Jörg Plesse zur Nachfolgeplanung „Sie müssen ein virtuelles Massensterben in der Familie auslösen“ Welche Irrtümer, Risiken und Tücken gibt es in der Nachfolgeplanung? Jörg Plesse, Erb- und Stiftungsmanager sowie Unternehmerberater erklärt worauf geachtet werden sollte. private banking magazin: Wie steigt man als Berater am besten beim Kunden in die Nachfolgeplanung ein? Jörg Plesse: Wie reagiert mein Gegenüber, wenn ich ihn auf seinen eigenen Tod anspreche? Die meisten Menschen sind abergläubisch. Wenn Sie fragen, stellen Sie sich vor, was passieren würde, wenn Sie heute sterben, dann verkrampfen die Menschen aus unterschwelliger Angst heute zu sterben innerlich. Sie können aber befreiter darüber sprechen, wenn sie ihren Tod eine Woche in die Vergangenheit schieben. Denn diesen Zeitpunkt haben sie erfolgreich überlebt und können entspannt darüber sprechen. Wo liegen die Hauptquellen für Fehler? Plesse: Die persönlichen Verhältnisse werden häufig nicht richtig vom Berater erfasst, also wer zu wem gehört. Das hat mehrere Gründe, viele fragen ungern danach. Wenn Sie nach unehelichen Kindern fragen, glauben nicht wenige Berater, sie unterstellten ihren Kunden damit Ehebruch oder ähnliches. Insbesondere bei längeren Kundenbeziehungen gibt es eine Akte und das wird einfach blind übernommen ohne nachzufragen. Ich bekomme viele Mandate über Bankberater und schaue mir die Akte vor dem Erstgespräch nie an. Sie wissen anfangs nichts über Ihre neuen Kunden? Plesse: Ich will unbeeinflusst und unbelastet ins Gespräch hineingehen. Ich sage deshalb dem Kunden, ich habe mich bewusst im Vorfeld nicht mit Ihnen beschäftigt, ich brauche alle wichtigen Infos direkt von Ihnen, so werden keine Fehlinformationen übernommen und ich bin in der Lage auf die Zwischentöne im Gespräch zu achten. Manchmal erkennen Sie allein durch die Tonlage, was dem Kunden besonders wichtig ist. Können Kunden nicht formulieren, was ihnen wichtig ist? Plesse: Es muss auch richtig gefragt werden. Der Kunde macht sich nur Gedanken, wer soll das Vermögen bekommen, wenn ihm etwas passiert. Das kann er noch halbwegs gut artikulieren. Aber was passiert, wenn jemand, der erben soll, vorher stirbt? Im Prinzip müssen Sie beim Kunden mit Informationen für Wealth Manager: www.private-banking-magazin.de Aus der Branche • Personen • Märkte • Produkte • Recht & Steuern • Das Beste im Netz © Edelstoff Verlagsgesellschaft mbH Fingerspitzengefühl ein virtuelles Massensterben auslösen. Auch die unwahrscheinlichen Fälle müssen Sie abklopfen, wenn etwa mehrere Familienmitglieder gleichzeitig durch einen Unfall ums Leben kommen. Da gibt es prominente Beispiele von Testamenten, die dann zu Folgen führten, mit denen niemand gerechnet hat. Haben Sie uns dafür ein Beispiel? Plesse: Ostmann-Gewürze ist so ein Fall. 1983 verunglückte eine Hauptgesellschafterin des Ostmann-Konzerns mit dem Auto. Ihre Töchter waren mit im Auto. Eine der Töchter starb zeitgleich mit Ihrer Mutter beim Unfall. Die andere Tochter überlebte ihre Mutter nur um ein paar Stunden. Dadurch erbte zunächst die Tochter und danach deren Vater und damit der Ex-Mann. Der wurde dadurch Mitgesellschafter, sehr zum Ärger der Familie. Das hätte man bei richtiger Beratung problemlos verhindern können. Ein weiteres Beispiel: Ein Kunde will nach dem Tod der Frau, dass deren Erbe gleich auf die Tochter übergeht. Der Berater empfiehlt ihm eine Erbausschlagung, versäumt aber nachzufragen, ob die Tochter wirklich von der verstorbenen Ehefrau war. Am Ende ging das Erbe an entfernte Verwandte, weil der Mann die Tochter mit in die Ehe gebracht hatte und sie nach der Ausschlagung natürlich nicht erbberechtigt war. Das sind ja unglaubliche Fehler. Plesse: Das sind besonders krasse Beispiele, aber eine Statistik von Allensbach behauptet, dass rund 80 Prozent der Testamente in Deutschland mangelhaft sind. Das entspricht auch meiner Praxiserfahrung. Sie sind entweder handwerklich schlecht gemacht, so wird selbst in manchen notariellen Testamenten nicht mal richtig zwischen Erbe und Vermächtnisnehmer unterschieden. Oder sie waren einmal gut, aber passen einfach nicht mehr zur aktuellen Lebenssituation. Brauchen wir einen Testaments-Tüv? Plesse: Das ist eine gute Idee, aber schlecht umsetzbar. Darum muss sich jeder selbst kümmern. Deshalb empfehle ich jedem, einmal im Jahr einen festen Termin zu machen, in dem man alle wichtigen Dokumente, also unter anderem Testament, Ehevertrag, Gesellschaftsverträge, Vollmachten und Patientenverfügung in Ruhe durchliest. Dabei sollte man sich die folgenden drei Fragen stellen und beantworten: 1. Passt das noch zu unserer Informationen für Wealth Manager: www.private-banking-magazin.de Aus der Branche • Personen • Märkte • Produkte • Recht & Steuern • Das Beste im Netz © Edelstoff Verlagsgesellschaft mbH Lebenssituation? 2. Ist das noch das was ich will? 3. Verstehe ich das auch alles noch? Bei dreimal Ja setzen Sie einen neuen Termin in einem Jahr fest. Zweifeln Sie auch nur an einer Antwort, brauchen Sie eine neue Beratung. Etwa alle fünf Jahre ist es sinnvoll, auch einen Fachmann zu Rate zu ziehen. Bei der Erstellung würde ich immer zwei unabhängige Berater hinzuziehen. Berater müssen aber doch bei diesem Themen darauf achten, das Rechtsdienstleistungsgesetz nicht zu verletzen. Wie ist das in der Praxis? Plesse: Das ist ein Riesenproblem. Individuelle Rechtsberatung ist verboten, das dürfen nur Rechtsanwälte und Notare. Hier müssen Berater sehr aufpassen, Grenzen definieren und sie nicht überschreiten. Sie sollten in einem Netzwerk mit Steuerberater, Rechtsanwalt und Notar arbeiten und diese frühzeitig mit einbinden. Leider ist die Qualität der Nachfrageberatung hierzulande eher mäßig. Viele Berater, das gilt zum Teil auch für Rechtsanwälte und Notare, haben ganz andere Schwerpunkte und sind einfach nicht darauf spezialisiert. Gibt es Trends in der Nachfolgeberatung? Plesse: Es wird immer größeres Vermögen vererbt. Häufig soll großes Immobilienvermögen an mehrere Kinder übertragen oder vererbt werden. Dabei gestaltet sich die Aufteilung häufig schwierig. Die Lösung heißt dann oft Familiengesellschaft. Das ist ein sehr aufwändiger Prozess, der ein Jahr dauern kann. Meist sind es mehr als eine Handvoll Betroffene und die Familie braucht Zeit sich zu einigen. So muss unter anderem die Rechtsform entschieden werden, wie der Gesellschaftsvertrag aussehen soll und es muss darauf geachtet werden, dass keine Grunderwerbssteuer anfällt. Hier liegt ein sehr hoher Abstimmungsbedarf. Begüterte Familien, die ein Family Office haben, können sich aber darauf verlassen, dass das Family Office all diese Fragen regelt? Plesse: Nein, meistens nicht. Die meisten Multi Family Offices kümmern sich nach meiner Erfahrung nur sehr rudimentär bis gar nicht um das Feld der Nachfolgeplanung. Bisweilen beschränkt sich das auf die Frage, ob schon ein Testament vorliegt. Family Offices werden hier zu hoch eingeschätzt. Das ist aber auch kein Wunder, denn die meisten Mitarbeiter der Multi Family Offices haben einen Hintergrund aus dem Private Banking oder Wealth Management einer Bank, das heißt sie fühlen sich nur im Wertpapiergeschäft zu Hause. Die beraten dann ja meist auch nur das liquide Vermögen. Informationen für Wealth Manager: www.private-banking-magazin.de Aus der Branche • Personen • Märkte • Produkte • Recht & Steuern • Das Beste im Netz © Edelstoff Verlagsgesellschaft mbH Über den Autor: Jörg Plesse ist Erb- und Stiftungsmanager mit mehr als 15 Jahren Berufspraxis. Er hat aus seiner Tätigkeit bei mehreren Privat- und Regionalbanken langjährige Erfahrung in den Bereichen Family Office, Wealth Management und Unternehmensnachfolgeberatung. Daneben arbeitet er als freiberuflicher Dozent und Fachbuchautor. Dieser Artikel erschien am 21.04.2016 unter folgendem Link: https://www.private-banking-magazin.de/joerg-plesse-zur-nachfolgeplanung--sie-muessen-ein-virtuelles-massensterben-in-der-familie-ausloesen-14 61222511/ Informationen für Wealth Manager: www.private-banking-magazin.de Aus der Branche • Personen • Märkte • Produkte • Recht & Steuern • Das Beste im Netz © Edelstoff Verlagsgesellschaft mbH Powered by TCPDF (www.tcpdf.org)
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