnen aufgeben mussten bzw. gar nicht erst ergreifen konnten. Über ein Jahrzehnt lang war ihnen der Zugang zu diesen Berufszweigen verwehrt. Nach dem jetzigen Gesetzesentwurf sollen § 38 Abs. 2 SchG BW und § 7 Abs. 8 S. 3 KiTaG BW lediglich verfassungskonform ausgelegt werden. Dabei sollten die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts durch entsprechende Verwaltungsrichtlinien und Schulungsmaßnahmen sichergestellt werden. Insofern ist Folgendes zu beachten: - Angesichts der Bedeutung der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit von Lehrkräften und Erzieherinnen ist das Verbot äußerer religiöser Bekundungen nur bei dem Vorliegen einer konkreten Gefahr möglich. Dies bedeutet, dass § 38 Abs. 2 6 BVerfG, Beschl. v. 27.01.2015 - Az.: 1 BvR471/10,1 BvR 1181/10, Rn. 118. Die Begründung zu dem vorgelegten Gesetzesentwurf verdeutlicht, dass die infrage stehenden Regelungen - selbst wenn sie verfassungskonform ausgelegt werden - sich auch künftig in erster Linie gegen kopftuchtragende Frauen richten werden. 7 21 22 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7377 SchG und § 7 Abs. 8 S. 3 KiTaG BW reduzierend verfassungskonform auszulegen sind. Das Tragen des Kopftuchs bzw. einer religiös konnotierten Kleidung stellt an sich kein Verstoß gegen das Neutralitätsgebot oder den Schulfrieden dar. Diese Feststellung ist deshalb wichtig, da ungeachtet der ständigen Rechtsprechung des BVerfG auch von Verantwortlichen im schulischen Bereich daran festgehalten wird, dass es in der Schule keinen Raum für religiöse Betätigung geben könne. Diese laizistische Ansicht widerspricht jedoch der deutschen Verfassungswirklichkeit. So hat das BVerfG in seiner Entscheidung vom 27.01.2015 nochmals klargestellt, die weltanschaulich-religiöse Neutralität sei nicht als eine distanzierende im Sinne einer strikten Trennung von Staat und Kirche zu verstehen, sondern als eine offene und übergreifende, die Glaubensfreiheit für alle gleichermaßen fördernde Haltung. Die Religionsfreiheit gebiete es gerade, den Raum für die aktive Betätigung der Glaubensüberzeugung und der Verwirklichung der autonomen Persönlichkeit auf weltanschaulich-religiösem Gebiet zu ermöglichen. In dieser Offenheit bewahre der freiheitliche Staat des Grundgesetzes seine religiöse und weltanschauliche Neutralität.8 Demnach stellt gerade das bisher geltende Verbot des Tragens eines Kopftuchs für pädagogisches Personal ein Verstoß gegen das Neutralitätsgebot dar. Zu beachten ist weiterhin, dass nicht jedes Verhalten Dritter oder beliebige Anlässe ausreichend sind, um Maßnahmen gegen die betroffene Lehrkraft bzw. Pädagogin zu ergreifen. Andernfalls würde das Grundrecht der Lehrerin aus Art. 4 GG zur Disposition Dritter gestellt. Außerdem würde dies auch dem Prinzip der Toleranz, welches das BVerfG in seiner ersten Kopftuchentscheidung empfohlen und in seiner neuen Entscheidung geboten hat, widersprechen. Daher darf ein Vorgehen gegen die Lehrkräfte bzw. das pädagogische Personal auch nur Ultima Ratio sein. Erst nach Ausnutzung sämtlicher schulorganisatorischer Maßnahmen (die sich in erster Linie gegen die Störer zu richten haben wie z. B. der Umsetzung der Schüler in andere Klassen) kann überhaupt ein Vorgehen gegen die Lehrerin oder Erzieherin in Betracht kommen. Und selbst in einem solchen Fall ist vorrangig an eine Versetzung der betroffenen Lehrerin an eine andere Schule zu denken.9 Insofern wird es selten eine Konstellation geben, in der einer muslimischen Lehrkraft bzw. Erzieherin tatsächlich untersagt werden kann, ihr Kopftuch im Rahmen bspw. des Schuldienstes zu tragen. - Sinnvoll wäre es durch Verwaltungsvorschriften eine einheitliche Handhabung der Konfliktsituationen an Schulen und Kindertageseinrichtungen zu gewährleisten. Auch eine Beratung oder Schulung vor Ort zur Umsetzung der verfassungsrechtlichen Vorgaben erscheint angesichts der Äußerungen mancher Schulleiter/innen angezeigt. Evtl. wäre auch eine Anweisung gegenüber den Schu- 8 BVerfG, Beschl. v. 27.01.2015 - Az.: 1 BvR 471/10 ,1 BvR 1181/10, Rn. 118. vgl. BVerfG, Beschl. v. 27.01.2015 - Az.: 1 BvR471/10,1 BvR 1181/10, Rn. 113: „...Aber auch dann wird die Dienstbehörde im Interesse des Grundrechtsschutzes der Betroffenen zunächst eine anderweitige pädagogische Verwendungsmöglichkeit in Betracht zu ziehen haben..." 9 22 23 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7377 len/Einrichtungen möglich, wonach in Konfliktfällen zunächst das Kultusministerium informiert wird, bevor einschneidende Maßnahmen ergriffen werden. Abschließende Bewertung Dem nordrhein-westfälischen Gesetzgeber folgend hat sich Baden-Württemberg für eine „Minimallösung" entschieden. Die nach dem Beschluss des BVerfG ohnehin nicht mehr haltbare Privilegierung christlicher und abendländischer Symbole in § 38 Abs. 2 SchG BW und § 7 Abs. 8 KiTaG wird gestrichen. Im Übrigen bleiben die Regelungen bestehen und werden künftig verfassungskonform ausgelegt. Angesichts der gesetzeshistorischen Bedeutung dieser Vorschriften und den mit ihnen implizit verbundenen Aussagen wäre ihre vollständige Korrektur begrüßenswert. Das Land, welches bei dem seinerzeitigen Kopftuchverbot eine Pionierstellung unter den verbotsgewillten Bundesländern eingenommen hatte, würde so allen voran ein wichtiges rechtspolitisches Symbol an die Gesellschaft senden, nämlich dass die Diskriminierung muslimischer Frauen wegen ihres Kopftuchs nicht haltbar ist und auch nie war. 23 24 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7377 Alevitische Gemeinde Deutschland e. V. (AABF) - Landesvertretung BadenWürttemberg Baden-württembergische Landesvertretung der Alevitischen Gemeinde Deutschland e.V. - aus unserer Selbstdarstellung: Die Alevitische Gemeinde Deutschland (türkisch: Almanya Alevi Birlikleri Federasyonu, Abk.: AABF) ist die einzige Dachorganisation der in Deutschland lebenden Alevitinnen und Aleviten und vertritt nach jüngsten Untersuchungen des Bundesministeriums des Inneren (BMI, Muslimisches Leben in Deutschland, 2009) ca. 255.000 bis 275.000 Aleviten in Deutschland. Mit ca. 500.000 bis 800.000 Angehörigen bildet das Alevitentum eine der großen Religionsgemeinschaften in Deutschland. Die Alevitische Gemeinde Deutschland ist eine anerkannte Religionsgemeinschaft nach Art. 7 Abs. 3 des Grundgesetzes und vertritt als berufenes Mitglied der Deutschen Islam Konferenz sowie des Integrationsgipfels der Bundesregierung die Interessen ihrer Verbandsmitglieder. In Baden-Württemberg leben ca. 100.000 Alevitlnnen, von denen etwa 40.000 in insgesamt 43 Gemeinden der Landesvertretung organisiert sind. Dachverband der Landesvertretung ist die Alevitische Gemeinde Deutschland e.V.. 2006 begann an einzelnen baden- württembergischen Schulen der alevitische Religionsunterricht (ARU) als Modellprojekt, seit dem Schuljahr 2007/2008 wurde er regulär eingeführt. Religiöse Kleidervorschriften im Alevitentum Im alevitischen Glauben gibt es keine religiösen Kleidungsvorschriften. An dem Erscheinungsbild der Frau werden keine sozialen, politischen oder kulturelle Konflikte ausgetragen. Im Alevitentum wird Frömmigkeit als eine innere Geisteshaltung betrachtet, die sich nicht an der Art der Kleidung und der Einhaltung oder Häufigkeit religiöser Rituale festmachen lässt. Sunnitische oder schiitische Frauen hingegen, die sich gegen ein Kopftuch entscheiden, aber sich selbst als religiös oder gläubig definieren würden, werden von traditionellen Muslimen automatisch als nicht sittsam und nicht wahrhaft gläubig abgestempelt, da das islamische Kopftuch von traditionellen Muslimen als ein Muss für Frauen, die sich in der Öffentlichkeit bedeckt halten und ihre weiblichen Reize nicht offen zur Schau stellen sollen, betrachtet wird. Auch wenn für uns Alevitlnnen das Bestreben praktizierender Musliminnen mit Kopftuch nach gleichen Berufschancen, nach freier religiöser Kleidungswahl während der Berufsausübung nachvollziehbar ist, ist für ein tolerantes Zusammenleben die Neutralität staatlicher Institutionen in einer pluralistischen Gesellschaft mit verschiedenen Nationen, Religionen und Konfessionen umso prioritärer. Insbesondere darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die negative Glaubensfreiheit der Alevitlnnen durch die Konfrontation mit dem Kopftuch in besonderem Maße beeinträchtigt wird und es gar nicht so sehr um die christlichen und sonstigen Schülerinnen geht, son24 25 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7377 dern die vielen alevitischen Schülerinnen, die sich gerade als Opfer gegenüber dem politisch motivierten Symbol gegenübersehen. Die Geschichte der Alevitlnnen, die geprägt ist von Diskriminierung, Assimilation und Verfolgung, zeigt, dass gerade das gezielt politisch-religiös eingesetzte Kopftuch zur Verleumdung und Verfolgung des alevitischen Glaubens führte. Auch in Deutschland erfolgte lange Zeit die Zuschreibung als „türkischer Muslim“. Die jahrzehntelange „Nicht-Wahrnehmung“ der Alevitlnnen in Deutschland hatte eine doppelte Ursache: Einerseits wurden Einwanderer in Deutschland nur sehr undifferenziert und verallgemeinernd betrachtet, als „Ausländer“, als „Türken“, oder ganz einfach als „Fremde“, andererseits waren aber auch Alevitlnnen selbst lange bemüht, gerade nicht als eine besondere Gruppe unter den Einwanderern aus der Türkei in den Blick zu geraten. Alevitlnnen praktizierten takiye, das Verbergen der eigenen Zugehörigkeit. Takiye ist eine defensive Strategie, die das Ziel hat, nicht aufzufallen und die verwendet wird, um in einer ablehnenden und potentiell feindlichen Umwelt, die Verleumdungen für bare Münze nimmt, möglicher Verfolgung zu entgehen. Die Furcht der Alevitlnnen vor Verfolgung kam nicht von ungefähr. Sie war das Ergebnis der Jahrhunderte langen Erfahrung, im Osmanischen Reich als „Ungläubige“ abgestempelt zu werden. Erst am Ende der 1980er Jahre gaben Alevitlnnen takiye weitgehend auf. In der Türkei und in Deutschland entstand gleichzeitig eine alevitische Bewegung, die sich gegen die Diskriminierung der Alevitlnnen zur Wehr setzte und ihre Anerkennung in Staat und Gesellschaft einforderte. Alevitlnnen haben es aus eigener Kraft geschafft, von einer nicht wahrgenommenen Minderheit zu einer gut organisierten und europaweit vernetzten gesellschaftlichen Gruppe zu werden, die sich in Politik und Gesellschaft engagieren und ihre Interessen offen artikulieren. Das, was für eine freiheitlich-demokratische Grundordnung selbstverständlich klingt, ist das Ergebnis eines jahrelangen ehrenamtlichen Engagements. Alevitlnnen, die entweder aus Angst vor der in der Türkei erlebten Diskriminierung oder ganz einfach aus Unkenntnis sich nicht zu ihrem Glauben bekennen wollten, mussten mobilisiert werden. Mittlerweile gibt es, auch aufgrund des ARUs, und der Forschung, ein starkes alevitisches Bewusstsein, allerdings ist der Prozess der Selbstdefinition nicht abgeschlossen. Gerade in dieser Phase ist es uns Alevitlnnen wichtig, die Diskussion positiv und ohne externe Einflüsse führen zu können, um den Kindern eine Stabilität hinsichtlich ihrer Identität vermitteln zu können. Alevitische Kinder sollen ohne die Erfahrung von Diskriminierung von Alevitlnnen im Alltag („Das Fleisch, das von Aleviten geschlachtet wurde, isst man nicht“, „Alevitische Mädchen heiratet man nicht und man verheiratet keine Angehörigen mit alevitischen Mädchen“, „bei der CemZeremonie wird die Kerze ausgepustet und dann treiben sie’s - egal ob mit der eigenen Mutter oder der eigenen Tochter“10), die bis heute aufgrund der tief sitzenden und immer wieder reproduzierten Vorurteile andauert, ihren Glauben kennenlernen 10 Jahrzehntelang wurde die gemeinsame Teilnahme von Mann und Frau an der Cem-Zeremonie instrumentalisiert, um die Vorurteile gegen die aufgeklärten Alevitlnnen zu forcieren. Das Auftreten der alevitischen Frau in der Öffentlichkeit ohne Kopftuch und als gleichberechtigt bestätigte diese Vorwürfe. Über Jahrhunderte wurden Alevitlnnen verunglimpft, sie hätten keine Sexualmoral. 25 26 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7377 und sich nicht in negativer Abgrenzung zum sunnitisch-orthodoxen Islam behaupten müssen. Kontraproduktiv für die Bildung einer alevitischen Identität ist hierbei die Präsenz von Konflikten auf dem Schulhof, bei der sich alevitische Mädchen dafür legitimieren müssen, kein Kopftuch zu tragen. Bei der Zentrale der Alevitischen Gemeinde Deutschland e.V. in Köln gingen in letzter Zeit gehäuft Anrufe von besorgten Eltern ein, die berichteten, dass ihren Töchtern von kopftuchtragenden Mitschülerinnen die Verletzung religiöser Regeln vorgeworfen wurde. Mit der Reduktion solcher Konflikte ist im Falle der Beauftragung kopftuchtragender Lehrerinnen nicht zu rechnen. Im Gegenteil: Diskriminierungshandlungen gegenüber nichtkopftuchtragenden Schülerinnen würden aufgrund der subjektiv durch die Lehrerin rührenden Legitimation steigen. Das Argument, wonach die kopftuchtragende Lehrerin in so einem Fall als „Schlichterin“ auftreten und zur Versöhnung des Streites beitragen könne, verkennt hier, dass dies die Bekämpfung von Symptomen, deren Mitverursacherin sie ist, darstellt. Interreligiöse Diskriminierungserfahrungen können auf dem Schulhof nur dann vermieden und minimiert werden, wenn auch die Pädagogin als für den Staat handelnde Person ihre Neutralität in jeder Hinsicht wahrt. Kinder, die der Schulpflicht unterliegen, können sich kopftuchtragenden Lehrerinnen nicht entziehen, sie werden - gewissermaßen mit den Mitteln des staatlichen Verwaltungszwanges - zur Konfrontation mit einer religiösen Bekundung gezwungen, etwas, was keinem Erwachsenen zugemutet wird. Niemand darf gezwungen werden, sich mit Menschen, die ihre religiöse Auffassung nach außen demonstrieren, auseinandersetzen zu müssen. Das verlangen die Grundrechte von niemandem. Kinder in der Schule haben keinerlei Ausweichmöglichkeit. Aus all den genannten Gründen sind wir der Auffassung, dass Amtsträgerinnen in staatlichen Behörden - schon gar nicht in Schulen - das Tragen des Kopftuchs weiterhin untersagt werden sollte, denn der Staat muss seine Neutralität wahren und darf nicht zum Ausdruck religiöser Bekenntnisse werden. Alt-Katholische Kirche in Baden-Württemberg Der Landessynodalrat hat in der Sitzung am 18.7.2015 dieses Thema besprochen. Es gibt von unserer Seite diesbezüglich keine Einwände. Deutscher Gewerkschaftsbund - Baden-Württemberg Der DGB Baden-Württemberg begrüßt die im Gesetzentwurf vorgeschlagenen Änderungen der beiden o. g. Gesetze. 26 27 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7377 Der Deutsche Gewerkschaftsbund und seine Gewerkschaften setzen sich für die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Migrationshintergrund in Gesellschaft, Bildung und Arbeitswelt ein. Die Gleichbehandlung im Arbeits- und Zivilrecht unabhängig von Herkunft und Aufenthaltsstatus sowie die Beseitigung von Diskriminierungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität insbesondere im Arbeitsleben sind zentrale Forderungen der Gewerkschaften im DGB. Die Privilegierung äußerer Zeichen der christlichen Religionen ist damit nicht in Einklang zu bringen. Daher unterstützen wir die vorgeschlagenen Änderungen in den Gesetzestexten des § 38 Absatz 2 Schulgesetz und § 7 Absatz 8 Kindertagesbetreuungsgesetz, die ein Zeichen für mehr Akzeptanz von kultureller Vielfalt in unserer Gesellschaft setzen und die Ablehnung von Vorurteilen ausdrücken. Das Kopftuch ist per se kein Zeichen für religiösen Fanatismus. Religiös konnotierte Kleidung oder Symbole sind Ausdruck der Persönlichkeit des/der Einzelnen und führen nicht von vornherein in jedem Fall zu einer Gefährdung der staatlichen Neutralität. Sollte im Einzelfall der Schulfrieden konkret gefährdet werden, bestehen bereits heute Handlungsmöglichkeiten bis hin zum Verbot. Gewerkschaft Württemberg Erziehung und Wissenschaft, Landesverband Baden- Die unterschiedlichen Gerichtsurteile von 2003 bis jetzt zeigen, welche Herausforderung auch für die höchsten Gerichte die Bewertung des Kopftuchstreits darstellt. Die mit dem Kopftuchstreit verbundenen Fragen sind nicht in erster Linie juristisch zu lösen, sondern berühren gesellschaftliche Grundfragen wie Toleranz, Religionsfreiheit sowie die Trennung von Staat bzw. Schule/Kita und Religion. Die Auseinandersetzung um das Kopftuch ist auch eine Folge der Integrationspolitik in Deutschland, die viele Jahre diesen Namen nicht verdient hat. Die Bewertung wird dadurch erschwert, dass das Kopftuch nicht nur eine individuelle religiöse Haltung darstellt. Das Kopftuch ist auch ein Symbol für die Ungleichheit von Frauen und Männern und für die gesellschaftliche Unterordnung von Frauen. Entsprechenden Einflüssen dürfen Kinder und Jugendliche nicht ausgesetzt werden. Die Politik ist gefordert, sich diesen Fragen zu stellen und Lösungen zu entwickeln. Der Konflikt darf nicht in die Schulen und Kitas verlagert werden. Der Staat kann die Glaubensfreiheit der Bürgerinnen und Bürger nur dadurch gewährleisten, dass er selbst sich eine strikte Neutralität in Fragen des Glaubens und der Weltanschauung auferlegt. Es darf deshalb nicht hingenommen werden, wenn Lehrkräfte bzw. Erzieher/innen ihr Amt zur Manipulation oder Indoktrination der ihnen 27 28 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7377 anvertrauten Kinder und Jugendlichen nutzen. Aber auch Lehrkräfte und Erzieher/innen sind Träger von Grundrechten. Daher kann es nicht ohne weiteres als Zeichen der fehlenden Eignung angesehen werden, wenn sie sich bei ihrer dienstlichen Tätigkeit gemäß den Geboten ihres Glaubens verhalten möchten. Entscheidend ist vielmehr ihr konkretes Verhalten bei Ausübung ihres Dienstes. Die bisherigen Fassungen von Schulgesetz § 38 und Kindertagesbetreuungsgesetz § 7 wurden dem nicht gerecht. Die 2004 eingefügten Absätze 2 und 3 zielen, wie sich aus der Entstehungsgeschichte dieser Bestimmung unschwer ablesen lässt, einseitig und ausschließlich darauf, das äußere Bekenntnis zu einer bestimmten Religion (Islam) zu verbieten und andererseits ein solches Bekenntnis zu einer anderen Religion (Christentum) zu dulden bzw. zu fördern. Zudem war und ist es angesichts der Verpflichtung, die Kinder an den Schulen zu Toleranz und Duldsamkeit zu erziehen, fraglich, ob das Verhalten der Lehrkräfte an den Eindrücken Dritter (Schülerinnen und Schüler bzw. Eltern) gemessen werden darf. Vor diesem Hintergrund begrüßt die GEW, dass das höchste deutsche Gericht die in § 38 Schulgesetz und damit auch die entsprechenden in § 7 Kindertagesbetreuungsgesetz getroffenen Regelungen für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt hat. Die jetzt von den Koalitionsfraktionen beabsichtigten Neufassungen der beiden Paragrafen sind aus unserer Sicht nicht geeignet, das Problem zu lösen: Nach wie vor soll Maßstab sein, welchen "Eindruck" das Verhalten der Lehrkräfte "bei Schülern oder Eltern hervorrufen kann". Entsprechendes soll für Kindertageseinrichtungen gelten. Dies öffnet Gesinnungsschnüffelei und Denunziantentum Tür und Tor und verlagert zudem das Problem auf die einzelne Schule bzw. Kindertageseinrichtung. Die Beschäftigten besitzen aber einen Anspruch darauf, dass ihre Leistung und ihr (dienstliches) Verhalten an objektiven, nachprüfbaren Maßstäben gemessen werden und dass dies in dem beamtenrechtlich bzw. arbeitsrechtlich vorgesehenen Verfahren durch die Aufsichtsbehörde ermittelt und festgestellt wird. Die „Eindrücke“ Dritter sind, wie sich augenfällig an der immer noch laufenden Diskussion über die Behandlung der geschlechtlichen Identität in den neuen Bildungsplänen zeigt, hierfür ein denkbar ungeeigneter Maßstab. Die GEW hält es deshalb für sinnvoll und notwendig, die vor 2004 geltenden Texte wiederherzustellen, also aus § 38 Schulgesetz und aus § 7 Kindertagesbetreuungsgesetz nicht nur einige Wörter zu entfernen, sondern die Absätze 2 und 3 vollständig zu streichen, die 2004 ausschließlich zu dem Zweck eingefügt wurden, muslimischen Lehrerinnen und Erzieherinnen das Tragen eines Kopftuches zu verbieten. Lehrkräfte und auch Erzieher/innen sind durch die Verfassung sowie die beamtenund tarifrechtlichen Bestimmungen bereits so klar und eindeutig auf ein verfassungstreues Verhalten verpflichtet, dass es keiner zusätzlichen Bekräftigung in den einschlägigen gesetzlichen Regelungen bedarf. 28 29 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7377 BBW Beamtenbund Tarifunion Der BBW - Beamtenbund Tarifunion (BBW) dankt für die Übersendung des o. g. Gesetzentwurfs und nimmt hierzu gemeinsam mit den in seiner Kommission Bildung und Wissenschaft im BBW organisierten Lehrerverbänden wie folgt Stellung: Der BBW und seine Kommission Bildung und Wissenschaft nehmen die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27.1.2015 (Az.: 1 BvR 471/10 und 1 BvR 1181/10) zur Kenntnis. Diese bildet die Grundlage für die vorgesehenen Änderungen des Schulgesetzes, wonach in § 38 Abs. 2 S. 1 und 2 SchG das Wort „äußeren“ gestrichen und S. 3 aufgehoben werden soll. Das Bundesverfassungsgericht hatte in o. g. Beschluss festgestellt, dass ein Verbot religiöser Bekundungen durch das äußere Erscheinungsbild, das bereits die abstrakte Gefahr einer Beeinträchtigung des Schulfriedens oder der staatlichen Neutralität ausreichen lässt, im Hinblick auf die Glaubens- und Bekenntnisfreiheit der Pädagogen jedenfalls unangemessen und damit unverhältnismäßig ist, wenn die Bekundung nachvollziehbar auf ein als verpflichtend empfundenes religiöses Gebot zurückführbar ist. Erforderlich ist vielmehr eine hinreichend konkrete Gefahr für den Schulfrieden oder die staatliche Neutralität. Es steht außer Frage, dass Lehrkräfte in Deutschland der Neutralitätspflicht unterliegen und diese Pflicht nicht verletzt werden darf. Jedoch ist zu befürchten, dass traditionalistische Gruppen gestärkt werden, die das Tragen des Kopftuches aus religiöser Intoleranz oder gar Frauenfeindlichkeit propagieren und Druck auf muslimische Schülerinnen erzeugen, wenn sie kein Kopftuch tragen wollen. Wir setzen uns dafür ein, dass die Schule ein Ort der Bildung und Erziehung bleibt und Schülerinnen und Schüler ohne jegliche Beeinflussung unterrichtet werden. Dies ist und bleibt der Auftrag von Lehrerinnen und Lehrern. Weiter ist zu befürchten, dass Schulleitungen und Lehrkräften weitere Belastungen auferlegt werden, wenn in jedem Einzelfall nunmehr geprüft werden muss, inwiefern die Neutralitätspflicht eingehalten oder die Grenze der Neutralität überschritten wird. Darüber hinaus geben wir zu bedenken, dass auch das Bundesverfassungsgericht in o. g. Beschluss in Rz. 114 dem Gesetzgeber insoweit auch vorbeugend die Möglichkeit eröffnet hat, differenzierte, beispielsweise örtlich und zeitlich begrenzte Lösungen vorzusehen, ggf. unter Zuhilfenahme einer hinreichend konkretisierten Verordnungsermächtigung. Wir regen daher an, eine entsprechende Ermächtigung - zur Regelung bestimmter potenzieller Konfliktlagen - in den Gesetzentwurf aufzunehmen. Wir bitten Sie, unsere Anmerkungen im weiteren Verfahren entsprechend zu berücksichtigen. 29 30 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7377 Philologenverband Baden-Württemberg e. V. Der Philologenverband Baden-Württemberg begrüßt, dass das Schulgesetz für BadenWürttemberg (SchG BW) und das Kindertagesbetreuungsgesetz (KindertagesbetrG) unter Berücksichtigung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Januar 2015 (BvR 471/10 und BvR 1181/10) zur Unvereinbarkeit eines pauschalen Kopftuchverbots für Lehrkräfte in öffentlichen Schulen nun verfassungskonform ausgestaltet werden soll. Der PhV BW unterstützt die nun vorgesehene verfassungskonforme Gestaltung von § 38 Absatz 2 SchG BW und § 7 Absatz 8 Kindertagesbetreuungsgesetz. Diese kann - wie im Entwurf vorgeschlagen - dadurch erfolgen, dass in Satz 1 das Wort „äußeren“ und in Satz 2 das Wort „äußeres“ gestrichen wird Damit wird dem Urteil des BvG Rechnung getragen, „... dass das Tragen einer religiös konnotierten Bekleidung nicht von vornherein dazu angetan ist, die negative Glaubens- und Bekenntnisfreiheit der Schülerinnen und Schüler (Art. 4 Abs. 1 und 2 GG) zu beeinträchtigen“, ... dass es sich anders verhalten kann, „wenn das äußere Erscheinungsbild von Lehrkräften zu einer hinreichend konkreten Gefährdung oder Störung des Schulfriedens oder der staatlichen Neutralität führt oder wesentlich dazu beiträgt“. und Satz 3 ganz aufgehoben wird. Der PhV BW unterstützt die Aufhebung dieses Satzes, der genau dem Satz 3 von § 57 Absatz 4 SchuIG NRW entspricht und vom BvG als „Privilegierungsbestimmung zu Gunsten der Darstellung christlicher und abendländischer Bildungs- und Kulturwerte oder Traditionen“ eingestuft wird, da er eine „gleichheitswidrige Benachteiligung der Angehörigen anderer Religionen aus Gründen des Glaubens und der religiösen Anschauungen darstellt (Art. 3 Abs. 3 Satz 1, Art. 33 Abs. 3 GG)“. Der PhV BW verweist darauf, dass durch die Aufhebung von Satz 3 in § 38 Absatz 2 SchG BW die dort genannten Bestimmungen der baden-württembergischen Landesverfassung keinesfalls in Frage gestellt werden: Artikel 12: (1) Die Jugend ist in Ehrfurcht vor Gott, im Geiste der christlichen Nächstenliebe, zur Brüderlichkeit aller Menschen und zur Friedensliebe, in der Liebe zu Volk und Heimat, zu sittlicher und politischer Verantwortlichkeit, zu beruflicher und sozialer Bewährung und zu freiheitlicher demokratischer Gesinnung zu erziehen. Artikel 15: (1) Die öffentlichen Volksschulen (Grund- und Hauptschulen) haben die Schulform der christlichen Gemeinschaftsschule nach den Grundsätzen und Bestimmungen, die am 9. Dezember 1951 in Baden für die Simultanschule mit christlichem Charakter gegolten haben. Artikel 16: (1) In christlichen Gemeinschaftsschulen werden die Kinder auf der Grundlage christlicher und abendländischer Bildungs- und Kulturwerte erzogen. Der PhV BW setzt sich dafür ein, dass auf der Grundlage dieser Gesetzesänderung 30 31 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7377 Ausführungsbestimmungen für konkrete Situationen wie das Tragen eines Kopftuches in öffentlichen Schulen entwickelt und formuliert werden. Dabei wäre unter Anderem dringend zu bedenken, 1. dass auch ohne explizite Indoktrination seitens einer Lehrerin auf schutzbefohlene Schülerinnen durch Tragen eines religiös motivierten Kopftuchs moralischer und sozialer Druck ausgeübt werden kann, 2. dass das Tragen eines Kopftuchs für Lehrerinnen bisher aus gutem Grund untersagt war, da hier das Freiheitsbedürfnis in der Kleiderwahl der Lehrerin zugunsten der Glaubens- und Gewissensfreiheit des schutz-befohlenen Kindes zurücktreten muss, 3. dass die Erlaubnis, ein Kopftuch zu tragen, womöglich auch zur Forderung nach weitergehender Verhüllung führen könnte, womöglich einer Burka, die den ganzen Körper bedeckt. Arbeitsgemeinschaft Freier Schulen Baden-Württemberg Die Arbeitsgemeinschaft freier Schulen dankt für die Gelegenheit zum o.g. Gesetzentwurf Stellung zu nehmen. Da es keine Auswirkungen auf die Schulen in freier Trägerschaft hat, gibt die AGFS keine Stellungnahme ab. Ggfs. werden die Mitglieder der AGFS entsprechende Stellungnahmen abgeben. 31 32 1. Lfd. Nr. Städtetag Von Zu § Seite 1 von 13 Es wird zur Unterstützung der Schul-und Kindertagesstättenleitungen darum gebeten, begleitend zur Gesetzgebung Hinweise zur Anwendung der beiden geänderten Bestimmungen zu veröffentlichen. Der Gesetzentwurf nimmt eine vermittelnde Position ein, die den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts entspricht und somit verfassungskonform ist. Der Städtetag erklärt Zustimmung zum Gesetzentwurf. Äußerung / Vorschlag Das Kultusministerium beabsichtigt, Anwendungshinweise für die Schulen herauszugeben. In welcher Form dies erfolgt, ist noch zu prüfen. Träger der Kindertageseinrichtungen sind u.a. die Kommunen. Den Kommunalen Landesverbänden können die Anwendungshinweise an die Schulen überlassen werden, die diese dann an die Kindertageseinrichtungen weitergeben können. Die Schulen/Schulleiter werden mit der Thematik nicht allein gelassen. Im Bedarfsfall können die Schulen jederzeit Kontakt mit der zuständigen Schulaufsichtsbehörde aufnehmen und sich zum weiteren Vorgehen absprechen. Von der Schulaufsichtsbehörde kann der Sachverhalt - unter Berücksichtigung der vom Bundesverfassungsgericht festgelegten Vorgaben - aus rechtlicher Sicht geprüft werden. Von der zuständigen Schulaufsichtsbehörde sind auch die personalrechtlichen Entscheidungen in etwaigen Konfliktfällen zu treffen. Das Kultusministerium hat bereits mit Schreiben vom 20. Mai 2015 an die Regierungspräsidien darauf hingewiesen, dass z.B. das Tragen eines Kopftuchs der Einstellung bzw. der Beschäftigung einer Lehrkraft nicht entgegensteht. Es wurde darum gebeten, den nachgeordneten Bereich entsprechend zu unterrichten, den Schulaufsichtsbehörden sich abzeichnende Konfliktfälle an den Schulen mitzuteilen, die sich in Zweifelsfällen an das Kultusministerium wenden. Bewertung Änderung des Schulgesetzes und des Kindertagesbetreuungsgesetzes / Beschluss des BVerfG 27.1.2015 Ergebnis der Anhörung Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7377 33 34 Gemeindetag Landkreistag KVJS 3. 4. Von 2. Lfd. Nr. Zu § Seite 2 von 13 Der Gesetzentwurf nimmt die vermittelnde Position des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts auf. Gegen die Änderungen bestehen keine Einwände. Es bleibt zu hoffen, dass sich die Regelungen als praxistauglich erweisen. Keine Stellungnahme erfolgt. Die Stellungnahme erfolgte vorbehaltlich der erforderlichen Gremienbefassung. Die Vermittlung von Grundwerten der überwiegend christlich geprägten abendländischen Kultur in Kindergärten und Schulen darf nicht eingeschränkt werden, unbeschadet der Tatsache, dass sich kommunale Kindergärten gleichzeitig der Integration und Offenheit gegenüber anderen Kulturen verpflichtet fühlen. Der Gemeindetag erhebt keine Bedenken gegen den Gesetzentwurf. Als Arbeitgeber fällt es den Kommunen schwer, fachlich qualifizierte und charakterlich geeignet erscheinende Bewerberinnen abzuweisen, nur weil sie ein Kopftuch tragen. In solchen Fällen ist abzuwarten, wie sich die Erzieherinnen in der Praxis bewähren. Sowohl nach dem Beschluss des BVerfG als auch nach dem Gesetzentwurf bleiben arbeitsrechtliche Konsequenzen möglich, wenn es im Einzelfall zu einer Gefährdung oder Störung des Friedens in der Einrichtung kommt oder wenn gegen das Neutralitätsgebot verstoßen wird. Äußerung / Vorschlag - Die rechtlichen Grenzen für die Bejahung des Christentums in den profanen Fächern hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Rechtsprechung entwickelt. Sie sind der einfachgesetzlichen Regelung im Schulgesetz vorgelagert und beziehen sich „in erster Linie auf die Anerkennung des prägenden Kultur- und Bildungsfaktors, wie er sich in der abendländischen Geschichte herausgebildet hat, nicht auf die Glaubens Wahrheit." Weder für die Schule noch für die Kindergärten wird diese rechtliche Grenze durch die beabsichtigte gesetzliche Regelung verschoben. Die Vermittlung von Grundwerten der überwiegend christlich geprägten abendländischen Kultur in Kindergärten und Schulen wird nicht eingeschränkt werden. - Bewertung Änderung des Schulgesetzes und des Kindertagesbetreuungsgesetzes / Beschluss des BVerfG 27.1.2015 Ergebnis der Anhörung Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7377 5. Erzdiözese Freiburg, DiözeseRottenburgStuttgart, Evangelische Landeskirche in Baden, Evangelische Landeskirche in Württemberg a. § 1 Abs.3 Von den Kirchen vorgeschlagene Änderungen des SchG Seite 3 von 13 a. Um der Gefahr eines Abgleitens der Schule in den Laizismus zu begegnen, soll in § 1 SchG ein neuer Absatz 3 eingefügt werden. In diesem wird der Schle ausdrücklich aufgegeben, "in Offenheit für die verschiedenen religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen die christlichen und abendländischen Überlieferungen und Werte in ihrer Bedeutung als prägende Kultur- und Bildungsfaktoren im Unterricht zu vermitteln". Der Stellungnahme wird daher ein eigener Gesetzentwurf vorgelegt. Die verbleibende Regelungen in § 38 Abs. 2 und § 7 Abs. 8 KitaG sind aus sich heraus nicht mehr verständlich. Es bedarf einer für Lehrkräfte und Kitaleitungen zumutbaren Auslegung. Die isolierte Aufhebung des § 38 Abs. 2 Satz 3 SchG bzw. § 7 Abs. 8 Satz3 KiTaG (privilegium christianum) birgt die Gefahr einer laizistischen Fehldeutung. Allgemein: Die vorgesehenen Änderungen sind nicht ausreichend. a. Die aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aufzuhebende Regelung war zu keinem Zeitpunkt konstitutiv für die Bejahung des Christentums in den profanen Fächern. Inhalt und Grenzen wurden durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bestimmt und erfuhren insoweit durch die aktuelle Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschl. v. 27.1.2015 – 1 BvR 471/10, 1 BvR 1181/10) keine Änderung. Dieses Verständnis hat sich bereits viele Jahre vor Aufnahme der nun beanstandeten Regelung in § 38 Schulgesetz entwickelt und stünde auch nicht zur Disposition des Landesgesetzgebers. An prominenter Stelle im Schulgesetz be- Die Regelungen des § 38 Abs. 2 und § 7 Abs. 8 KiTaG können unter Heranziehung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts angewandt werden. Änderung des Schulgesetzes und des Kindertagesbetreuungsgesetzes / Beschluss des BVerfG 27.1.2015 Ergebnis der Anhörung Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7377 35 36 c. d. Es soll eine eigene Regelung zur Glaubensfreiheit der Schülerinnen und Schüler an der Schule eingefügt werden (Glaubensfreiheit der Schüler/innen in der öffentlichen Schule; Zulässigkeit von Schulgebeten und Schul- und Schülergottesdiensten. Kein Zwang zur Teilnahme). Diese soll - ohne Änderung des bestehenden Rechtszustandes - die religiösen Rechte der Schülerinnen und Schüler klarstellen. c.§ 38 Abs.1-5 d.§ 91 a Seite 4 von 13 Die Kirchen schlagen insbesondere eine weitgehende Änderung des § 38 Abs. 1 und 2 vor. b. An den bisherigen Absatz 3, der Absatz 4 werden soll, soll der Satz angefügt werden: "Sie" - die Schule - "gibt der religiösen und weltanschaulichen Freiheit Raum". Hiermit soll klargestellt werden, dass z. B. auch Schülerinnen das Recht haben, einem aus religiösen Gründen als verpflichtend verstandenen Bedeckungsgebot zu genügen. b.§ 1 Abs.4 Die vorgeschlagenen Neuregelungen werfen verfassungsrechtlich komplexe Fragen auf, die durch eine eingehende verfassungsrechtliche Prüfung geklärt werden sollten. Es war auch bisher nicht strittig, dass Schülerinnen und Schüler grundsätzlich eine religiös motivierte Bekleidung in Schule und Unterricht tragen dürfen. Die vom Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 27.1.2015 – 1 BvR 471/10, 1 BvR 1181/10 beanstandete Regelung betraf die Schülerinnen und Schüler nicht. Zu der vorgeschlagenen Regelung besteht deshalb keine Veranlassung. d. siehe oben Buchst. a und b. c. b. kennt sich der Gesetzgeber zu einer „Erziehung in Verantwortung vor Gott, im Geiste christlicher Nächstenliebe“ Bei einer solche Gesamtbetrachtung besteht keine Gefahr einer laizistischen Fehldeutung. Insofern ist fraglich, ob es einer solchen ausdrücklichen Regelung im Schulgesetz, wie sie die Kirchen vorschlagen, bedarf. Änderung des Schulgesetzes und des Kindertagesbetreuungsgesetzes / Beschluss des BVerfG 27.1.2015 Ergebnis der Anhörung Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7377 Interko 4 K-Konferenz 8. 9. 7. Büro des Beauftragten der ev. Landeskirche beim Landtag Katholisches Büro Stuttgart 6. Seite 5 von 13 b. vgl. oben Buchst. c zu § 38 Abs. 1 bis 5 SchG, a. vgl. oben Buchst. a und b. zu § 1 SchG Vgl. Ziffer 5 - Keine Stellungnahme erfolgt. Keine Stellungnahme erfolgt. Die Konferenz der evangelischen und katholischen Kirchenleitungen Baden-Württemberg und ihrer Spitzen-/Trägerverbände über Kindergartenfragen (4 -K-Konferenz) schließen sich der Stellungnahmen der Evangelischen Landeskirchen, der Diözesen und Erzdiözesen an. Eine eigene Stellungnahme erfolgt nicht. - b. entspricht weitgehend den vorgeschlagenen Änderungen zu § 38 SchG b.§ 7 Abs.8-10 . Keine Stellungnahme erfolgt. a. In § 2 KiTaG soll der Satz "Die Kindertageseinrichtungen geben der religiösen und weltanschaulichen Entwicklung des Kindes Raum." aufgenommen werden. a.§ 2 Von den Kirchen vorgeschlagene Änderungen des KitaG Änderung des Schulgesetzes und des Kindertagesbetreuungsgesetzes / Beschluss des BVerfG 27.1.2015 Ergebnis der Anhörung Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7377 37 38 Zentralrat der Muslime e.V. (ZDM) DITIB Landesverband Württemberg e.V. Islamische Glaubensgemeinschaft BadenWürttemberg (IGBW) e.V. 10. 11. 12. Seite 6 von 13 Die weitestgehende Beibehaltung der weiteren Vorschriften des § 38 Abs. 2 SchG und § 7 Abs. 8 KiTaG ist verfassungsrechtlich ausreichend, aus rechtpolitischer Sicht aber unzureichend. Die vollständige Korrektur bzw. Aufhebung der Regelungen wäre auf Grund der Pionierstellung des Landes BW unter den verbotsgewillten Bundesländern ein wichtiges rechtspolitisches Signal an die Gesellschaft, dass die Diskriminierung muslimischer Frauen wegen ihres Kopftuchs nicht haltbar ist und auch nie war. Zudem stellte dies eine symbolische Wiedergutmachung gegenüber den muslimischen Frauen dar, die auf Grund der bisherigen Regelung ihren Beruf als Lehrkraft oder Erzieherin aufgeben mussten bzw. nicht ergreifen konnten. Im Rahmen von Anwendungshinweisen des Kultusministeriums soll der Unterscheid zwischen abstrakter und konkreter Gefährdung des Schulfriedens herausgestellt und verdeutlicht werden, dass das Tragen eines Kopftuchs durch Lehr- und Betreuungskräfte keine Gefährdung des Schulfriedens oder der staatlichen Neutralität darstellt, sondern Ausdruck der grundgesetzlich garantierter Rechte ist. Die Aufhebung der vom BVerfG für nichtig erklärten Regelung im Schulgesetz und im Kindertagesbetreuungsgesetz ist folgerichtig. Der Gesetzesentwurf wird befürwortet. Die Streichung der Formulierung "äußeres" bzw. "äußeren" stellt eine Anpassung an das Grundgesetz und die muslimischen Bestimmungen dar. Der Gesetzentwurf setzt die Vorgaben des Beschlusse des Bundesverfassungsgerichts derart um, dass die Vereinbarkeit des Schulgesetzes und des Kindertagesbetreuungsgesetzes mit dem Grundgesetz wiederhergestellt ist. Der vom Bundesverfassungsgericht für nichtig erklärte Satz soll aufgehoben werden. Im Übrigen soll die Umsetzung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts durch verfassungskonforme Auslegung erfolgen. Damit kann eine rasche Umsetzung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts erreicht werden. Das bloße Tragen eines Kopftuchs kann nach der Entscheidung des BVerfG nicht mehr Anlass für disziplinarische Maßnahmen (bis zur Entlassung aus dem Dienst) gegen die Lehrerin sein. Hinzukommen muss ein vorwerfbares Verhalten – etwa unsachliche, einseitige Darstellungen oder Aufrufe –, das wohl auch ohne die Sonderregelung des § 38 Abs. 2 SchG durch Weisungen und disziplinarisch zu verhindern bzw. zu sanktionieren wäre. Eine Versetzung der Lehrerin ist aus dienstlichen Gründen (Störung des Schulfriedens) ohnehin Vgl. Bewertung zu Ziffer 1. - Änderung des Schulgesetzes und des Kindertagesbetreuungsgesetzes / Beschluss des BVerfG 27.1.2015 Ergebnis der Anhörung Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7377 16. 15. 14. 13. Islamische Gemeinschaft Stuttgart e.V: Landesverband der Islamischen Kulturzentren Baden-Württemberg e.V. ( LVIKZ) Syrisch Orthodoxe Kirche von Antiochien in Deutschland Israelitische Religionsgemeinschaft Baden Vgl. Bewertung zu Ziffer 1. - - - - Es werden Verwaltungsvorschriften für eine einheitliche Handhabung von Konfliktsituationen, die Beratung oder Schulungen vor Ort zur Umsetzung der verfassungsrechtlichen Vorgaben als sinnvoll erachtet. Es sollte eine Anweisung gegenüber Schulen/Einrichtungen ergehen, wonach in Konfliktfällen das KM informiert wird, bevor einschneidende Maßnahmen ergriffen werden. Keine Stellungnahme erfolgt. Keine Stellungnahme erfolgt. Keine Stellungnahme erfolgt. Keine Stellungnahme erfolgt. Seite 7 von 13 Das Grundrecht der Lehrkraft wird nicht zur Disposition gestellt. Zunächst muss versucht werden, durch entsprechende Maßnahmen wie Gespräche mit z. B. Eltern oder Schülern zu einem Einvernehmen zu kommen. Nur wenn der Schulfrieden auf keine andere Weise wieder hergestellt werden kann, kommt z.B. eine Versetzung der Lehrkraft bzw. ein Verbot des Tragens religiös konnotierter Kleidung in Betracht. Das Grundrecht der Lehrkraft darf nicht zur Disposition anderer gestellt werden. Ein Vorgehen gegen die Lehrkraft darf nur ultima ratio sein. möglich. Die bestehende Formulierung leistet allerdings einen Beitrag zur Rechtssicherheit, indem sie die Grenzen des zulässigen Verhaltens klarstellt. Der Anregung wird daher nicht gefolgt. Änderung des Schulgesetzes und des Kindertagesbetreuungsgesetzes / Beschluss des BVerfG 27.1.2015 Ergebnis der Anhörung Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7377 39 17. 40 Israelitische Religionsgemeinschaft Württemberg Seite 8 von 13 Keine Stellungnahme erfolgt. - Änderung des Schulgesetzes und des Kindertagesbetreuungsgesetzes / Beschluss des BVerfG 27.1.2015 Ergebnis der Anhörung Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7377 Alt-Katholische Kirche in BadenWürttemberg Orthodoxe Kirche in Deutschland DGB-Bezirk Baden-Württemberg GEW 19. 20. 22. 21. Alevitische Gemeinde Deutschland e.V. 18. Seite 9 von 13 Es wird die vollständige Streichung des § 38 Absätze 2 und 3 SchG gefordert. Lehrkräfte und Erzieher/innen sind durch die Verfassung sowie die beamten- und tarifrechtlichen Bestimmungen auf ein verfassungstreues Verhalten verpflichtet, sodass es keiner zusätzlichen Bekräftigung im Schulgesetz bzw. Vgl. Bewertung zu Ziffer 12. Nicht erforderlich. - Keine Stellungnahme erfolgt. Gegen die Änderungen bestehen keine Einwände Die vorgeschlagenen Änderungen in den Gesetzestexten des § 38 Abs. 2 SchG und § 7 Abs. 8 KiTaG, die ein Zeichen für mehr Akzeptanz von kultureller Vielfalt in der Gesellschaft setzen und die Ablehnung von Vorurteilen ausdrücken, werden begrüßt. Das Kopftuch ist per se kein Zeichen für religiösen Fanatismus. Sollte im Einzelfall der Schulfrieden konkret gefährdet werden, bestehen bereits heute Handlungsmöglichkeiten bis hin zum Verbot. Auch Lehrkräfte sind Träger von Grundrechten. Die bisherigen Fassungen des § 38 SchG und § 8 KiTaG wurden dem nicht gerecht. Insofern wird Beschluss des Bundesverfassungsgerichts begrüßt. Nicht erforderlich. Amtsträgerinnen in staatlichen Behörden - besonders in Schulen - sollte das Tragen des Kopftuches weiterhin untersagt werden, denn der Staat muss seine Neutralität wahren. Interreligiöse Diskriminierungserfahrungen können auf dem Schulhof nur dann vermieden und minimiert werden, wenn auch die Pädagogin als für den Staat handelnde Person ihre Neutralität in jeder Hinsicht wahrt. Kontraproduktiv für die Bildung einer alevitischen Identität ist die Präsenz von Konflikten auf dem Schulhof, bei der sich alevitische Mädchen dafür legitimieren müssen, kein Kopftuch zu tragen. Bei der Zentrale der Alevitischen Gemeinde Deutschland e.V. gingen in letzter Zeit gehäuft Anrufe von besorgten Eltern ein, die berichteten, dass ihren Töchtern von kopftuchtragenden Mitschülerinnen die Verletzung religiöser Regeln vorgeworfen wurde. Gegen die Änderungen bestehen keine Einwände. Das Bundesverfassungsgericht hat der Glaubensfreiheit der Lehrkräfte aus Art. 4 GG einen hohen Stellenwert eingeräumt. Das Land hat der Rechtsprechung Rechnung zu tragen. Änderung des Schulgesetzes und des Kindertagesbetreuungsgesetzes / Beschluss des BVerfG 27.1.2015 Ergebnis der Anhörung Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7377 41 42 24. 23 Ver.di Landesbezirksverwaltung BadenWürttemberg Beamtenbund BadenWürttemberg Ob eine konkrete Gefährdung im Sinne des Be- Es bestehen Befürchtungen höherer Belastungen für Schullei- Seite 10 von 13 Das Bundesverfassungsgericht hat der Glaubensfreiheit der Lehrkräfte aus Art. 4 GG einen hohen Stellenwert eingeräumt. Das Land hat der Rechtsprechung Rechnung zu tragen. Das Bundesverfassungsgericht räumt der positiven Glaubensfreiheit der Lehrkräfte in seinem Beschluss einen hohen Stellenwert ein und trifft auch Aussagen zur Abwägung der Grundrechte zwischen der Lehrkraft einerseits und den Schülerinnen und Schülern sowie Eltern andererseits. Die religiöse Bekundung der Lehrkraft durch das äußere Erscheinungsbild ist danach zunächst durch Art. 4 GG geschützt, wenn dieses Verhalten auf ein als verpflichtend verstandenes religiöses Gebot zurückzuführen ist. In diesem Fall erhält die Glaubensfreiheit der Lehrkraft ein größeres Gewicht als die Grundrechte der Schülerinnen und Schüler sowie der Eltern. Weiter führt das Bundesverfassungsgericht aus, dass es sich dann anders verhält, wenn das äußere Erscheinungsbild von Lehrkräften zu einer konkreten Gefährdung des Schulfriedens oder der staatlichen Neutralität führt oder wesentlich hierzu beiträgt. Das Bundesverfassungsgericht hat hier eine Abwägung der Grundrechte vorgenommen. - Es wird die Befürchtung gesehen, das traditionalistische Gruppen gestärkt werden, die das Tragen des Kopftuchs aus religiöser Intoleranz oder gar Frauenfeindlichkeit propagieren und Druck auf muslimische Schülerinnen erzeugen, wenn sie keine Kopftuch tragen wollen. Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts ist Grundlage für vorgesehene Änderungen in § 38 SchG. Keine Stellungnahme erfolgt. Der im Fraktionsentwurf beinhaltete Maßstab für das Verhalten der Lehrkräfte zielt darauf ab, welchen Eindruck das Verhalten der Lehrkräfte bei Eltern und Schülern hervorrufen kann. Beschäftigte besitzen aber den Anspruch, dass ihre Leistung und ihr (dienstliches) Verhalten an objektiven, nachprüfbaren Maßstäben gemessen wird und dies in dem beamtenrechtlich bzw. arbeitsrechtlich vorgesehenen Verfahren durch die Aufsichtsbehörde ermittelt wird. Die "Eindrücke" Dritter sind ein denkbar ungeeigneter Maßstab. im Kindertagesbetreuungsgesetz bedarf. Änderung des Schulgesetzes und des Kindertagesbetreuungsgesetzes / Beschluss des BVerfG 27.1.2015 Ergebnis der Anhörung Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7377 25. Verband Bildung und Erziehung Landesverband Seite 11 von 13 Keine Stellungnahme erfolgt. Nach den bisherigen Erfahrungen - im Rahmen des Vorbereitungsdienstes durften auf Grund des Ausbildungsmonopols des Staates schon bisher von Lehrkräften z.B. Kopftücher getragen werden - ist das Konfliktpotential bisher äußerst gering. Insofern erscheint die Aufnahme einer Ermächtigungsgrundlage zum derzeitigen Zeitpunkt nicht erforderlich. Es wurde angeregt, entsprechend den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts, eine Ermächtigung für eine Rechtsverordnung in das SchG aufzunehmen, um potentiellen Konfliktlagen durch beispielsweise örtlich oder zeitlich begrenzte Lösungen, vorzubeugen. Des Weiteren können nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts religiöse Bekundungen etwa für bestimmte Schulen oder Schulbezirke über eine gewisse Zeit allgemein durch eine Rechtsverordnung unterbunden werden, wenn eine beachtliche Zahl von Fällen der konkreten Störung des Schulfriedens erreicht wird. Eine Ermächtigungsgrundlage für ein allgemeines Verbot durch eine Rechtsverordnung muss nach Inhalt, Zweck, und Ausmaß ausreichend konkret sein und die Sachverhalte konkret beschreiben, die die Verwaltung zum Erlass einer Rechtsverordnung berechtigen, zeitlich und örtlich begrenzte religiöse Bekundungen zu verbieten. Dies dürfte äußerst schwierig sein, zumal darin bereits eine Diskriminierung liegen könnte. Da die Anforderungen an ein Verbot qua Rechtsverordnung hoch sind, wird eine Ermächtigungsgrundlage zunächst auch keine Entlastung für die Schulleiter und Lehrkräfte bringen. - schlusses des Bundesverfassungsgerichts vorliegt, kann grundsätzlich nur im Einzelfall beurteilt werden. Vgl. auch Bewertung zu Ziffer 1. tungen und Lehrkräfte, wenn in jedem Einzelfall die Einhaltung der Neutralitätspflicht oder deren Überschreitung geprüft werden muss. Änderung des Schulgesetzes und des Kindertagesbetreuungsgesetzes / Beschluss des BVerfG 27.1.2015 Ergebnis der Anhörung Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7377 43 44 28. 27. 26 Verband der Lehrerinnen und Lerer an beruflichen Schulen e.V. Arbeitsgemeinschaft Freier Schulen BadenWürttemberg (AGFS) BadenWürttemberg Philologenverband BadenWürttemberg e.V. Das Bundesverfassungsgericht hat der Glaubensfreiheit der Lehrkräfte aus Art. 4 GG einen hohen Stellenwert eingeräumt. Das Land hat der Rechtsprechung Rechnung zu tragen. Der Philologenverband gibt zu bedenken, dass - dass auch ohne explizite Indoktrination seitens einer Lehrerin auf schutzbefohlene Schülerinnen durch das Tragen eines religiös motivierten Kopftuchs moralischer und sozialer Druck ausgeübt werden kann - dass das Tragen eines Kopftuchs für Lehrerinnen bisher aus gutem Grund untersagt war, da das Freiheitsbedürfnis in der Kleiderwahl zugunsten der Glaubens- und Gewissensfreiheit des schutzbefohlenen Kindes zurücktreten muss - dass die Erlaubnis, ein Kopftuch zu tragen, womöglich auch zur Forderung nach weitergehender Verhüllung führen könnte, womöglich einer Burka, die den ganzen Körper bedeckt. Keine Stellungnahme erfolgt. Seite 12 von 13 Mangels Auswirkungen des Gesetzentwurfs auf die Schulen in Freier Trägerschaft wurde inhaltlich keine Stellungnahme abgegeben. Vgl. Bewertung zu Ziffer 1. Der Philologenverband setzt sich dafür ein, dass auf der Grundlage der vorgesehenen Gesetzesänderung Ausführungsbestimmungen für konkrete Situationen wie das Tragen eine Kopftuches in öffentlichen Schulen entwickelt und formuliert werden. Nicht erforderlich. - - Der Philologenverband unterstützt die vorgesehene verfassungskonforme Gestaltung von § 38 Abs. 2 SchG und § 7 Abs. 8 KitaG. Änderung des Schulgesetzes und des Kindertagesbetreuungsgesetzes / Beschluss des BVerfG 27.1.2015 Ergebnis der Anhörung Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7377 Landesschülerbeirat Landesschulbeirat 30. 31. Landeselternbeirat 29. Seite 13 von 13 Der Gesetzentwurf kann auf Grund der Sommerferien erst am 24.9.2015 beraten werden. Es wurde um Verlängerung der Anhörungsfrist gebeten. Der Landeselternbeirat sieht sich auf Grund des Eingangszeitpunkts des Anhörungsschreibens und der Fristsetzung über die Sommerferien hinweg mangels entsprechender Sitzung des Gremiums zu einer fundierten Stellungnahme nicht in der Lage. Keine Stellungnahme erfolgt. - - - Änderung des Schulgesetzes und des Kindertagesbetreuungsgesetzes / Beschluss des BVerfG 27.1.2015 Ergebnis der Anhörung Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7377 45
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