Börsenmonitor Dezember 2015

Börsenmonitor Dezember 2015

Nach einer Erholungsbewegung im
Oktober und November setzt sich die
Korrekturphase an den Aktienmärkten
noch fort, die Tiefs könnten aber bereits hinter uns liegen. Hohe Tagesschwankungen strapazieren überdies
die Nerven der Anleger.

Die erste Zinsanhebung in den USA
seit Juni 2006 steht wohl unmittelbar
bevor. Die Kerninflationsrate hat im
November die Zwei-Prozent-Marke erreicht. Zudem deuten die aktuellen
Daten aus Amerika und Europa auf eine gute Wirtschaftsentwicklung hin.
Eine Weltrezession ist unwahrscheinlich.

Aber die Abwärtsrevisionen der erwarteten Unternehmensgewinne haben
wieder zugenommen. Die Bewertung
der Aktienmärkte ist weder extrem
billig noch überhöht. Es fließt weiter
reichlich Notenbank-Liquidität an die
Kapitalmärkte. Die Perspektiven für
2016 sind daher verhalten positiv.
Leitzinsanhebung in den USA steht vor
der Tür: Im Augenblick ist die Notenbankpolitik der klar dominierende Einflussfaktor an
den Börsen. Die „No lift-off“ Entscheidung der
Federal Reserve (Fed) in ihren Sitzungen Mitte September und Ende Oktober und enttäuschend aufgenommene geldpolitische Lockerungsmaßnahmen der Europäischen Zentralbank (EZB) Anfang Dezember haben den Erholungstrend an den Börsen gestoppt. Im Tief
ist der DAX im Dezember um bis zu 11% gefallen, der Dow Jones um über 3%.
Die Ungewissheit wann denn nun die Zinswende in den USA kommt blieb zunächst im
Markt. Mittlerweile preisen die Kapitalmärkte
aber mit einer Wahrscheinlichkeit von drei
Viertel eine Zinserhöhung durch die Fed am
kommenden Mittwoch ein. Es wäre der erste
Zinsschritt nach oben seit Juni 2006. Die letzte Senkung erfolgte im Dezember 2008, d.h.
seit sieben Jahren liegen die Leitzinsen in den
USA de facto bei Null Prozent.
Weitere
sind im
lerdings
schritte
zwei oder drei Schritte nach oben
Jahresverlauf 2016 zu erwarten. Alwird es sich wohl nur um Trippelvon jeweils 0,25 Prozent handeln,
denn die Fed möchte in jedem Fall das Risiko
einer Konjunkturabschwächung vermeiden
und die Inflation dürfte ohnehin weiter unterhalb (mit Energiepreisen) oder nahe (Kerninflation) an der Zwei-Prozent-Schwelle in
Schach bleiben.
Die Fed als reinigendes Gewitter?
Eine Zinsanhebung in den USA wäre ein weiterer Schritt zur Normalisierung der Geldpolitik nach Beendigung der quantitativen Lockerung Ende 2013. Rückblickende Analysen zeigen, dass Zinsschritte der Fed an den Aktienmärkten nicht zu Kurseinbußen geführt
haben, sofern ihnen nicht schon bei der
nächsten Fed-Sitzung eine weitere Anhebung
gefolgt ist und die Konjunktur sich weiter
moderat aufwärts entwickelt hat. Bei einem
flachen Zinserhöhungspfad mit langsamen
Zinsschritten notierten amerikanische Aktien
(S&P500-Index) ein Jahr später um gut 10%
höher. Bei schnellen Zinsschritten, die eine
Konjunkturabschwächung
wahrscheinlicher
machen, lag der S&P500-Index ein Jahr später zwischen 2% und 3% im Minus.
Da die Börsen diesmal während der Unsicherheitsphase im Vorfeld der Zinsentscheidung
bereits unter Druck geraten sind, könnte sich
die endgültige Entscheidung der Fed am
Mittwoch als reinigendes Gewitter erweisen.
Begleitet von klaren Aussagen der USNotenbanker in Richtung eines flachen Zinspfads mit sanften Steigerungen und eines
regelmäßigen Abgleichs mit der konjunkturellen Datenlage, sollten sich die Börsen stabilisieren und die sprunghaft angestiegene Volatilität sich wieder zurückbilden. Die Kursverluste könnten dann bis zum Jahresende wieder eingedämmt werden.
Perspektiven 2016 - Renditeerwartungen
nicht zu hoch schrauben:
Wir sehen Aktien auch 2016 als die bevorzugte Anlageklasse gegenüber Anleihen. Dafür
sprechen nicht nur die mauen Renditen auf
festverzinsliche Wertpapieranlagen. Aber das
Chance/Risiko-Verhältnis ist nach über sechsjähriger Aufwärtsbewegung an den Börsen
nicht mehr so gut wie in den vorangegangenen Jahren. Unter den drei wichtigsten Determinanten für den Kursverlauf, die Unter-
nehmensgewinne, das Zinsniveau und die
Liquiditätsversorgung der Märkte, hat der
Gewinntrend mittlerweile spürbar an Schubkraft verloren.
Das moderate Wirtschaftswachstum und in
vielen Branchen aufgrund von Überkapazitäten auch keine Preiserhöhungsmöglichkeiten
dämpfen maßgeblich Umsatzwachstum und
Ertragsdynamik der Unternehmen. Noch wird
2016 für europäische Aktien (Stoxx600Index) und den US-Markt (S&P500) ein Gewinnanstieg von jeweils gut 7% und für 2017
eine weitere Verbesserung prognostiziert. Für
2015 aber liegen die Unternehmensgewinne
inzwischen nur noch leicht über (Europa)
bzw. auf dem Vorjahresniveau (USA).
Gewinnbewertung der Märkte begrenzt
den Kursspielraum nach oben: Diese Gewinnstagnation und anhaltend negative Anpassungen bei den Gewinnerwartungen haben bei steigenden Kursen zu einer Ausweitung der fundamentalen Marktbewertung geführt. Mit 15,5 bzw. 16,3 sind die 2016er Gewinnmultiplikatoren (KGV) für Europa und die
USA noch nicht überzogen, liegen aber im
langfristigen Durchschnitt und bieten nur
noch begrenzten Spielraum nach oben.
Günstiger gepreist ist der deutsche DAXIndex mit einem KGV von 13,5 und vor allem
Schwellenländeraktien mit 11,1 im Mittel.
Auch bei Betrachtung weiterer Bewertungskriterien wie Kurs/Buchwert oder der Dividendenrendite sind europäische Titel günstiger
als US-Werte und Aktien generell attraktiver
im Vergleich zu Anleihen.
Aktienrückkäufe und Übernahmeaktivitäten in Rekordumfang
Unterstützend für die Märkte wirken auch die
besonders in den USA üblichen Aktienrückkaufprogramme und die rekordhohen Übernahme- und Fusionsaktivitäten. Vermehrt
wird dabei mit eigenen Aktien als Akquisitionswährung bezahlt, ein Hinweis dass die
Unternehmensführungen ihre eigenen Firmen
als angemessen hoch bewertet einordnen.
Aktienrückkäufe auf der anderen Seite haben
den Effekt, dass die Gewinne je ausstehender
Aktie steigen, selbst wenn die absoluten Unternehmensgewinne konstant bleiben. In Be-
zug auf den S&P500-Index dürften etwa 5%
Gewinnanstieg auf Aktienrückkäufe entfallen,
mithin befinden sich die absoluten Ergebnisse
2015 bereits im Rückwärtsgang und werden
voraussichtlich 2016 allenfalls nur leicht um 2
% bis 3 % steigen.
Viel anlagesuchende Liquidität
Trotz einer etwas restriktiveren Fed dürften
2016 die anderen Notenbanken den Märkten
weiter Rückenwind geben. Die Europäische
Zentralbank EZB hat schon seit Monaten den
Part der amerikanischen Notenbank übernommen und pumpt zusammen mit der Bank
von Japan über Anleihenkäufe die aggregierte
Geldbasis der drei wichtigsten Währungsräume auf.
Im Euroraum steigt die Geldmenge M1 mit
einer Jahresrate von über 11%, die Geldmenge M3 mit 5%. Da beide Notenbanken ihre
Geldschleusen weiter offen halten werden,
bleiben die Kapitalmärkte auch 2016 üppig
mit Liquidität versorgt.
Unter Abwägung aller Einflussfaktoren
vorsichtiger Optimismus für die Börsen:
Anhaltend niedrige Zinsen und reichliche Liquiditätsversorgung, leicht steigende Unternehmensgewinne, keine Inflation, weiter
niedrige Rohstoffpreise. Ein Kursplus zwischen fünf und acht Prozent einschließlich
Dividenden sollte an den Börsen 2016 möglich sein. Einzelne Unternehmen können sich
durch neue innovative Produkte positiv vom
gesamtwirtschaftlichen Trend abkoppeln oder
durch gelungene Umstrukturierungs- und
Kostensenkungsmaßnahmen
die
Gewinne
überdurchschnittlich steigern, diese Aktien
gilt es für ein erfolgreiches „Stock Picking“
herauszufiltern. Für europäische Aktiengesellschaften könnte es zusätzlich etwas Rückenwind von einem schwächeren Euro bzw. festeren US-Dollar geben.
Für unser Portfolio bevorzugen wir angesichts
des schwachen Wirtschafts- und Gewinnwachstums Aktien mit stabilem und konjunkturunabhängigem Ertragsprofil, zum Beispiel
aus dem Gesundheitssektor, oder konsumnahe US-Titel. Auch Werte mit abgesichert hoher Dividendenrendite wie einige Versiche-
rungen lassen eine überdurchschnittliche Gesamtrendite erwarten. In zyklischen Branchen
wie Chemie, Automobile oder Rohstoffe bleiben wir - ebenso wie bei Banken - untergewichtet, vorbehaltlich einer unerwartet kräftigen Beschleunigung der Weltkonjunktur im
Verlauf von 2016.
An den Börsen werden auch im nächsten Jahr
eine phasenweise hohe Volatilität, Rückschläge und Geduld einfordernde Konsolidierungsphasen ständige Begleiter sein. Ohne diese
wird das Börsenjahr 2016 nicht ablaufen,
denn die Risiken sind ebenfalls mannigfaltig.
Die bedeutendsten wären neue geopolitische
Schocks, ein unerwartet heftiger Anstieg der
Rohstoffpreise, ein wesentlich stärker als von
den Notenbanken beabsichtigter Inflationsschub, große Wechselkursverwerfungen, oder
eine erneute Schwächeattacke im Finanzsystem aufgrund der nach wie vor hohen Staatsverschuldung.
Zu den allgegenwärtigen politischen Risiken,
die 2016 bestimmt nicht weniger werden,
zählt auch ein möglicher „Brexit“. Ein Austritt
Großbritanniens aus der Europäischen Gemeinschaft würde dem europäischen Gebäude
einen weiteren Riss zufügen und könnte zumindest kurzfristig für Marktverwerfungen
sorgen.
Dagegen
dürften
die
USPräsidentschaftswahlen nur auf bestimmte
Sektoren (Gesundheitswesen, Wehrtechnik)
markanten Einfluss haben. Dem Anleger
möchten wir deshalb für das Aktienjahr 2016
mit auf den Weg geben, bei seinen Renditeerwartungen mehr Bescheidenheit und Geduld an den Tag zu legen. Und dass er wohl
auch im nächsten Jahr streckenweise größere
Schwankungen und Rücksetzer an den Aktienbörsen aushalten muss.
FIDUKA, 15.12.2015