„Geschundene“ Gedichte? Geschunden

Zu diesem H eft
Magazin
Notizen
2
Die Prüfung
Bolko Bullerdiek
5
Produktionsorientierter Umgang m it L iteratu r in der Schule
„Geschundene“ G edichte? G eschundene Schüler?
Gerhard Haas
6
Handeln als K ategorie individueller und sozialer Selbsterfahrung
und Praxis im L iteratu ru n terrich t
Gerhard Rupp
8
Produktiver Umgang m it L iteratu r und lite ra risch e K rim in alität
Günter Waldmann
11
Kurz-Rezensionen
14
Basisartikel
Textanalyse
im U nterricht
Herausgeber des Thementeils:
A lle H erausgeber von PRAXIS DEUTSCH
Kaspar H. Spinner
19
Ansichten zur Textan alyse
Statements der Herausgeber von PRAXIS DEUTSCH
24
Modelle
2.-4. Schuljahr
„Von dem Fischer und seiner Frau“
Möglichkeiten analytischer Textarbeit in der Primarstufe
Hans Kügler
5.-7. Schuljahr
27
W as eine G eschichte spannend m acht
Textanalyse und Schreiben
Wolfgang Menzel
38
Krolow und Trakl: Z w e i H erbstgedichte
6. Schuljahr
Textanalyse durch operative Formen des Umgangs mit Literatur
Gerhard Haas
42
7.-10. Schuljahr
G edankenw iedergabe in E rzähltexten
Zur Erarbeitung erzähltheoretischer Begriffe
Kaspar H. Spinner
Sekundarstufe
47
„War m al ne D ickm adam e...“
Aneignung und Aktualisierung
des Märchens „Von dem Fischer und seiner Frau"
in G. Grass' Roman „Der Butt“
Hans Kügler
51
J. W. Goethe: „Auf dem S ee“
Zum Verhältnis von Kommentar, Textanalyse und Interpretation
Klaus Gerth
58
Die Textanalyse ist umstritten! Für die einen
ist sie das Fundament des Literaturunter­
richts - exakt, objektiv, durchschaubar und
überprüfbar, womit sie den Zielen von
Schule sicher entgegenkommt. Für die an­
deren ist sie die eher „lästige Nebensache“,
die zwar auch gelehrt werden muß, die aber
von den eigentlichen Zielen ihres Literatur­
unterrichts - der Lust am Lesen und an der
engagierten Auseinandersetzung mit und
über Gelesenes - ablenkt.
Die Kontroverse spaltet die Lehrerschaft
und reicht bis in die Literaturdidaktik hinein.
Eine Neubestimmung der Textanalyse ist
notwendig. Deshalb folgt auf PRAXIS
DEUTSCH 81 Interpretieren nun das Heft
Textanalyse.
Bei der Arbeit stellte sich schnell heraus,
daß auch unter den Herausgebern von
PRAXIS DEUTSCH die Textanalyse unter­
schiedlich eingeschätzt und gehandhabt
wird, daß der Zusammenhang von Analyse
und Interpretation, ihr Ort und Stellenwert
im Literaturunterricht unterschiedlich gese­
hen werden. Gibt es ein Minimalprogramm
von Kategorien, das bei der Analyse von
Texten anzuwenden ist? Gibt es ein be­
stimmtes Verfahren, das auf alle Texte
anwendbar ist? Bedroht die Analyse das
Leseerlebnis? Müssen analytische Verfah­
ren Teil jeder Texterschließung sein, oder
sind auch Formen des Umgangs mit Texten
ohne analytische Schritte möglich und sinn­
voll?
Antworten auf diese Fragen finden sich im
Heft in zweifacher Form, als kurze State­
ments im Anschluß an den Basisartikel und
konkret in den Modellen. Hier stellen die
Herausgeber in der Theorie und in der
praktischen Umsetzung Beispiele dafür
vor, was Textanalyse für sie bedeutet, wie
sie sie einsetzen und in welchem Zusam­
menhang sie zur Interpretation steht.
Fragen des Umgangs mit Literatur im Unter­
richt sind auch Schwerpunkt des Magazins.
Als Abschluß einer Kontroverse, die H.
Kügler in den Heften 90 und 91 mit seiner
scharfen Kritik am handlungs- und produk­
tionsorientierten Unterricht eröffnet hat,
zeigen G. Haas, G. Rupp und G. Waldmann
u. a. an praktischen Beispielen die Möglich­
keiten produktiver Verfahren.
A ufsatzanalyse als T eil der A ufsatzbeurteilung
Wären Handlungsanalysen nicht besser?
Otto Ludwig
64
Redaktion PRAXIS DEUTSCH
PRAXIS D EUTSCH wird herausgegeben vom Friedrich Verlag in Velber in Zusammenarbeit mit Klett und in Verbindung mit Jü r­
gen Baurmann, Klaus Gerth, Gerhard Haas, Hans Kügler, Otto Ludwig, Wolfgang Menzel, Henning Rischbieter, Kaspar H. Spin­
ner und Gerhard Voigt. Redaktion: Uwe Brinkmann (verantw.); Titel: Rolf Müller; Verkaufs-und Anzeigenleitung: Bernd Schräder; Anzeigenabwicklung:
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ISBN 3-617-02098-4. Herstellung: PädagogikaZenrale, Druck: Druckerei Schröer, Seelze. Einem Teil der Auflage liegt ein Prospekt des Seiler Verlages bei.
7. - 1 0 . Schuljahr
Gedankenwiedergabe
in Erzähltexten
Kaspar H. Spinner
Thema
puswechsel erfolgt. Meist wird der innere ßen). Man könnte sagen, die erlebte Rede
sei eine Zwischenform zwischen Erzähler­
Zu den charakteristischen Leistungen er­ Monolog in Anführungszeichen gesetzt.
zählender Texte gehört zweifellos, daß sie Als erlebte Rede wird die Wiedergabe von rede und innerem Monolog.
uns Denk- und Empfindungsweisen von Fi­ Gedachtem und Empfundenem im Erzähl­ Neben diesen drei Hauptformen der Ge­
guren mitvollziehen lassen. Wer erzählt, tempus und den Pronomina der Erzählerre­ dankenwiedergabe gibt es noch die Ge­
kann sich die Freiheit nehmen, nicht nur de verstanden. Beispiel: „Heinz' Wimpern dankenwiedergabe in indirekter Rede, also
äußeres, beobachtbares Geschehen wie­ flatterten. - Heiliger Strohsack! Dieser Typ im Konjunktiv I, Beispiel: „Er dachte, der
derzugeben, sondern das Innenleben der forderte ihn tatsächlich auf, die Spaghetti andere fordere ihn jetzt auf...“ .
Figuren sichtbar zu machen, so als gäbe es mit ihm zu teilen!“ Die Worte „Heiliger Zu erwähnen sind die folgenden drei
keine Beschränkung
Aspekte, die bei der
auf die eigene Wahr­
Analyse zu Verwirrun­
gen führen können:
nehm ungsperspekti­
ve. Insbesondere inder
1. Gedankenwiederga­
schriftlichen Erzähllite­
be in Nebensätzen, die
ratur werden Gedan­
mit Konjunktion oder
ken und Empfindun­
Fragepronomen einge­
gen nicht nur genannt
leitet sind, wird als
und beschrieben, son­
Gedankenbericht be­
z e ic h n e t, w eil der
dern mit Mitteln wie
dem inneren Monolog
Hauptsatz Erzählerre­
und der erlebten Rede
de ist. Beispiel: „Er
direkt wiedergegeben.
dachte schon, daß der
In der Erzähltextanaandere ihn auffordern
lyse gehören diese
würde. “
sp ra ch lich e n M ittel
2. Erzählerrede und er­
lebte Rede gehen oft
deshalb zu den wich­
fließ end ine ina nd er
tigen Untersuchungs­
aspekten. In ihrer ge­
über, so daß die Gren­
nauen fa c h w is s e n ­
zen nicht immer scharf
schaftlichen Definition
zu ziehen sind. Die Au­
sind die einschlägigen
toren erreichen damit
Begriffe allerdings um­
eine schrittweise Annä­
herung an die Innen­
stritten; die folgenden
B e g r iffs fa s s u n g e n
perspektive.
dürften aber weitge­
3. In der Fachwissen­
hend ko nsensfähig
schaft wird z. T. auch
sein:
die Auffassung vertre­
ten, daß mit dem Begriff
Als Gedankenbericht
werden Aussagen des
des inneren Monologs
nur längere Passagen
Erzählers über Gedan­
ken von Figuren be­
oder sogar nur ganze
Texte, die als direkte
zeichnet, z. B. „Heinz
faßte einen Entschluß“, Literatur schafft Zugänge zum Innenleben, zum Denken und Empfinden von Figuren Gedankenwiedergabe
„S eine
G edanken
gestaltet sind, bezeich­
überstürzten sich“ u. ä.
net werden sollen (ein
Als innerer Monolog wird die (soweit das Strohsack“ usw. sind nicht ein Ausruf des berühmtes Beispiel: Leutnant Gustl von
möglich ist) wörtliche Wiedergabe von Erzählers, sondern die Wiedergabe des­ Schnitzler). Ich folge hier dagegen der Auf­
Gedanken und Empfindungen bezeichnet. sen, was die Figur Heinz denkt und empfin­ fassung, daß jede, auch die kürzeste direk­
Das denkende/empfindende Subjekt wird det. Bis in die Ausdrucksweise hinein wird te Gedankenwiedergabe als innerer Mono­
dabeim it„/cft“ bezeichnet(lch-Form),z. B.: seine Sicht abgebildet - und trotzdem ist es log zu bezeichnen ist. - Zu beachten ist
„Aber was soll ich jetzt sagen?“ Auf erzählte kein innerer Monolog, weil weder Ich-Form schließlich, daß hier vom inneren Monolog
Gegenwart wird im inneren Monolog mit verwendet wird noch Tempuswechsel statt­ als einem erzählerischen Mittel die Rede ist.
dem Präsens verwiesen, so daß bei Erzäh­ findet („ Dieser Typ fordert mich tatsächlich Zwar könnte man sagen, mit einem Satz wie
lungen im Präteritum oder Perfekt ein Tem­ auf...“ müßte es als innerer Monolog hei­ „Er sprach Worte voller Verachtung zu sich
F ederica de C esco
Spaghetti fü r zw ei
H einz w a r b a ld vierzehn u n d fü h lte sich seh r co o l. In d e r K la ss e und
au f dem F u ßballplatz h a tte er d a s S agen . A b e r ric h tig sch ön w ü rd e
das Leben erst w erd en , w enn e r im n ä ch sten J a h r sein en T ö ffb ek a m
und den M ädchen zeigen konnte, w a s f ü r ein K e r l e r w a r. E r m och te
M onika, die B lon de m it den langen H a a ren au s d e r P a ra lle lk la sse ,
und ärgerte sich ü b er sein e en tzü n deten P ick el, d ie e r m it sch m u t­
backen sch m erzten . D an n p a c k te e r en erg isch den L öffel, beugte
sich ü b er den T isch und ta u ch te ihn in d ie S u ppe. D e r S ch w arze hob
a b erm a ls d e n K o p f. S eku n den lan g sta rrte n sie sich an. Heim
bem ü h te sich , d ie A u gen n ich t zu senken. E r fü h rte m it leicht
zitte rn d e r H a n d den L ö ffel zum M u n d u n d tau ch te ihn zum zweiten
M a l in d ie S u ppe. Seinen vo llen L öffel in d e r H a n d , fu h r der
zigen N ägeln au sdrü ckte. Im U n terrich t m ach te e r g e rn e a u f
Verweigerung. D ie L eh rer so llten b lo ß n ich t a u f den G edan ken
kommen, d a ß e r sich an stren gte.
S c h w a rze f o r t, ihn stum m zu b etra ch ten . D an n sen k te e r d ie Augen
a u f sein en T eller un d a ß w eiter. E in e W eile verg in g . B e id e teilten
M ittags konnte er nicht nach H au se, w e il d e r ein e B u s zu frü h , d e r
andere zu sp ä t abfuhr. So a ß e r im S e lb stb ed ien u n g sresta u ra n t,
gleich gegenü ber d e r Schule. A b e r an m anchen T agen sp a r te er
lieber das G e ld und versch la n g einen H a m b u rg e r an d e r S teh bar.
Sam stags leistete e r sich dann ein e neue K a sse tte , w a s d ie M u tter
natürlich nicht w issen durfte. D o ch m an ch m al - so w ie h eu te - hing
ihm d e r B ig M ac zum H a ls herau s. E r h a tte L u st a u f ein ric h tig e s
Essen. Einen K augum m i im M u n d , sta p fte e r m it sein en C o w -B o y Stiefeln die T reppe zum R esta u ra n t hinauf. D ie R e iß v e rsc h lü sse
seiner L ederjacke klim perten b e i je d e m S ch ritt. Im R e sta u ra n t
trafen sich A rb e ite r au s d e r nahen M ö b elfa b rik , S ch ü ler un d
Hausfrauen m it E inkaufstaschen und kleinen K in d ern , d ie U n m en ­
gen C ola tranken, P om m es fr ite s verzeh rten und fe ttig e F in g e ra b ­
drücke a u f den Tischen h interließen .
Viel G eld w o llte H ein z n icht a u s g e b en ; e r sp a r te e s lie b e r f ü r d ie
nächste K assette. „Italien isch e G e m ü se su p p e “ sta n d im M enü.
Warum nicht? Im m er noch sein en K a u g u m m i m ah len d, nahm
Heinz ein T ablett und stellte sich an. Ein sc h w itzen d e s F räu lein
schöpfte die Su ppe au s ein em dam pfen den T o p f H ein z nickte
zufrieden. D e r T eller w a r g a n z o rd en tlich voll. E in e S ch n itte B ro t
dazu, und er w ü rde bestim m t satt.
E rse tzte sich an einen fr e ie n Tisch, nahm den K a u g u m m i au s d em
M und und klebte ihn unter den Stuhl. D a m erk te er, d a ß e r den
Löffel vergessen hatte. H ein z sta n d a u f u n d h o lte sich einen. A ls e r
zu seinem Tisch zurückstapfte, tra u te e r sein en A u gen nich t: Ein
Schw arzer sa ß an seinem P la tz und a ß seelen ru h ig sein e G e m ü se ­
suppe!
H einz stan d m it seinem L öffel fa s su n g slo s d a , b is ihn d ie W ut
packte. Zum Teufel m it diesen A sy lb e w e rb ern ! D e r kam irg en d w o
aus U agadugu, w o llte sich in d e r S c h w eiz b reitm a ch en , und je t z t
fie l ihm nichts B esseres ein , a ls a u sg erech n et sein e G em ü sesu p p e
zu verzehren! Schon m öglich , d a ß so w a s den afrik an isch en S itten
entsprach, a b er hierzu lan de w a r d a s ein e b o d e n lo se U n versch ä m t­
heit! H einz öffnete den M und, um dem M en sch en la u tsta rk sein e
M einung zu sagen, a ls ihm auffiel, d a ß d ie L eu te ihn kom isch
ansahen. H einz w u rde rot. E r w o llte n ich t a ls R a ssist g elten . A b e r
w as nun?
P lötzlich fa ß te e r einen E ntschluß. E r rä u sp erte sich vern eh m lich ,
zog einen Stuhl zurück und se tzte sich d em S ch w a rzen g eg en ü b er.
D ieser hob den K opf, b lick te ihn kurz an und sch lü rfte u n g e stö rt d ie
Suppe w eiter. H einz p r e ß te d ie Z äh n e zu sam m en , d a ß sein e K in n ­
sich d ie S u p p e, oh n e d a ß ein W o rt fie l. H ein z versu ch te nachzuden­
ken. „ V ie lle ic h t h a t d e r M en sch kein G eld , m u ß schon tagelang
hungern. D a n n sah e r d ie S u ppe d a steh en und b ed ien te sich
einfach. Schon m ö g lich , w e r w eiß ? V ielleich t w ü rd e ich m it leerem
M a g en ä h n lich re a g ie re n ? U n d D eu tsch kann e r a n sch ein en d auch
nicht, so n st w ü rd e e r d a n ich t sitzen w ie ein K lo tz. Is t d o ch peinlich,
Ich an se in e r S telle w ü rd e m ich sch äm en . O b S ch w a rze w oh l rot
w erd en k ö n n en ? “
D a s leich te K lirre n d e s L öffels, den d e r A frik a n er in den leeren
T e lle r leg te, lie ß H ein z d ie A u gen heben. D e r S c h w a rze h atte sich
zu rü ck g eleh n t und sah ihn an. H ein z konnte sein en B lick nicht
d eu ten . In se in e r V erw irru n g leh n te e r sich eb en fa lls zurück.
S ch w eiß tro p fen p e rlte n a u f se in e r O b e rlip p e , sein P u lli ju c k te , und
d ie L e d erja c k e w a r v erd a m m t heiß! E r versu ch te, den Schwarzen
a b zu sch ä tzen . „ Ju n ger K e rl. E tw a s ä lte r a ls ich. V ielleich t sech­
zehn o d e r so g a r sch on ach tzeh n . N o rm a l a n g e zo g e n : J ean s, Pulli,
W in djacke. S ieh t eig en tlich n ich t w ie ein O b d a c h lo se r aus. Immer­
hin, d e r h a t m ein e h a lb e S u p p e a u fg eg essen und s a g t nich t einmal
dan ke! V erdam m t, ich h a b e noch H u n g e r!“
D e r S ch w a rze sta n d auf. H ein z b lie b d e r M u n d offen. „H au t der
ta tsä ch lich a b ? J e tz t ist a b e r d a s M a ß voll! So ein e F rechheit! Der
so ll m ir w en ig ste n s d ie h a lb e G em ü sesu p p e bezah len ! “ E r wollte
au fsp rin g en un d K ra ch sch la g en . D a sah er, w ie sich d e r Schwarze
m it ein em T a b le tt in d e r H a n d w ie d e r a n ste llte. H ein z f i e l unsanft
a u f sein en Stu h l zu rü ck u n d s a ß d a w ie ein Ö lg ö tze . „ A lso do ch : Der
M en sch h a t G eld ! A b e r b ild e t d e r sich v ie lle ich t ein, d a ß ich ihm
d en zw eiten G a n g b e z a h le ? “
H ein z g r iff h a stig nach se in e r S ch u lm appe. „ B lo ß w e g von hier,
b e v o r e r m ich zu K a sse b ittet! A b e r nein, sich erlich nicht. Oder
doch?“
H ein z lie ß d ie M a p p e lo s u n d k ra tzte n e rvö s an ein em Pickel.
Irg en d w ie w o llte e r w issen , w ie es w eiterg in g .
D e r S ch w a rze h a tte einen T a g e ste lle r b e stellt. J e tz t sta n d er vorder
K a sse u n d -w a h r h a ftig - e r b eza h lte! H ein z sch n iefte. „ Verrückt! “
d a c h te e r . „ T o ta l g esp o n n en ! “
D a kam d e r S c h w a rze zurück. E r tru g d a s T a b lett, a u f dem ein
g ro ß e r T eller S p a g h etti sta n d , m it T o m a ten sa u ce, vie r F leischbäll­
chen un d zw e i G a b eln . Im m er noch stum m , se tzte e r sich Heim
g e g en ü b er, sch o b den T e lle r in d ie M itte d e s T isch es, nahm eine
G a b e l und began n zu essen , w o b e i e r H ein z a u sd ru ck slo s in die
A u gen sch a u te. H e in z’ W im pern fla tte rte n . H e ilig e r Strohsack!
D ie s e r T yp fo r d e r te ihn ta tsä ch lich auf, d ie S p a g h etti m it ihm zu
teilen! H ein z brach d e r S ch w eiß aus. W as nun? S o llte e r essen ?
Nicht essen ? S ein e G edanken ü b erstü rzten sich. W enn d e r M en sch
doch w en igsten s reden w ü rde! „N a gut. E r a ß d ie H ä lfte m ein er
Suppe, je t z t e sse ich d ie H ä lfte se in e r S p a g h etti, dan n sin d w ir
quitt! “ W ütend und b esch äm t g riff H ein z nach d e r G a b e l, ro llte d ie
S paghetti a u f und steck te sie in den M und. S ch w eigen . B e id e
verschlangen d ie Spagh etti. „E ig en tlich n e tt von ihm , d a ß e r m ir
eine G a b e l b ra ch te “, d a ch te H ein z. „ D a kom m e ich noch zu einem
guten S pagh ettiessen , d a s ich m ir h eute n ich t g e le iste t h ä tte. A b e r
was s o ll ich je t z t sa g en ? D an ke ? Sau b lö d e! E inen V o rw u rf m achen
kann ich ihm auch nicht m ehr. V ielleich t h at er g a r n ich t gem erk t,
daß e r m ein e Su ppe aß. O d e r v ie lle ic h t is t e s üblich in A frika, sich
das E ssen zu teilen ? Schm ecken gu t, d ie S p a g h etti. D a s F leisch
auch. W enn ich nur n ich t so sch w itzen w ü rd e !“
D ie P o rtio n w a r seh r reich lich . B a ld h a tte H ein z keinen H u n g er
mehr. D em S ch w arzen gin g e s eb en so . E r le g te d ie G a b e l aufs
T ablett und p u tzte sich m it d e r P a p ie rs e rv ie tte den M u n d a b . H ein z
räusperte sich und sch a rrte m it den F üßen. D e r S c h w a rze lehnte
sich zurück, sch o b d ie D au m en in d ie J ea n sta sch en u n d sah ihn a n .
U ndurchdringlich. H ein z k ra tzte sich u n ter d em R o llk ra g en , b is
ihm d ie H a u t sch m erzte. „ H e ilig e r B im bam ! W enn ich n u r w ü ß te,
was er denkt! “ V erw irrt, sc h w itze n d und e rb o s t ließ e r sein e B lick e
um herwandern. P lö tzlich sp ü rte er ein K rib b e ln im N acken . Ein
Schauer ja g te ihm ü b er d ie W irb elsä u le von den O h ren b is an s
G esäß. A u f dem N eben tisch , an den sich b ish e r n iem a n d g e s e tz t
hatte, sta n d - einsam a u f dem T a b le tt - ein T e lle r k a lter G em ü se­
suppe.
H einz erleb te den p ein lich sten A u g en b lick sein es L eb en s. A m
liebsten hätte er sich in ein M a u selo ch verkroch en . E s verg in g en
zehn vo lle Sekunden, b is e r es en dlich w a g te , d em S ch w a rzen ins
G esicht zu seh en . D e r sa ß d a , vö llig e n tsp a n n t und c o o le r, a ls H ein z
es j e sein w ü rde, und w ip p te le ic h t m it d em Stu h l hin und her.
„ Ä h ...“, sta m m elte H ein z, fe u e r r o t im G esich t. „E n tsch u ldigen Sie
bitte. I c h ...“
Er sah d ie P u pillen d e s S ch w a rzen au fblitzen , sah den S ch alk in
seinen A ugen schim m ern. A u f ein m al w a r f e r den K o p f zurück,
brach in dröh n en des G e lä c h te r aus. Z u erst b ra c h te H ein z nur ein
versch äm tes G lu cksen zu sta n d e, b is en dlich d e r B ann g eb ro ch en
w ar und e r a u s vollem H a lse in d a s G e lä c h te r d e s A frik a n ers
einstim m te. E ine W eile sa ß en sie d a , von L ach en gesch ü ttelt. D an n
stand d e r S ch w arze auf, sch lu g H ein z a u f d ie Schulter.
„Ich h eiße M a r c e l“, sa g te e r in b estem D eu tsch . „Ich esse je d e n
Tag hier. Sehe ich dich m orgen w ie d er? U m d ie g leic h e Z e it? “
H einz A ugen tränten, sein Z w erch fell glü h te, und e r sch n a p p te
nach Luft.
„In O rdnung! “ keuch te er. „ A b e r dann sp e n d ie re ich d ie S p a g h e t­
ti!“
Aus: F ederica de C esco: F reundschaft h a t viele G esichter. L uzern und S tuttgart: R ex 1986, S. 79 - 84
selber“werde ein innerer Monolog bezeich­
net, erzähltechnisch liegt aber ein Gedan­
kenbericht vor.
Während die Bestimmung der verschiede­
nen Typen der Gedankenwiedergabe in
der Regel bei Erzähltexten in Er-Form nicht
allzu schwer fällt, ergeben sich bei der IchForm Probleme. Strittig ist z. B., ob es erleb­
te Rede in Ich-Form gibt (als mögliches
Beispiel wäre zu nennen: „Ich schaute ihn
an. Dieser Typ forderte mich doch tatsäch­
lich auf..."). Auch sind Texte mit Präteritum
als Erzähltempus einfacher zu analysieren
als Texte im Präsens, weil bei letzteren der
Tempuswechsel als Kennzeichen für den
inneren Monolog wegfällt. Aus diesen
Gründen habe ich für dieses Unterrichts­
modell, in dem es um die Einführung der
Grundbegriffe gehen soll, einen Erzähltext
in Er-Form mit Präteritum als Erzähltempus
gewählt.
Intentionen
Die Beschäftigung mit den erzähltechni­
schen Mitteln der Gedankenwiedergabe
vermittelt den Schülern einen Einblick in die
spezifische Leistung fiktionaler Texte. Sie
erkennen, warum Literatur uns die Innen­
welt von Figuren nachvollziehbar macht.
Darüber hinaus können sie darauf aufmerk­
sam werden, daß literarische Texte manch­
mal sehr einseitig und intensiv nur eine
einzige Perspektive vermitteln, daß sie aber
auch mehrere Perspektiven miteinander
verbinden können. Neben solchen grund­
sätzlichen Zielen dient die Einsicht in die
Formen der Gedankenwiedergabe im Ein­
zelfall auch der Vermeidung von Mißver­
ständnissen; wenn nämlich eine erlebte
Rede als Erzählerrede aufgefaßt wird, kann
sich u. U . die Aussage eines Textes gerade­
zu verkehren; was Meinung einer Figur sein
soll, erscheint dann als Meinung des Erzäh­
lers.
Mit diesem Modell möchte ich eine Möglich­
keit aufzeigen, die einschlägigen Grundbe­
griffe zu vermitteln. Das soll hier in eher
spielerischer Form erfolgen. Nicht Interpre­
tationsprobleme stehen im Vordergrund,
sondern die Frage, wie ein Text gemacht ist,
wie er funktioniert.
Eine solche Vermittlung erzähltechnischer
Einsichten ist allerdings nur dann sinnvoll,
wenn sie in einen größeren Zusammenhang
eingebettet ist; ein losgelöstes Begriffsler­
nen wird schnell zum reinen Formalismus.
Die hier vorgeschlagene Einheit ist z. B.
angebracht, wenn bei der Beschäftigung
mit einem komplexeren Text das Problem
der Innenperspektive auftaucht und nun
anhand eines einfachen Materials die
grundlegenden Möglichkeiten der Gedan­
kenwiedergabe erarbeitet werden sollen.
Ebenso ist die Einheit gerechtfertigt, wenn
den Schülern im Hinblick auf das eigene
Verfassen erzählerischer Texte Ausdrucks­
möglichkeiten gezeigt werden sollen.
Schließlich kann die Beschäftigung mit den
Formen der Gedankenwiedergabe in einer
größeren Unterrichtseinheit über die Aus­
drucksmöglichkeiten fiktionaler und nichtfiktionaler Texte ihren Platz finden (in einem
Sachtext kommen innerer Monolog und erst
recht erlebte Rede kaum vor - ein Um­
schreiben des Erzähltextes in einen Brief z.
B. kann das zeigen).
nicht die erlebte Rede. Aber der Konjunktiv
II signalisiert doch, daß es sich um erlebte
Rede handelt (Konjunktiv II ist, wie auch
Ausrufezeichen und Fragezeichen, oft ein
Signal für erlebte Rede). - Ein Töff ist im
schweizerischen Sprachgebrauch übri­
gens ein Moped.
R ealisierung
M aterial
Als Textgrundlage für die Einführung (oder
auch Wiederholung) der Begriffe für die
Gedankenwiedergabe schlage ich eine
Geschichte (siehe S. 48) vor, bei der sich
die Komplikationen gerade dadurch erge­
ben, daß die Figuren nicht miteinander
sprechen, sich aber wohl Gedanken über
den jeweils anderen machen. Der Text bie­
tet deshalb ein reiches Beobachtungsfeld
für das angesprochene Thema. Dem Ver­
ständnis stellt er kaum Hürden entgegen, er
vermittelt vielmehr ein ausgesprochenes
Lesevergnügen. Die antirassistische Bot­
schaft, die er auf gefällige Weise vermittelt,
bedarf kaum der ausdrücklichen Deutung sie würde wohl penetrant wirken, wenn man
sie eigens herausinterpretieren wollte.
Die Autorin, Federica de Cesco, ist 1938 in
Italien geboren, lebte schon als Kind in
mehreren Ländern. Seit 1962 ist sie in der
Schweiz ansäßig; sie schreibt in der Regel
in französischer Sprache. Die Völkerver­
ständigung ist das Anliegen, das sie immer
wieder - manchmal fast etwas zu absichts­
voll - zum Ausdruck bringt.
Die drei Hauptformen der Gedankenwie­
dergabe sind im Text mehrfach aufzufin­
den, wobei hier die Wiedergabe von Gefüh­
len und Wahrnehmungen mit dazugezählt
sei (es gibt leider keinen zusammenfas­
senden Begriff für die ganze innere Gedan­
ken-, Gefühls- und Wahrnehmungswelt).
Als Gedanken-(und Gefühls-)bericht sind z.
B. Formulierungen zu bezeichnen wie
„fühlte sich sehr cool“, „ärgerte sich“, „da
merkte er, daß er den Löffel vergessen
hatte“ usw. Innerer Monolog (in diesem Text
immer in Anführungszeichen gesetzt) findet
sich vor allem im mittleren Teil des Textes, z.
B. „ Vielleicht hat der Mensch kein Geld...
„Junger Kerl. Etwas älter als ich... “ usw. Für
die erlebte Rede findet sich etwas später
eine sehr deutliche Passage: „Heiliger
Strohsack! Dieser Typ forderte ihn tatsäch­
lich auf, die Spaghetti mit ihm zu teilen!
Heinz brach der Schweiß aus. Was nun?
Sollte er essen? Nicht essen? Seine Ge­
danken überstürzten sich. Wenn der
Mensch doch wenigstens reden würde!“
Einige Stellen sind etwas schwieriger zu
erkennen und u.U. auch nicht ganz eindeu­
tig, z. B. am Anfang: „Aber richtig schön
würde das Leben erst werden, wenn er im
nächsten Jahr seinen Töff bekam und den
Mädchen zeigen konnte, was für ein Kerl er
war.“ Wir sind hier noch in der Exposition,
also dem informierenden einleitenden Teil
der Geschichte und erwarten deshalb noch
Grundmodell
Ich gebe hier nicht einen festen Unterrichts­
ablauf vor, sondern zeige verschiedene
Möglichkeiten der Arbeit mit dem Text auf,
die je nach Voraussetzungen und Interes­
sen der Klasse verwirklicht werden können.
Wichtig erscheint mir, daß der Text auch in
seiner Unterhaltungsfunktion zur Wirkung
kommt. Die erste Lektüre sollte deshalb
nicht schon mit einem Arbeitsauftrag ver­
bunden werden. Möglich sind sowohl stilles
Lesen wie Vorlesen durch den Lehrer. Je
nach Temperament und Brauch der Klasse
kann sich ein freier Austausch anschließen.
Dann sollen Überlegungen darüber ange­
stellt werden, wie die Autorin es zustande
gebracht hat, daß der Text spannend und
amüsant wirkt. Dabei wird das Problem der
perspektivischen Erzählweise zu nennen
sein: Daß der Leser die Ratlosigkeit und die
Gedanken von Heinz mitvollzieht, aber über
den wahren Hintergrund des Geschehens
zunächst nicht aufgeklärt wird, trägt we­
sentlich dazu bei, daß Spannung entsteht
und die Pointe am Schluß wirksam wird. An
solche Überlegungen kann sich dann die
genauere Untersuchung der Gedanken­
wiedergabe als Mittel der perspektivischen
Gestaltung anschließen, und zwar einset­
zend mit dem folgenden Arbeitsauftrag:
„Sucht ein paar Stellen heraus, bei denen
Empfindungen oder Gedanken von Heinz
wiedergegeben werden!“
Nach der Nennung einiger Stellen hält der
Lehrer je ein oder zwei Beispiel(e) für den
Gedanken-(bzw. Gefühls-)bericht und den
inneren Monolog fest und fragt nach dem
Unterschied in der sprachlichen Aus­
drucksweise. Die Termini „Gedankenbe­
richt“ und „innerer Monolog“ werden einge­
führt. Dann greift der Lehrer ein Stück erleb­
te Rede heraus und fragt nach der Zuord­
nung. Dabei dürfte die Zwischenstellung
der erlebten Rede zwischen Gedanken-/
Gefühlsbericht und innerem Monolog deut­
lich werden. Anschließend suchen die
Schüler weitere Beispiele für die Gedan­
kenwiedergabe im Text (dazu empfiehlt
sich ein Unterstreichen oder Einrahmen der
drei Formen mit verschiedenen Farben).
Bei der Besprechung von Zweifelsfällen
empfehlen sich Umformulierungen (Ersatz­
proben), z. B. bei „Zum Teufel mit diesen
Asylbewerbern. Der kam irgendwo aus
Uagadugu...“: Wenn Unklarheit herrscht,
ob hier erlebte Rede oder innerer Monolog
vorliegt, zeigt der Tempuswechsel bei der
Umformulierung, daß der innere Monolog
anders lauten müßte: „Er dachte: Zum Teu­
fel m it diesen A sylb ew e rb ern! Der
kommt... “ Bei einem Satz wie,, Jetzt stand er
vor der Kasse und - wahrhaftig - er bezahl­
te !“ stellt sich die Frage nach Gedankenbe­
richt oder erlebter Rede. Ich würde hier den
zweiten Teil “ - w ahrhaftig-erbezahlte!"als
erlebte Rede einstufen, denn er ist ganz aus
der Perspektive von Heinz gesagt. Als
Gedankenbericht läge eine Formulierung
wie „und zur großen Verwunderung von
Heinz bezahlte er sogar“ nahe. Durch sol­
che Umformulierungen erfahren die Schü­
ler etwas von der Vielfalt der Ausdrucks­
möglichkeiten. Diese Einsicht ist wichtiger
als die richtige terminologische Etikettie­
rung.
Bezogen auf den Schluß der Geschichte mit
dem kurzen Dialog kann man noch den
Begriff der „direkten Rede“, den die Schüler
schon kennen müßten, wiederholen.
Erweiterung und Variation
1. Die Bedeutung, die der Gedankenwie­
dergabe im Text zukommt, läßt sich beson­
ders anschaulich verdeutlichen, wenn die
erzählte Geschichte mit ihrer szenischen
Realisierung verglichen wird. Zwei Schüler
müßten also die Geschichte spielen (viel­
leicht nur bis zum Ausbruch des Geläch­
ters, weil der Schluß leicht in Klamauk aus­
arten oder in einer Verlegenheit enden
kann). Dann wäre gemeinsam zu erörtern,
was beim Spiel verloren geht, aber auch,
welche Mittel dem Spiel zusätzlich zur Ver­
fügung stehen, nämlich vor allem Mimik und
Gestik. So kann deutlich werden, daß das,
was wir in der Wirklichkeit an der Mimik und
Gestik ablesen, im Erzähltext durch die
Gedankenwiedergabe an die Oberfläche
gebracht wird. - Dieser Vergleich mit der
szenischen Wiedergabe kann im Anschluß
an die analytische Erarbeitung der erzähl­
technischen Mittel, aber auch - was reizvol­
ler, wenn auch etwas anspruchsvoller ist als Hinführung zur Analyse eingesetzt wer­
den.
2. Aufschlußreich ist ferner, den Text in die
Perspektive von Marcel umzuschreiben
(Er-Form) - auch dies als Ergänzung der
Analyse oder als Hinführung zu ihr. Letzte­
res gelingt wohl nur, wenn die Schüler
schon Erfahrung mit dem Umschreiben aus
veränderter Perspektive haben. Beim
Umschreiben im Anschluß an die Analyse
kann der ausdrückliche Auftrag gegeben
werden, die drei Grundformen der Gedan­
kenwiedergabe zu verwenden. Ein Aufhän­
ger für das Umschreiben aus veränderter
Perspektive ist die Stelle „Heiliger Bimbam!
Wenn ich nur wüßte, was er denkt!“ Das
weiß auch der Leser nicht so genau; durch
das Umschreiben kann man deutlich ma­
chen, was Marcel gedacht haben könnte.
Literatur
Klaus Gerth: Elemente des Erzählens. Hannover:
Schroedel 21985.
Kaspar H. Spinner ist Professor an der Universität
Augsburg und Mitherausgeber dieser Zeitschrift.