Tiergesundheit Klauenbad: Was ist erlaubt – und hilft auch? Der Streit um den Einsatz von Klauenbädern ver- unsichert viele Landwirte. Tierärztin Dr. Andrea Fiedler sagt, was zugelassen und praxistauglich ist. E twa die Hälfte aller Lahmheiten wird durch infektiöse, also ansteckende Klauenerkrankungen verursacht. Den Löwenanteil nimmt dabei die digitale Dermatitis (Mortellarosche Krankheit) ein. Eine Behandlung ist nur mit Arzneimitteln möglich. Neben der Einzeltierbehandlung mit Arzneimitteln kann auch eine „allgemeine veterinärhygienische Desinfektion“ an der Klaue die Erreger reduzieren. Dies ist vergleichbar mit dem Zitzendippen, das keine Mastitis heilen, aber verhindern kann. Was ist erlaubt? Klauenbäder sind meist in den Treibgängen der Kühe platziert. R 26 top agrar 5/2011 Allerdings ist zuletzt ein Streit entbrannt, welche Substanzen bei Klauenbädern eingesetzt werden dürfen und welche nicht. Bundesweit anerkannt für den Einsatz ist inzwischen der DLG-Leitfaden, der in Zusammenarbeit mit dem niedersächsischen Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit erstellt wurde. Demnach dürfen bei lebensmittelliefernden Tieren grundsätzlich nur zugelassene „Fertigarzneimittel“ eingesetzt werden. Diese enthalten ausschließlich für die Tierart „Rind“ genehmigte Rohstoffe, hierfür gibt es eine „Positivliste“. Durch die Verwendung zur Linderung, Heilung und Vorbeuge von Krankheiten werden auch alle weiteren Produkte automatisch per Gesetz zum „Arzneimittel“. Die Arzneimittelfirmen müssen unter großem Aufwand die Verträglichkeit, Wirksamkeit und Einhaltung von Rückstandshöchstmengen in den tierischen Lebensmitteln überprüfen und festlegen lassen. Derzeit gibt es in Deutschland allerdings kein für die Mortellaro-Behandlung zugelassenes Fertigarzneimittel für Klauenbäder. Es gibt aber eine Reihe von Fertigarzneimitteln (z. B. Sprays, An- Acht von zwölf Klauenpflegemitteln sind bei dem DLG-Test durchgefallen. Sie haben entweder massive Hautrötungen ausgelöst oder Korrosionsschäden an den Testblechen aus verzinktem Stahl verursacht. Fotos: DLG (2), Werkbild tibiotika, Salben) für die Einzeltierbehandlung. Wenn jedoch die zugelassenen Produkte nicht helfen und/oder aus tierschützerischen Gründen umgehend eine große Anzahl von Tieren behandelt werden muss, gilt der Therapienotstand. Dabei kann der Tierarzt eine „Umwidmung“ vornehmen. So darf er entweder Fertigarzneimittel, die für andere lebensmittelliefernde Tiere zugelassen sind, für Rinder verwenden. Oder er darf genehmigte Rohstoffe auf Rezept aus einer öffentlichen Apotheke einsetzen. Dazu zählen z. B. Kupfer- und Zinksulfat sowie Formalin. Der Tierarzt selbst darf keine Rohstoffe vorrätig haben. Ein Bezug dieser Rohstoffe aus dem Chemikalienhandel ist nicht möglich. Beim Einsatz dieser Produkte und Rohstoffe muss automatisch eine Wartezeit von 7 Tagen auf Milch und 28 Tagen auf Fleisch eingehalten werden. Neben diesen Produkten gibt es noch die Reinigungs- und Pflegemittel, die jeder Landwirt einsetzen darf. Die Produkte dürfen keine apothekenpflichtigen Stoffe enthalten und nur äußerlich am Tier angewendet werden. Kupfer- und Zinksulfat dürfen hier zur Hornhärtung und Desinfektion als Rezepturklauenbäder nur vom Tierarzt verordnet werden. Wenn mit den Reinigungs- und Pflegemitteln Keime bekämpft werden sollen (Desinfektion), zählt das als veterinärhygienische Maßnahme. Hierfür wurde eigens eine Produktgruppe geschaffen, die dem Biozidgesetz untersteht. Im Rahmen der Produktgruppe P3 können die Hersteller Fertigprodukte, die entsprechend genehmigte Rohstoffe enthalten, bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) als Biozide registrieren lassen. Sie dürfen ausschließlich zur Verbesserung der Hygiene eingesetzt werden. Einige Erreger der digitalen Dermatitis bohren sich so tief in die Haut, dass sie durch oberflächliche Desinfektion nicht bekämpft werden können. Die Desinfektion verhindert allerdings die erneute Infektion. Sie kann so, kombiniert mit der gezielten arzneilichen Behandlung, das Krankheitsgeschehen kontrollieren. Die Biozid-Hersteller haben eine Registrierung bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin vornehmen lassen und sind verpflichtet, Angaben über z. B. Wirkstoffe und Konzentration auf den Verpackungen anzugeben. Vier Produkte zu empfehlen Allerdings gab es bisher keinerlei Qualitätsstandards für Klauenpflegemittel. Die DLG hat deshalb das Qualitätssiegel für Mittel zur Klauenpflege und Klauenhygiene eingeführt. Eine Prüfungskommission aus Landwirten, Klauenpflegern, Fachberatern, Tierärzten und Technikern hat Vorschriften für „Klauenpflegemittel“ und „Klauenpflegemittel mit desinfizierender Wirkung“ erarbeitet. Das Zertifizierungsverfahren umfasst u. a. folgende Kriterien: 1.Desinfizierende Wirksamkeit; 2.Hautverträglichkeit; 3.Beeinflussung der Eigenschaften des Klauenhorns; 4.Materialverträglichkeit. Bis jetzt haben erst vier Produkte dieses Siegel erhalten (Übersicht 1). Acht weitere Anwärter konnten die Anforderungen nicht erfüllen. Sie haben entweder massive Hautrötungen oder gravie- rende Korrosionsschäden an den Test- blechen aus verzinktem Stahl verursacht, oder es konnte keine desinfizierende Wirkung nachgewiesen werden. Wichtig: Der Einsatz dieser Produkte kann nur Sinn machen, wenn die Klauen vorher gereinigt werden. Bei Badlösungen könnten die Klauen im Melkstand abgespült werden. Dies ist aber nicht empfehlenswert, da das Wasser die Tiere einerseits vermehrt zum Abkoten anregt und möglicherweise Unruhe im Melkstand entsteht, andererseits werden so die auslösenden Keime regelrecht versprüht. Besser ist ein vorgeschaltetes Klauenbad mit Wasser vor der eigentlichen Lösung. Gut umsetzbar ist die Klauenreinigung auch in modernen Klauenreinigungsanlagen. Das Wichtigste im Überblick Es gibt zur Zeit in Deutschland kein zur Bekämpfung von Mortellaro zugelassenes Fertigarzneimittel für Klauenbäder. Bei einem Therapienotstand darf der Tierarzt andere Arzneimittel umwidmen oder verordnen. In diesem Fall wären dann auch Kupfer- und Zinksulfat sowie Formalin mit entsprechender Wartezeit möglich. Biozid-Produkte dürfen generell nicht zur Behandlung oder Prophylaxe von Klauenerkrankungen eingesetzt werden, sondern nur zu einer allgemeinen Desinfektion der Klaue. Sie müssen eine Zulassungsnummer tragen. Klauenpflegemittel mit DLG-Siegel Produktname HoofSmart Bath Hyguard Hoofstep Inciprop Hoof D Desintec Klauenbad Spezial Firma Ecolab Deutschland GmbH Ecolab Deutschland GmbH Ecolab Deutschland GmbH Agravis Raiffeisen AG Bisher haben vier Produkte das DLGSiegel erhalten. top agrar 5/2011 R 27
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