Elternkarenzpolitik in Europa und deren Beitrag zu einer ausgeglichenen Arbeitsaufteilung zwischen Frauen und Männern DISSERTATION zur Erlangung des akademischen Grades „Doktor der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften, Dr. rer. soc. oec“ Wirtschaftsuniversität Wien, November 2015 Verfasserin: Mag. Helene Dearing ([email protected]) Kurzzusammenfassung Die Dissertation beschäftigt sich mit der Frage, wie Elternkarenzpolitik zu einer ausgeglichenen Arbeitsaufteilung zwischen Frauen und Männern beitragen kann. Für die Beantwortung der Fragestellung wird eine europäisch-vergleichende Perspektive gewählt. Die Arbeit ist in Form einer kumulativen Dissertation verfasst, welche sich aus drei Artikeln zusammensetzt, die in Fachzeitschriften publiziert werden oder derzeit in Begutachtung sind. Der erste Artikel erarbeitet eine systematische Analyse jener empirisch-quantitativen Literatur, die sich mit dem Einfluss von Elternkarenz auf eine ausgeglichene Arbeitsaufteilung zwischen Frauen und Männern beschäftigt. Dabei werden Studien untersucht, welche (i) Daten aus Europa heranziehen, (ii) zwischen Jänner 2000 und Mai 2014 durchgeführt, (iii) in referierten Zeitschriften publiziert und (iv) auf Englisch oder Deutsch verfasst wurden. Die Analyse des Materials erlaubt es, jene Merkmale eines Elternkarenzmodells zu identifizieren, welche besonders relevant für eine gleiche Arbeitsaufteilung zwischen Männern und Frauen sind: Erstens ist es besonders wichtig ein mittleren Dauer von Elternkarenz vorzusehen, um die Integration von Frauen auf dem Erwerbsarbeitsmarkt zu fördern. Zweitens hat besonders die Einführung von Elternkarenzzeiten, die explizit für Väter reserviert sind, eine positive Auswirkung auf deren Beteiligung im Bereich der unbezahlten Familienarbeit. Des Weiteren zeigen die Ergebnisse, dass sich der Effekt von Elternzeit auf Frauen in der Erwerbsarbeit je nach Bildungs- und Einkommensniveau unterschiedlich gestalten kann. Schließlich wirft der Artikel bislang unbeantwortete Fragen auf und verweist darauf, dass die Auswirkungen von Flexibilitätsmaßnahmen und Fertilitätsanreizen wie einer Prämie für besonders kurze Abstände zwischen den Geburten zweier Kinder auf die geschlechtsspezifische Arbeitsaufteilung bisher nur unzureichend untersucht wurden. Der zweite Artikel bewertet die Elternkarenzpolitik von 27 europäischen Ländern in Bezug auf deren Übereinstimmung mit einem idealtypischen Modell, welches in optimaler Weise eine ausgeglichene Arbeitsaufteilung zwischen Männern und Frauen fördert. In einem ersten Schritt wird, aufbauend auf die im ersten Artikel erarbeitete empirische Evidenz, ein idealtypisches Karenzmodell definiert, welches 14 Monate an gut bezahlter Karenz vorsieht, wobei die Inanspruchnahme der Hälfte dieser Zeit explizit den Vätern vorbehalten ist. Darauf 1 aufbauend wird ein „Equal Gender Division of Labour“-Indikator entwickelt, der die Übereinstimmung der tatsächlich implementierten Elternkarenzpolitik der europäischen Länder mit diesem idealtypischen Modell systematisch überprüft. In einem zweiten Schritt werden drei verschiedene Szenarien berechnet. Diese tragen den Annahmen Rechnung, dass (i) es ebenso eine Dauer von 12 oder 16 Monaten sein könnte, welche als ideal einzuschätzen ist, und dass es besonders wichtig wäre, (ii) Karenz immer mit einer finanziellen Unterstützung zu kombinieren oder (iii) einen Teil der Karenz nur für Väter zu reservieren. Die Ergebnisse dieser Arbeit zeigen, dass – unabhängig vom betrachteten Szenario – Island und Schweden die vielversprechendsten Karenzmodelle anbieten. Auf diese Erkenntnisse aufbauend, setzt der dritte Artikel die Elternkarenzpolitik von europäischen Staaten in Bezug zur geschlechtsspezifischen Aufteilung im Bereich der Hausarbeit. Da es verschiedene Möglichkeiten gibt, Elternkarenzpolitik in einer Größe zusammenzufassen, werden eindimensionale (in Bezug auf die gesamte und bezahlte Dauer der Karenz sowie den für den Vater reservierten Anteil) und mehrdimensionale „Equal Gender Division of Labour“-Indikatoren betrachtet. Die Daten über die Hausarbeit stammen aus dem „European Social Survey“ aus 2010, wobei sich die Analyse auf eine Stichprobe jener Eltern beschränkt, welche mit zumindest einem Kind im Alter von bis zu sieben Jahren im gemeinsamen Haushalt wohnen. Unter Verwendung einer „Blinder-Oaxaca Decomposition“ werden individuelle Merkmale der Befragten wie deren Bildung oder Einkommen als Bestimmungsfaktoren für das Ausmaß der geleisteten Hausarbeit berücksichtigt. Diese Methode erlaubt es, die durchschnittliche Differenz einer Ergebnisgröße zwischen zwei Gruppen in zwei Teile zu unterscheiden: jenen Anteil der Differenz der Hausarbeit zwischen Vätern und Müttern, der durch die Verteilung von individuellen Merkmalen „erklärt“ werden kann, und eine „Restgröße“. Diese Restgröße wird sodann in Bezug zur Elternkarenzpolitik des jeweiligen Landes gesetzt, da diese als Annäherung für den Einfluss aller anderen relevanten Faktoren auf den geschlechtsspezifischen Unterschied in Hausarbeitsstunden verwendet werden kann und somit auch den institutionellen Hintergrund mit einschließt. Die Ergebnisse zeigen, dass es einen systematischen Zusammenhang zwischen der Elternkarenzpolitik eines Landes und dem Grad der Ungleichverteilung der Hausarbeit zwischen Vätern und Müttern gibt. Wie sich diese systematische Beziehung darstellt, hängt allerdings davon ab, in Form welches Indikators die Elternkarenzpolitik eines Landes zusammengefasst wird. Die Resultate legen nahe, dass es in jenen Ländern, die aufgrund der Bewertung durch die mehrdimensionalen Indikatoren besonders gut abschneiden (z. B. Schweden, Norwegen und Slowenien), auch die am stärksten ausgeglichene Aufteilung von Hausarbeit zwischen Müttern und Vätern gibt. 2
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