Reise zum Herzen

Interreligiöser Religionsunterricht
Reise zum Herzen
Erste Fassung erarbeitet von: Wahida Azhari, Ursula Qurechi, Ingrid Razvi.
Weitere vertiefte Überarbeitung von: Suleima Singer und Wahida Azhari
Reise zum Herzen
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
4
Einführung
4
Reise zum Herzen - Unterrichtspraxis
7
Baustein 1: Einstieg am Beispiel einer Geschichte
Intentionen
Ideen zum Unterrichtsverlauf
8
8
8
Material zum Baustein 1
Empfohlene Geschichte für den Impuls “Ich hab dich einfach so lieb”
9
9
Baustein 2: Man sieht nur mit dem Herzen gut...
Intentionen
Ideen zum Unterrichtsverlauf
10
10
10
Material zum Baustein 2
Man sieht nur mit dem Herzen gut
12
12
Baustein 3: Das Herz mit allen Sinnen
Intentionen
Ideen zum Unterrichtsverlauf
Beispiele bildhafter Umsetzung
Weitere Unterrichtsideen
13
13
13
15
16
Baustein 4: Unser körperliches Herz
Intentionen
Ideen zum Unterrichtsverlauf
17
17
17
Baustein 5: Das künstliche Herz
Intentionen
Ideen zum Unterrichtsverlauf
20
20
20
Baustein 6: Unser “Empfindungsherz”
Intentionen
Ideen zum Unterrichtsverlauf
22
22
22
Baustein 7: Der Soldat und der Derwisch - Eine Sufigeschichte
Intentionen
Der Soldat und der Derwisch
Begriffserklärungen
Ideen zum Unterrichtsverlauf
23
23
24
26
26
Baustein 8: Die Verletzbarkeit des Herzens
Intentionen
Klassengespräch
28
28
28
Baustein 9: Selbsthilfeüberlegung und Herzinterview29
Intentionen
Ideen zum Unterrichtsverlauf
Arbeitsblatt 1 - Herzinterview
29
29
30
Reise zum Herzen
Baustein 10: Herznahrung
Intentionen
Ideen zum Unterrichtsverlauf
32
32
32
Baustein 11: Einladung zu einer Herz-Meditation
Intentionen
Ideen zur Durchführung einer Meditation
34
34
34
Baustein 12: Ideen für eine Abschlussstunde
Intentionen
Ideen zum Unterrichtsverlauf
37
37
37
Baustein 13: Projekt Herzausstellung
Intentionen
Ideen zum Projekt
38
38
38
Literaturliste
39
Reise zum Herzen - Material-Anhang
40
Sachinformationen - Das Symbol Herz in den Religionen
Herznahrung aus dem Koran
Herznahrung:Ein Hadith vom Propheten Muhammad s
Der Dhikr
Herznahrung: einige der schönsten Namen Gottes
Herznahrung Christliche Gebete, Gedichte, Sprüche
Herznahrung aus dem Buddhismus
Mantra
Herznahrung aus dem Hinduismus
41
42
43
44
45
46
47
48
49
Sachinformationen - Refexionen
50
Herz im Islam
Die Kaaba - ein Symbol für das Herz
Das Herz in der Mystik
Das Herz als Sitz der Vernunft
Jesus im Koran
Reflexionen üder das Herz als Zeichen
Der Dhikr - eine Herzenspflege
50
52
53
54
55
56
58
Herz im Christentum
Der biblische Gebrauch des Wortes “Herz”
Biblische Sprüche zum Thema “Herz”
59
59
61
Theorie zum Herzen im Buddhismus
Mein inneres Licht
Der Lotus im Herzen - ein Bild für die Reinheit
Die Regenbogenlichtmeditation
Buddhaform Chenrezig
Herz-Surta Text - Das Herz von Prajnaparamita
Herz-Sutra - Ein Ausschnitt aus dem tibetischen Originaltext
Einige Sanskritwörter und ihre Bedeutung
62
70
71
72
73
74
75
76
Das Herz im Hinduismus
Häufige Sanskritausdrücke für “Herz”
Hinduistische Herz-Mantren
Japa
Hinduismus Herzmeditation
77
80
80
84
85
Reise zum Herzen
Vorwort
Dieses umfangreiche Material ist durch die Mitglieder der muslimischen Arbeitsgruppe im Rahmen des „Gesprächskreises Interreligiöser Religionsunterricht“ entstanden.
Wir danken der Unterstützung und Beratung in der Anfangsphase von Ursula Sieg und Marlitt Gress. Imam Mehdi Razvi gab uns wertvolle theologische
Unterweisung und Hilfen.
Gabriele Schörner hat das Herz aus christlicher Sicht im Theorieteil erörtert
und den Praxisteil zum Thema „Herzenspflege und Herzensnahrung“ durch
Psalmen und Worte aus der Bibel bereichert.
Eine zusätzliche Bereicherung zum Herzen aus hinduistischer Sicht verdankt
unser Konzept den Ausführungen von Erlend Pettersson, die für diese Ausgabe erneut überarbeitet wurden.
Das Herz aus der Sicht des Buddhismus liegt wurde von Almut Frankfurt erarbeitet und erweitert die interreligiöse Perspek-tive dieses Unterrichtsmaterials.
Wir danken außerdem Muna Tatari, Mariam Reißmann und Fatima Michlick
für ihre wertvolle Hilfe zum Theorieteil Islam sowie dem Islamischen Wissenschafts- und Bildungsinstitut für den technischen Beistand.
Das Copyright liegt bei Waltraud Wahida Azhari und Sibylle Suleima Singer
Hamburg im April 2009
Kontakt und Information:
Waltraud Wahida Azhari
Kuhgraben 22
22589 Hamburg
040/8704472
Suleima Singer
Zum Bruch 5a
21435 Stelle
04174/650938
Reise zum Herzen
Einführung
Als didaktische Begründung haben wir zwei Gebete von Jugendlichen vorangestellt, die für sich selbst sprechen sollen.
Herzensnöte – aus welchen Gründen auch immer – können jeden Menschen
in jedem Alter betreffen, auch im zarten Kindesalter. Denen soll unser Unterrichtsangebot eine Hilfe sein.
Wir denken, unser Unterrichtspaket, das sich auf Grundschulkinder im Alter
von 8-10 Jahren bezieht, kann durchaus wertvolle Anregung für Erwachsene
und Jugendliche sein und in Workshops bzw. in höheren Schulklassen erprobt
werden.
Unsere Intention ist es, den Schülerinnen und Schülern im Religionsunterricht die Möglichkeit zu geben, eine Reise zur Entdeckung ihrer Innenwelt mit dem Herzen als ihrem Zentrum zu unternehmen. Dabei sollen
sie ihre seelisch-geistige Innenwelt schätzen lernen und sie stärken
können aus dem angebotenen Schatz der Religionen.
Anregung und Hinweis für die Lehrkräfte
Falls Mitschüler einer anderen Religionsgemeinschaft in der Klasse sind, sollte sich die Lehrkraft mit dieser Religionsgemeinschaft zu diesem Thema in
Verbindung setzen und um Unterstützung bitten, damit auf die Schülerschaft
gezielter mit diesem Unterrichtsmaterial gearbeitet werden kann.
Reise zum Herzen
Und plötzlich finde ich Dich wieder:
verschüttet in der Ruine meines Herzens,
aber doch in mir.
Martina Schilling, Deutschland
Ich stehe hier in meinen Jeans
mit geballten Fäusten
und einem gebrochenen Herzen.
Ich schweige und bitte Dich um nichts,
aber halte meinem Blick stand!
Valentina Pantano, Italien
Aus: Beten - Gebete von Jugendlichen aus aller Welt, Pattloch Verlag 2000, S. 113 und 80
Reise zum Herzen
Reise zum Herzen - Unterrichtspraxis
Dieser praktische Teil ist eine Sammlung von Unterrichtsideen
und kann für jede Lerngruppe und Altersstufe passend aufbereitet werden.
Die Sequenzen sind als Bausteine konzipiert,
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die sowohl einzeln unterrichtet werden können,
v
als auch in unterschiedlichen Kombinationen möglich sind.
v
Sie sind Fächer übergreifend einsetzbar.
Erste Fassung erarbeitet von: Wahida Azhari, Ursula Qurechi, Ingrid Razvi.
Weitere vertiefte Überarbeitung von: Suleima Singer und Wahida Azhari.
Das Copyright liegt bei Wahida Azhari und Suleima Singer.
Reise zum Herzen
Baustein 1:
Einstieg am Beispiel einer Geschichte
Intentionen
Die Geschichte von Noris Kern „Ich hab dich einfach so lieb“ soll hineinführen ins Zentrum: in die Liebesfähigkeit des Herzens.
Die Geschichte soll motivieren und stimulieren.
Schüler/innen sollen wiederentdecken, was sie im Idealfall als umsorgende Mutterliebe erlebt haben: aufgenommen sein, wahrgenommen
werden, beschützt sein, Zärtlichkeit und Freude erleben, Geborgenheit
erleben und ihnen soll dadurch warm ums Herz werden.
Sie sollen erkennen, dass Liebe den Aspekt des Gebens beinhaltet.
Ideen zum Unterrichtsverlauf
•
Kuschel-Atmosphäre schaffen und Geschichte vorlesen
•
eventuell Text ohne Bild anbieten
•
in verschiedenen Rollen von den Schüler/innen vorlesen lassen
•
weiterführend: im Rollenspiel nacherleben lassen
•
Schüler/innen andere Beispiele finden lassen aus dem Tierreich:
z.B. Mutter-Kind-Beziehungen aus dem Tierreich
•
Wie zeigt sich die „Mutterliebe“? (umsorgend, Zärtlichkeit gebend, beschützend...)
•
Wie kann ein Kind der Mutter seine Liebe zeigen?
Noris Kern: „Ich hab dich einfach so lieb“. Titelseite als Bildvorlage im Materialanhang.
Lehrerfragen sind im Folgenden fett-kursiv gedruckt
Reise zum Herzen
Material zum Baustein 1
EMPFOHLENE GESCHICHTE FÜR DEN IMPULS
“Ich hab dich einfach so lieb”
Reise zum Herzen
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Baustein 2:
Man sieht nur mit dem Herzen gut...
Intention
Schüler/innen sollen nachvollziehen, dass das Herz Gemütszustände
wahrnehmen, wieder erkennen und dadurch „sehen“ kann.
Ideen zum Unterrichtsverlauf
Die Lehrkraft zeichnet oder zeigt zwei Strichmännchen als Veranschaulichung.
Abb. 1 - Ein Mensch, der evtl. Hilfe sucht Wie fühlen sie sich?
•
Abb. 2 - Ein trauriger Mensch
Assoziationen sammeln
Kalff, Wilhelm: TASK. Spielkarten f. d. Gruppenarbeit. Arbeitsstelle f. neues Spielen, Bremen 1991.
Ebenda.
Reise zum Herzen
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Nehmt selbst die Haltung der Figuren ein!
•
Spielphase
Was drückt die Körperhaltung aus?
•
•
Die Schüler/innen deuten die Haltungen der darstellenden Spieler.
Die Lehrkraft soll dabei bewusst machen, dass bei fehlendem inneren
Sehen dieselben Haltungen als Ausdruck von Müdigkeit oder als gymnastische Verrenkungen gedeutet werden können.
Womit habt ihr gesehen, dass die Figur traurig ist- sie könnte ja
auch einfach nur müde sein?
•
Anregung:
In der Geschichte „Der kleine Prinz“ sagt der Fuchs: „Man sieht nur mit
dem Herzen gut – das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.“
Was meint der Fuchs damit?
•
•
Arbeitsideen:
Schüler bilden Gruppen und drücken verschiedene Gemütszustände aus
und deuten diese
evtl. Gegensätzliches gegenüberstellen
Wie kann man einem Menschen zeigen, dass man ihn von Herzen
gern hat?
•
Schülerantworten sammeln, Standbilder bauen
Siehe Literaturliste und Materialanhang
Reise zum Herzen
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Material zum Baustein 2
Man sieht nur mit dem Herzen gut
So machte denn der kleine Prinz den Fuchs mit sich vertraut. Und als die
Stunde des Abschieds nahe war: „Ach!“ sagte der Fuchs, „ich werde weinen.“
„Das ist deine Schuld“, sagte der kleine Prinz, „ich wünschte dir nichts Übles,
aber du hast gewollt, dass ich dich zähme...“
„Gewiss“, sagte der Fuchs. „Aber nun wirst du weinen!“ sagte der kleine Prinz.
„Bestimmt“, sagte der Fuchs. „So hast du also nichts gewonnen!“
„Ich habe“, sagte der Fuchs, „die Farbe des Weizens gewonnen.“
Dann fügte er hinzu: „Geh die Rosen wieder anschauen. Du wirst begreifen,
dass die deine einzig ist in der Welt. Du wirst wiederkommen und mir adieu
sagen, und ich werde dir ein Geheimnis schenken.“
Der kleine Prinz ging, die Rosen wieder zu sehen. Und er kam zum Fuchs zurück: „Adieu“, sagte er... „Adieu“, sagte der Fuchs. „Hier mein Geheimnis. Es
ist ganz einfach: Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für
die Augen unsichtbar.“
„Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar“, wiederholte der kleine Prinz,
um es sich zu merken.
„Die Zeit, die du für deine Rose verloren hast, sie macht deine Rose so wichtig.“
„Die Zeit, die ich für meine Rose verloren habe...“, sagte der kleine Prinz, um
es sich zu merken. „Die Menschen haben diese Wahrheit vergessen“, sagte
der Fuchs.
„Aber du darfst sie nicht vergessen. Du bist zeitlebens für das
verantwortlich, was du dir vertraut gemacht hast. Du bist für deine
Rose verantwortlich....“
„Ich bin für meine Rose verantwortlich.....“, wiederholte der kleine
Prinz, um es sich zu merken.
Aus: Antoine de Saint-Exupery, der kleine Prinz, Karl Rauch Verlag, Düsseldorf 1972
Reise zum Herzen
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Baustein 3:
Das Herz mit allen Sinnen
Intentionen
Die Schüler/innen sollen herausfinden, dass das Herz ein Symbol ist,
das auf verschiedenen Ebenen und in unterschiedlichen Zusammenhängen zum Ausdruck kommt.
Sie werden das Herzthema mit allen Sinnen erleben und innerlich bewegen: z.B. durch hören, riechen, fühlen, schmecken, sehen, verstehen.
Sie werden durch eine Sammlung auf dinglicher Ebene und durch
eine Vertiefung auf sprachlicher Ebene das Thema auffächern und
die Symbolhaftigkeit des Zeichens auch auf bildnerische und darstellende Weise nachvollziehen (dieser Part ist fächerübergreifend benutzbar).
Ideen zum Unterrichtsverlauf
Anregung:
In der Klasse eine Sammelecke einrichten mit einer großen Sammelkiste für
alles, was die Schüler bereits an Gegenständen zum Thema Herz zu Hause
haben (Herzkissen mit Armen, Wärmflasche in Herzform, usw.).
Falls die Schüler/innen noch nichts mitgebracht haben, zeichnet die Lehrerin
die typische Herzform an die Tafel.
Woher kennt ihr dies?
In welchen Situationen verwenden wir das Bild des Herzens?
Reise zum Herzen
14
In welchen Zusammenhängen werden diese Gegenstände benutzt?
•
Marzipanherz – Teddy mit Herz – Süßigkeiten in Herzform – Herz als
Aufkleber – Blumenstrauß mit einem Herzen an einem Stiel - usw.
Was bedeutet das Herz, wenn wir sagen:
•
Herzliche Grüße - herzliche Wünsche – herzlichen Dank – von Herzen
alles Gute – herzlichen Glückwunsch – herzliches Beileid -... (eventuell
verwenden die Schüler/innen auch für „herzlich“ bereits das Zeichen
♥lich).
•
Dieser Mensch hat kein Herz.
•
Ihr Herz zieht sich vor Angst zusammen.
•
Sein Herz zittert vor Aufregung, Erwartung, Angst.
•
Herzschmerz – Herzenswärme – Herzenswunsch...
•
Herzlos, herzhaft, herzig ...
•
Warm ums Herz werden, unter dem Herzen tragen, du liegst mir am
Herzen,..
•
Mutterherz, Vaterherz, mein Schwesterherz, mein Bruderherz,...
Weitere Unterrichtsideen
•
Die Schüler/innen versuchen folgende Redensarten arbeitsteilig in
Form von Gruppenarbeit
a) im Darstellenden Spiel als Standbilder körperlich auszudrücken
b) in Bildform umzusetzen.
-
Sie starb an gebrochenem Herzen.
Ihr Blick trifft mich ins Herz.
Unser Herz hüpft vor Freude.
Sein Herz ist weich wie Butter.
Sein Herz bricht.
Jemandem sein Herz ausschütten.
Ein Stein fällt vom Herzen.
Ihr Herz ist hart wie ein Stein.
Wie lässt sich ein Herz darstellen, dass weich ist wie Butter, das vor
Freude hüpft?
Reise zum Herzen
Beispiele bildhafter Umsetzung
Abb. 3 - Herzquartett
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Reise zum Herzen
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Weitere Unterrichtsideen
•
Ein Herzbuch bzw. ein Herzalbum anfertigen oder ein Poesiealbum
umgestalten.
In das Herzbuch können die Schüler/innen eigene Gedanken, Wünsche, Geheimnisse, hineinschreiben, Herzsticker sammeln, Herzbilder
malen, alles sammeln, was zum Thema passt.
Wichtig: Auch Unterrichtsergebnisse festhalten.
•
Wie wär’s mit einem herzhaften Essen?
Zumindest aber mit Süßigkeiten in Herzform!
Das herzhafte Essen kann auch rein gedanklich stattfinden oder Thema
im Kunstunterricht sein und z.B. als Collage ausgeführt werden.
•
Weitere Ideen im Kunstunterricht:
Schüler/innen stellen in Gruppenarbeit Herzkuschelkissen, Fimoherzen,
ein Herzquartett (Abb. 3) her und spielen selbstverständlich auch
damit!
•
Zur Herzerfrischung: Schnulzen, Lieder singen!
Beispeil: „Herzilein, du sollst nicht traurig sein!“ „Du, du liegst mir am
Herzen“ usw.
•
Wir machen einen Klassenausflug!
Wir haben auch ein körperliches Herz – es braucht eine gute Nahrung, Pflege und Entspannung.
Spannend wäre es sicherlich, eine Reise nach Fulda zur „Herzausstellung“ zu unternehmen. Das körperliche Herz kann im Sachkundeunterricht parallel behandelt werden.
In unserem Kontext ist das körperliche und künstliche Herz eine wichtige weitere Station auf unserer Reise.
Auch in der Kinder-Akademie Fulda erhältlich (Adresse siehe Literaturliste).
Adresse siehe Literaturliste.
Reise zum Herzen
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Baustein 4:
Unser körperliches Herz 10
Intentionen
Die Schüler/innen sollen Aufgabe und Funktion des organischen
Herzens kennen lernen.
Die Schüler/innen sollen deutlich zwischen dem Organ Herz und dem
Herzen im geistigen Sinn unterscheiden lernen.
Sie sollen das körperliche Herz bewusst wahrnehmen lernen.
Sie sollen erkennen, dass bei Verlust des organischen Herzens der
Mensch die Empfindungsfähigkeit des geistigen Herzens behält.
Sie sollen in der Körperwahrnehmung sensibilisiert werden.
Die Schüler/innen sollen sich in seelische Zustände hineinversetzen und dabei nachempfinden, dass sich diese auf ihren körperlichen
Herz- und Pulsschlag auswirken können.
Ideen zum Unterrichtsverlauf
•
in Gruppen mit unterschiedlichen Arbeitsaufträgen:
Das eigene Herz wahrnehmen, wie es klopft – bei sich selbst, bei anderen, wenn man ruhig ist, wenn man sich schnell bewegt hat.
Den Puls fühlen lassen, auch die Halsschlagader.
Fühlt euer Herz, wie es unterschiedlich klopft, wenn ihr ruhig
sitzt oder nachdem ihr schnell gelaufen seid!
Wo fühlt ihr das Herz noch klopfen?
•
Idee: den Herzrhythmus auf dem Boden liegend klopfen!
Bei dieser Gelegenheit ist es sicherlich interessant zu erfahren, dass der
Herzrhythmus Grundlage für Kompositionen in der Musik sein kann.
10 Das körperliche Herz könnte auch im Sachkundeunterricht parallel behandelt werden, oder aber man macht einen
Abstecher zum Nebengleis: „das körperliche und das künstliche Herz.“
Reise zum Herzen
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Eventuell Klangbeispiele aus der indo-pakistanischen Musik und Sufimusik geben.
•
Gruppenarbeit zu folgenden Fragen:
Wie klopft das Herz, wenn wir uns freuen?
..., wenn wir Angst haben?
..., wenn wir entspannende Musik hören?
•
Den Schüler/innen wird ein Foto des Herzorgans gezeigt.
Dabei wird erläutert, dass das Herz ein Muskel ist, der wie eine Pumpe
das Blut durch den Körper pumpt. Das Schlagen des Herzens lässt das
Blut, das als Lebenssaft den von außen aufgenommenen Sauerstoff und
die Nährstoffe transportiert, durch den ganzen Körper bis in jede Zelle
strömen - zu ihrer Ernährung, Erneuerung und Erhaltung.
Reise zum Herzen
Was seht ihr hier?
Lieben wir einen anderen Menschen mit unserem Muskel?
Abb. 4 - Das Herzorgan
• Klassengespräch und wichtige Einträge ins „Herzbuch“.
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Reise zum Herzen
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Baustein 5:
Das künstliche Herz
Intentionen
Die Schüler/innen sollen erfahren, dass das organische Herz über einen gewissen Zeitraum durch ein Kunstherz ersetzt werden kann.
Ideen zum Unterrichtsverlauf
Den Schüler/innen wird die Abbildung eines künstlichen Herzens (Abb. 5) 11
gezeigt. Ihnen wird dabei erläutert, dass ein Mensch über einen begrenzten
Zeitraum mit einem künstlichen Herzen leben kann. Zur Zeit lebt ein Mensch
seit zwei Jahren mit solch einem Herzen. Diese Herzen werden eingesetzt, bis
ein Spenderherz gefunden ist.
(Abbildung eines künstlichen Herzens auf der folgenden Seite.)
11 Quellenangaben liegen nicht vor.
Reise zum Herzen
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Hat ein Mensch mit einem künstlichen Herzen „kein Herz“?
Kann ein Mensch mit einem künstlichen Herzen einen anderen Menschen von Herzen lieb haben?
Abb. 5 – Künstliche Herzkammer
Reise zum Herzen
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Baustein 6:
Unser „Empfindungsherz“
Intentionen
Die Schüler/innen sollen an sich selbst wahrnehmen lernen, dass das
„Empfindungsherz“ als Zentrum ihrer Liebe dort zu fühlen ist, wo das
körperlich Herz sitzt.
Ideen zum Unterrichtsverlauf
Wo fühlen wir die Liebe, die wir empfinden, wenn wir einen anderen
Menschen von Herzen lieb haben:
- in den Knien?
- unter den Fußsohlen?
- in den Achselhöhlen?
- im Kopf?
- also wo?
•
Die Schüler/innen legen ihre Hand dorthin, wo sie ihrer Meinung nach
diese Liebe am meisten spüren.
Reise zum Herzen
Baustein 7:
Der Soldat und der Derwisch - Eine Sufigeschichte
Intentionen12
Den Schüler/innen soll bewusst werden, dass das Handeln eines Menschen den Zustand und den Charakter des Herzens prägen kann
und auch, dass der Zustand des Herzens den Charakter und das
Handeln eines Menschen beeinflussen kann.
Sie sollen erfahren, dass das Herz sich auf Unterschiedliches richten
kann.
Sie sollen erkennen, dass das Herz wandlungsfähig ist.
Sie sollen wissen, dass es wichtig ist, ein mitfühlendes, barmherziges Herz zu entwickeln und Gutes zu tun.
Die Schüler/innen sollen erkennen, welche Wandlung der Soldat durchgemacht hat und worin diese besteht.
Die Schüler/innen sollen den Prozess des Soldaten nachvollziehen, der in
Reue – Einsicht – Umkehr – Wandlung – Besserung besteht.
Den Schüler/innen soll bewusst werden, dass wir eine hohe Verantwortung tragen für uns selbst und den Zustand unseres Herzens.
Ihnen soll bewusst werden, dass jeder Mensch den Zustand seines Herzens zum Positiven (und auch zum Negativen) beeinflussen kann.
12 Diese beziehen sich insbesondere auf die islamische Vorstellung vom Herzen.
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Reise zum Herzen
Der Soldat und der Derwisch13
In einem fernen Lande lebte ein mächtiger König. Er herrschte mit Intelligenz und Strenge. Seine Untertanen verehrten ihn, doch im Grunde war
der König sehr einsam. Er besaß einen starken Willen, und den setzte er
mit Gewalt durch. Natürlich tat er in seinem Eifer seinen Mitmenschen
manches Unrecht an, und wer lässt sich schon gerne ungerecht behandeln?
Im Nachbarland lebt ein alter Weiser. Viele Menschen holten sich bei ihm
Rat. Sie waren manchmal tagelang auf staubigen Landstraßen unterwegs.
Des Nachts wurde es sehr kalt, sie schliefen auf offenem Feld, um in
der Frühe weiterzuziehen. So pilgerten viele zu dem alten Mann, manche
auch nur, um sich segnen zu lassen. Kehrten diese Menschen zurück in
ihre Heimatdörfer, so erzählten sie von dem ehrwürdigen Alten und seinen
Wundertaten.
Ein König wäre ein schlechter König, wenn er nicht auch neugierig wäre
und sich nun um alles kümmern würde, was um ihn herum vorging. So
blieb es nicht aus, dass er immer öfter und immer mehr von dem weisen,
alten Mann erzählen hörte. Es ärgerte ihn unsagbar, dass seine Untertanen, anstatt zu ihm um Rat zu kommen – wo er doch alles zu wissen
glaubte -, lieber zu dem Alten gingen. Er war es leid, irgendwo jemanden
zu wissen, der von seinen Leuten mehr geschätzt wurde als er selbst.
Er überlegte nicht mehr lange und rief einen seiner besten Krieger zu
sich.
„Höre, Soldat“, sprach der König ihn an, „im Nachbarland gibt es irgendwo
einen albernen alten Mann, von dem alle Leute schwärmen. Es reicht mir
jetzt. Bringe mir den Kopf dieses Mannes, und das halbe Königreich gehört dir.“ Der Soldat war begeistert. Das halbe Königreich! Das war gewiss
nicht wenig. Wenn es weiter nichts war, als das bisschen Kopfabschlagen.
Er war Töten gewöhnt. Er akzeptierte das Angebot des Königs, besorgte
sich Brot und Käse und zog Bauernkleider an. Als Soldat wollte er nicht
erkannt werden, und da er in ein fremdes Land kam, durfte er auf keinen
Fall auffallen.
Er brach sofort auf. Viele Tage und Nächte war er unterwegs, bis er die
fremde Grenze überschritten hatte. Jetzt war er müde und ratlos. Wo
sollte er nun hingehen? Er wusste ja nicht einmal, wo der Weise wohnte.
Zu fragen getraute er sich nicht, denn er wollte den Alten doch töten. Er
setzte sich an den Wegesrand. Die Sonne ging langsam unter. Der Himmel
färbte sich zartrosa, die weiten Felder glänzten in der Abendsonne.
„Gott sei mit dir, mein Junge. Du siehst müde aus“, hörte er plötzlich
13 Aus: Christa Schneider, Alles geschieht nur zum Besten, Ansata Verlag, München 1997
24
Reise zum Herzen
eine Stimme hinter seinem Rücken. Er drehte sich um und sah einen alten Bauern, der ihn gütig anblickte. Er trug einen dunkelbraunen Umhang,
und seine weißen Haare und sein weißer Bart leuchteten, als wären sie
voller Licht. Ja, der Soldat war sehr müde. „Willst du mit mir kommen?“
fragte der Alte. „Du bist fremd hier, nicht wahr?“ Der müde Soldat nickte
dankbar, stand auf und folgte dem weißhaarigen Alten.
Sie gingen eine Weile, bis sie vor der Stadt in den Wald gelangten und
machten schließlich vor einer kleinen Hütte halt. „Komm herein“, lud ihn
der Alte ein. „Ich gebe dir einen Strohsack, auf dem du dich ausruhen
kannst, und etwas zu essen mache ich dir auch.“ Der Soldat war sehr
dankbar, weil der Alte ihm, dem Müden und Erschöpften, soviel Freundlichkeit erwies.
Am nächsten Morgen stand der Alte früh auf. Er ging vor das Haus und
wusch sich. Dann betete er und begrüßte die Sonne. Später bereitete er
seinem Gast ein Frühstück aus Früchten, Brot und Milch.
Nach dem Essen zeigte er ihm seinen Garten, in dem viele Kräuter wuchsen. Zu jedem Kraut erzählte der Mann eine Geschichte. Er erklärte,
wozu es gut und heilsam sei, wann man es am besten pflücke und vieles
mehr.
Einige Tage gingen so dahin. Eines Abends saßen die beiden auf der Bank
vor der Hütte. Die Sonne leuchtete schon rötlich über den Wolken. Da
fragte der alte Mann: „Sag, lieber Freund, was suchst du als Fremder in
unserem Land? Vielleicht kann ich dir behilflich sein?“
Der Soldat, der von dem Wesen des Alten sehr angetan war, dankte: „Ach,
Alter, du hast wirklich alles für mich getan. Kein Mensch ist im Leben je
so gut und freundlich zu mir gewesen wie du. Weißt du, ich komme von
meinem König aus dem Nachbarland und soll ihm den Kopf eines berühmten Weisen bringen, dann schenkt er mir sein halbes Königreich.“
Der Alte sagte nichts, stand auf und ging in die Hütte. Nach einigen Minuten kehrte er zurück mit einem Schwert in der Hand. „Wenn es weiter
nichts ist. Nichts leichter als das: Hier ist ein Schwert, der Weise bin ich.
Hier, schlage meinen Kopf ab!“ Er reichte dem Soldaten das Schwert.
Doch dieser wurde blass, fiel auf seine Knie und begann zu weinen. „Nein“,
schluchzte er, „und wenn du mir alle Schätze der Welt geben würdest,
ich kann dir kein Leid antun. Ich kann überhaupt nicht mehr töten. Bitte
nimm mich als deinen Schüler an, und lehre mich, gut zu sein und das
Leben zu schützen.“ Der Alte legte das Schwert beiseite, segnete ihn und
sprach: „Ich nehme dich als meinen Schüler an. Dein Name sei Wakil. Das
bedeutet – der, der das Leben schützt.“
Sie taten den Mitmenschen viel Gutes und lobten Gott bei Tag und
Nacht.
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Reise zum Herzen
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Begriffserklärungen14
Derwisch: persisch „arm“, Bettler, arab. „Fakir“. Lehren und Anschauungen
der Derwische beruhen auf der islamischen Mystik. Derwisch wird häufig synonym mit Sufi verwendet.
Sufi: muslimischer Mystiker, die Bezeichnung soll auf die von den Sufis getragenen Gewänder aus Wolle (arab. „sûf“) zurückgehen und sich ableiten von
dem Wort arab.: „safa“ - „rein“.
Sufismus: Mystik im Islam. Der Sufismus ist der gelebte innere Weg zur Liebe und zur Reinheit des Herzens. Er entstand mit dem Ziel, die Kluft zwischen
Mensch und Gott zu überwinden. Der Sufi begibt sich auf den Weg, alles zu
überwinden, was ihn von Gott trennt, ...
Ideen zum Unterrichtsverlauf
•
Die Geschichte wird vorgelesen.
•
Die Schüler/innen erhalten folgenden Fragenkatalog, um das
Verhalten des Königs, des Derwischs und des Soldaten zu beschreiben.
(Tipp: Hier ist Gruppenarbeit möglich!)
Fragenkatalog:
a) Fragen zum König:
Was macht der König und wie regiert er sein Land?
Warum will der König den Weisen töten?
Wie will der König den Weisen töten?
b) Fragen zum Weisen:
Wie lebt der Weise sein Leben?
Beschreibe seinen Alltag, seinen Tagesablauf!
Wie verhält sich der Weise zu dem Soldaten?
Was lehrt der Weise den Soldaten?
c) Fragen zum Soldaten:
Warum will der Soldat den Weisen töten?
Was erlebt der Soldat bei dem Weisen und was lernt er durch ihn?
Warum will er den Weisen nicht mehr töten?
Was hat der Soldat durch den Weisen gelernt und wie lebt er jetzt sein
Leben?
14 Meyers Großes Taschenlexikon, Taschenbuchverlag, Mannheim, Wien, Zürich
Reise zum Herzen
27
•
Als Ergebnis sollte festgehalten werden:
Es ist offensichtlich, dass der Soldat eine tiefgehende Änderung seines
Lebens vollzogen hat und das darin die Kernaussage der Geschichte besteht. Der Soldat bereut, er sieht ein, er erkennt seinen Irrtum, er kehrt
um und erhält eine neue Chance von Gott und er wandelt sein Leben
vollständig.
•
Die Schüler/innen bekommen den Auftrag, die Eigenschaften der
Herzen des Königs, des Soldaten und des Weisen zu charakterisieren.
•
Die Eigenschaft der Herzen der Personen an die Tafel schreiben.
•
Die Schüler/innen malen die Personen der Geschichte und malen
deren jeweilige Herzen ein.
•
Die Schüler/innen fertigen Herzformen an (zeichnen und
ausschneiden), die entsprechend der jeweiligen Eigenschaft gestaltet werden (in entsprechenden Farben ausmalen, bekleben, und/oder
beschriften...). Das Herz des Soldaten soll so gestaltet werden, dass seine Wandlung besonders deutlich wird, z.B. durch Vorderseite/Rückseite
oder ein neues Herz als zweites Herz.
•
Die Schüler/innen spielen die Geschichte in einem Rollenspiel nach.
Die angefertigten Herzen werden dem König, dem Soldaten und dem
Derwisch angeheftet und ihre Zuordnung von den Schülern begründet.
•
Idee: Male ein Bild, wie der Soldat jetzt sein Leben führt und
welche guten Taten er vollbringt!
•
Der Mensch soll sich ganz aktiv um „gute Werke“ bemühen. Was sind gute Werke?
Dazu Schülerideen sammeln: z.B. Hilfsbereitschaft haben und anderen
helfen, Mitgefühl haben, Menschen, Tiere, Pflanzen gut behandeln, auf
sich selbst gut aufpassen und auch auf andere, anderen Freude machen.
Impuls: „Denn die Freude, die wir geben, kehrt ins eigne Herz
zurück.“
Reise zum Herzen
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Baustein 8:
Die Verletzbarkeit des Herzens
Intentionen
Die Schüler/innen sollen dafür sensibilisiert werden, dass das Herz eines
Menschen sehr verletzlich ist.
Sie sollen ein Gespür dafür entwickeln, dass ein verletztes Herz Zuwendung, Beruhigendes, Aufbauendes, Mitgefühl, Trost braucht.
Klassengespräch
•
In einem Kreisgespräch schildern die Schüler/innen eigene
Erfahrungen oder Beobachtungen, z.B. verletzende Worte, grobes Verhalten, Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung (Flüchtlingskinder), Scheidung, Gewalttaten, Tod,... (erzählen lassen; eventuell mit Farben, Gesten ausdrücken lassen).
•
Das Gespräch verlangt eine sehr einfühlende Haltung seitens des
Lehrers und der übrigen Klasse. Einem Kind, das sich öffnet, darf
auf gar keinen Fall gesagt werden: „Da hast du aber auch selbst
Schuld gehabt!“ Es muss in jedem Fall beschützt werden vom Lehrer
– auch vor dem Nichtverstehen der anderen Schüler.
•
Wichtig ist es im Gespräch, Mitgefühl zum Ausdruck zu bringen
und mit den Schülern Wünsche für eine Besserung und des
Trostes zu sammeln. Unterstützend wirkt ein Verhalten, in dem eine
Berührung stattfindet, z.B. alle geben sich die Hand, oder Schüler/innen
bilden einen Kreis und fangen einen sich fallenlassenden Schüler auf
usw.
Reise zum Herzen
29
Baustein 9:
Selbsthilfeüberlegung und Herzensinterview
Intentionen
Die Wahrnehmung des eigenen inneren Herzens soll weiter sensibilisiert
werden.
Die Schüler/innen sollen die Entdeckung machen, dass Erwachsene und
Kinder ähnliche und unterschiedliche Herzzustände haben.
Sammlung von Hilfsangeboten.
Hinführung zum Angebot der Herzstärkung und Herzpflege.
Ideen zum Unterrichtsverlauf
Die Lehrerkraft bildet einen Stuhlkreis und schafft eine persönliche Atmosphäre für ein vertrauliches Gespräch. Sie erinnert an die vorhergehende
Stunde mit dem Thema: „Das Herz kann verletzt werden“.
Manchmal kennen wir den Grund, warum sich unser Herz traurig
fühlt oder weshalb es glücklich ist. Aber manchmal fühlt sich unser
Herz schwer an, ohne dass wir wissen, warum.
Habt ihr Ideen, wie wir in solchen Momenten unser Herz leichter,
freier machen könnten?
Mögliche Schülerbeiträge:
•
Freunde treffen und sein Herz ausschütten,
•
schmusen,
•
Witze erzählen,
•
lesen,
•
lachen, malen, tanzen, weinen,...
Schüler können eigene Ideen unter dem Motto: „Wie helfe ich mir selbst
wenn mein Herz schwer ist“ in das Herzbuch eintragen.
Hausaufgabe: ein Herzensinterview ausführen – siehe folgendes Arbeitsblatt!
Reise zum Herzen
Arbeitsblatt 1 - Herzensinterview
Aufgabe: 1. Stelle den unten aufgeführten Personen die Frage:
„Was machst du, wenn dein Herz schwer ist?“
2. Schreibe die Antworten unverändert auf!
Mutter
Vater
Oma
Opa
Geschwister
Eismann
Polizist
Verkäuferin
Kassiererin
Schornsteinfeger
30
Reise zum Herzen
31
Ideen zur Auswertung der Interviews:
•
Antworten in der Klasse vorlesen
•
Jeweilige Personengruppen vorlesen
•
Antworten an Wandtafel festhalten
•
Ordnen der Antworten nach Ähnlichkeiten und Unterschieden
•
Gibt es Antworten unter ihnen, die einem weiterhelfen?
•
Ergebnisse im „Herzbuch“ festhalten.
Weiterführendes Klassengespräch:
Wenn ich aber nun alleine bin, und mir niemand und nichts mehr
helfen kann, wer hilft mir dann?
[Manchmal gerät das Herz in einen Zustand, in dem eine Schwere, eine Traurigkeit, eine Trostlosigkeit empfunden wird, die durch eine zwischenmenschliche Zuwendung und Hilfe allein nicht abgedeckt werden kann, bei der es
auch nicht mehr hilft, sich abzulenken. Es bleibt ein Rest.]
Gibt es noch etwas völlig anderes über uns hinaus oder in uns? Etwas, das in uns hilft oder der uns hilft? [z.B. Gebet.]
Falls die Schüler schweigen:
Ich habe euch etwas mitgebracht - Herzpflege und Herzstärkung!
Reise zum Herzen
Baustein 10:
Herznahrung
Intentionen
Die Schüler/innen sollen in den eigenen Traditionen gestärkt und darin
gewürdigt werden. Sie sollen angeregt werden, sich gegenseitig in den
verschiedenen Traditionen kennen zu lernen und zu achten.
Die Schüler/innen sollen in dem Angebot der Religionen Hoffnung und
Ausblick auf eine umfassende Hilfe und Kraft erhalten, die ihnen hilft,
Lebensmut, Lebenskraft und Lebensvertrauen zu entwickeln.
Sie sollen das Wissen erhalten, dass sie für sich selbst etwas tun können.
Ideen zum Unterrichtsverlauf
Erinnert ihr euch an das „herzhafte Essen“ für unseren Körper, an
die gute und gesunde Ernährung, die gut ist für unser körperliches
Herz und an die Herzpflege?
So braucht auch unser geistiges Herz eine gute Nahrung und eine
gute Pflege!
Schüler aus eigenen Traditionen berichten lassen.
Lehrkraft präsentiert ihr mitgebrachtes, vorbereitetes Angebot der Herznahrung (unsere Vorschläge für ein „Herzmenue“ finden Sie im Materialanhang, als „Herznahrung“ bezeichnet)
-
-
-
-
-
Mantren aus dem Buddhismus15)
Mantren aus dem Hinduismus
Christliche Gebete, Gedichte, Sprüche
Worte aus dem Koran
Einige der Schönsten Namen Gottes
Der Dhikr
15 siehe Anhang
32
Reise zum Herzen
33
Tipps zur Präsentation der Herznahrung:
Herznahrung in „schmackhafter“, ansprechender Weise auf einem Tisch
auslegen, z.B. in farbigen Kästchen in Herzform auf einem schönen farbigen
Tuch... - der Fantasie Spielraum lassen!
Worte vergrößern und als Ausstellung im Klassenraum aufhängen.
Worte hörbar machen in Form von Rezitationen, Gesängen, Musik, Klängen
(Koranrezitationen, Hörprobe aus dem Buddhismus, christliche Gesänge...)
Die Schüler/innen sollen unter der Herznahrung eine Auswahl treffen unter
dem Motto:
„Was tut meinem Herzen gut?“
„Was kommt meinem Herzen nah?“
Die „Herzstärkung“ wird in das eigene Herzbuch eingetragen.
Die Schüler/innen fertigen eine große Herzform an (DIN A 3), in das sie wiederum eine ausgewählte Herznahrung hineinschreiben. Das Herz wird
schön bemalt und ausgeschmückt.
Hinweis:
Wir denken, dass es für die Schüler sehr wichtig ist zu erkennen, dass Herznahrung in allen Religionen enthalten ist und das diese unterschiedlich,
doch auch sehr ähnlich ist.
Die Gebete und Übungen sollten in ihrem jeweiligen Kontext gesehen werden, sie sollten deshalb in ihrem Zusammenhang zitiert werden, z.B. „...dies
ist ein Sutra (Lehrsatz) aus dem Buddhismus“ und „dies ist ein Vers aus dem
Koran“ usw. und auch so in ihrem Herzbuch zitiert werden. Die Worte aus den
verschiedenen Religionen sollten nicht zu einem unterschiedslosen „Einheitsbrei“ vermengt werden.
Reise zum Herzen
34
Baustein 11:
Einladung zu einer Herz-Meditation
Intentionen
Die Schüler/innen werden ermutigt, die Erfahrung einer Meditation
zu machen.
Dabei können sie ihre Innenwelt entdecken.
Sie sollen für ihre innere Herzebene sensibilisiert werden.
Sie sollen erfahren, dass das Herz nach islamischer Vorstellung mit
Gott in Verbindung treten kann durch das Gebet und so schrittweise Spiritualität entfalten kann.
Die Schüler/innen sollen erfahren, dass die Herzpflege ein besonderes
Geschenk der Religionen ist.
Die Schüler/innen sollen das Geschenk der Religionen (diese Herzpflege)
zur Stärkung und Öffnung des Herzens kennen lernen, um ihre Religiosität weiter zu vertiefen und für sich nützen zu können.
Ideen zur Durchführung einer Meditation im Unterricht
Vorüberlegungen:
Die Meditation wird, einschließlich Ruhephase, schätzungsweise 20-25 Minuten dauern.
Was tun die Schüler/innen, die die Meditation nicht machen möchten?
Was tun mit der restlichen Zeit? (Beispielsweise könnten die Schüler/innen
weiter an der Fertigung, der Ausschmückung der Herzform arbeiten, in
die sie Lieblingsworte aus den Religionen hineinschreiben.)
Vor Beginn der Ruhephase muss die Entscheidung getroffen werden, welcher
Text Grundlage der Meditation sein soll. Je nach Situation wählt die Lehrkraft
Meditation bedeutet: Versenkung, ein ganz tiefes zur Ruhe kommen, ein „In-sich-sein-Können“ zu erleben.
Reise zum Herzen
35
eine Möglichkeit aus dem folgenden Angebot aus oder stellt den Schüler/innen mehrere Alternativen als Auswahl zur Verfügung. Wir empfehlen, da das
Meditieren nicht beim ersten Ausprobieren klappt, diese mehrmals, mindestens drei- bis viermal zur Einübung und zur Vertiefung anzubieten.
Die Meditation kann in jeder Haltung, die eine Entspannung ermöglicht,
durchgeführt werden. Gut wäre es, sie im Liegen auf einer Iso-Matte zu praktizieren.
Zeitplan:
10 Minuten: Herstellung der Ruhe
5-10 Minuten: Meditation
30 Minuten: Weiterarbeit an der Herzform
Herstellen der inneren Ruhe
Wir setzen uns ganz bequem und gemütlich hin.
Ihr könnt dabei, wenn ihr wollt, euren Kopf aufstützen.
Wir schließen unsere Augen. Wir atmen ganz ruhig ein und aus.
Wir achten auf unseren Atem.
Unser Atem geht ruhig und gleichmäßig.
Unser Herz schlägt ruhig und gleichmäßig.
Unser Puls schlägt ruhig und gleichmäßig.
Die Gedanken kommen und ziehen vorbei wie Wolken.
Wir bekämpfen sie nicht - wir lassen sie vorbeiziehen.
Ihr könnt ruhig kichern – das ist nicht schlimm.
Meditationsphase
Text A
Stell dir vor, du bist eine Blume, die in der Morgensonne aufgeht.
Du bewegst dich ganz langsam hin und her.
Es ist so schön warm in der Sonne.
Der warme Wind streicht zart über dich hinweg.
Text B
Alle Lebewesen sollen glücklich sein: alle Tiere, alle Pflanzen, alle Menschen,
meine Familie, ich selbst.
Text C
Wenn einer von euch jetzt beten möchte, dann kann er es jetzt von ganzem
Herzen tun.
Reise zum Herzen
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Wenn jemand nicht beten möchte, kann er folgendes tun:
„Wenn du einen Herzenswunsch hast für jemanden, den du sehr lieb hast,
oder auch für dich selbst, dann wünsch ihn jetzt von ganzem Herzen.“
Text D
Diejenigen, die es möchten, nehmen einen der Schönsten Namen Gottes oder
einen Psalm oder ein Sutra aus dem Buddhismus oder einen Vers aus dem Koran oder ein Mantra aus dem Hinduismus und bewegen ihn in ihrem Herzen.
Möglich ist auch die Übung mit dem Dhikr, d.h. die Schüler/innen wiederholen
einen der Schönsten Namen Gottes mehrmals und denken ihn in ihrem Herzen.
Die Schüler treffen selbst eine Auswahl – vermutlich aus ihren eigenen
Religionen und Traditionen. Dazu wäre es gut, Worte aus den Religionen gut
sichtbar im Klassenraum zu präsentieren, oder aber das Herzbuch griffbereit
zu haben.
Reise zum Herzen
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Baustein 12:
Ideen für eine Abschlussstunde:
Intentionen
Die viele Mühe, der Einsatz der Schüler/innen soll gewürdigt werden.
Sie sollen ihre Erkenntnisse formulieren können, indem sie die Gelegenheit erhalten, die Stationen der Reise Revue passieren zu lassen.
Es soll die Erkenntnis bei den Schüler/innen entstehen, dass ihr Herz
eine Kostbarkeit ist, die es gilt, ein ganzes Leben mit großer Fürsorge und Sorgfalt zu behandeln.
Ideen zum Unterrichtsverlauf
Eine Reflexion der Reise zum Herzen ist dringend notwendig und sollte
mit Hilfe folgender Lehrerfragestellungen erfolgen.
Wir haben eine Reise gemacht zu unserem eigenen Herzen, tief in unser Innerstes, in unsere eigene innere Welt.
Was haben wir erlebt?
Was haben wir über unser Herz erfahren?
Was war spannend?
Was war neu?
Was war unangenehm?
Was war wohltuend?
Was hat dir gefallen?
Die Schüler/innen sollen die Gedanken zu den jeweiligen Fragen ins Herzbuch
eintragen.
Reise zum Herzen
Baustein 13:
Projekt Herzausstellung
Intentionen
Schüler/innen sollen die Essenz ihrer Erfahrungen und Erkenntnisse in
Form einer Ausstellung für alle zum Ausdruck bringen.
Ideen zum Projekt
Was möchten wir von unserer Reise als ständige Erinnerung in unserem Klassenzimmer behalten?
Was möchten wir unseren Eltern, Freunden und den anderen Klassen zeigen?
Eine Herzausstellung organisieren für alle: für die Eltern, Freunde, andere Klassen, interessierte Menschen, begehbar mit allen Bestandteilen, dem
ganzen Sammelsurium, das die Schüler gesammelt und angefertigt haben.
Dazu könnten sie Einladungskarten und Plakate anfertigen.
38
Reise zum Herzen
39
LITERATURLISTE
Annemarie Schimmel, Denn Dein ist das Reich - Gebete aus dem Islam, Herder Verlag, Freiburg i. Br.
1978.
Annemarie Schimmel, Mystische Dimensionen des Islam, OALANDER-Verlag, Aalen 1979.
Annemarie Schimmel, Sufismus - Eine Einführung in die islamische Mystik, Verlag C.H. Beck, München 2000.
Antoine de Saint-Exupery, Der kleine Prinz, Karl Rauch Verlag, Düsseldorf 1972.
Christa Schneider, Alles geschieht nur zum Besten - Sufigeschichten u.a. Erzählungen der Weisheit, Ansata Verlag, München 1997.
Dauerausstellung: Das „Begehbare Herz“, Kinder-Akademie Fulda Gmbh, Mehlerstr. 4, 36043 Fulda,
0661/902730.
Deutsches Hygiene-Museum Hrsg., Herz - Das menschliche Herz - Der herzliche Mensch, Verlag der
Kunst, Dresden 1995.
Elsbeth Bihler, Symbol „Mensch“, Lahn Verlag, Limburg 1996.
H. Eberhardt, Praktische Seel-Sorge-Theologie, Bielefeld 1993.
Halima Krausen, Selbsterziehung oder Selbstläuterung. Unveröffentlichtes Manuskript Initiative für islamische Studien.
Halima Krausen, Weitere Selbstentdeckung. In: Fasten und Selbsterziehung. Ethisch-rechtlicher Bereich I.
Unveröffentlichtes Manuskript Initiative für islamische Studien.
Helen Bonzel und Gabriele König (Hrsg.), Künstlerherzen für Kinderherzen, Kinderakademie Fulda 2001.
L. Coenen, E. Beyreuther, H. Bietenhard, Theologisches Begriffslexikon zum Neuen Testament Bd.1,
Wuppertal 1979.
Mehdi Razvi, Entdeckungsreisen im Koran - 12 Lehrgespräche, Copyright EB-Verlag Hamburg 2001.
Muhyiddin Ibn Arabi, Ein Sufi-Lehrbuch über die Übung der Einsamkeit, Verlag Hermann Bauer, Freiburg i.Br. 1984.
Noris Kern, Ich hab dich einfach so lieb, Verlag Friedrich Oetinger, Hamburg 1998.
Oliviero Toscani, Beten – Gebete von Jugendlichen aus aller Welt, Pattloch Verlag, München 2000.
Weisheit der Völker, Lesebuch aus drei Jahrtausenden, Sonderausgabe 2000, Heinrich Hugendubel Verlag,
München/Kreuzlingen 1991.
Wilhelm Gundert, Annemarie Schimmel und Walther Schubring (Hrsg.), Lyrik des Ostens, Gedichte der
Völker Asiens vom Nahen bis zum Fernen Osten, Carl Hanser Verlag 1965.
Wilhelm Hauff, Das kalte Herz - aus: das Wirtshaus im Spessart, Annette Betz Verlag, München 1998.
Reise zum Herzen
40
Reise zum Herzen - Material-Anhang
• Der folgende Teil ist eine „Fundgrube“ für LehrerInnen zum Stöbern.
•
• Sie enthält zusätzliche Erörterungen, Sachinformationen, alternative Meditationsformen und heilige Worte zum Thema „Herz“ in den Religionen.
• Aus diesem Angebot heiliger Worte haben wir einen Vorschlag für ein komplettes Herzmenue zusammengestellt (siehe diverse Seiten mit der Überschrift „Menuevorschlag“).
•
Die theoretischen Erläuterungen sollen den LehrerInnen nicht nur ein zusätzliches Hintergrundwisssen aus der Innensicht der Religionen vermitteln,
sondern auch die Möglichkeit eröffen, die „Reise zum Herzen“ für höhere
Unterrichtsstufen zu gestalten.
Reise zum Herzen
41
Das Symbol Herz in den Religionen
Aussagen aus den Heiligen Schriften beschreiben das Innerste des Menschen
in seiner Haltung und Beziehung zu sich selbst und zu Dem, Den die Religionen unterschiedlich benennen, Der sich vielfältig und ähnlich offenbart.
„In der Brahmaburg des Leibes
ist eine kleine Lotusblüte, das Herz.
In ihm ist ein kleiner Raum,
aber er ist so groß wie der Weltenraum
und enthält alles,
was zwischen Himmel und Erde liegt.“
(aus den Upanishaden der Hindus)
Warum gehst du in den Wald, um Gott zu finden?
Er lebt in allem und bleibt doch besonders.
Auch in dir wohnt Er wie Duft in einer Blume
oder das Abbild in einem Spiegel.
Sieh Ihn daher in deinem Herzen.“
(aus dem heiligen Buch der Sikhs)
„Himmel und Erde umfassen Mich nicht,
aber das Herz Meines gläubigen Dieners umfasst Mich.“
(Hadith Qudsi – außerkoranische Offenbarung)
„Was du suchst, ist in deinem Herzen.“
(Ayya Khema, buddhistische Lehrerin)
„...sein (des Menschen) Herz, die Wohnung des Allbarmherzigen
und der Thron, worauf der Glanz Seiner Offenbarung ruht.“
(Baha`u`llah, Ährenlese, 93:3, Baha`i)
„Der Herr ist nahe denen, die zerbrochenen Herzens sind, und
hilft denen, die ein zerschlagenes Gemüt haben.“
(Ps. 28,7)
Reise zum Herzen
42
Menuevorschlag: Herznahrung aus dem Koran
„Und wenn Meine Diener dich
nach Mir fragen, siehe, Ich
bin nahe. Ich antworte dem
Gebet des Bittenden, wenn
er zu Mir betet. So sollen sie
auf Mich hören und an Mich
glauben, auf dass sie den rechten Weg wandeln mögen.“
„Und wer an Allah glaubt – Er
leitet sein Herz. Und Allah
weiß alle Dinge.“
„Sie, die glauben und deren
Herzen Trost finden im Gedenken Allahs. Ja! Im Gedenken
Allahs ist es, dass Herzen
Trost finden können.
Die da glauben und gute Werke tun – Glück wird ihnen und
eine treffliche Heimstatt.“
„… und Er ist mit euch, wo
immer ihr seid. [...]
„Er ist es, der die Ruhe in die
Herzen nieder sendet, damit
sie Glauben hinzufügen ihrem
Glauben… “
„und Er hat Liebe in ihre Herzen gelegt. Würdest du auch
alles aufwenden, was auf
Erden ist, du könntest doch
nicht Liebe in ihre Herzen
legen. Allah aber hat Liebe
in sie gelegt. Wahrlich, Er ist
mächtig, weise.“
(Sure 64;12)
(Sure 2;187)
(Sure 57;5)
(Sure 13;29-30)
(Sure 48;5)
(Sure 8;64)
Reise zum Herzen
43
Ein Hadith vom Propheten Muhammad s
Die folgende Aussage zeigt uns, wie sehr die Wahrnehmung unseres Herzens
uns im Leben helfen kann:
Ein Mann fragte einmal den Propheten: „Woher weiß
ich, ob meine Entscheidung und mein Handeln richtig sind? Ich hatte nicht viel Zeit, bei dir zu studieren und muss bald wieder zu meinem Stamm.“
Muhammad (der Friede Gottes und Seine Segnungen seien über ihm und über allen anderen Propheten) sagte zu ihm: „Höre auf dein Herz. Dein
Handeln und deine Entscheidung sind dann richtig,
wenn dein Herz dabei ruhig schlägt.“
Bericht; Aussage
Gottes Friede und Seine Sendungen seien ueber ihm und ueber allen anderen Propheten
Reise zum Herzen
44
Menuevorschlag: Herznahrung - Der Dhikr
Den Dhikr hast du vielleicht schon kennen gelernt.
Es bedeutet Erinnerung, Denken an Gott. Wenn du in dieser Weise gedenkst,
verbindet sich dein Herz mit Gott und Gottes Licht spiegelt sich in deinem
Herzen wider.
Das „An-Gott-Denken“ kannst du laut oder auch leise machen. Diese Kette ist
eine Zählhilfe: Sie hat 33 oder 99 Perlen. Mit jeder Perle wiederholst du einen
der Schönen Namen Gottes und bewegst ihn in deinem Herzen.
Reise zum Herzen
Menuevorschlag: Herznahrung Schönste Namen
Gottes
45
Reise zum Herzen
46
Menuevorschlag: Herznahrung Christliche Gebete,
Gedichte, Sprüche
Selig sind die, die reinen Herzens sind,
denn sie werden Gott
schauen.
(Augustin, Bekenntnisse, Kurzform)
Zu dir hin hast du uns erschaffen,
und ruhelos ist unser Herz,
bis es zur Ruhe kommt in dir.
Der Herr ist meine Stärke und
mein Schild:
auf ihn hofft mein Herz und
mir ist geholfen.
Unruhig ist unser Herz,
bis es ruht in dir.
(Mt 5,8)
(Augustin, Bekenntnisse)
(Ps. 28,7)
Schaffe mir Gott, ein reines
Herz
und gib mir einen beständigen Geist.
Die Gott suchen, denen wird
das Herz aufleben.
Erforsche mich Gott, und
erkenne mein Herz,
prüfe mich und erkenne, wie
ich es meine,
und sieh, ob ich auf bösem
Wege bin,
und leite mich auf ewigem
Wege.
Segen sei mit dir, der Segen
strahlenden Lichtes,
Licht um dich her und innen
in deinem Herzen.
Sonnenschein leuchte in dir
und erwärme dein Herz, (…)
(Ps. 69,33)
(Ps. 51,12)
(Ps. 139,23)
(aus einem irischen Segen)
Reise zum Herzen
47
Menuevorschlag:Herznahrung aus dem Buddhismus
„Was du suchst,
ist in deinem Herzen!“
(Ayya Khema - eine buddhistische Lehrerin )
„Wenn man Liebe im Herzen hat,
verleiht das dem Herzen Sicherheit.[...]
Man ist absolut zuverlässig
und hat keine Angst!“
(Ayya Khema )
„Allen Lebewesen von ganzem Herzen zugetan sein,
indem man seine uneingeschränkte Liebe
und Güte in die Welt verströmt.“
(Buddha, Das Sutra von der Herzensgüte)
OM MANI PEME HUNG
Reise zum Herzen
Mantra
Anmerkung: Tibetischer Originaltext und Umschrift
48
O Höchster Herr, um Selbstverwirklichung zu erlangen, ergebe ich mich Dir, der Du von den
Reise zum Herzen
49
Halbgöttern als der höchste Herrscher über alle Dinge verehrt wirst. Bitte entferne
gütigerweise durch deine Unterweisungen den Knoten aus dem Innern meines Herzens und
lass mich die Bestimmung meines Lebens wissen.  Śrīmad-Bhāgavatam 8.24.53
Menuevorschlag: Herznahrung aus dem Hinduismus
 vāsudevāya
oṁ namo bhagavate
Wenn ein heiliger Name laut, tonlos oder in Gedanken über eine längere Zeit wiederholt
„Ich verehre den Höchsten Herrn mit Namen
wird, so nennt man diese Meditation „Japa“. Die Wiederholung dient der Läuterung des
Vāsudeva – der Herr, der überall wohnt..“
Herzens und der Versenkung in Gott. Der Verehrer lädt Gott ein, in seinem Herzen Platz zu
(Śrīmad-Bhāgavatam 4.8.54)
nehmen. So vertieft sich die Beziehung.
Einen zur Wiederholung geeigneten Mantra haben wir bereits erwähnt: oṁ namo bhagavate
vāsudevāya – „Ich verehre den Höchsten Herrn mit Namen Vāsudeva – der Herr, der überall
wohnt.“
Hier ist ein weiterer bekannter Mantra aus der Kalisantaraṇa Upaniṣad, der gern bei der
JapaMeditation rezitiert wird:
Hare Kṛṣṇa, Hare Kṛṣṇa
Kṛṣṇa Kṛṣṇa, Hare Hare
Hare Rāma, Hare Rāma
Rāma Rāma, Hare Hare
In diesem Mantra kommen drei Namen Gottes vor: Hare (Energie Gottes), Kṛṣṇa (Gott
Persönlich, der „Alles Anziehende“)
RāmaGottes,
(Gott als
freudvolle
Energie). Eine sinngemäße
“O Herr, o und
Energie
bitte
beschäftige
Übersetzung dieses Mantras ist:
O in
Herr,
o Energie
Gottes, bitte
beschäftige mich in Deinem
mich
Deinem
freudvollen
Dienst.”
freudvollen Dienst. Damit dient dieser (Kali-santaraṇa
Mantra als Gebet,
aber durch die Wiederholung auch
Upaniṣad)
zur Vertiefung einer Beziehung zu Gott.
Reise zum Herzen
50
Sachinformationen der Religionen
Herz im Islam
Im Koran werden hierzu mehrere Begriffe genannt, die im Deutschen unterschiedslos mit „Herz” übersetzt werden, die im Arabischen aber eine
jeweils unterschiedliche Bedeutung haben, je nach dem, auf welche
Verbform dieser Begriff zurückgeführt werden kann. Es ist wichtig, diese
unterschiedlichen Ausgangsverben zu kennen, damit bei dem Begriff „Herz”
diese Bedeutungsebenen mitschwingen können.
Der Begriff „qalb“ – abgeleitet von dem Verb qalaba = sich wenden, umdrehen, umwenden, sich hin- und herwenden, steht für „Herz, Zentrum, Kern, Gemüt, Sinn, bester Teil”. Der Schwerpunkt der Bedeutung liegt
auf dem Aspekt der Ausrichtung. „Das Herz oder Gemüt ist vor allem eine
Empfangsstation, vergleichbar etwa mit einer Parabolantenne, und zwar deswegen, weil sie auf verschiedene ‚Sender’ ausgerichtet werden kann.” „...Und wer an Allah glaubt – Er leitet sein Herz.
Und Allah weiß alle Dinge”.
(Sure 64;12)
Das Herz kann sich ausrichten, sich wenden zu Gott hin und von dort Impulse
empfangen und es kann sich zur (unerzogenen) Nafs (Psyche) ausrichten und
von ihr dominiert werden.
Ein weiterer Begriff für Herz ist lubb (entsprechend leb im Hebräischen) abgeleitet vom Verb labba = sich aufhalten, verständig und klug sein (im
Arabischen ein Verb!). Das Substantiv lubb hat die Bedeutung von „Kern,
Mark, Innerstes, Einsicht“. Bei der Verwendung dieses Begriffs liegt der
Schwerpunkt auf Herz als Sitz der Erkenntnis, beispielsweise in der Sure
13,20:
„Ist denn der, der weiß, dass das,
was dir von deinem Herrn hinabgesendet wurde,
die Wahrheit ist, gleich einem, der blind ist?
Jedoch nur die mit Verstand Begabten wollen es bedenken.“
(Sure 13;20)
Siehe Halima Krausen: Weitere Selbstentdeckung...
hier: qalb
In diesem Kontext sei angemerkt, dass es darum geht, die Psyche durch Selbsterziehung zu erziehen und nicht, sie zu
töten. (Siehe: Halima Krausen, Weitere Selbstentdeckung).
hier: lubb
Reise zum Herzen
51
Der Begriff sadr geht zurück auf das Verb sadara, das übersetzt wird mit:
herrühren von, heraustreten, und: to proceed, to go forward, to return from watering. Das Substantiv sadr bedeutet: „seinen Ursprung haben, Ursprung, Quelle“ und wird vielfach übersetzt mit „Brust, Busen“, z.B. in
der Sure 94,2:
„Haben wir dir nicht deine Brust weit gemacht
und dir abgenommen deine Last...“
(Sure 92;2)
„Darum: wen Allah leiten will,
dem macht Er die Brust weit für die Hingabe (Islam)“
(Sure 6;125)
Schließlich der Begriff sirr – abgeleitet von dem Verb sarra = sich freuen,
glücklich sein: sirr trägt die Bedeutung von „Geheimnis, Herz, Innerstes,
Mysterium“; Herz als ‚innerster Herzenskern’, in dem die Offenbarung
erfahren wird. Ein Beispiel für „sirr“ wird in Sure 6,4 geoffenbart:
„Er ist Gott in den Himmeln und auf der Erde.
Er kennt euer Verborgenes und euer Sichtbares
und Er weiß, was ihr verdient.“
(Sure 6;4)
Der Begriff fu`ad, das beruhigte Herz im Erfahren der Majestät Gottes, gehört zu marifa, „Erkenntnis” . Es wird genannt in der Sure 11,120:
„Und wir berichteten dir
von den Geschichten der Gesandten,
um dein Herz zu festigen,
und hierin ist die Wahrheit zu dir gekommen
und eine Ermahnung
und eine Erinnerung für die Gläubigen“.
(Sure 11;120)
Nach islamischem Verständnis ist also das Herz das Zentrum - der Kern,
der beste Teil, das Gemüt, der Sinn, das Mark, das Innerste, die Einsicht, die
Erkenntnis, das Geheimnis, der innerste Kern, die für die eigene Quelle erschlossene und für die Hingabe an Allah geweitete Brust. Weiter ist das Herz
Annemarie Schimmel: Mystische Dimensionen des Islam, Qalandar Verlag, GmbH Aalen, S. 213
Dto.
Reise zum Herzen
52
(das sich wendet, das sich ausrichtet, das einsichtig ist, das erkennt, das
verständig und klug ist, das glücklich ist, das sich freut) die Berührungsebene zwischen Mensch und Gott.
In einem Gebet von Ali, dem Schwiegersohn des Propheten Muhammad s,
werden fu`ad und qalb in einem Sinnzusammenhang erwähnt. Hier geht es
darum, wie der Mensch beschaffen ist und wozu er mit seinen „Sinnen“ befähigt ist:
„Und Du schenktest mir ein Gehör, um Deine Zeichen zu hören,
Und einen Verstand, um Deinen Glauben zu begreifen,
Und die Fähigkeit zu sehen, um Deine Stärke zu erkennen,
Und ein beruhigtes Herz, um Deine Majestät zu erfahren,
Und ein sich hin- und her wendendes Herz,
um sich in Deine Einheit einzuknüpfen.“
Die Gottessuche erfolgt über das Herz, sie ist eine Bewegung, ein Bedürfnis
und eine Erfahrung des Herzens und ist dem Menschen als eine natürliche
Anlage (fitra = „Instinkt”) mitgegeben. Ein Wissen, das man mit dem Herzen
erfährt, dessen kann man sich ganz sicher sein. Damit die Such-Bewegung
des Herzens sich nicht in eigenen Bildern verfängt und in eigenen Vorstellungen endet, ist es wichtig, dass das Herz „leer“ ist, im Sinne von frei und unbelastet von (falschen) Bildern über Gott: „Gott ist größer“ als alles, was wir uns
vorstellen können...
Die Kaaba – ein Symbol für das Herz
Ein Symbol für das Herz ist die Kaaba, die von Abraham zusammen mit seinem Sohn Ismael erbaut wurde und die von innen leer war. Prophet Muhammad s reinigte das Gotteshaus von selbstangefertigten Figuren und
Bildern, in denen die unzähligen Göttervorstellungen der Mekkaner ihren Ausdruck fanden und die sie darin verehrten und stellte somit den ursprünglichen
Zustand dieses Gotteshauses wieder her. Sie verehrten das, was ihre Hände
selbst angefertigt hatten und was ihnen nicht helfen konnte.
Das Herz soll frei sein, soll leer sein, damit es sein kann, was es ist: der Raum
im Menschen für die Kontaktaufnahme mit Gott und für die Anbetung Gottes
– mit Dem, Der sich unseren Vorstellungen entzieht, aber Der sich immer wieder aufs neue offenbart.
Quellenangaben liegen nicht vor
Nach dem Namen des Propheten sagen Muslime „Der Segen Gottes und der Friede sei auf ihm“.
Reise zum Herzen
53
Das Herz in der Mystik
Existentielle Gottessuche und die dadurch erfahrene Nähe zu Gott, wird in
der mystischen Erfahrung als Schatz erlebt, der in der Ruine des gebeutelten
Herzens gefunden wird: „Wo immer eine Ruine ist, ist Hoffnung auf einen
Schatz - warum suchst du nicht den Schatz ‚Gott’ in dem verwüsteten Herzen?
[...] Der Mystiker kann die Gestalt des Freundes finden, der in dem von allem
geleerten Herzen wohnt, er mag in der Ruine den verborgenen Schatz entdecken und dann im jubelnden Entzücken ausrufen ‚Was ich niemals gefunden
habe, fand ich im Menschen!’” Über das Herz werden wir uns der Anwesenheit Gottes bewusst.
Die Nähe zu Gott, die in ihrer höchsten Form als Liebe empfunden wird, wird
in der Mystik besonders deutlich und deshalb sei im weiteren Verlauf des Textes ein zusätzlicher Blick auf sie erlaubt.
Die Beziehung zwischen Mystiker und Gott wird als eine Liebesbeziehung
erlebt, wie sie zwischen menschlichen Liebenden stattfindet: mit Liebessehnsucht, mit Liebesschmerz, mit dem sich Verzehren nach dem Geliebten und
der Erfüllung der gemeinsamen Liebe.
„Jede Liebesbeziehung”, so schreibt Annemarie Schimmel, „ist gegenseitig,
vom Geliebten inspiriert, vom Liebenden beantwortet: ‚Ich rufe Dich – nein,
Du rufst mich zu Dir.’” 10 „So wendet sich das Herz dem Geliebten zu und
empfängt Impulse von ihm und orientiert sich an ihm. Der Liebende ‚versteht
mit dem Herzen’, was den Geliebten bewegt und was er sich wünscht.”11
Zeugnis einer sich erfüllenden Liebe zu Gott ist das Gedicht des Mystikers
Sumnun (starb nach 900):
„Ich hab mein Herz von dieser Welt getrennt.
Mein Herz und Du sind nicht getrennt für mich.
Denn wenn der Schlummer mir die Augen schließt,
so find zwischen Aug’ und Schlummer Dich.“12
Annemarie Schimmel, dto. S. 212
10 Halladsch, (Bagdad 857-922), in: dto, Seite 182
11 Halima Krausen, dto.
12 Quellenangaben liegen nicht vor
Reise zum Herzen
54
Die liebevolle Würdigung Gottes eines Ihn liebenden Herzens, findet ihren
Ausdruck in dem Hadith Qudsi, einer außerkoranischen Offenbarung Gottes an
den Propheten Muhammad s („Der Friede Gottes sei über ihm und über allen
anderen Propheten.“):
„Himmel und Erde umfassen Mich nicht,
aber das Herz Meines gläubigen
Dieners umfasst mich.“
Das Herz des Menschen in all seinen unterschiedlichen Begrifflichkeiten ist im
Koran sehr häufig Thema. In unserem Text können wir nur Schlaglichter auf
einige Zusammenhänge richten, die für unsere menschliche Entwicklung wichtig sind.
Das Herz als Sitz der Vernunft
Nach islamischem Verständnis ist das Herz die Basis, das die Vernunft (aql)
leiten sollte. Ein „sehendes” Herz kann Zusammenhänge einsehen und Vernunftbezüge herstellen, kann menschliche Werte wie z. B. Gerechtigkeit,
Gleichberechtigung der Geschlechter anstreben, ein Handeln motivieren, das
sich gegen Rassismus und Unterdrückung von Menschen und Tieren und für
die Schöpfung einsetzt.
„Sind sie denn nicht im Lande umher gereist,
so dass sie Herzen haben könnten,
damit zu begreifen oder Ohren, damit zu hören.
Denn fürwahr, es sind ja nicht die Augen, die blind sind,
sondern blind sind die Herzen, die in den Busen sind”.
13
(Sure 22;47)
Aus dem obigen Koranvers wird deutlich, dass die eigentliche Blindheit nicht
im physischen Auge liegt, sondern in Herz und Vernunft: das Herz kann erblinden, der eigenen Realität gegenüber, der Verantwortung sich selbst gegenüber, dem Mitmenschen, der Schöpfung und Gott gegenüber – menschliche Herzen können sich verhärten, versteinern, bis sie „härter als
Steine” sind:
13 Hervorhebung durch die Verfasser.
Reise zum Herzen
55
„Danach aber wurden eure Herzen verhärtet, bis sie wie Steine waren oder noch härter,
denn unter den Steinen sind ja solche, aus denen Ströme hervorbrechen, und solche, aus
denen Wasser fließt, wenn sie sich spalten und gewiss sind unter ihnen manche, die sich
verbeugen aus Ehrfurcht vor Gott, und Gott ist nicht unachtsam eures Tuns”.
(Sure 2;75)
Jesus im Koran
Im Zusammenhang mit dem Herzen kommt Jesus, dem Gesandten Gottes,
besondere Bedeutung zu: Er öffnet das Herz. Jesus sagt im Koran:
„..., und ich will die Blinden und die Aussätzigen heilen
und ich will die Toten lebendig machen mit Erlaubnis Gottes; ...”
(Sure 3;50)
14
In der Koranliteratur finden wir Belege, dass die verwendeten Sprachwurzeln
für „blind sein” (Hier: kamaha und amiya), sowohl für eine physische als
auch für eine geistige Blindheit stehen. Die Ableitungen von „amiya” machen
dies besonders deutlich: die Ableitung im 4. Wortstamm bedeutet: blenden,
verblenden, blind machen (für eine Tatsache), die Ableitung im 6. Wortstamm: sich blind stellen, blind sein für.
Im letzteren Sinn bestand Jesus’ Aufgabe am Menschen darin, geistig blinde Herzen „sehend” zu machen für Gottes Licht. 15 Die Begriffe „Licht
und Finsternis”, stehen analog zu den Begriffen „Wissen bzw. Gerechtigkeit”
und „Unwissenheit, bzw. Ungerechtigkeit”. Sehen ermöglicht zunächst einmal
Selbsterkenntnis, und die Unterscheidungsfähigkeit von Gut und Böse.
„...Der Blinde und der Sehende sind nicht gleich,
noch sind jene, die glauben und gute Werke tun,
denen (gleich), die Böses tun.“
(Sure 40;59)
14 (Hervorhebung durch die Verfasser.)
Wir wollen uns an dieser Stelle auf den Aspekt des „Blindseins“und des „Totseins“ konzentrieren, der Aspekt des „Aussätzigseins“ soll hier nicht erläutert werden
15 Licht im Sinne von Offenbarung und Erkenntnis. Licht ist die Vorrausetzung zum Sehen.
Reise zum Herzen
56
Gleichwohl werden „Tod“ und „Leben“ im Koran sowohl im biologischen als
auch im geistigen Sinne gemeint. Im letzteren Sinn bestand Jesus Aufgabe
darin, geistig tote Herzen zu beleben und für Ruhullah (ruh = Geist,
Geist Gottes) für die Ausstrahlung Gottes empfänglich zu machen.
Jesus spricht vom „malakut fikum“ „das Himmelreich in euch“. Jesus
öffnet das Herz für den „ruh“ Gottes, für den Geist Gottes, und macht das
Herz für seine spirituelle Erfahrung empfangsbereit, so dass es zu neuem Leben erwacht und seine inneren Möglichkeiten und Kräfte entfalten kann.
„...Und Wir ließen Jesus, den Sohn der Maria, folgen
und Wir gaben ihm das Evangelium.
Und in die Herzen16 derer, die ihm folgten,
legten Wir Güte und Barmherzigkeit...“
(Sure 57;28)
„Dann formte Er (Gott) ihn (den Menschen)
und hauchte ihm Seinen Geist ein.
Und Er hat euch Gehör und Augenlicht und Herzen17 gegeben.
Doch euer Dank ist recht gering.“
(Sure 32;9)
Reflexionen über das Herz als Zeichen
Der Koran fordert den Leser immer wieder auf, nachzudenken, überhaupt zu
denken, über die Zeichen Gottes (ayat), über Zeichen in der Natur, über „Zeichen in euch selbst“. Ein Zeichen kann ein Schriftzeichen sein, ein Verständigungszeichen, ein Kürzel, ein Chiffre, etwas, das es zu entschlüsseln gilt. Man
kann das Herz als so ein Zeichen betrachten, über das es sich lohnt, nachzudenken.
„In der Schöpfung der Himmel und der Erde
und im Wechsel von Nacht und Tag
sind in der Tat Zeichen für die Verständigen.18“
(Sure 3;191)
Das organische Herz nimmt eine relativ zentrale Stellung in unserem
Körper ein. Was seine Funktion anbelangt, ist das Herz von zentraler
16 Herz hier: qalaba, qalb,
17 hier fuad
18 Hier: Plural von lubb, albab, „einsichtige Herzen“
Reise zum Herzen
57
Bedeutung: Es schlägt, seit es bereits im Mutterleib angefangen hat zuschlagen, ohne unsere bewusste Willenstätigkeit und transportiert das Blut
in jede Zelle hinein durch den Körper, es verhält sich in unserem Körper wie
eine Pumpe mit selbsttätigem Antrieb. Sein gesundheitlicher Zustand ist von
lebensentscheidender Bedeutung – mittlerweile austauschbar durch Spenderherzen oder Kunstherzen – aber die Bedeutung eines sorgfältigen Umgangs
mit diesem Organ liegt auf der Hand. Von dem gesundheitlichem Zustand
des Herzens hängt schließlich die Versorgung jeder kleinsten Zelle unseres
Körpers ab, es transportiert durch das Blut den Sauerstoff und die Nährstoffe
durch den Körper zu seinem Aufbau, seinem Erhalt und zu seiner Erneuerung
und hält den Körper so am Leben. Analog zu diesem Bild verhält sich das
seelisch-geistige Herz auf der spirituellen Ebene: Es nimmt gleichfalls eine zentrale geistige Position ein und greift die Lebensführung dessen auf, der für es verantwortlich ist. Dadurch kann es in
einen mehr oder weniger guten Zustand geraten; es braucht „Atem“
und es braucht eine gute Versorgung. Die Doppeldeutigkeit von „atmen“
kommt in der lateinischen Sprache besonders gut zum Ausdruck: „spirare“ =
(Luft) einatmen, spiritus = Geist, davon abgeleitet: spirituell. Hier ist ein
Blick in die arabische Sprache interessant: Das Verb tanafassa bedeutet einatmen, davon abgeleitet ist das Substantiv nafs: die Psyche, wodurch der
enge psychosomatische Zusammenhang zwischen „atmen“ und Psyche schon
durch die Wortableitung erkennbar wird: wie man atmet, ist wichtig für das
Wohlbefinden unserer Psyche, was in Entspannungsübungen erfahrbar ist. 19
Der sorgfältige Umgang mit dem Organ Herz wird spätestens zum Thema,
wenn sein Gesundheitszustand bedroht ist; der sorgfältige Umgang mit unserem spirituellen Herzen ist uns nicht immer gleich bewusst, aber genauso
notwendig. In den Religionen sind dem Menschen zu seiner spirituellen
Versorgung Worte des Gebetes und Andachtsübungen gegeben, durch die
dem Herzen spirituelle Kraft und spirituelles Leben zufließen.
19 Hier sei angemerkt: Im Unterschied zum Schema Körper-Seele-Geist kennt der Islam und die arabische Sprache
ein differenzierteres 7-teiliges System, in dessen Mitte sich das spirituelle Herz befindet. Siehe hierzu: Halima Krausen,
Weitere Selbstentdeckung.
Reise zum Herzen
58
Der Dhikr – eine Herzenspflege
In der islamischen Mystik wird das Herz mit einem Spiegel verglichen, der das
Antlitz des Geliebten reflektiert, der Geliebte ist Gott. Wie ein Spiegel muss
das Herz beständig von Staub und Verunreinigungen gereinigt und poliert
werden durch das tägliche fünfmalige rituelle Gebet und darüber hinaus durch
spezielle Andachtsübungen, z.B. durch Dhikr. In dem Bemühen um ein rechtschaffenes Leben bemüht sich der Gläubige mittels dieser Rituale in die Verbindung zu Gott zu gelangen, Seine Nähe und Sein Wohlgefallen zu erringen
– damit das Herz das göttliche Licht vollständig reflektieren kann.
Dhikr heißt in der deutschen Übersetzung Erinnerung, Gedenken und
auch Erwähnung und kann in der Anrufung der 99 Schönsten Namen Gottes geschehen, sowohl in lauter Form innerhalb einer Gruppe als auch leise,
als stille Meditation allein für sich. Dabei stellt der dhikr qalbi (Gedenken des
Herzens) eine Verinnerlichung dar, in dem „ständig das Bewusstsein vorhanden ist, in Gottes Gegenwart zu leben und in allen Gedanken, Worten und
Handlungen mit Ihm verbunden zu sein.“ 20
„... und ihre Haut und ihre Herzen21 werden sanft
mit der Gotteserinnerung.“
(Sure 39;24)
„...Sie, die glauben und deren Herzen22 Trost finden
im Gedenken Allahs.
Ja, im Gedenken Allahs finden die Herzen Trost.“
(Sure 13;29)
20 Halima Krausen, in: Das Gebet; Vortrag im Rahmen der „Arbeitsgemeinschaft Interreligiöser Dialog“ am Fachbereich
Evangelische Theologie der Universität Hamburg
21 Hier: Plural von qalb, qulûb;
22 Hier: Plural von qalb, qulûb;
Reise zum Herzen
59
Herz im Christentum
Der biblische Gebrauch des Wortes „Herz“23
Im Profangriechisch 24 bezeichnet „kardia“ sowohl das Organ, als auch den
Sitz psychischer Regungen und die Quelle des seelischen Lebens überhaupt.
So z.B. schon bei Homer, wo „Herz“ schon das seelische und geistige Zentrum
des Menschen meint.
In der hebräischen Bibel (Altes Testament) wird das „Herz“ (leb, lebab)
ebenfalls im doppelten Sinne gebraucht. Die frühe Übersetzung der hebräischen Bibel ins Griechische (Septuaginta) überträgt „leb“ mit Herz, Denken
(dianoia/διανοια) und Seele (Psyche/ψυχη“Herz/Leb“ also ein ganzheitlicher
Begriff. Wenn z.B. das Herz durch Speise gestärkt wird, dann wird der ganze
Mensch gestärkt.
Das Herz/Leb ist die Mitte des seelisch-geistigen Lebens als Ort der Empfindungen als Sitz des Verstandes, der Erkenntnis, der Weisheit, aber auch der
Torheit und der bösen Gedanken vom Herzen geht der Wille aus und der tatkräftige Entschluss
Der Gebrauch in der griechischen Bibel (Neues Testament) deckt sich mit
dem Verständnis in der hebräischen Bibel. Das „Herz“ steht auch hier für das
Ich und bezeichnet die geistig-seelischen Kräfte wie Verstand, Willen, Gefühl,
Leidenschaft, Triebe. Im „Herz“ als „Ich-Zentrum“ ist der Mensch von Gott ansprechbar oder bei einem „verstockten Herzen“ Gott gegenüber taub. Ist das
„Herz“ verstockt, unverständig und verfinstert, so ist es der ganze Mensch.
Die „Härtigkeit des Herzens“ bezeichnet ein Ich, das auf sich selbst bezogen
bleibt und nicht zu einer verständigen Beziehung mit den Mitmenschen und
Gott tritt.
In der griechischen Bibel und in der altchristlichen Literatur wird Gott mit einer neuen Wortbildung als „Herzenskenner“ (καρδιαγνστησ) bezeichnet. Allerdings ist nur das Wort neu - auch in der hebräischen Bibel kennt und erforscht
Gott das Herz der Menschen (z.B. „Erforsche mich Gott, und erfahre mein
Herz ...“, Ps. 139, 23)
23 Heb.: „lev“, griech.: „kardia“
24 Die folgenden Worterklärungen sind zusammengefasst aus: Th. Sorg, Artikel „Herz“ in: Theologisches Begriffslexikon
zum Neuen Testament, hrg. von Lothar Coenen, Erich Beyreuther und Hans Bietenhard, Bd. 1, Wuppertal 1979, 2. Auflage, S. 680ff.
Reise zum Herzen
60
Das Herz steht also für Lebenskraft. Es ist das Zentrum des geistigen und
emotionalen Lebens. Im „Herzen“ schlägt das Gewissen. Das „Herz ist es, das
die Beziehung zu Gott und den Mitmenschen hält. Wo das Herz versteinert ist,
da besteht keine lebendige Gottesbeziehung, und das Leben hat keine Zukunft.“ 25
25 Hermann Eberhardt, praktische Seel- Sorge- Theologie, Bielefeld 1993, S. 22
Reise zum Herzen
61
Biblische Sprüche zum Thema „Herz“
26
„Der Mensch sieht, was vor Augen ist,
Gott aber sieht das Herz an.“
(1. Sam. 16,7/Jahreslosung 2003)
„Der Herr ist nahe denen, die zerbrochenen Herzens sind,
und hilft denen, die ein zerschlagenes Gemüt haben.“
(Ps. 28,7)
„Ich will mein Gesetz in ihr Herz geben
und in ihren Sinn schreiben,
und sie sollen mein Volk sein,
und ich will ihr Gott sein.“
(Jer. 31, 33)
„Ich will euch ein neues Herz geben und einen neuen Geist
in euch geben und will das steinerne Herz aus eurem Fleisch
wegnehmen und euch ein fleischernes Herz geben. Ich will
meinen Geist in euch geben und will solche Leute aus euch
machen, die in meinen Geboten wandeln und meine Rechte
halten und danach tun.“
(Ez. 36, 26f)
Doppelgebot der Liebe:
„Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt“
(5. Mose 6,5)
und
„Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“
(3. Mose 19, 18).
„Die Hauptsumme aller Unterweisung ist die Liebe aus
reinem Herzen und aus gutem Gewissen und aus ungefärbtem Glauben.“
(1. Tim 1,5)
26 Diese kann ein Mensch „sich zu Herzen nehmen“, damit „Herz und Verstand“ gestärkt werden
Reise zum Herzen
62
Theorie zum Herzen im Buddhismus
In buddhistischen Texten findet man das Herz häufig erwähnt (siehe auch
Zitate im Praxisteil). Es gibt dabei eine Vielzahl von Formulierungen. Drei Bedeutungsebenen kann man erkennen, die sich gegenseitig ergänzen.
1) Zunächst einmal bezeichnet man in der Sprache der buddhistischen
Sichtweise mit Herz die Essenz der Lehre Buddhas.
Dabei handelt es sich dann um kurze, prägnante Schlüsselunterweisungen, die den Kern von Buddhas Belehrungen betreffen und die tiefste
Grundlage aller anderen Belehrungen bilden. Sie sind nur selten ohne weiterführende Erklärungen zu verstehen. Dazu gehört zum Beispiel das berühmte
Herz-Sutra, in dem der Buddha seinen Schülern darlegte, wie Form und
Leerheit sich gegenseitig bedingen. Diese Belehrung wird als Höchste
Weisheit bezeichnet. Diese nachfolgenden Anmerkungen erheben daher überhaupt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Bitte verstehen Sie sie als einige
allererste Hinweise darauf, in welcher Richtung man weiter nachdenken sollte.
Wer neugierig geworden ist, sollte in der einschlägigen Literatur nachlesen.
Form bedeutet alles, was entstehen und vergehen kann. Keine Form
existiert ewig unverändert. Es liegt in ihrer Natur, sich ständig zu verändern,
was uns ein Blick in unsere Umwelt oder auch in den Spiegel täglich zeigt.
Leerheit bedeutet, dass es Raum gibt, in dem etwas entstehen und
vergehen kann. Es ist damit kein Nichts gemeint, sondern die jederzeit offene Möglichkeit, dass sich Dinge entfalten und auflösen können.
Und diese beiden Dinge sind nur in gegenseitiger Abhängigkeit voneinander
vorhanden. Denn Form kann nur entstehen, wenn genügend Raum vorhanden ist, sich die Dinge ständig verändern und auflösen können. Und gleichzeitig beweist in einem Umkehrschluss jede vorhanden Form auch, dass Raum
vorhanden ist, in dem sie entstehen konnte.
Form und Leerheit sind also nicht als Dualität zu verstehen, sondern als verschiedene Möglichkeiten des Geistes, sich auszudrücken. Sie arbeiten immer
miteinander und nie gegeneinander.
Buddha betont, dass es sehr wichtig ist, diese Belehrungen nicht nur logisch intellektuell nachzuvollziehen, sondern sie auch „mit dem Herzen verstehen“ (Thich Nath Hanh) zu lernen. Deshalb wird das Herz-Sutra
in vielen buddhistischen Richtungen nicht nur immer wieder erklärt, sondern
auch häufig insgesamt rezitiert, entweder in der Originalsprache oder in einer
Übersetzung. Dabei vertraut man auf die unterbewusste Weisheit von Körper
und Geist, Wahrheit ganzheitlich zu erfassen, jenseits von begrifflichen Vorstellungen.
Reise zum Herzen
63
2) Auf der Meditationsebene spielt das Herz eine ganz zentrale Rolle. Anders als vielfach im Westen wird das Herzzentrum mitten in der Brust als
Sitz des Geistes angesehen (der Kopf dagegen ist für alles zuständig, was
mit Körper, Nerven und Sinnen zu tun hat.)
Da der eigene Geist als verantwortlich gesehen wird für die Umstände, in denen man lebt, wird es ungeheuer wichtig, diesen Geist kennen zu lernen und
seine Fähigkeiten zum Nutzen aller einzusetzen.
Oft wird der Geist mit einem Diamanten verglichen, der aus sich selbst heraus
strahlt.
Dieses Klare Licht unseres Geistes wird aber seit jeher von falschen Gewohnheiten, störenden Gefühlen und festgefahrenen Konzepten so verdunkelt, dass wir es kaum mehr wahrnehmen können. Dabei wirkt sich besonders
negativ aus, dass wir gewohnheitsmäßig die anderen Wesen um uns herum
als getrennt von uns wahrnehmen. Wir sehen ständig die Bedürfnisse von
anderen im Gegensatz zu unseren eigenen Wünschen. Aber ebenso wie sich
Form und Leerheit nur miteinander entfalten, so sind wir und die anderen jederzeit voneinander abhängig.
Wenn wir uns selbst aber als unabhängig existierend wahrnehmen, so stecken
wir in einer Dualitätserfahrung fest, die automatisch jede Menge störender
Gefühle produziert. Denn entweder lehnen wir Dinge ab, was zu Hass und
Zorn führt oder wir wollen Dinge für uns selbst haben, was zu Neid, Gier und
Eifersucht führt. All diese Gefühle verfestigen aber die Vorstellung von Trennung immer weiter. Schließlich können wir nicht einmal mehr erkennen, dass
unsere eigenen Konzepte die Schwierigkeiten hervorgerufen haben, in denen
wir häufig im Umgang mit anderen Menschen stecken.
Buddhistische Praxis besteht nun darin, die Schleier und Befleckungen des
Geistes so zu entfernen, dass die eigentlichen Qualitäten- Furchtlosigkeit,
Freude und unbegrenztes Mitgefühl - immer deutlicher nach außen strahlen
können.
Wenn in der Meditation mit inneren Bildern gearbeitet wird, stellt man sich
deshalb oft im Herzen eine strahlend weiße voll geöffnete Lotusblüte vor als
Sinnbild der inneren Reinheit des Geistes. Dazu kommen noch bestimmte
Lichter, Silben oder Buddhaformen, auf die man sich dann besonders konzentriert.
Auf der Meditationsebene ist das Herz also keine Metapher, sondern ein bestimmter Ort im Körper, mitten in der Brust, auf den man sich bezieht, weil er
besonders eng mit dem Geist in Verbindung steht.
Reise zum Herzen
64
3) Schließlich spricht man auf der Verhaltensebene davon, im Alltag, in allen Lebenslagen, ein gutes, mitfühlendes Herz zu entwickeln. Man versucht das, was man beim Studium der buddhistischen Sichtweise verstanden
hat und das, was man in der Meditation ganzheitlich erfahren hat nun auch im
täglichen Leben zu verwirklichen, was nicht immer ganz einfach ist.
Aber wenn es gelingt, sein Herz für die Bedürfnisse der anderen Wesen zu
öffnen und seine eigenen Wünsche dabei einen Moment zu vergessen, dann
hat man einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung getan: Man hat begonnen, sich und die anderen als Teile einer Ganzheit zu sehen und nicht
getrennt voneinander. Dann hat man auf der Herzensebene einen Zugang zu
dem bekommen, was der Buddha im Herz-Sutra lehrt: Dass nichts unabhängig aus sich heraus existiert, sondern dass alles miteinander in Verbindung
steht und sich ständig wandelt.
Dieser Weg zu bedingungsloser Liebe und unbegrenztem Mitgefühl kann im
Alltag wirkungsvoll durch den Einsatz eines Mantras unterstützt werden, wie
es die Tibeter seit vielen hundert Jahren tun. Sie verwenden dazu die Silben
OM MANI PEME HUNG.
Der Klang dieses Mantras aktiviert Liebe und Mitgefühl in uns und befriedet
in schwierigen Situationen uns selbst und andere, wenn wir es leise vor uns
hin sagen, solange es gut tut.
Diese Mantra gehört zur Buddhaform CHENREZIG (dt. Liebevolle Augen). Er
symbolisiert die Fähigkeit, sein Herz ganz für andere zu öffnen, zu sehen, was
ihnen gut tut und dann aktiv zu handeln.
Reise zum Herzen
65
Ergänzender Praxisteil aus buddhistischer Sicht
Praktische Vorschläge, um ein gutes mitfühlendes Herz zu entwickeln, das sich
für andere Wesen öffnet:
Als Einstieg bietet sich die Meditation auf das innere Licht an.
Sie ist eine stark vereinfachte buddhistische Meditation, die man aber auch
schon mit Erstklässlern ausprobieren kann.27
Man bittet die Kinder sich gerade hinzusetzen und wenn möglich die Augen zu
schließen, da man sich dann besser konzentrieren kann.
Dann spricht man die Anweisungen langsam und deutlich, lässt dabei immer
wieder genug Zeit und beobachtet die Kinder um zu bemerken, wann man
den nächsten Satz sprechen kann.
Stell dir vor
in deinem Herzen
mitten in deiner Brust
ist ein kleines Licht.
Dieses Licht wird immer größer.
Konzentriere dich auf das Licht in deinem Herzen.
Lass das Licht größer und kräftiger werden.
Lass das Licht in deinen Körper strahlen und
dir Kraft geben!
Schicke das Licht jemandem der es braucht!
Lass das Licht wieder zurückkehren.
Bewahre das Licht im Herzen!
Und nun öffnet ihr langsam die Augen und
kommt mit eurer
Aufmerksamkeit
wieder zurück in die Klasse.
27 Buddhisten achten sehr darauf, dass buddhistische Bilder, Texte und Mantras respektvoll behandelt werden, da sie
vom Buddha gegeben wurden. Es wäre toll, wenn Sie auf diese Regel Rücksicht nehmen könnten und auch die Kinder
darauf hinweisen würden.
Reise zum Herzen
66
Im Anschluss daran hat es sich bewährt, die Kinder von ihren Eindrücken erzählen zu lassen, wenn sie möchten. Viele Kinder formulieren gerne, wie sich
das Licht angefühlt hat oder wem sie es geschickt haben. Wenn es Kinder
gibt, die sich nicht damit zurechtgefunden haben, sollte man sie beruhigen
(Neues kann manchmal schwierig sein, das ist gar nicht schlimm...).
Als Variation kann man die Kinder auch bitten, sich im Herzen eine weiße
Lotusblüte vorzustellen, aus der dann das Licht herausstrahlt. Als Illustration lassen sich die beigefügten Zeichnungen verwenden. Auf der beigefügten Kopiervorlage, die den Kindern als Erinnerung dienen kann, lässt sich
das Licht auch farbig gestalten.
Etwas ältere Kinder, die schon Erfahrungen mit Stille-Übungen haben,
können in der Regenbogenmeditation ausprobieren, wie sich ein Herz
anfühlt, das sich für andere öffnet. Das Bild des Regenbogens wird im
Buddhismus oft eingesetzt um zu verdeutlichen, wie sich Dinge im Raum manifestieren und wieder auflösen. In diesem Zusammenhang aber soll das Regenbogenlicht vor allem die Vielfalt und Schönheit der Farben erwecken als Sinnbild für alles Schöne, das man verschenkt.
Man spricht den Text der Regenbogenlicht-Meditation langsam und deutlich
und lässt zwischendurch genügend Zeit, damit die Kinder das Gesagte in sich
erfahren können.
Man kann auch die Meditation auf der beigefügten Kassette (RegenbogenMeditation deutsch gesprochen, Mantra OM MANI PEME HUNG gesprochen,
Rezitation Herz-Sutra tibetisch gesprochen – Ausschnitt; im PTI bei Frau
Schörner ausleihbar) mit den Kindern zusammen hören.
Wichtig ist wieder, zum Schluss den Kindern genügend Raum zu geben, über
ihre Erfahrungen zu sprechen, wenn sie mögen und dabei nicht abzuwerten,
sondern zu bestärken.
Die dritte Möglichkeit, mit dem Herzen auf buddhistische Weise zu arbeiten
ist der Einsatz eines Mantras. Hier bietet sich das folgende Mantra an:
OM MANI PEME HUNG (deutsche Lautschrift)
Es erweckt grenzenlose Liebe für alle Wesen und bedingungsloses Mitgefühl.
Reise zum Herzen
67
Man bittet dazu die Kinder, sich still hinzusetzen.
Stell dir vor,
wie gut es sich anfühlt,
wenn du jemandem hilfst.
Um das noch besser
tun zu können,
hilfst du jetzt
deinem Herzen, sich
für andere Menschen oder auch
für Tiere zu öffnen.
Du sprichst ein Mantra.
Das sind ein paar Silben,
die du mir jetzt nachsprichst:
OM MANI PEME HUNG
Wir sprechen diese Silben jetzt
leise vor uns hin
und spüren in uns hinein, wie unser Herz sich
dabei fühlt.
Nach einigen Minuten lässt man die Kinder wieder von ihren Eindrücken
berichten.
Wenn man möchte, kann man die Arbeit mit dem Mantra vorher so vorbereiten, dass man den Kindern erzählt, wie die Tibeter dieses Mantra benutzen.
Es ist sozusagen ihr Lieblingsmantra. Sie sprechen es den ganzen Tag über
immer, wenn sie Zeit haben und schreiben es auch auf Steine am Weg. Denn
sie wollen nie vergessen, sich um Wesen zu kümmern, die in Not sind. Für
sie ist es sehr wichtig, Liebe und Mitgefühl zu entwickeln. Vielleicht kann man
auch ein Foto von sogenannten Mani-Steinen zeigen, auf denen das Mantra in
tibetischer Schrift eingemeißelt ist.28
Auf diese Weise bekommen die Kinder einen ersten Eindruck in eine fremde
Kultur und sind vielleicht neugierig geworden, selbst zu entdecken, was es mit
dem Mantra auf sich hat.
Man schreibt es dann in westlicher Schrift an die Tafel und spricht es, wie
oben beschrieben.
28 Die tibetischen Schriftzeichen der Silben OM MANI PEME HUNG sind als Kopiervorlage beigefügt.
Reise zum Herzen
68
Wenn man diese Meditation noch ausweiten möchte oder in der Klasse ein
Kind ist, das dieses Mantra kennt, kann man den Kindern zusätzlich noch die
Buddhaform zeigen, zu der das Mantra gehört. Man kann aber auch nur
mit dem Mantra arbeiten, ohne eine visuelle Form hinzuzufügen. Man muss
das Mantra auch nicht übersetzen. Es wirkt durch seinen Klang, nicht durch
seine Bedeutung.
Wenn man das Bild hinzufügen möchte, verwendet man entweder ein großes
Bild an der Tafel oder die beigefügte Zeichnung von Chenrezig (dt. Liebevolle Augen). Beim Sprechen des Mantra konzentriert man sich auf das Bild.
Wenn man das Bild genau anschaut, erkennt man, dass Liebevolle Augen mit
zwei seiner Hände ein Juwel am Herzen trägt. Dieses Juwel erfüllt die Wünsche aller notleidenden Wesen.
Er sitzt in einer wunderschönen Lotusblüte, die die Reinheit seines Herzens
zeigt. Auch in einer Hand hält er eine Lotusblüte. In der anderen Hand hält
er eine Kette, mit der man Mantras zählen kann. Wenn man so genau schaut,
macht es auch Sinn, den Kindern das Mantra zu übersetzen. Es ist nämlich
eine Anrufung an diese Buddhaform:
MANI bedeutet Juwel und PEME bedeutet Lotus, also:
„Der Juwel im Lotus“
Aber - wie gesagt - es ist nicht nötig, all das zu erwähnen. Das Mantra wirkt
auch ohne die visuelle Form und ohne Übersetzung, die ja nur Sinn macht,
wenn das Bild dazugegeben wird.
Reise zum Herzen
69
Die letzte hier erwähnte Möglichkeit mit dem Herzen zu arbeiten ist die
Rezitation des Herz–Sutras. Sie ist besonders in der Zen-Tradition beliebt.
Für Grundschüler ist sie meist nicht geeignet um eigene Erfahrungen zu machen, sondern um Einblick in eine andere Kultur zu bekommen. Dazu kann
man den Ausschnitt aus der beigefügten Kassette verwenden. Wenn man mit
dem deutschen Text arbeiten will, benutzt man ihn ohne weiter zu erklären.
Im Buddhismus sprechen viele Menschen oft
einen bestimmten Text laut vor sich hin.
Dabei werden sie im Herzen ganz still und
lassen die Worte auf sich wirken,
auch wenn sie sie nicht ganz
verstehen.
Wir können auch einmal ausprobieren,
wie man sich dabei fühlt.
Dieser Text ist seit vielen tausend
Jahren von vielen tausend Menschen
gesprochen worden und inzwischen in
viele Sprachen übersetzt worden.
Jetzt lese ich ihn euch vor
Und ihr hört einfach zu:
Dann liest man den Text des Herz-Sutras29 vor und ist neugierig darauf, wie
die Kinder reagieren.
Man sollte alle Äußerungen zulassen, aber nicht dazu übergehen, etwas erklären zu wollen. Das würde erstens den Eindruck der Rezitation zerstören und
zweitens die Kinder bloß verwirren.
Das Ausprobieren dieses Vorschlags ist nur etwas für Kinder ab Klasse 4,
wenn besonderes Interesse vorliegt oder wenn es in der Klasse Kinder gibt,
die mit der Tradition dieser Rezitation vertraut sind.
29 Siehe Materialanhang.
Reise zum Herzen
70
Mein inneres Licht
Å
Lass das Licht
größer und kräftiger
werden
Ñ
Konzentriere Dich
auf das Licht
in Deinem Herzen
Ç
Schicke
das Licht
jemandem,
der es braucht!
Ö
Lass
das Licht
wieder
zurückkehren
É
Bewahre
das Licht
im Herzen!
Ü
Lass
das Licht
in Deinem Körper
strahlen und Dir Kraft geben!
Wer eine ganz einfache Weise ausprobieren möchte, um mit dem Herzen zu
arbeiten, findet hier eine gute Möglichkeit, die Kindern viel Freude macht.
Nach der kurzen Meditation kann man das Licht im Herzen malen lassen.
Reise zum Herzen
Der Lotus im Herzen - ein Bild für die Reinheit
71
Reise zum Herzen
Die Regenbogenlichtmeditation
72
Reise zum Herzen
Buddhaform Chenrezig30
30 Chenrezig bedeutet auf Dt.: Liebevolle Augen - Sinnbild unbegrenzten Mitgefühls.
73
Reise zum Herzen
Herz-Sutra Text Das Herz von Prajnaparamita
Der Bodhisattva Avalokita, tief im Strom Vollkommenen Verstehens, durchleuchtete die fünf Skandhas und fand sie gleichermaßen leer. Dies durchdringend, überwand er alles Leiden.
„Höre, Shariputra, Form ist Leerheit, Leerheit ist Form, Form ist nicht
verschieden von Leerheit, Leerheit ist nicht verschieden von Form. In der
selben Weise gilt dies für Empfindungen, Wahrnehmungen, geistig-psychische Formkräfte und Bewusstsein.“
„Höre, Shariputra, alle Dharmas sind durch Leerheit gekennzeichnet; weder zunehmend noch abnehmend. Daher gibt es in der Leerheit weder
Form, noch Empfindung, noch Wahrnehmung, noch geistig-psychische
Formkraft noch Bewusstsein; kein Auge oder Ohr oder Nase oder Zunge
oder Körper oder Geist, keine Form, keinen Klang, keinen Geruch, keinen
Geschmack, keine Berührung, kein Objekt des Geistes; keinen Bereich der
Elemente (von den Augen bis zu dem Geist-Bewusstsein); kein bedingtes
Entstehen und kein Erlöschen dessen (von Unwissenheit bis zu Tod und
Verfall); kein Leiden, keinen Ursprung des Leidens, kein Erlöschen des
Leidens, keinen Weg; kein Erlangen.“ „Weil es kein Erlangen gibt, finden
die Bodhisattvas, gestützt auf die Vollkommenheit des Verstehens, keine
Hindernisse in ihrem Geist. Keine Hindernisse erlebend, überwinden sie
die Angst, befreien sich selbst für immer von Täuschung und verwirklichen
vollkommenes Nirvana. Alle Buddhas der Vergangenheit, Gegenwart und
Zukunft erreichen, dank dieses Vollkommenen Verstehens, vollständige,
wahre und universale Erleuchtung.“
„Daher sollte man erfahren, dass Vollkommenes Verstehen ein großes
Mantra ist, das höchste Mantra, das Mantra ohnegleichen, das alles Leiden tilgt, die unbestechliche Wahrheit. Das Mantra der Prajnaparamita
sollte daher verkündet werden. Dies ist das Mantra: „Gate gate paragate
parasamgate bodhi svaha.“
(aus: Thich Nhat Hanh, Mit dem Herzen verstehen – Kommentare zum
Herz-Sutra, Theseus Verlag 1988)
74
Reise zum Herzen
HERZ-SUTRA ein Ausschnitt aus dem tibetischen Originaltext
75
Reise zum Herzen
76
Einige Sanskritwörter und ihre Bedeutung
Prajanaparamita
Höchste Wahrheit
Bodhisattva
jemand, der sein Herz völlig für andere geöffnet
hat und ständig zum Wohl aller fühlenden Wesen
arbeitet
Dharma
hier: Phänomene
Skandha
wörtl. Anhäufungen, d.h. woraus Körper und Geist
bestehen.
Hier im Text werde sie wie folgt übersetzt:
Form/Empfindungen/Wahrnehmungen/geistig-psychische
Nirvana
Formkraft/Bewusstsein
Bodhisattva Avalokita
vollkommene Erleuchtung
ist identisch mit Chenrezig (dt. Liebevolle Augen)
Reise zum Herzen
77
Das Herz im Hinduismus
In der vedischen Tradition ist das Herz der Sitz aller Gefühle, seien sie materiell oder spirituell und sogar der Sitz Gottes Selbst. Dies geht aus zahllosen
Textstellen in den überlieferten heiligen Schriften der Hindus hervor. Ebenso
ist das Herz der Sitz der spirituellen Seele, des jiva-atma, also der Sitz unserer eigentlichen Persönlichkeit.
Das Grundkonzept der Vedas nach dem dvaita-vada (Lehre von der Dualität von Geist und Materie) besteht darin, dass wir nicht dieser Körper sind,
sondern die spirituelle Seele darin (aham brahmasmi). Diese Seele ist
lokalisiert und individuell und so winzig klein, dass sie sogar in den kleinsten
Lebewesen wie etwa Kleinstinsekten oder Mikroben Platz findet. Zum Zwecke
der Anschauung heißt es, die Seele sei nicht größer als der zehntausendste
Teil einer Haarspitze. Es wird erklärt, dass sie nicht einmal mit dem stärksten
Elektronenmikroskop wahrgenommen werden kann.
Die Bhagavad-gita (BG) beschreibt die Seele folgendermaßen:
“Für die Seele gibt es zu keiner Zeit Geburt oder Tod. Sie ist nicht
entstanden, sie entsteht nicht, und sie wird nie entstehen. Sie ist
ungeboren, ewig, immerwährend und urerst. Sie wird nicht getötet,
wenn der Körper getötet wird.” – BG 2.20
Die Seele ist unsere eigentliche Identität, und ihr Aufenthaltsort das Herz (siehe Zitate unten). In dieser materiellen Welt ist sie von Elementen umgeben,
die unsere Persönlichkeit in dieser Welt wahrnehmbar machen. Zunächst ist
dies der materielle Körper, dann die Psyche aus Gefühl, Verstand und Identität. Während die materiellen Elemente sich den Sinnen mitteilen, nämlich
dem Auge, dem Ohr, der Nase, dem Geschmack und dem Tastsinn, lassen sich
geistige Präsenz, also Denken, Fühlen und Wollen, nur durch Beobachtung der
Handlung erschließen. Wenn jemand z.B. zusammenhanglos handelt, schließen wir daraus, dass es ihm an Intelligenz mangelt etc. Es wird aber kaum ein
Lebewesen geben, dem wir eine Intelligenz ganz und gar ableugnen, obwohl
wir diese nicht mit physischen Sinnen wahrnehmen können. Auch der so genannte feinstoffliche Körper aus Verstand mit all seinen Gefühlen, Intelligenz
vedisch – von Veda (Wissen); der Veda ist das heilige Schrifttum der Hindus. Vedisch ist alles, was auf die Lehre dieser Schriften aufbaut.
aham brahmasmi = „ich bin Seele“
Bhagavad-gita: Die bekannteste der vedischen Schriften, eine Zusammenfassung der vedischen Lehren
Reise zum Herzen
78
und Ich-Identität ist im Herzen angesiedelt. Zu Anfang der Bhagavad-gita
steht zum Beispiel, dass der Klang aus Krischnas und Arjunas Muschelhörnern
die „Herzen der Gegner erschütterte“. Hier wird der Ausdruck „hridaya“ (siehe
Schluss) für Herz benutzt (BG 1.19).
Es heißt in einer Analogie, dass das Bewusstsein sich durch das Blut, welches
vom physischen Herzen ausströmt, im ganzen Körper verteilt. Wird z.B. an
einem Glied der Blutstrom unterbrochen, so schwindet dort sehr schnell das
Bewusstsein. Das Bewusstsein steht also in Wechselwirkung mit dem physischen Körper einschließlich der Organe. So sind sowohl die Ursachen als
auch die Auswirkungen von Gefühlen des Glücks und Leids meistens in den
Organen nachzuweisen. Ein leerer Magen z.B. verursacht „instinktiv“ Gedanken an Essbares und Pläne, dieses zu besorgen. Auch das Gehirn hat in diesem Zusammenhang die Funktion eines Organs. Viele Gedanken und Eindrücke finden dort eine physikalische und chemische Entsprechung. Das Zentrum
des feinstofflichen Bewusstseins sowie aller Empfindungen ist aber nach der
vedischen Auffassung das Herz.
Die vedischen Schriften vertreten die Ansicht, dass die Aufgabe des menschlichen Lebens darin besteht, das Bewusstsein von der Materie zu lösen und
auf die Transzendenz oder Gott auszurichten, den Ursprung sowohl der Seelen
als auch der Materie. Um dies zu erreichen, empfiehlt die Tradition, das Herz
zu „reinigen“. Man geht davon aus, dass übermäßige Anhaftung an Materie,
die sich in Habgier, Eigennutz und Unwissenheit äußert, einer Verunreinigung
des Herzens gleichkommt. In einem solchen Zustand werden allein die Objekte der Sinne, also Klang, Form, Berührbares, Geschmack und Geruch als
erstrebenswert erachtet, und das Lebewesen versucht so viel wie möglich
davon anzuhäufen, ohne Rücksicht auf den Bedarf anderer Individuen. So
kommt es zum Kampf ums Dasein. Diese destruktiven Empfindungen entstehen im „unreinen“ Herzen.
Obwohl Gott Selbst als „Überseele“ (Paramatma) im Herzen aller Lebewesen
gegenwärtig ist und es bei Schritt und Tritt leitet, ist Seine Gegenwart nur der
„reinen Seele“ offenbar, die Ihm das Bewusstsein öffnet.
Der Höchste Herr weilt im Herzen eines jeden, o Arjuna, und lenkt
die Wege aller Lebewesen, die sich auf einer Maschine befinden, die
aus materieller Energie besteht. – BG 18.61
Reise zum Herzen
79
Daher sollten die Zweifel, die in deinem Herzen aus Unwissenheit
entstanden sind, mit der Waffe des Wissens zerschlagen werden.
Bewaffne dich mit yoga, o Bharata, steh auf und kämpfe. – BG 4.42
Ich weile im Herzen eines jeden, und von Mir kommen Erinnerung,
Wissen und Vergessen. Das Ziel aller Veden ist es, Mich zu erkennen.
Wahrlich, Ich bin der Verfasser des Vedanta, und Ich bin der Kenner
der Veden. – BG 15.15
In der Bhagavad-gita sagt Krischna, dass Er persönlich das Lebewesen vom
Herzen aus mit Erinnerung, Wissen und Vergessen versorgt. Die reine Seele, die sich dem inneren Führer, dem „Herrn im Herzen“ zuwendet, darf also
erwarten, von Vergessenheit verschont zu bleiben. Sie erinnert sich an Gott,
ihren ewigen Vater, und erlangt Wissen von ihrer spirituellen Identität jenseits
der materiellen Verdunkelung:
Um ihnen besondere Barmherzigkeit zu erweisen, zerstöre Ich, der
Ich in ihren Herzen weile, mit der leuchtenden Fackel des Wissens
die aus Unwissenheit geborene Finsternis. (BG 10.11)
Das Erscheinen Gottes im Herzen kann mit dem Sonnenaufgang verglichen
werden. Es ist das Bestreben des Bhakta , Ihm dort einen gebührenden
Empfang zu bereiten. Daher bemüht er sich, den „Lotos des Herzens“ rein zu
halten, wie einen Thron, auf dem Gott Selbst Platz nehmen möchte. Ist dieser
Zustand erreicht, ist es dem Bhakta möglich, Gott in seinem Herzen wahrzunehmen und in eine persönliche Beziehung mit Ihm zu treten. Nach dieser
Verwirklichung wird er danach streben, seine Erkenntnisse mitzuteilen, und
man spricht von einem „vollen Herzen“.
Bhakta: Verehrer oder Geweihter Gottes
Reise zum Herzen
80
Häufige Sanskritausdrücke für “Herz” sind
cetana
Herz häufig auch im Sinne von Bewusstsein und
Intelligenz
citta Herz im Sinne von spirituellen Geist
hridaya
sowohl physisches Herz als auch das Herz als
Thron Gottes
hridayanivasa
ein Ausdruck für Gott, der im Herzen wohnt
ashaya
Herz als Sitz der Geühle, des Geistes, der Seele,
Denken, Charakter, Gesamtheit der durch vergangenen Handlungen bedingte Eigenschagten, die als
Samen für zukünftiges Handeln im Geist wohnen Sanskrit-Übersetzungen aus “Spirituelles Wörterbuch Sanskrit-Deutsch” von Dr. Martin Mittwede
Reise zum Herzen
81
Hinduistische Herz-Mantren
Ein Mantra ist ursprünglich eine Hymne oder Opferspruch aus den heiligen
Schriften der Hindus, dem Veda und seinen Begleitschriften. Mantren sind
Gebete und Anrufungen Gottes. Das Sanskrit-Wort „Mantra“ heißt in der Übersetzung: „Das, was den Geist ausrichtet oder kontrolliert.“

Mantren können aus einer Silbe, mehreren Silben oder sogar einem Vers
Ein Mantra istSie
ursprünglich
eineoft
Hymne
oder Gottes.
Opferspruch
aus den ist
heiligen
Schriften derdass die
bestehen.
enthalten
Namen
– Hierzu
anzumerken,
Hindus, dem Veda und seinen Begleitschriften. Mantren sind Gebete und Anrufungen Gottes.
vedische
Religion,
die wir
„Hinduismus“
verschiedene
Namen
„Das,nennen,
was den Geist
ausrichtet oder
Das SanskritWort
„Mantra“
heißtheute
in der Übersetzung:
Gottes
kennt, die gleichberechtigt nebeneinander existieren, sich aber immer
kontrolliert.“
auf die gleiche Höchste Wahrheit beziehen.
Mantren können aus einer Silbe, mehreren Silben oder sogar einem Vers bestehen. Sie
enthalten oft Namen Gottes. – Hierzu ist anzumerken, dass die vedische Religion, die wir
Durch
das Rezitieren
wird
die Gottheit
herbeigerufen,
wird in das Herz des
heute „Hinduismus“
nennen,
verschiedene
Namen
Gottes kennt, die sie
gleichberechtigt
Verehrers
eingeladen.
Soaber
dienen
demHöchste
Gebet.Wahrheit
Sie werden
auch ausnebeneinander
existieren, sich
immerMantren
auf die gleiche
beziehen.
gesprochen, um göttlichen Beistand zu erbitten.
Durch das Rezitieren wird die Gottheit herbeigerufen, sie wird in das Herz des Verehrers
eingeladen. So dienen Mantren dem Gebet. Sie werden auch ausgesprochen, um göttlichen
Im
Folgenden
lest ihr einige Original-Mantren aus der vedischen Schrift
Beistand
zu erbitten.
Śrīmad-Bhāgavatam (auch Bhāgavata Purāṇa, „Die Geschichten des Höchsten
Im Folgenden lest
ihr einige
OriginalMantren
aus der vedischen
Schrift ŚrīmadBhāgavatam
Persönlichen
Gottes
und
Seiner Geweihten“)
mit Anleitung
zur Rezitation. Ihr
(auch Bhāgavata Purāṇa, „Die Geschichten des Höchsten Persönlichen Gottes und Seiner
lest
zuerst das Original-Sanskrit (Devānagarī, „die Schrift der Götter“), dann
Geweihten“) mit Anleitung zur Rezitation. Ihr lest zuerst das OriginalSanskrit (Devānagarī,
die
lateinische
Schrift inmit
Hilfszeichen
und
schließlich
„die Umschreibung
Schrift der Götter“),indann
die Umschreibung
lateinische
Schrift mit
Hilfszeichen
unddie
schließlich die Übersetzung.
Übersetzung.



oṁ namo bhagavate vāsudevāya
mantreṇānena devasya
kuryād dravyamayīṁ budhaḥ
saparyāṁ vividhair dravyair
deśakālavibhāgavit

ÜBERSETZUNG
oṁ namo
bhagavate
vāsudevāya.
– [Ich verehre
den
Höchstenden
Herrn
mit NamenHerrn
Vāsudeva
oṁ
namo
bhagavate
vāsudevāya.
– [Ich
verehre
Höchsten
mit–
der
Herr,
der
überall
wohnt.]
So
lautet
der
zwölfsilbige
Mantra
für
die
Verehrung
Gottes.
Man
Namen Vāsudeva – der Herr, der überall wohnt.] So lautet der zwölfsilbige
soll die Altargestalt des Herrn aufstellen, und während man diesen Mantra chantet, soll man
Mantra
fürFrüchte
die Verehrung
sollgenau
die Altargestalt
Herrn All
aufstelBlumen und
und andere Gottes.
Arten vonMan
Speisen
nach Vorschrift des
darbringen.
len,
und
während
man diesen
chantet, soll
man Blumen
dies soll
jedoch
in Anbetracht
von Ort, Mantra
Zeit und Umständen
geschehen.
 Śrīmad und Früchte
Bhāgavatam
4.8.54
und andere Arten von Speisen genau nach Vorschrift darbringen. All dies soll
jedoch in Anbetracht von Ort, Zeit und Umständen geschehen. - ŚrīmadBhāgavatam 4.8.54 

paricaryā bhagavato
yāvatyaḥ pūrvasevitāḥ

Reise
zum Herzen
oṁ namo
bhagavate vāsudevāya. – [Ich verehre den Höchsten Herrn mit Namen Vāsudeva –
82
der Herr, der überall wohnt.] So lautet der zwölfsilbige Mantra für die Verehrung Gottes. Man
soll die Altargestalt des Herrn aufstellen, und während man diesen Mantra chantet, soll man
Blumen und Früchte und andere Arten von Speisen genau nach Vorschrift darbringen. All
dies soll jedoch in Anbetracht von Ort, Zeit und Umständen geschehen.  Śrīmad
Bhāgavatam 4.8.54


paricaryā bhagavato
yāvatyaḥ pūrvasevitāḥ
tā mantrahṛdayenaiva
prayuñjyān mantramūrtaye
-2ÜBERSETZUNG
Man soll den Weisen der Vergangenheit folgen und den Höchsten Herrn nach

ihren Anweisungen verehren, oder
man soll den Höchsten Herrn im Herzen
verehren, indem man Seinen Mantra ausspricht, der von Ihm nicht verschieMan soll den Weisen der Vergangenheit folgen und den Höchsten Herrn nach ihren
den
ist. - Śrīmad-Bhāgavatam
Anweisungen
verehren, oder man soll 4.8.58:
den Höchsten Herrn im Herzen verehren, indem man
Seinen Mantra ausspricht, der von Ihm nicht verschieden ist.  Śrīmad-Bhāgavatam 4.8.58:


pragāyataḥ svavīryāṇi
tīrthapādaḥ priyaśravāḥ
āhūta iva me śīghraṁ
darśanaṁ yāti cetasi

ÜBERSETZUNG
Der
Höchste
Herr,
dessen
Herrlichkeiten
und
Taten
zuFreude
hörenbereitet,
große
Der Höchste
Herr,
überüber
dessen
Herrlichkeiten
und Taten zu
hören
große
Freude
– als– sei
Er gerufen
worden
– sobald
auf dem
Sitz meines
erscheint bereitet,
– als sei Ererscheint
gerufen worden
auf dem
Sitz meines
Herzens,
ich beginne,
über Seine heiligen
und Spieleüber
zu chanten.
ŚrīmadBhāgavatam
1.6.33
Herzens,
sobald Taten
ich beginne,
Seine heiligen
Taten und
Spiele zu chanten.
- Śrīmad-Bhāgavatam 1.6.33




tam imam aham ajaṁ śarīrabhājāṁ
hṛdi hṛdi dhiṣṭhitam ātmakalpitānām
pratidṛśam iva naikadhārkam ekaṁ
samadhigato 'smi vidhūtabhedamohaḥ

Jetzt, wo ich die Fehlauffassung der Dualität in Bezug auf Gottes Gegenwart in jedermanns
Herzen – selbst in den Herzen der gedanklichen Spekulanten – überwunden habe, bin ich in
der Lage, mit voller Konzentration über diesen einen Herrn, der jetzt vor mir steht, zu
meditieren. Er weilt im Herzen eines jeden. Man mag die Sonne unterschiedlich
wahrnehmen, aber die Sonne ist nur eine.  Śrīmad-Bhāgavatam 1.9.42

pragāyataḥ
svavīryāṇi
tīrthapādaḥ priyaśravāḥ
Reise
zum Herzen
Der Höchste
Herr, über dessen Herrlichkeiten
undśīghraṁ
Taten zu hören große Freude bereitet,
āhūta iva me
erscheint – als sei Er gerufen wordendarśanaṁ
– auf dem
Sitzcetasi
meines Herzens, sobald ich beginne,
yāti
über Seine heiligen Taten und Spiele zu chanten.  ŚrīmadBhāgavatam 1.6.33
83

und

Der Höchste Herr, über dessen Herrlichkeiten
Taten zu hören große Freude bereitet,
erscheint – als sei Er gerufen worden
– auf dem Sitz meines Herzens,
sobald ich beginne,


über Seine heiligen Taten und Spiele zu chanten.  ŚrīmadBhāgavatam 1.6.33



tam imam aham ajaṁ śarīrabhājāṁ

hṛdi hṛdi dhiṣṭhitam ātmakalpitānām
iva

 ekaṁ
pratidṛśam
naikadhārkam
samadhigato
'smi vidhūtabhedamohaḥ


tam imam
aham ajaṁ śarīrabhājāṁ
hṛdi hṛdi dhiṣṭhitam ātmakalpitānām
Jetzt, wo ich die Fehlauffassung
der Dualität
in Bezug auf Gottes
ÜBERSETZUNG
pratidṛśam
iva naikadhārkam
ekaṁ Gegenwart in jedermanns
Herzen – selbst in den Herzen
der gedanklichen
Spekulanten – überwunden habe, bin ich in
samadhigato
'smi
Jetzt,
wo ich die Fehlauffassung
der vidhūtabhedamohaḥ
Dualität in Bezug auf Gottes Gegenwart
der Lage, mit voller Konzentration über diesen einen Herrn, der jetzt vor mir steht, zu
in
jedermanns
– selbst
in den
gedanklichen
meditieren.
Er weiltHerzen
im Herzen
eines jeden.
ManHerzen
mag die der
Sonne
unterschiedlichSpekulanten

aberhabe,
die Sonne
nurineine.
Śrīmad-Bhāgavatam
1.9.42
–wahrnehmen,
überwunden
binistich
der Lage,
mit voller Konzentration
über diesen
einen
Herrn,
jetzt vor mir
steht, in
zuBezug
meditieren.
weilt iminHerzen
eines
Jetzt, wo
ich die der
Fehlauffassung
der Dualität
auf GottesEr
Gegenwart
jedermanns
Herzen –Man
selbstmag
in den
Herzen
der unterschiedlich
gedanklichen Spekulanten
– überwunden
ich inist
jeden.
die
Sonne
wahrnehmen,
aberhabe,
die bin
Sonne

einen

 der jetzt vor mir steht, zu
der Lage, mit voller Konzentration über
diesen
Herrn,
nur eine. - Śrīmad-Bhāgavatam 1.9.42
meditieren. Er weilt im Herzen einesjeden.
mag
die Sonne unterschiedlich
Man


wahrnehmen, aber die Sonne ist nur eine.  Śrīmad-Bhāgavatam 1.9.42



tvaṁ tvām ahaṁ devavaraṁ vareṇyaṁ

prapadya īśaṁ pratibodhanāya
bhagavan

chindhy
arthadīpair
vacobhir
hṛdayyān
okaḥ
granthīn

vivṛṇu
svam

tvaṁ tvām ahaṁ devavaraṁ vareṇyaṁ
prapadya īśaṁ pratibodhanāya
chindhy arthadīpair bhagavan vacobhir
granthīn hṛdayyān vivṛṇu svam okaḥ
ÜBERSETZUNG
O Höchster Herr, um Selbstverwirklichung zu erlangen, ergebe ich mich Dir,
der Du von den Halbgöttern als der höchste Herrscher über alle Dinge verehrt
wirst. Bitte entferne gütigerweise durch deine Unterweisungen den Knoten
aus dem Innern meines Herzens und lass mich die Bestimmung meines Lebens wissen. - Śrīmad-Bhāgavatam 8.24.53

Reise
zum Herzen
O Höchster
Herr, um Selbstverwirklichung zu erlangen, ergebe ich mich Dir, der Du von den
84
Halbgöttern als der höchste Herrscher über alle Dinge verehrt wirst. Bitte entferne
gütigerweise durch deine Unterweisungen den Knoten aus dem Innern meines Herzens und
lass mich die Bestimmung meines Lebens wissen.  Śrīmad-Bhāgavatam 8.24.53
Japa
Wenn ein heiliger Name laut, tonlos oder in Gedanken über eine längere Zeit

wiederholt wird, so nennt man diese
Meditation „Japa“. Die Wiederholung
dient
der Läuterung des Herzens und der Versenkung in Gott. Der Verehrer
Wenn ein heiliger Name laut, tonlos oder in Gedanken über eine längere Zeit wiederholt
lädt
ein,man
in diese
seinem
Herzen
PlatzDiezuWiederholung
nehmen. So
vertieft
sich die
wird, Gott
so nennt
Meditation
„Japa“.
dient
der Läuterung
desBezieHerzens und der Versenkung in Gott. Der Verehrer lädt Gott ein, in seinem Herzen Platz zu
hung.
nehmen. So vertieft sich die Beziehung.
Einen
zur Wiederholung geeigneten Mantra haben wir bereits erwähnt: oṁ
Einen zur Wiederholung geeigneten Mantra haben wir bereits erwähnt: oṁ namo bhagavate
namo
bhagavate
vāsudevāya
– „Ich
verehre
denVāsudeva
Höchsten
mitüberall
Namen
vāsudevāya
– „Ich verehre
den Höchsten
Herrn
mit Namen
– derHerrn
Herr, der
wohnt.“
Vāsudeva
– der Herr, der überall wohnt.“
Hier ist ein weiterer bekannter Mantra aus der Kalisantaraṇa Upaniṣad, der gern bei der
Hier
ist ein weiterer
bekannter Mantra aus der Kali-santaraṇa Upaniṣad, der
JapaMeditation
rezitiert wird:
gern bei der Japa-Meditation rezitiert wird:
Hare Kṛṣṇa, Hare Kṛṣṇa
Kṛṣṇa Kṛṣṇa, Hare Hare
Hare Rāma, Hare Rāma
Rāma Rāma, Hare Hare
In diesem Mantra kommen drei Namen Gottes vor: Hare (Energie Gottes), Kṛṣṇa (Gott
Persönlich, der „Alles Anziehende“) und Rāma (Gott als freudvolle Energie). Eine sinngemäße
Übersetzung dieses Mantras ist: O Herr, o Energie Gottes, bitte beschäftige mich in Deinem
freudvollen
Damit
dient dieser
als Gebet,
aber
durch
die Wiederholung
auch
In
diesemDienst.
Mantra
kommen
dreiMantra
Namen
Gottes
vor:
Hare
(Energie Gottes),
zur
Vertiefung
einer
Beziehung
zu
Gott.
Kṛṣṇa (Gott Persönlich, der „Alles Anziehende“) und Rāma (Gott als freudvolle
Energie). Eine sinngemäße Übersetzung dieses Mantras ist: O Herr, o Energie
Gottes, bitte beschäftige mich in Deinem freudvollen Dienst. Damit dient dieser Mantra als Gebet, aber durch die Wiederholung auch zur Vertiefung einer
Beziehung zu Gott.
Reise zum Herzen
85
Hinduismus - Herzmeditation
Bei dieser Meditation ist es hilfreich, eine CD mit indischer Flötenmusik abzuspielen, falls diese zur Hand ist. Der Text soll langsam und deutlich vorgetragen werden, damit die Meditierenden ausreichend Zeit zur Besinnung haben.
Der Meditationsleiter/die Meditationsleiterin (Lehrer/in) spricht:
Wir werden uns auf die Suche nach dem wirklichen Selbst begeben.
1. Setzt euch aufrecht und entspannt in euren Stuhl, ohne die Beine überzuschlagen. Die Hände sollen auf den Knien ruhen.
2. Schließt die Augen.
3. Richtet eure Aufmerksamkeit auf den linken Fuß. Lasst den Fuß ruhig werden. Spürt die Last des linken Beins auf dem Fuß und fragt euch: Bin ich dieser Fuß?
4. Richtet eure Aufmerksamkeit auf den rechten Fuß. Lasst den Fuß ruhig
werden. Spürt die Last des rechten Beins auf dem Fuß und fragt euch: Bin ich
dieser Fuß?
5. Nun vergesst den rechten Fuß und richtet eure Aufmerksamkeit auf das linke Kniegelenk. Meditiert darüber, wie es sich beugen und strecken kann. Lasst
es ruhig werden. Fragt euch: Bin ich das linke Knie?
6. Nun richtet eure Aufmerksamkeit auf das rechte Kniegelenk. Meditiert darüber, wie es sich beugen und strecken kann. Lasst es ruhig werden. Fragt
euch: Bin ich das rechte Knie?
7. Wandert jetzt mit eurer Konzentration zur linken Hand. Lasst sie ruhig werden. Seid ihr die linke Hand?
Reise zum Herzen
86
8. Nun wendet euch der rechten Hand zu. Lasst sie ruhig werden. Seid ihr die
rechte Hand?
9. Nun vergesst die rechte Hand und richtet eure Aufmerksamkeit auf den
linken Ellenbogen. Meditiert darüber, wie er sich beugen und strecken kann.
Lasst ihn ruhig werden. Fragt euch: Bin ich der linke Ellenbogen?
10. Richtet eure Aufmerksamkeit nun auf den rechten Ellenbogen. Meditiert
darüber, wie er sich beugen und strecken kann. Lasst ihn ruhig werden. Fragt
euch: Bin ich der rechte Ellenbogen?
11. Nun vergesst den rechten Ellenbogen und richtet eure Aufmerksamkeit
auf die linke Schulter. Lasst sie ruhig werden. Fragt euch: Bin ich die linke
Schulter?
12. Richtet eure Aufmerksamkeit nun auf die rechte Schulter. Fragt euch: Bin
ich die rechte Schulter?
13. Jetzt haltet inne: Ich bin nicht die Füße, nicht die Gelenke, nicht die Hände. Sind es vielleicht meine Füße, meine Hände, meine Gelenke?
14. Wo sitze ich, die Persönlichkeit, die soeben diese Meditation durchgeführt
hat? Wer hat all die Beobachtungen in dieser Übung angestellt? Sitze ich in
den Füßen, den Knien, den Händen, den Ellbogen, den Schultern?
15. Nun wendet eure Aufmerksamkeit euren Gedanken zu. Woran habt ihr
bei dieser Meditation nebenbei gedacht? Welche Erinnerungen sind in euch
erwacht? Was für Einfälle hattet ihr? Wie leicht fällt es euch, die Gedanken zu
beherrschen? Seid ihr die Gedanken, oder sind es eure Gedanken?
Reise zum Herzen
87
16. Meditiert nun über das Herz, und wie es darin aussieht. Werdet euch
bewusst, wie es klopft und das Blut durch den Körper pumpt. Wenn ihr ganz
ruhig werdet und euch auf die Herzgegend konzentriert, seht ihr vor euren
Augen einen lichten Schein. Ihr seid die spirituelle Seele im Herzen, die nichts
mit Fleisch, Blut und Knochen zu tun hat, auch nichts mit den wandernden
Gedanken.
17. Spüre die Wärme in deinem Herzen. In deinem Herzen verbirgt sich ein
wunderschöner Garten. Du wandelst barfüßig über eine grüne Wiese und
hörst den lieblichen Klang einer Flöte. Die Töne sind so hinreißend, dass du
ihnen nur folgen kannst. Du gelangst zum Flötenspieler und lässt dich zu Seinen Füßen nieder. Du betrachtest Ihn von den Füßen an aufwärts bis zu Seinem zauberhaften Angesicht. Er ist in ein gelbes Gewand gekleidet, und sein
langes schwarzes Haar schmückt eine Pfauenfeder. Sein Name ist Govinda.
Alles an Ihm erfüllt dich mit Glück. Verweile ein wenig bei Ihm.
18. – Pause -
19. Nun öffnet die Augen. Die Meditation ist zu Ende. Legt die Hände vor dem
Oberkörper zusammen, verneigt euch und sagt zum Abschluss den vedischen
Mantra „aham brahmasmi“ = „Ich bin nicht dieser Körper. Ich bin spirituelle
Seele“.