Präsentation der Begleitpublikation zur Erinnerungsstätte an der Frankfurter Großmarkthalle Montag, 15. Februar 2016, 14 Uhr, Europäische Zentralbank Jüdisches Museum Stadtverwaltung – Amt 45J Postfach 60275 Frankfurt am Main www.juedischesmuseum.de Vor drei Monaten, am 22. November 2015, hat die Stadt Frankfurt am Main der Öffentlichkeit die „Erinnerungsstätte an der Frankfurter Großmarkthalle“ übergeben. Das künstlerische Konzept und die Realisierung verantworten die Architekten Marcus Kaiser und Tobias Katz (KatzKaiser, Köln und Darmstadt). Der Gedenkort erinnert an die Massendeportationen aus Frankfurt, denen innerhalb von nur einem Jahr mehr als 10.000 Juden zum Opfer fielen: Kinder, Frauen, Männer, kranke und alte Menschen, die von der Großmarkthalle gewaltsam in die Ghettos, Konzentrations- und Vernichtungslager und damit meist in den sicheren Tod verschleppt wurden. Die Begleitpublikation zur Erinnerungsstätte erscheint am Montag, 15. Februar 2016, in einer jeweils deutschen und englischen Ausgabe. Der Band wird am Erscheinungstag in den Räumen der Europäischen Zentralbank präsentiert. Das Datum der Buchvorstellung ist mit Bedacht gewählt, denn noch am 14. Februar 1945 – wenige Wochen vor Kriegsende – war ein Güterzug mit 302 Menschen vom Ostbahnhof mit dem Ziel Ghetto Theresienstadt abgefahren. Der Sammelplatz für diese vorletzte Deportation aus Frankfurt am Main war auf dem Areal der Großmarkthalle – zumeist wurden Partner und Kinder jüdischer Herkunft aus sogenannten „Mischehen“ verschleppt. Auch die siebenjährige Edith Bär (heute: Edith Erbrich) wurde damals mit ihrer älteren Schwester und dem Vater auf diesen Transport gezwungen. So stammt eine von 26 auf dem Gelände der Erinnerungsstätte eingeschriebenen Erinnerungen von ihr: „Meine Mutter hatte für uns das Notwendigste gepackt. Sie wollte freiwillig mit, aber sie durfte nicht. Als sich die Schiebetür geschlossen hatte, wurde sie noch einmal geöffnet. Ein Mann rief: ‚Hebt die beiden Mädchen hoch, ihre Mutter will sie noch einmal sehen!‘“ Edith Erbrich, geb. Bär, 2003 Mirjam Wenzel, Direktorin des Jüdischen Museums, übernimmt die Moderation der Veranstaltung, bei der die Herausgeber Raphael Gross und Felix Semmelroth die Bücher ausführlich vorstellen. Außerdem sprechen die Architekten Marcus Kaiser und Tobias Katz über das Konzept der Pressekontakt Daniela Unger, Tel. (069) 212-38805, [email protected] Erinnerungsstätte, und die Zeitzeugin Edith Erbrich erinnert an ihre Deportation in das Ghetto Theresienstadt. Jüdisches Museum Stadtverwaltung – Amt 45J Postfach 60275 Frankfurt am Main www.juedischesmuseum.de Raphael Gross, der das Jüdische Museum bis Ende 2015 geleitet hat, sagt: „Das Jüdische Museum hat die Einrichtung der Erinnerungsstätte für die Stadt Frankfurt begleitet und organisiert Besichtigungstouren für Besucher. Wichtiger Teil dieser Arbeit bildet der nun vorliegende Begleitband, der in zwei Sprachen und in Wort und Bild die künstlerische Gestaltung sowie den historischen Ort erklärt." Kulturdezernent Felix Semmelroth ergänzt: „Der Begleitband ermöglicht einer internationalen Leserschaft, sich über die NS-Zeit in Frankfurt und ihren Auswirkungen bis heute zu informieren. Gerade für Zeitzeugen sowie für Kinder und Enkel der aus Frankfurt deportierten und ermordeten Jüdinnen und Juden besteht die Möglichkeit, sich auf den neuesten Sachstand zu bringen.“ Die Beiträge des Buches widmen sich den Deportationen aus Frankfurt am Main und dem Gedenken. Die Autorinnen und Autoren reflektieren dabei auch die gestalterischen Elemente, die jetzt an der ehemaligen Großmarkthalle vorzufinden sind. Es sind gleichzeitig Versuche, den Menschen, deren Zeugnissen wir vor Ort als Einschreibungen begegnen, nach so vielen Jahren des Schweigens wieder Gehör zu verleihen. Die Erinnerungsstätte an der Großmarkthalle setzt optisch zurückhaltend auf die Überlieferungen von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen – den gewaltsam verschleppten und ermordeten Menschen, den Überlebenden, den Beobachtern des Verbrechens. Als Zitate sind sie dauerhaft in die baulichen Elemente, den Weg, Betonflächen oder eine Glasscheibe, eingeschrieben. Entstanden ist ein eher unauffälliges, beiläufiges Mahnmal, dessen Elemente entdeckt, entziffert und zu einer Erzählung zusammengefügt werden müssen, die uns bis heute verstört. Marcus Kaiser und Tobias Katz lassen die Leserschaft gedanklich und visuell an der Entstehung, Entwicklung und Verortung ihres Entwurfs teilhaben, mit dem sie 2011 den vom Magistrat der Stadt Frankfurt international ausgeschriebenen Wettbewerb „Erinnerungsstätte an der Frankfurter Großmarkthalle“ gewannen. „Die an der Erinnerungsstätte eingeschriebenen Zitate geben die Geschehnisse in einer Direktheit wieder, die nur wörtlicher Rede vorbehalten sein kann. Sie Pressekontakt Daniela Unger, Tel. (069) 212-38805, [email protected] fordern den Betrachter zu einer bewussten Auseinandersetzung auf“, so die Architekten Marcus Kaiser und Tobias Katz. „Als vertiefende Ergänzung liefert die vorliegende Publikation dem Leser die Biografien zu den Zitaten und Jüdisches Museum Stadtverwaltung – Amt 45J Postfach 60275 Frankfurt am Main www.juedischesmuseum.de erläutert die Zusammenhänge, aus denen sie stammen. Auf diese Weise verfestigen sich jene persönlichen Bilder, die sich bereits beim Besuch des Ortes aufgebaut haben.“ Peter Cachola Schmal, Direktor des Deutschen Architekturmuseums, kommentiert die preisgekrönte Arbeit von KatzKaiser und stellt sie in den Kontext bekannter Gedenkstätten- und Mahnmalprojekte. Eine Chronologie der Deportationen in den Jahren 1941 bis 1945 entwirft einfühlsam Monica Kingreen, langjährige wissenschaftliche Mitarbeiterin des Fritz Bauer Instituts und am Pädagogischen Zentrum sowie Autorin zahlreicher Veröffentlichungen zum Thema. Heike Drummer, Kustodin für Zeitgeschichte im Jüdischen Museum, stellt in Kurzbiografien und Dokumenten die Persönlichkeiten vor, deren Zeugnisse an der Erinnerungsstätte nunmehr dauerhaft „eingeschrieben“ sind, und erläutert zugleich den Prozess der Quellenauswahl. Obschon sich die Erinnerungsstätte gemäß dem Konzept von KatzKaiser bewusst den Erinnerungen der von den Deportationen betroffenen Opfern widmet, war die ehemalige Großmarkthalle – und zeitweise ihr Keller – ab 1941 zuallererst ein Täterort. Um exemplarisch einen technokratischen Schreibtischmörder aus Frankfurt in den Blick zu nehmen, entwerfen der Kulturund Filmhistoriker Alfons Maria Arns und Raphael Gross, Direktor des SimonDubnow-Instituts für jüdische Geschichte und Kultur an der Universität Leipzig, ein Portrait von Heinrich Baab, 1942/43 Leiter des Judenreferates bei der Frankfurter Geheimen Staatspolizei, der als einziger Beteiligter an den Massenverbrechen zu lebenslanger Haft verurteilt worden war. Ins Zentrum stellen beide Autoren den sogenannten „Baab-Plan“, der die Stationen auf dem Deportationsweg in den Tod abbildet und gleichzeitig ein irritierendes Psychogramm seines Urhebers darstellt. Schließlich hinterfragt Fritz Backhaus, Historiker und stellvertretender Direktor des Jüdischen Museums, kritisch die anfänglich nicht immer gelungenen Anstrengungen, würdige und angemessene Gedenk- und Erinnerungsorte in Frankfurt zu schaffen, wie sie indes seit den 1990er-Jahren entstanden sind. Die Pressekontakt Daniela Unger, Tel. (069) 212-38805, [email protected] Übersetzung der englischen Ausgabe besorgten Allison Brown, Lee Holt und Tom Lampert. Die hochwertige Ausstattung und Gestaltung übernahmen Markus Weisbeck und Victor Kassis vom Grafikbüro Surface. Die Bilderstrecken Jüdisches Museum Stadtverwaltung – Amt 45J Postfach 60275 Frankfurt am Main www.juedischesmuseum.de fertigte der Fotograf Norbert Miguletz. Raphael Gross/Felix Semmelroth (Hg.): Erinnerungsstätte an der Frankfurter Großmarkthalle. Die Deportation der Juden 1941-1945. Das künstlerische Konzept der Erinnerungsstätte von Marcus Kaiser und Tobias Katz und Beiträge zur historischen Bedeutung des Ortes Mit einer Fotodokumentation von Norbert Miguletz München/London/New York: Prestel 2016, 266 S. Preis: 29,95 Euro Im Rahmen des Veranstaltungsprogramms des Jüdischen Museums wird das Begleitbuch am Dienstag, 16. Februar 2016, 19 Uhr, im Haus am Dom, Domplatz 3, der Öffentlichkeit vorgestellt. Fritz Backhaus führt dazu ein ausführliches Gespräch mit der Zeitzeugin Edith Erbrich. Der Eintritt ist frei Honorarfreie Pressebilder finden Sie unter diesem Link: http://juedischesmuseum.de/presse.html Pressekontakt Daniela Unger, Tel. (069) 212-38805, [email protected]
© Copyright 2024 ExpyDoc