Stellungnahme der FWV zum Haushaltsplan 2016 Andre Gide wird folgendes Zitat zu geschrieben: “Es entspricht einem Lebensgesetz: Wenn sich eine Tür vor uns schließt, öffnet sich eine andere. Die Tragik ist jedoch, dass man auf die geschlossene Tür blickt und die geöffnete nicht beachtet“. Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Scholz, sehr geehrte Frau Bürgermeisterin Dr. Mösel, sehr geehrter Herr Kaufmann meine sehr verehrten Damen und Herren im Gemeinderat und sehr geehrte Bürgerinnen und Bürger, mit dem eingangs zitierten Spruch möchten wir unsere Haushaltsrede beginnen und auf die Situation in unserer Stadt blicken. Im vergangenen Jahr wurden wir von drei schwerwiegenden Ereignissen getroffen. Der VWAbgasskandal und die damit einhergehenden ausfallenden Gewerbesteuereinnahmen haben unseren Haushalt direkt getroffen. Die Nachricht über den Weggang der Lidl Deutschland Zentrale nach Bad Wimpfen wird den Haushalt ab 2019 treffen und die unsichere Lage und die nicht vorhersehbaren Folgen der Flüchtlingssituation wird uns nicht nur finanziell treffen, sondern wir müssen auch Rahmenbedingungen schaffen, dass den vor Krieg, Terror und Gewalt geflohenen Menschen, hier eine neue Bleibe gewährt werden kann. Drei Türen scheinen geschlossen zu sein. Diese drei Themen waren es, die unser Handeln der letzten Monate bestimmt haben und in Zukunft bestimmen werden. Mit der Einrichtung einer HH-Sicherungsrücklage haben wir schon vor einigen Jahren begonnen für so genannte „schlechte Zeiten“ vorbereitet zu sein. Diese Zeiten sind jedoch schneller eingetreten, als wir bisher geahnt und gehofft hatten. Unter dem Leitwort der Trendumkehr haben wir uns bereits in den vergangenen beiden Jahren mit unserer finanziellen Situation auseinander gesetzt. Und mit der Bildung einer Haushaltskommission haben wir begonnen die Sensibilität und den kritischen Umgang mit unseren Finanzen anzustoßen. Wir werden alle unsere Aufgaben, die wir seither für den Bürger durchführen, auf den Prüfstand stellen. Wir haben angefangen bei den Gebühren, die in vielen Bereichen sehr moderat sind bzw. waren, Erhöhungen vorzunehmen. Dies alles ist erst ein Anfang, den wir aber konsequent fortsetzen müssen. Wir Stellungnahme FWV zum HH 2016 Seite 1 müssen in kontinuierlichen Prozessen unsere Ausgaben- und Einnahmensituationen betrachten. Wenn wir den Haushalt 2016 betrachten, dann müssen wir auf der Ausgabenseite im Personalbereich einen Betrag von rund 30,6 Mio. aufwenden. Im Verwaltungs- und Betriebsaufwand haben wir 42,7 Mio. angesetzt. Und wenn wir uns in diesem Bereich zum Beispiel einmal die Aufwendungen für Heizung, Energie und Wasser anschauen, dann müssen wir feststellen, dass wir hier trotz der Einführung eines Energiekoordinators noch keine Einsparungen erkennen können. Aus diesem Grund bitten wir die Verwaltung uns in diesem Jahr, möglichst noch vor den Sommerferien, einmal aufzuzeigen bei welchen Gebäuden und Liegenschaften welche Energiekosten anfallen und welches Einsparpotenzial vorhanden ist. Ebenso bitten wir darum, dass uns aufgezeigt wird, welche Maßnahmen und Konzepte zur Energieeinsparung vorgesehen sind und bis wann diese umgesetzt werden können. Im Rahmen der Reduzierung von Personalkosten, müssen wir unbedingt bei den „natürlichen Fluktuationen“ betrachten, welche Aufgaben zukünftig entfallen können und wie durch organisatorische Veränderungen diese Personalkosten reduziert werden können. Wir möchten an dieser Stelle jedoch besonders hervorheben, dass wir keine Betriebsbedingten Kündigungen aussprechen wollen. Aber dass wir in einem fortlaufenden Prozess uns einer permanenten Aufgabenkritik stellen müssen. Neben Gebührenerhöhungen müssen sich auch unsere Bürgerinnen und Bürger zukünftig darauf einstellen, dass bestimmte Aufgaben, die keine Pflichtaufgaben sind, durch die Stadt, den Bauhof oder durch die Verwaltung nicht mehr geleistet werden können. Zukünftig müssen wir unser Augenmerk auch darauf richten, dass die Erschließung neuer Einnahmequellen bzw. durch das Ausschöpfen vorhandener Einnahmequellen die Einnahmenseite verbessert wird. Dazu gibt es aus unserer Sicht mehrere Stellschrauben. Hier ein paar Beispiele die keinen Anspruch auf Vollständigkeit haben. Beispiel Sanierungsgebiete: hierbei müssen wir unbedingt darauf achten, dass mögliche Zuschüsse von Bund oder Land ausgeschöpft werden, oder bei den sozialen Diensten im Bereich der Flüchtlingsthematik; darauf achten, dass bei neuen Aufgaben, die vom Land oder Bund bezuschusst werden, auch rechtzeitig Förderanträge gestellt werden, oder Interkommunale Zusammenarbeit mit Nachbarkommunen; allein am Beispiel Aquatoll, obwohl dies in der Bevölkerung hohe Wellen geschlagen hat, können wir erkennen, dass Stellungnahme FWV zum HH 2016 Seite 2 durch die Zusammenarbeit mit Nachbarkommunen finanzielle Vorteile – für beide Seiten – generiert werden können; So können wir uns auch vorstellen, dass durch die Zusammenarbeit mit Nachbarkommunen gemeinsame Gewerbegebiete angegangen werden. Im Flächenutzungsplan, der im Moment in der Anhörung und im Werden ist, haben wir ja bereits ein Gebiet zusammen mit Erlenbach ausgewiesen. Hierbei müssen wir darauf achten, dass wir nicht nur die Erschließung des Gebietes vorantreiben, sondern dass wir daraus auch einen finanziellen Vorteil für uns ziehen. Allein an diesen wenigen Beispielen zeigt es sich, dass es immer wieder auch offene Türen gibt, die es gilt zu erkennen und zu nutzen. Für viele Wohnungssuchende bzw. Bauwillige scheint die Tür zu neuem Wohnraum in Neckarsulm verschlossen zu sein. Obwohl wir im vergangenen Jahr fast alle Bauplätze in Amorbach verkauft haben, scheint der Wohnungsbau bei uns zu ruhen. Wir möchten an dieser Stelle dem Amt für Stadtentwicklung für die enorme Leistung beim Verkauf der Grundstücke in Amorbach ein Lob aussprechen für die transparente, fachgerechte und vorbildliche Darstellung. Dennoch wissen wir aus Gesprächen mit bauwilligen Familien, mit Menschen die in Neckarsulm ansässig werden wollen und von Bürgern, die sich wohnlich verändern wollen, dass hier ein enormer Mangel an Grundstücken herrscht. Hier sind wir als Gemeinderat und auch die Verwaltung gefordert entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen, damit wir diesen Anfragen gerecht werden können. Wir bitten darum aufzuzeigen, welche Möglichkeiten bestehen neben dem FNP-Verfahren den Bebauungsplan parallel dazu aufzustellen und entsprechend auch umzusetzen. Unser Augenmerk richtet sich nicht nur auf die Erschließung von Neubaugebieten. Auch die Innenentwicklung ist für uns vorrangig voranzutreiben. Nach wie vor ist das Sanierungsgebiet zwischen der Heilbronnerstraße, der Binswangerstraße und Karlstraße nicht überplanbar. Im Ortskern von Dahenfeld haben wir die Voraussetzungen geschaffen, dass sich dort Perspektiven für eine Wohnbebauung ergeben. So können wir es uns auch in Obereisesheim im Gebiet Freibrunnen vorstellen. Neben bezahlbarem Wohnraum in Miete oder Eigentum für unsere Bürger muss auch für die Anschlussunterbringung der Asylbewerber entsprechender Wohnraum geschaffen werden. Wir sind der Meinung, dass wir hier nicht direkt in den Wohnungsbau einsteigen sollen, sondern dass wir die Rahmenbedingungen aufstellen müssen, damit private Bauträger diesen Stellungnahme FWV zum HH 2016 Seite 3 dann erstellen und vermarkten können. Hier sind Gespräche mit Wohnbauträgern zu führen mit dem Ziel, diesen erforderlichen Wohnraum kurzfristig und zeitnah umzusetzen. Beim Erstellen der Bebauungspläne für die Erschließung neuer Wohngebiete, müssen wir auch darauf achten, dass wir mit den wenigen freien Flächen Ressourcen schonend umgehen. Das heißt für uns, dass wir unbedingt auch mehrgeschossigen Wohnungsbau in die Planungen mit aufnehmen müssen. Auch wenn die Tür für Investitionen im Bereich des Straßenbaus bzw. der Straßensanierung geschlossen sein mag, so dürfen wir dennoch die Sanierung von bestehenden Straßen nicht vernachlässigen. Wir sollten uns eine Prioritätenliste erstellen aus der der Sanierungsbedarf der einzelnen Straßen ersichtlich ist. Dabei denken wir insbesondere an die Friedrichstraße (zwischen Kreisel am St. Paulus und der Johannes Häußler Schule), an die Nordstraße in Obereisesheim und an die Neuenstädter Straße. In der Neuenstädter Straße soll neben der Verbesserung der Verkehrssicherheit auch die Verringerung der Lärmbelästigung das Ziel sein. Dass wir nicht alle Wünsche auf einmal erfüllen können, auch im Hinblick auf unsere Haushaltslage ist für uns klar, dennoch sollten wir eine Liste dieser Maßnahmen aufstellen und entsprechend priorisieren. Beim Anschluss der B27 an die Binswangerstraße sehen wir im Moment noch Diskussionsbedarf. Dass dieser Anschluss verkehrstechnische Verbesserungen bringen kann, das können wir nachvollziehen. Der Anschluss macht aber nur dann Sinn, wenn gleichzeitig die B27 vierspurig ausgebaut wird. Wann dieser Ausbau jedoch kommt, das können wir noch nicht erkennen, selbst wenn sich Bundes- und Landtagsabgeordnete dafür stark machen. Was uns aber auch erschreckt und überrascht hat, sind die Dimensionen, die dieses Bauwerk nun annehmen soll. Dimensionen in der Größe, Breite und Anzahl von Fahrspuren, der Aufwand für Lärmschutz und dann auch die finanziellen Dimensionen geben diesem Projekt einen großstädtischen Charakter. Und wir müssen uns wirklich fragen, kann es nicht auch eine Nummer kleiner gehen. Wir möchten auf die Sanierung der Tiefgaragen unter dem Kolpingparkdeck und in der Sonnengasse hinweisen. Hier kann sicherlich mit relativ wenig Aufwand die Attraktivität des Parkraums gesteigert werden. Ebenso ist die Einzeichnung der Parkierung mit wenig Aufwand machbar. Wir bitten dabei die Breite der Parkplätze den Erfordernissen der immer breiter werdenden Fahrzeugen entsprechend anzupassen. Stellungnahme FWV zum HH 2016 Seite 4 Auch im Hochbaubereich scheinen Türen für Investitionen verschlossen zu sein. Aber auch hier sehen wir, zumindest bei den Pflichtaufgaben im KiTa-Bereich durchaus auch offene Türen, die es ermöglichen weitere KiTa-Plätze anzubieten. Wir sollten dabei alle Fördermöglichkeiten und zinsgünstige Darlehen, die der Bund und das Land zur Verfügung stellen, ausschöpfen. Unsere Unterstützung haben sie, wenn es darum geht diese Investitionen mit Krediten zu finanzieren. Aber das Errichten von weiteren KiTa-Plätzen ist das Eine. Wir müssen diese Plätze auch betreiben und mit Leben füllen. Dass der Arbeitsmarkt für Erzieher und Betreuungskräfte nahezu ausgeschöpft ist, ist uns bewusst. Wir sollten deshalb auch untersuchen ob durch Qualifizierungs- und Umschulungsmaßnahmen von Kräften aus der Kernzeitbetreuung und durch weitere Ausbildungsplätze im Bereich der integrierten Ausbildung diese Fachkräfte selbst herangezogen werden können. Als Schulträger müssen wir für eine gute Ausstattung unserer Schulen sorgen. Durch den kompletten pädagogischen Wandel im Bildungsbereich mit Ganztagesschule, Gemeinschaftsschule und anderen Schulformen ist die Planung und Vorhaltung von Bildungseinrichtungen zu einer schwierigen Aufgabe geworden. Aus diesem Grund haben wir für alle Schulen in Neckarsulm eine Strukturuntersuchung in Auftrag gegeben. Das Ergebnis erwarten wir im Laufe des ersten Halbjahres. Daraus ergeben sich weitere Handlungsfelder in denen wir als Schulträger investieren müssen. Neben der Sanierung von bestehenden Gebäuden müssen wir sicherlich auch mit Erweiterungen rechnen. Auch die Zunahme der Schülerzahlen in den einzelnen Schularten zwingt uns zum Handeln. Auch hier heißt es Prioritäten setzen. Das Lehrschwimmbecken in Obereisesheim mit seinem Sanierungsaufwand von mehr als 600.000 Euro hat für uns nicht die erste Priorität. Denn für dieses Lehrschwimmbecken können wir Alternativen anbieten, die es gilt anzunehmen und umzusetzen. Wir sind der Meinung, dass das schwierigste Aufgabengebiet in unserer kommunalen Arbeit zurzeit die Flüchtlingsthematik darstellt. Fast wöchentlich werden unsere Fachämter und die Verwaltung mit neuen Zahlen, Daten und Fakten konfrontiert. Durch organisatorische Maßnahmen innerhalb der Verwaltung können neu hinzugekommene Aufgaben angegangen und bewältigt werden. Das bedarf hierbei eines besonderen Einsatzes, den wir anerkennen und auch würdigen. In einer Sondersitzung Anfang März werden wir uns weiter mit dieser Thematik befassen. Wir finden es richtig, dass wir zunächst in nichtöffentlicher Sitzung die Grundlagen für das weitere Vorgehen schaffen. Aber wir erachten es genauso wichtig, dass Stellungnahme FWV zum HH 2016 Seite 5 wir danach umgehend die Bürgerinnen und Bürger über Vorgehensweise und Ergebnis unterrichten. Dabei sollten wir, wie auch in anderen Fällen bereits geschehen, auf alle Informationsmedien (Neckarsulm Journal, HN-Stimme, Internet etc.) zurückgreifen. Auch Informationsveranstaltungen können zur sachgerechten Darstellung der Situationen beitragen. Bei den Stadtwerken bitten wir im Laufe des Jahres einmal zu prüfen, ob das Wasserkonzept, das in Obereisesheim umgesetzt wurde, auch für die Kernstadt in Neckarsulm und die Stadtteile Amorbach und Dahenfeld umgesetzt werden kann. Beim Eigenbetrieb Aquatoll werden wir in diesem Jahr noch die Untersuchungen für die technische Erneuerungen und den Sanierungsbedarf vorgestellt bekommen. Und danach werden wir die entsprechenden Entscheidungen zu treffen haben. Mit dem Stadtentwicklungsprozess 2030 haben wir vor einigen Jahren eine Tür geöffnet, die im Moment geschlossen erscheint. Anfang Juni werden wir in einer Klausurtagung diesen Prozess wieder in Gang setzen und die notwendigen Schritte in ein zukunftsfähiges und attraktives Neckarsulm gehen. Auch wenn unser Tun und Denken zurzeit vornehmlich durch HH-Kommission, HHStrukturdiskussionen und Trendumkehr bestimmt ist, so dürfen wir trotzdem mit Zuversicht in die Zukunft blicken. Und diese Zukunft wird auch durch die beiden Wahlen, die in diesem Jahr stattfinden werden, beeinflusst. Wir bitten alle Wählerinnen und Wähler von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen. Im März wählen wir einen Landtag, der auch einen Teil unserer Kommunalpolitik bestimmt. Und im September wählen wir den Oberbürgermeister unserer Stadt. Durch dessen Politik ist jede Bürgerin und jeder Bürger direkt betroffen. Deshalb ist es für uns wichtig, dass möglichst viele zum Wählen gehen. Zum Schluss unserer HH-Rede gilt unser Dank der Kämmerei für die Vorarbeit bei der Erstellung des Haushaltes. Danken möchten wir auch für das faire und gute Miteinander hier im Gremium und für die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Ihnen Frau Bürgermeisterin Dr. Mösel und Ihnen Herr Oberbürgermeister Scholz. Wir stimmen dem Haushalt 2016 zu. Wir stimmen auch den Wirtschaftsplänen der Stadtwerke und des Aquatoll zu. Stellungnahme FWV zum HH 2016 Seite 6 Und bezogen auf unser Eingangs erwähntes Zitat möchte ich mit einem Appell schließen: Lassen Sie uns gemeinsam die offenen Türen mit kreativen Mitteln erkennen Ich danke für die Aufmerksamkeit. Für die Fraktion der Freien Wähler; JoJo Eble, Ingrid Böhringer, Bernd Kuhn (25.02.2016) Stellungnahme FWV zum HH 2016 Seite 7
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