Prof. Dr. Andreas Donatsch Master-Modul Wirtschaftsstrafrecht FS 2013 Musterlösung 1. AUFGABE 1.5 Punkte Strafbarkeit von Albert Ungetreue Geschäftsbesorgung (Art. 158 Ziff. 1 Abs. 1 StGB) Albert könnte sich durch die Darlehensgewährung an die X-AG der ungetreuen Geschäftsbesorgung nach Art. 158 Ziff. 1 Abs. 1 StGB in der Variante des Treuebruchtatbestandes strafbar gemacht haben. Vorprüfung: Nach herrschender Lehre geht Art. 138 StGB der ungetreuen Geschäftsbesorgung nach Art. 158 StGB aufgrund der Qualifikationsnorm von Art. 138 Ziff. 2 StGB stets vor (vgl. Niggli/Riedo, BSK Strafrecht II, N 195 zu Art. 138). Es stellt sich vorliegend allerdings die Frage, ob hier Vermögenswerte überhaupt anvertraut wurden. Vermögenswerte gelten dann als anvertraut, wenn dem Täter die Verfügungsmacht mit der Massgabe übertragen wurde, die Vermögenswerte nicht für eigene Zwecke, sondern für den Treugeber in einem bestimmten Sinne zu verwenden. Die Vermögenswerte sind folglich stets zur Verfügung des Treugebers zu halten. Gemäss herrschender Lehre wird das Gesellschaftsvermögen einer AG ihren Organen nicht anvertraut, da diese die zum Geschäftsvermögen gehörenden Vermögenswerte nicht in ihrem Bestand erhalten bzw. technisch verwalten wie der Treuhänder, sondern mit den zum Geschäftsvermögen gehörenden Vermögenswerten eine wirtschaftliche Tätigkeit entfalten, deren Ergebnis sich im Gewinn niederschlagen soll (vgl. Donatsch, Aspekte der ungetreuen Geschäftsbesorgung nach Art. 158 StGB, ZStrR 114 [1996] 219). Entsprechend liegt in casu keine Veruntreuung nach Art. 138 StGB vor. Objektiver Tatbestand: Nach Art. 158 Ziff. 1 Abs. 1 StGB kann nur Täter sein, wer die Stellung eines Schutzgaranten für fremde Vermögensinteressen innehat und über ein hohes Mass an Selbstständigkeit in der Geschäftsführung verfügt. Zwar ist Albert Verwaltungsratspräsident und alleiniger Geschäftsführer, doch ist die AG eine juristische Person und stellt somit auch für Albert eine fremde Person dar. Das Gesellschaftsvermögen ist ihm wie bereits erwähnt nicht anvertraut. Als Verwaltungsratspräsident und alleiniger Geschäftsführer kommt Albert aber ein sehr hohes Mass an Selbständigkeit in Bezug auf die Verwaltung dieses Vermögens zu; er kann eigenständig Geschäfte über das Vermögen der AG abschliessen. Als Verwaltungsratspräsident und alleiniger Geschäftsführer kann er die AG in Bezug auf deren Vermögen nach aussen und innen in leitender Stellung vertreten und kommt somit 4.0 Punkte 1 Prof. Dr. Andreas Donatsch als Täter in Frage. Weiter muss der Täter Vermögensinteressen von einigem Gewicht betreuen (Donatsch, Aspekte der ungetreuen Geschäftsbesorgung nach Art. 158 StGB, ZStrR 114 [1996] 204). Dies ist vorliegend der Fall, verwaltet Albert doch als alleiniger Geschäftsführer und Verwaltungsratspräsident das gesamte Gesellschaftsvermögen. Das tatbestandsmässige Verhalten besteht in der Verletzung von Pflichten, die dem Täter aufgrund seiner Funktion als Vermögensverwalter der Gesellschaft obliegen. Die Vermögensdisposition ist aber nur pflichtwidrig, wenn sie mit den Pflichten des Geschäftsführers bzw. des Verwaltungsratspräsidenten zur sorgfältigen Verwaltung der Geschäfte der Gesellschaft (Art. 722 OR bzw. Art. 717 Abs. 1 OR) nicht zu vereinbaren ist, was unter anderem von der finanziellen Situation des Unternehmens sowie von Umfang, Art und Zweck des Aufwandes abhängig ist. Um gewinnstrebend zu sein, legt Albert das Geld gewinnbringend an und erwirtschaftet so eine Rendite von 5%, was gemäss Sachverhalt üblich ist. Überdies hat der Geschäftsführer einer Tochtergesellschaft auch für die Vermögensinteressen der Muttergesellschaft zu sorgen, soweit sich das aus der Organisation und dem Zweck der Tochtergesellschaft ergibt (BGE 109 IV 112). Das Verhalten des Albert ist daher nicht strafbar. Fazit: Albert hat sich nicht nach Art. 158 Ziff. 1 Abs. 1 StGB strafbar gemacht. Alternativ 5.5 Punkte Veruntreuung von Buchgeld (Art. 138 Ziff. 1 Abs. 2 StGB) (Alternativ bei Annahme, dass Vermögenswerte auch den Organen anvertraut sind) Albert könnte sich der Veruntreuung von Vermögenswerten nach Art. 138 Ziff. 1 Abs. 2 StGB strafbar gemacht haben, indem er der X-AG (Muttergesellschaft) ein Darlehen zum Zins von 5% gewährt hat. Objektiver Tatbestand: Nach Art. 138 Ziff. 1 Abs. 2 StGB kann nur Täter sein, wem Vermögenswerte anvertraut wurden. Dabei brauchen die Vermögenswerte für den Täter nicht fremd zu sein, jedoch müssen sie wirtschaftlich zum Vermögen eines anderen gehören. Albert ist Verwaltungsratspräsident und alleiniger Geschäftsführer der X-AG. Die Y-AG ist eine eigenständige juristische Person, weshalb ihre Vermögenswerte für Albert wirtschaftlich fremdes Vermögen darstellen. Da Buchgeld keine Sachqualität aufweist, handelt es sich bei diesem um einen Vermögenswert nach Art. 138 Ziff. 1 Abs. 2 StGB. Vermögenswerte gelten als anvertraut, wenn dem Täter die Verfügungsmacht mit der Massgabe übertragen wurde, sie nicht für eigene Zwecke, sondern für den Treugeber in einem bestimmten Sinne zu verwenden. Ein Guthaben ist dem Bevollmächtigten (vorliegend dem Verwaltungsratspräsidenten Albert) hingegen dann anvertraut, wenn dieser ohne Mitwirkung des Treugebers über die Werte verfügen kann, selbst wenn das Konto auf dessen Namen lautet. Alfred ist vorliegend aufgrund seiner Stellung als Verwaltungsratspräsident und alleiniger Geschäftsführer verpflichtet (vgl. Art. 722 OR bzw. Art. 717 Abs. 1 OR), die Vermögenswerte im Interesse des Unternehmens zu verwenden; des Weiteren trifft ihn eine Werterhaltungspflicht. Das tatbestandsmässige Verhalten besteht in der unrechtmässigen Verwendung der Vermögenswerte zum Nutzen des Täters oder eines anderen. Albert gewährt vorliegend ein Darlehen als Unterstützung für die Muttergesellschaft (X-AG) zu einem üblichen Zins von 5%. Dieses Darlehen liegt aus wirtschaftlicher Sicht im Interesse der Y-AG, da sie daraus einen Nutzen in Form von Zins 2 Prof. Dr. Andreas Donatsch erzielen kann. Albert verwendet die Vermögenswerte der Y-AG in deren Interesse und zu Gunsten des Mutterkonzerns (X-AG) und ist daher nicht strafbar. Fazit: Albert hat sich nicht der Veruntreuung nach Art. 138 Ziff. 1 Abs. 2 StGB strafbar gemacht. 2. AUFGABE A. Strafbarkeit von Alfred 4.0 Punkte 0.5 Zusatzpunkt Gläubigerbevorzugung nach Art. 167 StGB Alfred könnte sich der Gläubigerbevorzugung nach Art. 167 StGB strafbar gemacht haben, indem er die fällige Forderung des Theo mit einer Heizöllieferung beglichen hat. Objektiver Tatbestand: Nach Art. 167 StGB kann nur der im Moment der Tathandlung zahlungsunfähige Schuldner Täter sein, welcher zudem noch der Betreibung auf Konkurs oder Pfändung unterliegen muss. Diese besondere Täterqualifikation braucht Alfred indessen nicht selbst zu erfüllen. Gemäss Art. 29 lit. a StGB werden dem Organ die Sondereigenschaften der juristischen Person zugerechnet. Alfred ist Verwaltungsratspräsident und alleiniger Geschäftsführer der X-AG und somit Organ. Folglich ist Alfred tauglicher Täter. In casu ist die Z-AG Schuldnerin des Theo. Da sie nicht in der Lage ist, alle Forderungen zu erfüllen, gilt sie als zahlungsunfähig. Die Z-AG unterliegt als Aktiengesellschaft auch der Betreibung auf Konkurs gemäss Art. 39 Abs. 1 Ziff. 8 SchKG. Die Tathandlung besteht in der Vornahme einer Handlung, die darauf abzielt, einzelne Gläubiger zum Nachteil anderer Gläubiger zu bevorzugen. Grundsätzlich dürfen aber Schuldner fällige Forderungen begleichen, auch wenn sie zahlungsunfähig sind. Gemäss Art. 167 StGB fällt aber die Bezahlung einer fälligen Schuld anders als durch übliche Zahlungsmittel dennoch unter diesen Tatbestand. Damit soll das Äquivalenzverhältnis zwischen Forderung und Erfüllung sichergestellt werden. Alfred begleicht die fällige Forderung von Theo mit Heizöl. Heizöl ist kein übliches Zahlungsmittel und somit ist die Tathandlung erfüllt. Die Auswirkung der Tathandlung muss nicht zu einem Vermögensschaden führen. Es handelt sich um ein konkretes Gefährdungsdelikt, das bereits mit der Vornahme der vermögensmindernden Handlung vollendet ist. Subjektiver Tatbestand: Alfred muss mit Vorsatz im Sinne von Art. 12 Abs. 2 StGB gehandelt haben. Vorsätzlich handelt, wer den objektiven Tatbestand mit Wissen und Willen ausführt. Alfred weiss, dass er durch sein Handeln eine Forderung mit einem ungewöhnlichen Zahlungsmittel begleicht und tut dies willentlich. Er weiss auch um die Zahlungsschwierigkeiten des Unternehmens, schliesslich geht er gemäss Sachverhalt davon aus, dass die Z-AG nicht in der Lage sein wird, alle Forderungen ihrer Gläubiger zu erfüllen. Weiter muss Alfred in der Absicht bzw. zumindest in der Eventualabsicht gehandelt haben, dass die Bezahlung der Forderung 1.5 Punkte 3 Prof. Dr. Andreas Donatsch durch das unübliche Zahlungsmittel anderen Gläubigern zum Nachteil gereicht. Alfred wusste gemäss Sachverhalt, dass er nicht in der Lage sein wird, alle Forderungen zu begleichen und handelte daher bei der Begleichung der Forderung des Theo mit der Absicht, die anderen Gläubiger zu benachteiligen. Objektive Strafbarkeitsbedingung: Damit das Verhalten des Alfreds strafbar ist, muss gegen die Z-AG ein Verlustschein ausgestellt oder der Konkurs eröffnet worden sein. Laut Sachverhalt wurde gegen die Z-AG weder ein Verlustschein ausgestellt noch wurde der Konkurs über sie eröffnet, womit die objektive Strafbarkeitsbedingung noch nicht erfüllt ist. 1 Punkt Fazit: Alfred hat sich nicht der Gläubigerbevorzugung nach Art. 167 StGB strafbar gemacht. Ungetreue Geschäftsbesorgung (Art. 158 Ziff. 1 Abs. 1 StGB) 1 Punkt Albert könnte sich durch das Auffüllen des Öltanks des Theo der ungetreuen Geschäftsbesorgung nach Art. 158 Ziff. 1 Abs. 1 StGB strafbar gemacht haben. Objektiver Tatbestand: Nach Art. 158 Ziff. 1 Abs. 1 StGB kann nur Täter sein, wer die Stellung eines Schutzgaranten für fremde Vermögensinteressen innehat und über ein hohes Mass an Selbstständigkeit in der Geschäftsführung verfügt. Alfred ist Verwaltungsratspräsident und hat die Interessen der Z-AG zu schützen. Das tatbestandsmässige Verhalten besteht darin, dass der Täter seine Obliegenheiten/Pflichten als Vermögensverwalter verletzt. Alfred tilgt eine fällige Schuld mit Heizöl zum offiziellen Marktpreis. Dadurch hat er seine Obliegenheiten als Verwaltungsratspräsident der Z-AG nicht verletzt und ist daher nicht strafbar. B. Strafbarkeit der Z-AG 2.5 Punkte Gläubigerbevorzugung (Art. 167 StGB i.V.m. Art. 102 StGB) Subsidiäre Unternehmensstrafbarkeit: Wird in einem Unternehmen in Ausübung geschäftlicher Verrichtungen und im Rahmen des Unternehmenszwecks ein Verbrechen oder Vergehen (i.S.v. Art. 10 StGB) begangen und kann die Tat aufgrund mangelhafter Organisation keiner bestimmten natürlichen Person zugerechnet werden, so wird das Unternehmen bestraft. Das Auffüllen des Öltanks durch die Z-AG und die dadurch möglicherweise vorgenommene Gläubigerbevorzugung wurden in Ausübung einer geschäftlichen Verrichtung im Rahmen des Unternehmenzwecks durchgeführt. Laut Sachverhalt kann die Handlung aber dem Alfred zugeordnet werden, weshalb eine Strafbarkeit der Z-AG nach Art. 102 Abs. 1 StGB nicht in Betracht kommt. Originäre Unternehmensstrafbarkeit: Weiter sieht Art. 102 Abs. 2 StGB für einzelne Delikte eine originäre respektive kumulative 4 Prof. Dr. Andreas Donatsch Strafbarkeit von Unternehmen und Individualtäter vor. Nach diesem Artikel macht sich ein Unternehmen unabhängig davon strafbar, ob die straffällig gewordene Person ausfindig gemacht werden kann, wenn es nicht die notwendigen Vorkehrungen trifft, um der Begehung des ausgeführten Delikts durch Angehörige des Unternehmens entgegenzuwirken. Der Katalog von Abs. 2 ist abschliessend und erfasst die Gläubigerbevorzugung nach Art. 167 StGB nicht. Folglich ist die Z-AG auch nach Art. 102 Abs. 2 StGB nicht strafbar. 3. AUFGABE Wer als Steuerpflichtiger vorsätzlich oder fahrlässig bewirkt, dass eine rechtskräftige Einschätzung unvollständig ist, wird gemäss Art. 175 Abs. 1 DBG und - dem Art. 56 Abs. 1 StHG entsprechend - auch gemäss den kantonalen Steuergesetzen mit Busse bestraft. Die Busse beträgt in der Regel das Einfache der hinterzogenen Steuer. Sie kann bei leichtem Verschulden bis auf einen Drittel ermässigt, bei schwerem Verschulden bis auf das Dreifache erhöht werden (Art. 175 Abs. 2 DBG und Art. 56 Abs. 1 StHG). 1.5 Punkte Zu prüfen bleibt aber, ob bei einer Bestrafung sowohl wegen Hinterziehung der direkten Bundessteuer als auch wegen Hinterziehung der kantonalen Steuern das Prinzip „ne bis in idem“, wonach einem Täter keine Doppelbestrafung widerfahren darf, verletzt wird. Für die kantonalen Steuern und für die direkte Bundessteuer ist nur eine Steuererklärung auszufüllen. In Frage stehen jedoch zwei Steuern, zu deren Erhebung zwei verschiedene Gemeinwesen - Bund und Kanton - befugt sind. Es handelt sich also um verschiedene Steuerhoheiten, die ihre jeweiligen Steueransprüche je mit einem Steuerstrafrecht zu schützen haben. Insofern geht es um den Schutz verschiedener Rechtsgütern und es besteht zwischen den bundesrechtlichen Tatbeständen einerseits und den kantonalen Tatbeständen andererseits echte Konkurrenz (BGE 119 Ib 311), womit auch der doppelte Schuldspruch (wegen fahrlässiger Steuerhinterziehung gemäss DBG und wegen fahrlässiger Steuerhinterziehung gemäss dem kantonalen Steuerrecht) zulässig ist. Anderer Ansicht ist der EGMR. Er stellt darauf ab, dass es sich um „same facts“ handelt und dürfte das Prinzip „ne bis in idem“ als verletzt beurteilen. 2.5 Punkte Das kantonale Gesetz und das Bundesgesetz sehen keinen Mindestbetrag der hinterzogenen Steuer vor. Dementsprechend macht sich Dieter trotz der geringfügigen Nichtdeklaration von Fr. 200.00 der Steuerhinterziehung strafbar. Die Bestimmungen des Allgemeinen Teils des StGB sind gemäss Art. 333 Abs. 1 und 3 StGB beim DBG und bei Übertretungen im StHG bzw. in den kantonalen Steuergesetzten gemäss Hinweis im kantonalen Recht subsidiär anwendbar. Dies kann dazu führen, dass bei Geringfügigkeit von Schuld und Taterfolg von einer Bestrafung abgesehen wird (Art. 52 i.V.m. Art. 333 Abs. 1 StGB). 0.5 Punkte 1 Zusatzpunkt 5 Prof. Dr. Andreas Donatsch 4. AUFGABE Strafbarkeit von Viktor 5.5 Punkte Passive Privatbestechung nach Art. 4a Abs. 1 lit. b i.V.m. Art. 23 UWG Viktor könnte sich dadurch, dass er die Weinflaschen annimmt und nicht weitergibt, der Privatbestechung nach Art. 4a Abs. 1 lit. b i.V.m. Art. 23 UWG strafbar gemacht haben. Objektiver Tatbestand: Adressaten der passiven Bestechung nach Art. 4a Abs. 1 lit. b i.V.m. Art. 23 UWG sind Arbeitnehmer, Gesellschafter, Beauftragte oder andere Hilfspersonen Dritter im privaten Sektor. Vorliegend ist Viktor mit der Verwaltung der Liegenschaften von Esther betraut worden. Er ist folglich als Beauftragter im privaten Sektor zu qualifizieren und kommt als Täter in Frage. Die Anwendung des Tatbestandes setzt zudem ein Wettbewerbsverhältnis im Sinne des UWG voraus. Ein solches liegt vor. Erforderlich ist sodann ein Treueverhältnis zwischen der Person, welche Ziel der passiven Bestechung sein kann und dem Dritten. Vorliegend besteht zwischen Viktor als Beauftragtem und Esther als Auftraggeberin ein Treueverhältnis. Die Tathandlung besteht entweder im Fordern, Sich-Versprechen-Lassen oder Annehmen des ungebührenden Vorteils. Viktor nimmt 12 Flaschen eines teuren Bordeaux-Weines an und erfüllt somit die Tathandlung. Der nicht gebührende Vorteil kann in jeder Leistung materieller oder immaterieller Natur bestehen, die den Adressaten besser stellt. 12 Flaschen eines teuren Bordeaux-Weines gelten als Vorteil materieller Natur. Der nicht gebührende Vorteil muss im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Bestochenen angeboten werden. Es muss also ein funktionaler Zusammenhang vorliegen. Die Vergabe der Arbeit steht in einem klaren funktionalen Zusammenhang zur Tätigkeit des Viktor als Vermögensverwalter. Weiter wird vorausgesetzt, dass der Täter den Vorteil für eine bestimmte Tätigkeit anbietet, dass also zwischen Leistung und Gegenleistung ein Äquivalenzverhältnis besteht. In casu gibt Gustav dem Viktor die Flaschen, damit jener ihn als Gärtner berücksichtigt. Ein Äquivalenzverhältnis ist folglich gegeben. Schliesslich muss der Vorteil für eine pflichtwidrige oder eine im Ermessen stehende Handlung oder Unterlassung angeboten werden. Es steht im Ermessen von Viktor, welchen Gärtner er mit der Pflege der Umgebung der Liegenschaften jeweils beauftragt und der Vorteil wurde für eben diese Vergabe angeboten. Ausnahmetatbestände: Gemäss Art. 4a Abs. 2 UWG fällt ein geringfügiger, sozial üblicher Vorteil nicht unter den Tatbestand der Privatbestechung. Das betreffende Verhalten ist nicht tatbestandsmässig, wenn die Vorteilszuwendung allgemein toleriert wird und überdies von geringem Wert ist. Diese beiden Kriterien sind für den Ausschluss der Tatbestandsmässigkeit kumulativ erforderlich. Die 12 teuren Bordeaux-Flaschen übersteigen jedoch den üblichen Umfang von geschäftlichen Weihnachtsgeschenken von ein bis zwei Weinflaschen. 3.5 Punkte Auch ein von Dritten vertraglich genehmigter Vorteil fällt nicht unter den Tatbestand der 6 Prof. Dr. Andreas Donatsch Privatbestechung (vgl. Art. 4a Abs. 2 UWG). Eine konkludente Genehmigung ist möglich. Viktor hat zwar der Eigentümerin der Liegenschaften gesagt, dass er ein bis zwei Flaschen Wein von Gustav erhalte, allerding entspricht dies nicht der tatsächlichen Anzahl von 12 Flaschen. Somit konnte Esther – wenn überhaupt – den Vorteil lediglich in Bezug auf die beiden, ihr bekannten Flaschen genehmigen. Der objektive Tatbestand ist daher erfüllt. Subjektiver Tatbestand: Es ist Vorsatz i.S. von Art. 12 Abs. 2 i.V.m. Art. 333 Abs. 1 StGB erforderlich (Punkte für die Prüfung des Vorsatzes wurden nur bei Aufgabe 2 verteilt). Viktor nimmt die ihm anerbotenen Weinflaschen wissentlich und willentlich entgegen und handelt dementsprechend vorsätzlich. 1 Punkt Rechtswidrigkeit und Schuld: Es sind keine Rechtfertigungs- oder Schuldausschlussgründe ersichtlich. Fazit: Viktor erfüllt die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 4a Abs. 1 lit. b UWG. Ausschlussgründe gemäss Art. 4a Abs. 2 UWG sind hingegen nicht gegeben. Mithin macht sich Viktor der passiven Privatbestechung gemäss Art. 4a Abs. 1 lit. b i.V.m Art. 23 UWG strafbar. 7
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