Obersee Nachrichten, 17.9.2015

LOKALSPIEGEL
OBERSEE NACHRICHTEN Donnerstag, 17. September 2015
DAS LEIDEN DES WALTER G. VOR DEM STADTFORUM
KOMMENTAR
Bis der Stadtpräsident
den KESB-Chef erlöst
Die KESB
und die ON
Am Stadtforum von RapperswilJona versuchte der Chef der
KESB vor den gut 50 Bevölkerungsvertretern gute Stimmung
für seine Arbeit zu machen.
Unterstützt wurde er von seiner
Wahlbehörde, dem Stadtrat von
Rapperswil-Jona. Das Vorhaben
ist nicht gelungen.
KESB-Chef Dr. Walter Grob während der Fragerunde vor dem Stadtforum.
Klagen und Vernebeln
So richtig beklagen mag sich Walter
Grob nicht, aber auch nicht ganz darauf
verzichten. Bei ihm lautet der Satz so:
«Wie wir es auch machen, es ist nicht
recht.» Um gleich nachzuschieben:
«Ich sage das nicht, um zu jammern.»
Wenn es um Geld geht, verbreitet
der KESB-Chef Nebel statt Klarheit.
Grob sagt, dass die KESB Linth im
letzten Jahr 1,7 Millionen Franken ausgegeben und 550 000 Franken eingenommen habe. Er verschweigt vorerst,
dass in diesen 1,7 Millionen die Kosten der Gemeinden für die Umsetzung
der KESB-Entscheide nicht eingerech-
Fotos: Mario Aldrovandi
net sind. Im Klartext heisst das: Die
hohen Aufwände, die zum Beispiel der
Schmerkner Junge auf dem Segelschiff
das Seedorf kostet, sind in Grobs Rechnung nicht enthalten.
Erst als ein bürgerlicher Politiker
hartnäckig nachfragt, springt Zoller in
die Bresche und sagt zu den Umsetzungskosten: «Diese Zahl würde ich
auch gerne wissen.» Und Grob gibt erst
jetzt zu, dass man keine Ahnung habe,
was die KESB-Massnahmen finanziell
auslösen. Damit bestätigen beide die
Fakten, welche die ON vor zwei Wochen enthüllt haben: «Die KESB-Kosten sind ausser Kontrolle.»
Nervosität und Stille
Während der Veranstaltung versucht
der KESB-Direktor mit dem Publikum
in einen Dialog zu treten. Wenige machen mit, die Mehrheit schweigt. Grob
realisiert, dass er ins Leere redet. Er
wird zunehmend nervös, schnappt
während des Redens hörbar nach Luft.
Minutenlang.
Ich habe zunehmend den Eindruck,
dass da ein Mensch in einer Mischung
aus Sendungsbewusstsein und Verzweiflung um seinen Job kämpft.
Schliesslich erlöst Stadtpräsident
Erich Zoller seinen Chefbeamten und
beendet den KESB-Teil. Es gibt nicht
einmal einen Höflichkeitsapplaus.
Alles wird gut – oder?
Ganz anders, eine Stunde später: Nach
der klugen und leidenschaftlichen Präsentation der Sportschule klatschen die
Anwesenden. Dr. Grob hat sich in eine
hintere Region des Saales gesetzt.
Er taucht erst wieder beim Apéro
auf. Die Stimmung gegenüber der
KESB habe in den letzten Tagen «ins
Positive gedreht», sagt übermütig bei
Bier und Wein. Sogar der «Blick»
schiesse nicht mehr nur auf die KESB.
Diese Begeisterung teilen wenige.
Eine Frau der alternativen UGS sagt
mir nach den Veranstaltung: «Es ist
nicht wegen Grob. Aber in die Fänge
der KESB möchte ich nicht geraten.»
Mario Aldrovandi
Erich Zoller (rechts): Flankenschutz für Dr. Grob.
Über der KESB steht nur die Verwaltungsrekurskommission. Auch hier
haben Betroffene wenig Chancen.
Ein Beispiel dafür ist der 15-Jährige
Schmerkner, der von der KESB Linth
auf ein Schiff deportiert wurde. Als
die Mutter rekurrierte, telefonierten
die Richter mit dem Buben auf dem
Schiff. Er klagte, ihm gehe es «seelisch nicht gut», er möchte «wieder
daheim sein und normal zur Schule
gehen». Sein Hilferuf brachte nichts,
die KESB obsiegte: Der 15-Jährige
muss seit fast eineinhalb Jahren Tausende Kilometer von zu Hause entfernt bei fremden Menschen leben,
obwohl er nie eine Straftat begangen
hat, und das nur, weil er als 12-Jähriger in eine schwierige Lebensphase kam. Der Fall hat sich aktuell
nicht zum Vorteil des Jungen entwickelt. Die ON haben darauf reagiert
und werden später informieren. Wir
werden auch über Alan berichten,
der zu seinem Vater ziehen möchte,
aber im Heim leben muss, und über
einen 83-Jährigen, über den die
KESB herfiel, sowie über eine weitere Mutter, der das Kind weggenommen wurde.
Die KESB tut auch Gutes. Aber sie
müsste, um den Schwächsten tatsächlich zu dienen, eine Hilfs- und
nicht eine Machtbehörde sein.
Solange die Politik aber die Besetzung der KESB-Leitung in verdächtig kurzer Zeit abhakt, wie bei der
KESB Linth geschehen, weil es politisch und anderweitig gerade gepasst hat, gibt es für Verbesserung
wenig Hoffnung. Die Schwächsten
unter uns dürfen nicht allein gelassen werden. Deshalb werden die ON
weiter über die KESB berichten.
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Gerüche und Geschütze
Walter Grob versucht populär zu sein
und gibt sich gleichzeitig abgehoben.
So plaudert er über einen alten Mann,
der offenbar einen verwahrlosten Eindruck hinterlassen hat. Bei Grob heisst
das: «Er hat etwas streng gerochen.»
Und weil das offensichtlich wichtig
war, wiederholt der KESB-Doktor
noch zweimal, dass der Mann «streng
gerochen» habe. Aber natürlich, und
jetzt wird es wieder volksnah, sei das
noch kein Grund, grad mit dem grossen
«KESB-Geschütz» zu kommen. Der
Unterton verfehlt seine Wirkung nicht:
Der oberste Fürsorger im Linthgebiet
hätte die schweren Kanonen schon,
will aber nicht immer losschiessen.
Die ON haben sich in ihrem bald
35-jährigen Bestehen stets für die
Schwachen eingesetzt. Und genau
deshalb, und nicht weil wir «eine
Schlammschlacht» führen, berichten
wir immer wieder über unverständliche KESB-Vorgänge. In dieser wichtigsten Sozialbehörde, die für die
Schwächsten von uns da sein müsste,
braucht es Menschlichkeit und
Augenmass. Leider aber fehlt dies zu
oft. Zu einfach, und ohne Kontrolle
und Transparenz, kann sie ihre
Macht ausspielen.
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Frösteln und Hilfe vom Chef
Dr. Walter Grob sucht den Kontakt mit
dem Publikum. Doch seine Art kommt
nicht recht an. Eine SP-Frau neben mir
schlüpft in ihre Daunenjacke.
Erich Zoller, Stadtpräsident von
Rapperswil-Jona, hilft dem KESB-Präsidenten, so gut er kann. Als Zuschauerinnen nachfragen, warum einer Mutter
das Kind weggenommen wurde, obwohl es die Grossmutter gäbe, die für
das Kind sorgen wolle, greift Zoller ein:
«Herr Grob ist von mir und vom Gesetz
nicht autorisiert, Auskunft über konkrete Fälle zu geben.»
Von Bruno Hug
St
Der Powerpoint-Vortrag des KESBPräsidenten Walter Grob dauert eine
halbe Stunde. Der Chefbeamte schildert, was im Gesetz steht und nach welchen Prinzipien die KESB arbeitet.
Mir fällt auf: Die anwesenden Stadträte und Beamte tragen ein Hemd, Jacket oder Sakko, manche mit Krawatte.
Dr. Grob genügt sich in einem blauen,
kurzärmligen Knitter-Freizeithemd.
Walter Grob redet sachlich, kühl.
Emotionslos breitet er das Macht-Arsenal der KESB aus: von der «Verfahrenseinstellung» bis zur «umfassenden
Beistandschaft» und von der «Ermahnung» bis zum «Obhutsentzug». Jede
Meldung, auch anonyme, würden sorgfältig geprüft. Später empört sich ein
Politiker im Plenum: Durchschnittlich
6 000 Franken pro KESB-Fall, auch bei
Bagatellen, seien einfach zu viel.
9
Yvonne
Suter
Direktorin, Kantonsrätin ∙ www.yvonne-suter.ch
In den Nationalrat.