INSTITUT FÜR DEMOSKOPIE ALLENSBACH Zwischen Sicherheitsbedürfnis und Risikobereitschaft Eine Untersuchung im Auftrag des Bundesverbandes deutscher Banken Veröffentlichung dieser Daten, ganz oder teilweise, nur mit vollständiger Quellenangabe ! INHALT Seite VORBEMERKUNG .............................................................................................1 AMBIVALENTES VERHÄLTNIS ZUR RISIKOBEREITSCHAFT .................2 Risikoakzeptanz und Innovationsklima ........................................................13 Bei Finanzanlagen ausgeprägte Risikoaversion............................................22 UMFASSENDES SICHERHEITSBEDÜRFNIS ...............................................26 DIFFERENZIERTE BEWERTUNG STAATLICHER REGULIERUNG ........32 VORBEMERKUNG Die deutsche Bevölkerung gilt als risikoavers und sicherheitsorientiert. Als Indizien werden vor allem das ausgeprägte Bedürfnis nach einer umfassenden sozialen Absicherung angeführt, die Abneigung gegen spekulative Anlageformen und die Haltung zu Innovationen und wissenschaftlichem Fortschritt. Um zu prüfen, wieweit diese Einschätzung auch heute zutrifft, beauftragte der Bundesverband deutscher Banken e.V. das Institut für Demoskopie Allensbach mit einer Analyse der Risikobereitschaft und des Sicherheitsbedürfnisses der Bürger, ihrer Haltung zu staatlicher Regulierung und Selbstbestimmung und ihren Präferenzen bei der Geldanlage. Die Untersuchung stützt sich auf 1.504 Interviews mit einem repräsentativen Querschnitt der Bevölkerung ab 16 Jahre. Die Interviews wurden zwischen Ende Oktober und Anfang November 2015 durchgeführt. Allensbach am Bodensee, am 16. November 2015 INSTITUT FÜR DEMOSKOPIE ALLENSBACH -1- AMBIVALENTES VERHÄLTNIS ZUR RISIKOBEREITSCHAFT Die Bevölkerung assoziiert Risiken mit Gefahren und entsprechend Risikofreude mit der Neigung, sich Gefahren auszusetzen. Rein rational ist den meisten durchaus bewusst, dass Risikobereitschaft für eine Gesellschaft wichtig ist. Immerhin 57 Prozent der Bürger halten Risikobereitschaft für eine Gesellschaft für wichtig, nur 28 Prozent für weniger oder überhaupt nicht wichtig. Der Anteil der Bevölkerung, der Risikobereitschaft eine hohe gesellschaftliche Bedeutung beimisst, ist jedoch gering: Lediglich jeder Achte stuft Risikobereitschaft für die Entwicklung einer Gesellschaft als sehr wichtig ein. Dabei gibt es interessanterweise nur marginale Unterschiede zwischen den Generationen und West- und Ostdeutschland; noch am ehesten unterscheiden sich die Einschätzungen in den verschiedenen sozialen Sichten: Die höheren Einkommensschichten messen Risikobereitschaft signifikant größere Bedeutung bei als Personen aus Haushalten mit unterdurchschnittlichen Einkommen. Durchgängig gilt allerdings, dass nur eine kleine Minderheit Risikobereitschaft eine sehr große Bedeutung für die gesellschaftliche Entwicklung beimisst. Schaubild 1 Gesellschaftliche Bedeutung von Risikobereitschaft Frage: "Eine Frage zum Thema Risikobereitschaft, also dem Mut, auch mal ein Risiko einzugehen oder eine riskante Entscheidung zu treffen: Für wie wichtig halten Sie Risikobereitschaft ganz allgemein für eine Gesellschaft?" Unentschieden, keine Angabe Gar nicht wichtig Eher nicht so wichtig Sehr wichtig 15 12 % 4 24 Basis: Bundesrepublik Deutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 11047 (2015) 45 Eher wichtig © IfD-Allensbach -2- Mehr als im gesellschaftlichen Kontext ist den Bürgern in Bezug auf die Wirtschaft bewusst, dass es ohne Risikobereitschaft eigentlich nicht geht. 66 Prozent sind überzeugt, dass Unternehmer risikobereit sein müssen, um Erfolg zu haben, lediglich knapp jeder Fünfte hält unternehmerischen Erfolg auch ohne Risikobereitschaft für möglich. Auch diese Einschätzung ist in den höheren Schichten weiter verbreitet als in den unteren sozialen Schichten. Schaubild 2 Unternehmer müssen risikobereit sein Frage: "Glauben Sie, dass Unternehmer risikobereit sein müssen, um Erfolg zu haben, oder glauben Sie das nicht, können Unternehmer auch ohne Risikobereitschaft erfolgreich sein?" Unentschieden, keine Angabe 15 Geht auch ohne Risikobereitschaft 19 Basis: Bundesrepublik Deutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 11047 (2015) 66 % Müssen risikobereit sein © IfD-Allensbach Dabei geht die Bevölkerung allerdings davon aus, dass es in den verschiedenen Branchen eine sehr unterschiedlich ausgeprägte Risikobereitschaft gibt. Die Vorstellungen sind dabei in hohem Maße davon bestimmt, ob eine Branche generell mit Risiken assoziiert wird oder nicht. Branchen, die mit großen Risiken assoziiert werden, sind vor allem die Banken sowie Unternehmen, die sich mit Pharmazie, Gentechnologie oder Luft- und Raumfahrt beschäftigen. Bei diesen Branchen geht -3- die Bevölkerung auch davon aus, dass es dort eine Risikobereitschaft gibt. Das gilt insbesondere für die Banken, mit denen 52 Prozent der Bevölkerung eine hohe Risikobereitschaft assoziieren, mit einigem Abstand gefolgt von Unternehmen, die auf dem Gebiet der Gentechnologie arbeiten (40 Prozent), der pharmazeutischen Industrie (35 Prozent) und der Luft- und Raumfahrtindustrie (34 Prozent). Als Branchen, in denen Risikobereitschaft eher die Ausnahme ist, gelten dagegen der Maschinenbau, der Handel, die Computerhersteller und Softwareunternehmen, die Bauwirtschaft und die Nahrungs- und Genussmittelindustrie. -4- Schaubild 3 Branchen mit hoher Risikobereitschaft und hohem Risikopotential In diesen Branchen gibt es eine große Risikobereitschaft In diesen Branchen sind die Risiken für Unternehmen besonders groß Banken 52 % 34 Gentechnologie 40 36 Pharmazeutische Industrie 35 34 Luft- und Raumfahrtindustrie 34 32 Chemische Industrie 32 36 Autohersteller 27 26 Internetunternehmer 27 24 Versicherungen 23 21 Energieversorger 20 25 Softwareunternehmen 19 18 Nahrungs- und Genussmittelhersteller 19 18 Bauwirtschaft 17 30 Computerhersteller 16 16 Handel (Groß- und Einzelhandelsunternehmen) 11 21 Maschinenbauindustrie 9 12 Basis: Bundesrepublik Deutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 11047 (2015) © IfD-Allensbach -5- Die Überzeugung der Mehrheit, dass Risikobereitschaft insbesondere in der Wirtschaft, aber auch in der Gesellschaft wichtig ist, führt keineswegs dazu, dass Risikobereitschaft als erstrebenswert anerkannt wird. Wenn die Bevölkerung auflistet, was sie im Leben wichtig und für erstrebenswert hält, rangieren Sicherheitsaspekte weit vorne, während Risikobereitschaft auf dem letzten Rang liegt. Drei Viertel der Bevölkerung halten es für besonders wichtig, finanziell gut abgesichert zu sein, gut zwei Drittel bewerten die Sicherheit des Arbeitsplatzes ähnlich hoch. Dies ist nicht gleichzusetzen mit dem Streben nach Wohlstand: Ein hohes Einkommen und materieller Wohlstand wird von der Bevölkerung weitaus geringer geschätzt als das Ziel, materiell abgesichert zu sein und hier keinen Risiken ausgesetzt zu sein. Während drei Viertel auf eine finanzielle Absicherung großen Wert legen, hält nur jeder Dritte ein hohes Einkommen und materiellen Wohlstand für besonders wichtig. Risikobereitschaft halten ganze 9 Prozent für erstrebenswert. Besonders gering geschätzt wird Risikobereitschaft von der älteren Generation. Von den 60-Jährigen und Älteren halten nur 5 Prozent Risikobereitschaft für wichtig und erstrebenswert, von ihren Enkeln, den Unter-30-Jährigen, jedoch auch nur 12 Prozent. -6- Schaubild 4 Was im Leben wichtig ist Frage: "Hier auf dieser Liste steht einiges, was man im Leben wichtig und erstrebenswert finden kann. Könnten Sie mir bitte alles angeben, was Sie für ganz besonders wichtig halten?" Gute Freunde haben, enge Beziehungen zu anderen Menschen 84 % Eine glückliche Partnerschaft 78 Finanziell abgesichert sein 76 Ein sicherer Arbeitsplatz 68 Soziale Gerechtigkeit 67 Gute, vielseitige Bildung 65 Unabhängigkeit, sein Leben weitgehend selbst bestimmen können 62 Kinder haben 61 Erfolg im Beruf 50 Viel Spaß haben, das Leben genießen 49 Menschen helfen, die in Not geraten 48 Immer Neues lernen 44 Die Welt, andere Länder und Kulturen kennenlernen 37 Naturerfahrungen, viel in der Natur sein 36 Ein abwechslungsreiches Leben, immer neue Erfahrungen machen 35 Hohes Einkommen, materieller Wohlstand 34 Sozialer Aufstieg 33 Viel leisten 27 Kreativ sein 27 Starke Erlebnisse haben, Abenteuer, Spannung 24 Aktive Teilnahme am politischen Leben, politisch aktiv sein 11 Risikobereitschaft Basis: Bundesrepublik Deutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 11047 (2015) 9 © IfD-Allensbach -7- Ein Test der spontanen emotionalen Reaktionen auf Schlüsselbegriffe zeigt, dass die Abneigung gegen den bloßen Begriff Risiko groß ist und im Zeitverlauf signifikant gewachsen ist. Auf viele Schlüsselbegriffe reagiert die Bevölkerung mit spontaner Sympathie. Das gilt besonders auch für Sicherheit, ein Begriff, den 93 Prozent der Bürger spontan als sympathisch einstufen, aber auch für Fortschritt, Forschung, Wissenschaft, Technik, Innovation, Wettbewerb, Marktwirtschaft und Unternehmer. 75 Prozent der Bürger reagieren mit spontaner Sympathie auf den Schlüsselbegriff Innovation, knapp zwei Drittel auch auf den Begriff Wettbewerb, 63 Prozent auf den Begriff Unternehmer. Auch unternehmerische Freiheit, Hightech und Industrie sind überwiegend sympathiegeladene Begriffe. Ganz anders reagiert die Bevölkerung jedoch auf den Begriff unternehmerisches Risiko. Obwohl die große Mehrheit überzeugt ist, dass unternehmerischer Erfolg ohne Risikobereitschaft nicht möglich ist, reagiert die Mehrheit auf den Schlüsselbegriff unternehmerisches Risiko mit Abneigung. Noch ausgeprägter gilt dies für die Begriffe Risiko allgemein, Manager, Aktien und Gentechnologie. 80 Prozent der Bevölkerung reagieren mit spontaner Abneigung auf den Begriff Gentechnologie – schon dies ist eine Warnung, die positive Reaktion auf die Begriffe Forschung, Wissenschaft und Innovation generell als Innovationsoffenheit zu interpretieren. Einigen Forschungsfeldern steht die Bevölkerung mit ausgeprägter Skepsis gegenüber, eine Skepsis, die auch die Rahmenbedingungen für Wissenschaft und Wirtschaft durchaus beeinflusst. Interessant ist auch die spontane Aversion gegenüber dem Begriff Regulierung; gleichzeitig ist der Begriff Sozialstaat jedoch weit überwiegend positiv besetzt, und viele Untersuchungen belegen, dass die Bevölkerung sich einer verstärkten Regulierung in der Regel dann nicht entgegenstellt, wenn sie mit einem tatsächlich oder vermeintlich guten Zweck begründet wird. -8- Schaubild 5 Spontane emotionale Reaktion auf Schlüsselbegriffe Frage: "Auf diesen Karten stehen verschiedene Wörter. Bei diesen Wörtern kann man ja verschieden fühlen, ob sie einem sympathisch sind oder nicht sympathisch. Könnten Sie bitte diese Karten einmal hier auf das Blatt verteilen, je nachdem, wie Sie das fühlen?" (Kartenspiel- und Bildblattvorlage) Unsympathisch Sympathisch 96 % 1 Made in Germany 5 Sicherheit 93 5 Fortschritt 91 7 Wissenschaft 89 8 Forschung 88 11 Technik 82 15 Innovation 75 20 Sozialstaat 71 27 Wettbewerb 64 27 Marktwirtschaft 63 24 Unternehmer 63 26 Unternehmerische Freiheit 61 27 Hightech 60 30 Industrie 59 38 Nanotechnologie 39 53 Unternehmerisches Risiko 31 60 Risiko 29 63 Manager 27 61 Aktien 26 62 Regulierung 24 80 Gentechnologie 11 Basis: Bundesrepublik Deutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 11047 (2015) © IfD-Allensbach -9- Die Veränderung der spontanen emotionalen Reaktionen auf den Begriff Risiko zeigt der Langzeittrend von den frühen 90er Jahren an. Damals reagierten lediglich 43 Prozent der Bevölkerung mit spontaner Antipathie auf den Begriff Risiko, Ende der 90er Jahre bereits 50 Prozent, jetzt 60 Prozent. Schaubild 6 Wachsende Aversionen gegen den Schlüsselbegriff Risiko Es finden den Begriff “Risiko” unsympathisch - 60 55 50 46 43% 1993 1995 Basis: Bundesrepublik Deutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfragen, zuletzt 11047 1999 2003 2015 © IfD-Allensbach Die wachsende Aversion gegen den bloßen Begriff „Risiko“ mag auch damit zu tun haben, dass die Bevölkerung in den letzten zwei Jahrzehnten mit erheblichen Risiken konfrontiert war und ist. Am Beginn des vergangenen Jahrzehnts stand die Bevölkerung ganz unter dem Eindruck der mehrjährigen Wachstumsschwäche der deutschen Wirtschaft und der kontinuierlich steigenden Arbeitslosigkeit, wenige Jahre später folgte die Wirtschafts- und Finanzmarktkrise und ab 2011 die Eskalation in der Euro-Zone. Das Börsengeschehen spiegelte diese Risiken, insbesondere auch im Gefolge des Platzens der New Economy-Blase und später während der Wirtschafts- und Finanzmarktkrise. - 10 - Zurzeit steht die Bevölkerung ganz unter dem Eindruck des Zustroms an Flüchtlingen und der wachsenden Gefahr terroristischer Anschläge. 61 Prozent der Bevölkerung sehen in der großen Zahl der Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen, eine der größten Risiken für das Land, gefolgt von der Sorge, dass radikale und terroristische Gruppierungen an Bedeutung gewinnen. Auch die wirtschaftliche Lage in der Euro-Zone gilt nach wie vor in der Hälfte der Bevölkerung als besonders großes Risiko, weitaus mehr als die Gefahr einer neuen Finanzmarktkrise. Ein Spezifikum der deutschen Mentalität ist die Besorgnis über wachsende soziale Unterschiede. 52 Prozent der Bevölkerung rechnen zu den größten Gefahren, denen Deutschland künftig ausgesetzt ist, die wachsenden sozialen Unterschiede. Dies ist keine neue Besorgnis, sondern spielt schon seit Jahren und sogar Jahrzehnten in den Befürchtungen der Bevölkerung eine große Rolle. Die deutsche Bevölkerung ist mehr als andere Nationen darauf ausgerichtet, das Land zusammen zu halten, insbesondere auch die sozialen Schichten. Ein Sorgenpunkt, der in den letzten Jahren deutlich zurückgetreten ist, ist die Staatsverschuldung. Vor wenigen Jahren sah noch die große Mehrheit der Bevölkerung in der hohen Staatsverschuldung ein großes Risiko für die Entwicklung des Landes. Mit dem Erreichen der schwarzen Null bei der Neuverschuldung hat sich in der Bevölkerung zunehmend die Meinung durchgesetzt, dass die absolute Höhe der Staatsverschuldung kein großes Problem darstellt, solange es gelingt, die Neuverschuldung zu begrenzen. Die niedrigen Zinsen tragen erheblich zur Begrenzung der Neuverschuldung bei. Sie nutzen den Staaten, schaden aber den Anlegern und Teilen der Wirtschaft. Es ist bemerkenswert, wie wenig die niedrigen Zinsen von der Bevölkerung als Gefahr eingestuft werden. Lediglich 13 Prozent sehen in den niedrigen Zinsen ein Risiko für die weitere Entwicklung des Landes. Noch niedriger rangiert in dem Sorgenkatalog lediglich die Furcht vor Engpässen in der Energieversorgung. - 11 - Schaubild 7 Risiken für die Zukunft Deutschlands Frage: "Was meinen Sie: Was sind in den nächsten 10 Jahren große Risiken für die weitere Entwicklung Deutschlands, wo sehen Sie da vor allem Gefahren?" (Listenvorlage) Die vielen Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen 61 % Radikale und terroristische Gruppierungen 55 Dass die Unterschiede zwischen Arm und Reich immer größer werden 52 Die Wirtschaftslage in der Euro-Zone 50 Dass der islamische Einfluss zu groß wird 49 Steigender Rechtsextremismus 47 Die demografische Entwicklung, also dass es immer mehr Ältere und immer weniger Jüngere gibt 46 Die Mängel in unserem Bildungssystem 35 Dass es zu einer neuen Finanzkrise kommt 34 Die hohe Staatsverschuldung 33 Der Fachkräftemangel in einigen Branchen 32 Ein Anstieg der Arbeitslosigkeit 29 Zu hohe Steuern 28 Die Klimaerwärmung 27 Dass Reformen nicht schnell genug vorankommen 22 Steigender Linksextremismus 15 Die niedrigen Zinsen 13 Engpässe in der Energieversorgung 10 Basis: Bundesrepublik Deutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 11047 (2015) © IfD-Allensbach - 12 - Risikoakzeptanz und Innovationsklima Die ambivalente Haltung zu Risiken ist jedoch nicht nur das Ergebnis der Konfrontation mit Risiken, sondern hängt auch mit einem ausgeprägten Sicherheitsbedürfnis zusammen. Dies prägt teilweise auch die Haltung zu Innovationen und dem wissenschaftlichen Fortschritt. Grundsätzlich nimmt die Mehrheit zu wissenschaftlichem Fortschritt allgemein eine aufgeschlossene oder zumindest neutrale Haltung ein. So sind 40 Prozent der Bevölkerung überzeugt, dass der wissenschaftliche Fortschritt dazu beiträgt, das Leben der Menschen einfacher zu machen, während 22 Prozent dagegen halten, dass der wissenschaftliche Fortschritt das Leben für die Menschen schwieriger und mühsamer macht. Ebenfalls 22 Prozent gehen davon aus, dass der wissenschaftliche Fortschritt in dieser Hinsicht neutral ist. Diese Einschätzung hängt in hohem Maße davon ab, ob wissenschaftlicher Fortschritt primär mit einer Vermehrung von Sicherheit oder mit mehr Risiken in Verbindung gebracht wird. Diejenigen, die davon ausgehen, dass der wissenschaftliche Fortschritt zu mehr Sicherheit führt, sind mit überwältigender Mehrheit überzeugt, dass die Wissenschaft das Leben für die Menschen immer einfacher gestaltet. Völlig anders wird dies von denjenigen gesehen, die wissenschaftlichen Fortschritt primär mit einer Vermehrung von Risiken assoziieren. Von ihnen sind nur 23 Prozent überzeugt, dass der wissenschaftliche Fortschritt das Leben erleichtert, während 44 Prozent wissenschaftlichen Fortschritt mit einer Vermehrung von Komplikationen, Unübersichtlichkeit und Erschwernis verbinden. - 13 - Schaubild 8 Folgen des wissenschaftlichen Fortschritts für das Alltagsleben Frage: "Glauben Sie, dass der wissenschaftliche Fortschritt das Leben für die Menschen immer einfacher oder immer schwieriger macht?" Wissenschaftlicher Fortschritt bringt mehr – Bevölkerung insgesamt % Sicherheit Riskiken % % Immer einfacher 40 77 23 Immer schwieriger 22 5 44 Bleibt gleich 22 11 22 Weiß nicht 16 7 11 100 100 100 Basis: Bundesrepublik Deutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 11047 (2015) © IfD-Allensbach Der Anteil der Bevölkerung, der wissenschaftlichen Fortschritt mit einer Vermehrung von Sicherheit verbindet, macht jedoch nur eine Minderheit aus. Gerade einmal 22 Prozent assoziieren den wissenschaftlichen Fortschritt mit mehr Sicherheit, dagegen 36 Prozent mit einer Vermehrung von Risiken. Ein erheblicher Anteil enthält sich der Stimme, da – wie an späterer Stelle dokumentiert wird – das Urteil völlig unterschiedlich ausfällt, je nachdem, welches Wissenschaftsgebiet zur Diskussion steht. Lediglich in der jungen Generation hält sich die Einschätzung von wissenschaftlichem Fortschritt mit einer Vermehrung von Risiken die Waage mit der Einschätzung, dass wissenschaftlicher Fortschritt vor allem die Risiken vermehrt. In der älteren Generation überwiegt klar die Assoziation mit einer Vermehrung von Risiken. - 14 - Schaubild 9 Wissenschaftlicher Fortschritt wird eher risikobehaftet gesehen Frage: "Und glauben Sie, dass der wissenschaftliche Fortschritt mehr Sicherheit oder mehr Risiko bringt?" Mehr Sicherheit 22 % Unentschieden 42 36 Mehr Risiko Basis: Bundesrepublik Deutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 11047 (2015) © IfD-Allensbach Die Frage, wieweit zugunsten des wissenschaftlichen Fortschritts auch Risiken in Kauf genommen werden sollten, zeigt weit verbreitet Risikoaversion. Zwar plädieren 41 Prozent der Bevölkerung dafür, bei der Forschung und Erprobung von wissenschaftlichen Erkenntnissen, Risiken in Kauf zu nehmen – auch mit dem Argument, dass Risiken nie ganz auszuschließen sind. 44 Prozent vertreten jedoch die Gegenposition und votieren dafür, auf wissenschaftlichen Fortschritt zu verzichten, wenn damit auch nur ein geringes Risiko für den Menschen verbunden ist. Die Einstellungen haben sich in den letzten Jahren hier nur graduell verschoben, und zwar in Richtung der Risikoaversion. 2010 plädierten noch 44 Prozent für eine begrenzte Risikobereitschaft, aktuell 41 Prozent. Gegenläufig ist der Anteil, der gegen jeglichen risikobehafteten wissenschaftlichen Fortschritt votiert, von 42 auf 44 Prozent gestiegen. - 15 - Schaubild 10 Bei Risiken Begrenzung der Forschung? Frage: "Hier unterhalten sich zwei über 'wissenschaftlichen Fortschritt'. Welche(r) von beiden sagt eher das, was auch Sie denken, der/die Obere oder der/die Untere?" (Bildblattvorlage) 2010 % 2015 % 44 41 Der/die Untere: Das sehe ich anders. Wenn es auch nur ein geringes Risiko für den Menschen gibt, dann sollte man auf wissenschaftlichen Fortschritt lieber verzichten. 42 44 Unentschieden 14 15 100 100 Der/die Obere: Meiner Meinung nach müssen wir bereit sein, bestimmte Risiken bei der Erprobung von wissenschaftlichen Entwicklungen in Kauf zu nehmen; Risiken sind nie ganz auszuschließen. Basis: Bundesrepublik Deutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfragen 10057, 11047 © IfD-Allensbach Die weibliche Bevölkerung ist in diesem Bereich weitaus stärker risikoavers als die männliche. So plädieren 38 Prozent der Männer, aber 50 Prozent der Frauen für den Verzicht auf Forschung und Innovationen, die mit einem auch nur begrenzten Risiko für den Menschen verbunden sind. - 16 - Schaubild 11 Stärkere Risikoaversion von Frauen Frage: "Hier unterhalten sich zwei über 'wissenschaftlichen Fortschritt'. Welche(r) von beiden sagt eher das, was auch Sie denken, der/die Obere oder der/die Untere?" (Bildblattvorlage) Bevölkerung insgesamt % Der/die Obere: Meiner Meinung nach müssen wir bereit sein, bestimmte Risiken bei der Erprobung von wissenschaftlichen Entwicklungen in 41 Kauf zu nehmen; Risiken sind nie ganz auszuschließen. Männer Frauen % % 47 34 Der/die Untere: Das sehe ich anders. Wenn es auch nur ein geringes Risiko für den Menschen gibt, dann sollte man auf wissenschaftlichen Fortschritt lieber verzichten. 44 38 50 Unentschieden 15 15 16 100 100 100 Basis: Bundesrepublik Deutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 11047 (2015) © IfD-Allensbach Noch größere Unterschiede finden sich hier zwischen den Generationen. In der jungen Generation und auch noch begrenzt bei den 30- bis 44-Jährigen überwiegt das Plädoyer, bei der Forschung und bei Innovationen zumindest begrenzte Risiken in Kauf zu nehmen. Ganz anders ist die Stimmungslage bei 45- bis 59-Jährigen und insbesondere in der älteren Generation. Von den 60-Jährigen und Älteren sprechen sich 51 Prozent dafür aus, auf Entwicklungen und Forschungen zu verzichten, wenn sie mit Risiken verbunden sind. - 17 - Schaubild 12 Dissenz zwischen den Generationen Frage: "Hier unterhalten sich zwei über 'wissenschaftlichen Fortschritt'. Welche(r) von beiden sagt eher das, was auch Sie denken, der/die Obere oder der/die Untere?" (Bildblattvorlage) Der/die Obere: Meiner Meinung nach müssen wir bereit sein, bestimmte Risiken bei der Erprobung von wissenschaftlichen Entwicklungen in Kauf zu nehmen; Risiken sind nie ganz auszuschließen. 51 48% 44 46 39 Der/die Untere: Das sehe ich anders. Wenn es auch nur ein geringes Risiko für den Menschen gibt, dann sollte man auf wissenschaftlichen Fortschritt lieber verzichten. 34 16-29 Jahre Basis: Bundesrepublik Deutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 11047 (2015) 35 39 30-44 Jahre 45-59 Jahre 60 Jahre und älter © IfD-Allensbach Interessant ist auch der Unterschied zwischen denjenigen, die wissenschaftlichen Fortschritt primär mit mehr Sicherheit assoziieren und denjenigen, die davon ausgehen, dass wissenschaftlicher Fortschritt vor allem Risiken vermehrt. Die zweite Gruppe spricht sich mehrheitlich für den Verzicht auf Forschungs- und Entwicklungsarbeiten aus, die auch nur begrenzt risikobehaftet sind, während diejenigen, die wissenschaftlichen Fortschritt mit einer Vermehrung von Sicherheit assoziieren, mit großer Mehrheit für eine zumindest begrenzte Akzeptanz von Risiken plädieren. Die Haltung der Bevölkerung zu einzelnen Forschungsgebieten differiert jedoch erheblich und hängt in hohem Maße davon ab, ob sie sich auf dem jeweiligen Gebiet von dem wissenschaftlichen Fortschritt einen gravierenden Nutzen verspricht. Das ist insbesondere bei der medizinischen Forschung der Fall, aber durchaus auch bei der Erforschung regenerativer Energien und der Klimaforschung und bei der - 18 - wissenschaftlichen Analyse eines sicheren Endlagers für Atommüll. Auf diesen Feldern hofft die Bevölkerung auf rasche Fortschritte. Das gilt insbesondere in der Krebsforschung und in der Erforschung neuer Mittel gegen Alterskrankheiten und bei der Entwicklung eines Impfstoffes gegen AIDS. Zwischen 70 und über 90 Prozent der Bevölkerung hoffen, dass auf diesen Gebieten rasche Fortschritte gemacht werden. Ähnlich groß ist der Anteil der Bürger, die hoffen, dass bei der Suche nach einem sicheren Endlager für Atommüll rasche Fortschritte gemacht werden wie auch bei der Erforschung regenerativer Energien und bei der Erforschung des Klimawandels. Auch die Elektromobilität zählt zu den Forschungsund Entwicklungsgebieten, bei denen die Mehrheit der Bevölkerung auf rasche Fortschritte hofft. Schaubild 13 Forschungsgebiete, bei denen die Mehrheit auf rasche Fortschritte hofft Frage: "Hier auf diesen Karten stehen verschiedene Forschungsgebiete. Bei welchen davon ist es Ihnen wichtig, dass da rasche Fortschritte gemacht werden?" Bevölkerung insgesamt % In der Krebsforschung, bei der Entwicklung neuer Medikamente gegen Krebs 91 Bei der Erforschung neuer Mittel gegen Alterskrankheiten wie Arthrose, Osteoporose, Alzheimer usw. 87 Bei der Suche nach einem sicheren Endlager für Atommüll 76 Bei der Erforschung erneuerbarer Energien, wie erneuerbare Energien besser und effizienter genutzt werden können 75 Dass man einen Impfstoff gegen AIDS entwickelt 70 Dass man Naturkatastrophen wie Erdbeben oder Vulkanausbrüche besser vorhersagen kann 70 Bei der Erforschung der Erderwärmung, des Klimawandels 68 Im Bereich Energieeffizienz, also z.B., dass Maschinen, Lampen oder Haushaltsgeräte weniger Strom verbrauchen 65 Bei der Entwicklung von Elektroautos 58 Basis: Bundesrepublik Deutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 11047 (2015) © IfD-Allensbach Weitaus weniger verspricht sich die Bevölkerung dagegen von dem Beitrag der Gentechnologie zur Heilung bislang nicht heilbarer Krankheiten, von der - 19 - Embryonenforschung, aber auch von der Digitalisierung, der Nanotechnologie und dem autonomen Fahren. Das Potential der Gentechnologie, zur Heilung bislang nicht heilbarer Krankheiten beizutragen, bringt nur 41 Prozent der Bevölkerung dazu, hier auf rasche Fortschritte zu hoffen. Gleichzeitig ist die Haltung zum Einsatz der Gentechnologie in der medizinischen Forschung wesentlicher aufgeschlossener als die Haltung gegenüber der grünen Gentechnologie. Nur 18 Prozent hoffen darauf, dass es mit Hilfe der Biotechnologie gelingt, vermehrt gegen Schädlinge und Kranheiten resistente Obst- und Gemüsesorten zu züchten. In Bezug auf die Digitalisierung hoffen 39 Prozent auf rasche Fortschritte, in Bezug auf die Nanotechnologie 23 Prozent und in Bezug auf das autonome Fahren gerade einmal 8 Prozent. Viele halten auf diesen Gebieten die Forschung für nicht so vordringlich. In Bezug auf das autonome Fahren plädieren jedoch sogar 39 Prozent dafür, die Forschung ganz zu stoppen. Schaubild 14 Forschungsfelder, die aus Sicht der Bevölkerung weniger wichtig sind Frage: "Hier auf diesen Karten stehen verschiedene Forschungsgebiete. Bei welchen davon ist es Ihnen wichtig, dass da rasche Fortschritte gemacht werden?" Bevölkerung insgesamt % Dass die Gentechnik zur Heilung bislang unheilbarer Krankheiten eingesetzt werden kann Bei der Digitalisierung in Industrie und Wirtschaft, dass Computer und Internet in Industrie und Wirtschaft eine immer größere Rolle spielen Forschungen an Embryonen, um bisher unheilbare Krankheiten heilen zu können In der Nanotechnologie, also bei der Erforschung der Eigenschaften und Einsatzmöglichkeiten von winzig kleinen Teilchen Dass es mit Hilfe der Biotechnologie Obst- und Gemüsesorten gibt, die resistent gegen Schädlinge und Krankheiten sind 41 39 31 23 18 Bei der Entwicklung von selbstfahrenden Autos 8 Dass die Erbanlagen beeinflusst werden, um die Intelligenz von Menschen zu erhöhen 5 Basis: Bundesrepublik Deutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 11047 (2015) © IfD-Allensbach - 20 - Untersuchungen zur Wissenschaftskommunikation belegen, dass die Akzeptanz von Forschungsfeldern und die Einschätzung ihrer Bedeutung in hohem Maße davon abhängen, wie weit den Bürgern ein nachvollziehbarer Nutzen kommuniziert wird.1 In Bezug auf das Innovationsklima in Deutschland sind weite Teile der Bevölkerung unsicher oder skeptisch. Lediglich 38 Prozent sind überzeugt, dass Deutschland ausreichend innovativ ist und auch der technische Fortschritt rasch genug vorangetrieben wird. 32 Prozent halten das Innovationstempo in Deutschland für zu langsam, lediglich 3 Prozent für zu schnell. Schaubild 15 Einschätzung des Innovationsklimas Frage: "Wie ist Ihr Eindruck: Ist Deutschland ausreichend innovativ, geht es also mit dem technischen Fortschritt in Deutschland schnell genug, oder entwickelt sich der technische Fortschritt Ihrer Meinung nach zu langsam, oder zu schnell?" Unentschieden, keine Angabe 27 38 % Zu schnell Schnell genug 3 32 Zu langsam Basis: Bundesrepublik Deutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 11047 (2015) 1 © IfD-Allensbach Vgl. dazu Hacker, Jörg; Köcher, Renate (Hg.): Die Synthetische Biologie in der öffentlichen Meinungsbildung. Überlegungen im Kontext der wissenschaftsbasierten Beratung von Politik und Öffentlichkeit (Leopoldina Diskussion, Nr. 3). Halle (Saale): Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina 2014. - 21 - Bei Finanzanlagen ausgeprägte Risikoaversion Häufig wird die Risikoaversion an ihrem Anlageverhalten festgemacht, dem im Vergleich zu vielen anderen Ländern, insbesondere zum angelsächsischen Raum, niedrigen Anteil an Aktionären. Nach wie vor hat nur eine Minderheit überhaupt jemals Erfahrungen mit Aktien oder Anteilen an Aktienfonds gesammelt. 20 Prozent der Bevölkerung besitzen zurzeit Aktien oder Fondsanteile, 17 Prozent waren früher einmal Aktionäre bzw. Aktienfondsbesitzer. Knapp zwei Drittel der deutschen Bevölkerung haben keinerlei Erfahrungen mit Aktien. Zwar ist dieser Anteil langfristig gesunken, Ende der 90er Jahre gaben noch 77 Prozent der Bevölkerung an, dass sie noch nie Aktien oder Aktienfondsanteile besessen haben. Die Phase, in der viele Mut fassten, mit Aktien Erfahrungen zu sammeln, war jedoch unglücklicherweise der Zeitraum zwischen 2000 und 2002, also die Phase, in der sich die New Economy-Blase entwickelte und anschließend platzte. Zwischen dem Ende der 90er Jahre und Ende 2001 verdoppelte sich der Anteil der Besitzer von Aktien und Aktienfonds annähernd von 16 auf 30 Prozent. Die Ernüchterung nach dem Platzen der New Economy-Blase führte dann wieder zu einem fast kontinuierlichen Rückgang der Aktionäre auf heute 20 Prozent. Diejenigen, die heute keine Aktien (mehr) besitzen, haben in der Regel auch keine Meinung, es mit dieser Anlageform zu versuchen. Lediglich 12 Prozent derjenigen, die keine Aktien besitzen, würde es reizen, Geld in Aktien anzulegen. Im Jahr 2000 lag dieser Anteil bei 29 Prozent und ging danach kontinuierlich zurück; 2008 wurde mit gerade einmal 9 Prozent Interessierten der Tiefpunkt erreicht. Auch die heutigen Aktienbesitzer haben nie mehr eine Begeisterung für diese Anlageform entwickelt wie im Jahr 2000. Damals reizte es zwei Drittel der Besitzer von Aktien und Aktienfondsanteilen, vermehrt Geld in Aktien anzulegen; bis 2002 sackte dieser Anteil auf 27 Prozent, im Jahr 2008, unter dem Eindruck der Wirtschafts- und Finanzmarktkrise, auf 19 Prozent. Aktuell finden es immerhin wieder knapp vier von zehn Aktionären reizvoll, vermehrt in Unternehmensanteile zu investieren. - 22 - Schaubild 16 Zur Attraktivität von Aktien Frage: "Würde es Sie reizen, (mehr) Geld in Aktien anzulegen, oder kommt das für Sie nicht in Frage?" (Mehr) in Aktien zu investieren, würde reizen – 64 57 % 27 29 41 39 38 27 16 39 27 19 10 13 10 12 12 2012 2013 2015 Aktien(fonds)Besitzer Personen ohne Aktienbsitz 9 1997 2000 2001 2002 2007 Basis: Bundesrepublik Deutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfragen, zuletzt 11047 2008 © IfD-Allensbach Die Grundhaltung der großen Mehrheit ist in Bezug auf Geldanlagen von ausgeprägter Sicherheitsorientierung bestimmt. 69 Prozent ist möglichst hohe Sicherheit wichtiger als eine möglichst hohe Rendite. Lediglich 11 Prozent bewerten die Renditechancen höher als die Sicherheit. Die Besitzer von Aktien und Aktienfondsanteilen unterscheiden sich hier nur marginal von dem Durchschnitt der Bevölkerung. - 23 - Schaubild 17 Sicherheit vor Rendite Frage: "Wenn man Geld anlegt, dann möchte man ja sowohl eine möglichst hohe Rendite, also hohe Gewinne erreichen, als auch eine möglichst große Sicherheit haben, so dass man das Geld später auch in der erwarteten Höhe bekommt. Beides kann man nicht immer im gleichen Maße erreichen. Jetzt einmal unabhängig davon, ob Sie selbst Geld angelegt haben oder nicht, was wäre Ihnen persönlich bei einer Geldanlage wichtiger: eine möglichst hohe Rendite, oder eine möglichst hohe Sicherheit?" Bevölkerung insgesamt % Aktien(Fonds-) Besitzer % Möglichst hohe Rendite 11 15 Möglichst große Sicherheit 69 65 Unentschieden, keine Angabe 20 20 100 100 Basis: Bundesrepublik Deutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 11047 (2015) © IfD-Allensbach Es ist bedauerlich, dass ein erheblicher Teil der Bevölkerung in der Phase der New Economy-Blase mit einer Begeisterung für Aktien infiziert wurde. Die darauf folgende Ernüchterung begrenzt für lange Zeit die Chancen, einen höheren Anteil der Bürger für Aktien zu gewinnen – selbst in einem anhaltenden Niedrigzinsumfeld. Wie anders das Klima gegenüber Aktien im Jahr 2000 war, zeigt die spontane Reaktion der Bevölkerung auf den Begriff „Aktien“. 2000 reagierten 61 Prozent der Bevölkerung auf den Begriff positiv, nur 26 Prozent mit Antipathie. Heute ist die Reaktion praktisch spiegelverkehrt: Über 60 Prozent reagieren mit spontaner Antipathie, nur jeder Vierte positiv. - 24 - Schaubild 18 Völlig andere emotionale Reaktion Es empfinden den Begriff “Aktien” als - unsympathisch 61 % 61 sympathisch 26 26 2000 2015 Basis: Bundesrepublik Deutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfragen 6099, 11047 © IfD-Allensbach - 25 - UMFASSENDES SICHERHEITSBEDÜRFNIS Eine zentrale Quelle des Sicherheitsgefühls der Bürger ist der Sozialstaat. Er wird als Garant ihrer materiellen Absicherung gesehen, gerade in kritischen Lebenslagen wie Krankheit, Arbeitslosigkeit oder im Alter. Gerade eine gute Absicherung für den Krankheitsfall und für das Alter ist der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung außerordentlich wichtig. Gebeten, die Sicherheiten zu benennen, die persönlich am wichtigsten sind, nennen 80 Prozent eine gute Absicherung im Krankheitsfall, 76 Prozent eine gute Absicherung für das Alter, weitere 69 Prozent nennen den Fall der Pflegebedürftigkeit. Auch die Garantie von innerer Sicherheit in all ihren Facetten ist der Mehrheit außerordentlich wichtig wie auch Rechtssicherheit, die Sicherheit von Arbeitsplätzen und der beruflichen Zukunft der eigenen Kinder sowie die Sicherheit vor Datenmissbrauch. Das Sicherheitsbedürfnis der Bürger ist umfassend und der Staat spielt als Garant von Sicherheit eine entscheidende Rolle in diesen Vorstellungen. - 26 - Schaubild 19 Umfassendes Sicherheitsbedürfnis Frage: "Im Leben kann es einem ja in verschiedenen Bereichen wichtig sein, Sicherheit zu haben. Welche Sicherheiten von dieser Liste sind Ihnen am wichtigsten?" (Listenvorlage) Bevölkerung insgesamt 16- bis 29Jährige Gute Absicherung im Krankheitsfall, gute ärztliche Versorgung 80 % 75 Gute Absicherung fürs Alter 76 66 Ein sicheres familiäres Umfeld, auf das ich mich verlassen kann 71 63 Gute Absicherung bei Pflegebedürftigkeit 69 53 Sicherheit der Ersparnisse, des Vermögens 65 57 Rechtssicherheit, dass ich mich auf die Gesetze in Deutschland verlassen kann 63 60 Sichere berufliche Zukunft der Kinder 61 44 Sicherheit vor Gewaltverbrechen 59 55 Sicherheit vor sozialem Abstieg 57 55 Sicherheit vor Einbrüchen 55 46 Sicherheit vor terroristischen Anschlägen 55 58 Sicherer Arbeitsplatz 55 70 Gute Absicherung nach Unfällen 53 52 Datensicherheit, Sicherheit der persönlichen Daten 53 58 Gute Absicherung bei Arbeitslosigkeit 51 60 Gute Absicherung bei Berufsunfähigkeit 48 61 Finanzielle Absicherung gegen Schäden durch Diebstahl, Brände, Naturkatastrophen 46 41 Militärische bzw. außenpolitische Sicherheit 45 43 Gesicherte berufliche Zukunft durch eine gute Ausbildung 38 57 Basis: Bundesrepublik Deutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 11047 (2015) © IfD-Allensbach - 27 - Setzt man scharfkantig die Leitbilder des fürsorglichen und des zurückhaltenden Staates gegeneinander, sind die Präferenzen der deutschen Bevölkerung völlig eindeutig. Zwei Drittel favorisieren einen Staat, der sich stark um seine Bürger kümmert und sie umfassend absichert und darüber hinaus in die Wirtschaft eingreift, wenn es dort Schwierigkeiten gibt. Das Leitbild des zurückhaltenden Staates, der auf Eingriffe in die Wirtschaft weitgehend verzichtet und für die Bürger nur die notwendigsten Absicherungen vornimmt, favorisieren gerade einmal 18 Prozent. Die Trendanalyse zeigt, dass dieses Leitbild über die letzten anderthalb Jahrzehnte noch schwächer geworden ist. 2002 favorisierten noch 26 Prozent der Bevölkerung das Leitbild des zurückhaltenden Staates, 2011 noch 21 Prozent, jetzt ganze 18 Prozent. Schaubild 20 Präferenz für den fürsorglichen Staat Frage: "Wenn Sie einmal zwei verschiedene Staaten miteinander vergleichen, und zwar einmal einen Staat, der sich sehr stark um seine Bürger kümmert, sie umfassend absichert und auch in die Wirtschaft eingreift, sobald es Schwierigkeiten gibt, und auf der anderen Seite einen Staat, der sich aus der Wirtschaft weitgehend heraushält und auch für die Bürger nur die notwendigsten Absicherungen übernimmt. In welchem dieser beiden Staaten würden Sie lieber leben?" (Bildblattvorlage) 2002 % 2011 % 2015 % Staat 1: Der Staat kümmert sich sehr stark um seine Bürger und sichert sie umfassend ab. Sobald es mit der Wirtschaft Schwierigkeiten gibt, greift der Staat dort ein. 61 67 65 Staat 2: Der Staat hält sich aus der Wirtschaft weitgehend heraus und übernimmt für die Bürger nur die notwendigsten Absicherungen. 26 21 18 Unentschieden 13 12 17 100 100 100 Basis: Bundesrepublik Deutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfragen 7022, 10077, 11047 © IfD-Allensbach - 28 - Die ostdeutsche Bevölkerung plädiert noch mehr als die westdeutsche für das Modell des fürsorglichen Staates. 62 Prozent der westdeutschen, aber 77 Prozent der ostdeutschen Bevölkerung möchten lieber in einem Land leben, in dem der Staat seine Bürger umfassend absichert und in schwierigen Situationen in die Wirtschaft eingreift. Die Generationen unterscheiden sich hier dagegen interessanterweise kaum. Die junge Generation tendiert lediglich überdurchschnittlich dazu, sich hier der Stimme zu enthalten. Die Meinungsverteilung ist jedoch auch in der jungen Generation völlig eindeutig: 62 Prozent der Unter-30-Jährigen favorisieren das Modell des fürsorglichen Staates, lediglich 13 Prozent das Modell des zurückhaltenden Staates. Wenn die soziale Sicherheit allerdings so stark ausgebaut wird, dass sie durch Regulierung und Abgaben die persönliche Freiheit vermindert, hält die Mehrheit diesen Preis für zu hoch. 52 Prozent halten es für wichtig, dass die soziale Sicherheit nicht so weit ausgebaut wird, dass die Freiheitsspielräume der Bevölkerung, seien sie materiell oder immateriell, massiv tangiert werden. Nur eine Minderheit, aber immerhin knapp ein Drittel der Bevölkerung, wäre bereit, Einschränkungen ihrer persönlichen Freiheit hinzunehmen, wenn dafür das Netz der sozialen Sicherheit so weit wie möglich ausgebaut wird. An dieser Grundhaltung hat sich über die letzten anderthalb Jahrzehnte praktisch nichts verändert. - 29 - Schaubild 21 Nicht um den Preis persönlicher Freiheit Frage: "Hier unterhalten sich zwei darüber, was letzten Endes wohl wichtiger ist, die soziale Sicherheit oder die persönliche Freiheit. Wer von beiden sagt eher das, was auch Sie denken, der Obere oder der Untere?" (Bildblattvorlage) Der Obere: Ich finde die soziale Sicherheit, also dass man in Notfällen, bei Krankheit und im Alter finanziell gut versorgt ist, und die persönliche Freiheit beide wichtig. Aber die soziale Sicherheit soll nicht so weit ausgebaut und verbessert werden, dass den Einzelnen durch die Vorschriften und Abzüge immer weniger persönliche Freiheit bleibt. Der Untere: Ich finde, soziale Sicherheit und persönliche Freiheit sind beide wichtig. Aber mir kommt es mehr darauf an, dass das Netz der sozialen Sicherheit so weit wie möglich ausgebaut wird, damit man in Notfällen gut versorgt ist. Dabei würde ich es in Kauf nehmen, wenn die persönliche Freiheit dadurch stärker eingeschränkt wird. Unentschieden Basis: Bundesrepublik Deutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfragen 6091, 11047 2000 % 2015 % 52 52 31 32 17 16 100 100 © IfD-Allensbach Auch hier treten auffallende Unterschiede zwischen West- und Ostdeutschland auf. In Westdeutschland sind 28 Prozent, in Ostdeutschland jedoch 49 Prozent bereit, eine Einschränkung persönlicher Freiheitsrechte hinzunehmen, wenn dafür der Sozialstaat soweit wie nur möglich ausgebaut wird. Die Sensibilität gegenüber staatlicher Regulierung ist in den letzten Jahren tendenziell angestiegen. So hat sich seit 2012 der Anteil der Bevölkerung, der den Eindruck hat, dass der Staat immer mehr regelt und immer stärker in die persönliche Freiheit der Bürger eingreift, von 43 auf 47 Prozent erhöht. Der Anteil, der hier dagegen hält und kein Ausgreifen des Staates wahrnimmt, ist von 39 auf 34 Prozent zurückgegangen. - 30 - Schaubild 22 Eindruck zunehmender Regulierung Frage: "Wenn Sie einmal an die letzten Jahre denken: Haben Sie den Eindruck, dass der Staat immer mehr regelt, immer stärker in die persönliche Freiheit der Bürger eingreift, oder haben Sie nicht diesen Eindruck?" 47 Staat regelt immer mehr 43% 39 Habe nicht diesen Eindruck 34 2012 Basis: Bundesrepublik Deutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfragen 10092, 11047 2015 © IfD-Allensbach Trotz dieser wachsenden Sensibilisierung für das Ausgreifen des Staates ist häufig zu beobachten, dass staatliche Eingriffe toleriert oder sogar befürwortet werden, wenn sie nur einem tatsächlichen oder vermeintlichen guten Zweck dienen. Dies belegen die Vorstellungen der Bürger, wo sich der Staat einschalten sollte, und vor allem, wo er vermehrt regulieren sollte. - 31 - DIFFERENZIERTE BEWERTUNG STAATLICHER REGULIERUNG Nach den Vorstellungen der Bevölkerung von der „richtigen“ Aufgabenteilung zwischen Staat und Bürgern gibt es wenige Felder, auf denen sich der Staat ihrer Meinung nach nicht engagieren sollte, aber auch wenige, bei denen primär der Staat in der Pflicht gesehen wird. Dazu zählen vor allem die Verkehrssicherheit, die Absicherung für den Fall der Arbeitslosigkeit und die Absicherung von Schäden, die durch Naturkatastrophen entstehen. Dagegen wird die Absicherung für den Fall der Pflegebedürftigkeit, und vor allem die Betreuung pflegebedürftiger Familienangehöriger von der Mehrheit als gemeinsame Aufgabe von Staat und Bürgern gesehen. Auch die finanzielle Absicherung des Alters, die Absicherung bei Krankheit, die Organisation von Kinderbetreuung und der Schutz der Umwelt gelten in hohem Maße als Aufgaben, die Staat und Bürger gemeinsam bewältigen sollten. - 32 - Schaubild 23 Vorstellungen von der richtigen Aufgabenteilung zwischen Bürgern und Staat Frage: "Man kann ja ganz verschiedener Meinung sein, um welche Aufgaben sich vor allem der Staat kümmern sollte, und um welche Aufgaben sich vor allem jeder Bürger selbst kümmern sollte. Wenn Sie sich jetzt diese Karten einmal ansehen und auf dieses Blatt verteilen: Worum sollte sich Ihrer Meinung nach vor allem der Staat kümmern, worum sollte sich vor allem jeder Bürger selbst kümmern, und worum sollten sich Staat und Bürger gemeinsam kümmern?" (Kartenspiel- und Bildblattvorlage) Bürger und Staat gemeinsam Vor allem der Staat 28 Verkehrssicherheit 30 Absicherung bei Arbeitslosigkeit 61 30 Absicherung gegen Schäden durch Naturkatastrophen 55 53 Naturschutz, Umweltschutz 42 39 Datensicherheit, Sicherheit der persönlichen Daten 42 53 Absicherung bei Pflegebedürftigkeit 33 48 Absicherung bei Krankheit 31 47 Kinderbetreuung 31 36 Brandschutz 30 51 Finanzielle Absicherung für das Alter 29 38 Absicherung bei Berufsunfähigkeit 27 63 Betreuung pflegebedürftiger Familienangehöriger 17 36 Schutz vor Einbrüchen und Diebstahl 13 17 Gesunde Ernährung 1 Basis: Bundesrepublik Deutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 11047 (2015) 65 % © IfD-Allensbach - 33 - Diese Vorstellungen von der idealen Aufgabenteilung zwischen Bürgern und Staat sagen noch nichts darüber aus, wie diese Aufgabenteilung genau aussehen soll und wie stark der Staat mit Regulierung in den einzelnen Bereichen eingreifen soll. Die Bürger haben zwar zunehmend den Eindruck, dass der Staat immer mehr ausgreift und immer stärker durch Regulierung Freiheitsspielräume einengt. Gleichzeitig ist die Bereitschaft, in bestimmten Bereichen mehr Regulierung zu fordern, jedoch durchaus groß. Dass die überwältigende Mehrheit der Bürger mehr Regulierung im Bereich der Zuwanderung nach Deutschland fordert, kann angesichts der Beunruhigung der Mehrheit über die Entwicklung des Flüchtlingszustroms kaum verwundern. Zurzeit hat die Mehrheit hier den Eindruck, dass der Staat die Kontrolle über die Entwicklung verloren hat. Entsprechend fordert die überwältigende Mehrheit, 81 Prozent der Bevölkerung, eine stärkere Regulierung in diesem Feld. Die große Mehrheit sieht jedoch gleichzeitig noch andere Bereiche, in denen sie mehr staatliche Vorgaben wünscht. Dies sind vor allem die Felder Lebensmittelsicherheit, Bankenregulierung, eine Zensur von Inhalten im Internet, die Zulassung von Medikamenten und Arbeitsschutzmaßnahmen. In all diesen Bereichen fordert mindestens die absolute Mehrheit der Bevölkerung mehr staatliche Regulierung. In Bezug auf Lebensmittelsicherheit erheben 75 Prozent diese Forderung, in Bezug auf die Regulierung von Banken und Finanzmärkten 72 Prozent, in Bezug auf die Zensur bestimmter Internetinhalte 62 Prozent. Bei den Arbeitsschutzmaßnahmen halten 50 Prozent mehr staatliche Regulierung für angebracht, während nur 23 Prozent weniger Vorgaben wünschen. Auch in Bezug auf den Umgang mit weichen Drogen, den Ausbau erneuerbarer Energien und bei der Festlegung von Löhnen und Gehältern überwiegt die Forderung nach mehr staatlicher Regulierung deutlich gegenüber Forderungen, die staatliche Einflussnahme hier eher zurückzufahren. Es gibt durchaus auch Bereiche, in denen die Bürger mehr Zurückhaltung des Staates fordern. Das gilt vor allem für Werbeverbote, die Vorgaben für die Energieeffizienz von Häusern, für Ladenöffnungszeiten und auch für die Straßenverkehrsregelungen – obwohl die große Mehrheit der Bevölkerung gerade die Verkehrssicherheit dem Verantwortungsbereich des Staates zuordnet. Trotzdem haben 53 Prozent den Eindruck, dass der Staat hier mittlerweile zu viel regelt, während nur 20 Prozent eine Ausweitung der staatlichen Vorgaben fordern. In Bezug auf Ladenöffnungszeiten wünschen sich 60 Prozent der Bevölkerung weniger staatliche Einflussnahme, in Bezug auf Werbeverbote 40 Prozent; 28 Prozent unterstützen dagegen eine Ausweitung der staatlichen Regulierung im Bereich der Werbung. - 34 - Schaubild 24 Mehr oder weniger staatliche Regulierung? Frage: "Man kann ja unterschiedlicher Meinung sein, wo der Staat stärker als bisher eingreifen und mehr Regeln und Vorgaben festlegen sollte, und wo der Staat heute vielleicht zu viel regelt und zu viele Vorgaben macht. Wie sehen Sie das für die Punkte auf diesen Karten hier, wo sollte der Staat mehr Regeln und Vorgaben festlegen, und wo regelt der Staat schon eher zuviel und macht zu viele Vorgaben?" (Kartenspiel- und Bildblattvorlage) Weniger Vorgaben Mehr Vorgaben 10 Wenn es um Zuwanderung geht 14 Lebensmittelsicherheit 75 13 Regulierung von Banken und Finanzmarkt 72 19 Was im Internet verboten ist 62 19 Vorgaben für die Zulassung von Medikamenten 57 23 Arbeitsschutzmaßnahmen 50 81 % 30 Umgang mit weichen Drogen 50 27 Ausbau erneuerbarer Energien 49 von Löhnen 40 30 Bei der Festlegung und Gehältern 37 Welche Filme, Bücher oder Computerspiele in Deutschland verboten werden Staatliche Vorgaben für die Wirtschaft 40 Wofür und wie Werbung gemacht werden darf 28 47 Energieeffizienz von Häusern 24 53 Straßenverkehrsregeln 20 60 Ladenöffnungszeiten 16 30 Basis: Bundesrepublik Deutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 11047 (2015) 39 35 © IfD-Allensbach - 35 - Die Ergebnisse zeigen, dass die Bürger durchaus in vielen Bereichen bereit sind, eine Ausweitung der staatlichen Regulierung zu akzeptieren. Allerdings zeigt die Trendanalyse, dass Forderungen nach einer Ausweitung der staatlichen Regulierung in mehreren Bereichen signifikant zurückgegangen sind. Das gilt sowohl für die Regelung der Energieeffizienz von Häusern wie für die Medikamentenzulassung, vor allem jedoch auch die Bereiche Lebensmittelsicherheit und Festlegung von Löhnen und Gehältern. Vor zwei Jahren plädierten noch 57 Prozent der Bürger dafür, dass der Staat sich verstärkt in die Festlegung von Löhnen und Gehältern einschalten sollte, jetzt 40 Prozent. Im selben Zeitraum sind Forderungen nach mehr staatlicher Regulierung im Bereich Lebensmittelsicherheit von 85 auf 75 Prozent zurückgegangen, bei staatlichen Vorgaben für die Energieeffizienz von Häusern von 33 auf 24 Prozent. Dieses Muster wird allerdings von dem Thema Zuwanderung zurzeit durchbrochen. Schon 2013 forderten zwar zwei Drittel der Bevölkerung mehr staatliche Vorgaben für die Regelung der Zuwanderung, jetzt sind es jedoch 81 Prozent. Der Ruf nach staatlicher Regulierung unterscheidet sich hier in West- und Ostdeutschland nur begrenzt. Überdurchschnittlich fordert die ostdeutsche Bevölkerung mehr staatliche Regulierung im Bereich der Zuwanderung, bei den Vorgaben für Lebensmittelsicherheit, bei der Festlegung von Löhnen und Gehältern und der inhaltlichen Zensur von Filmen, Büchern oder Computerspielen. - 36 - Schaubild 25 Der Ruf nach mehr Staat wird in der Zuwanderungspolitik lauter, in anderen Bereichen leiser Frage: "Man kann ja unterschiedlicher Meinung sein, wo der Staat stärker als bisher eingreifen und mehr Regeln und Vorgaben festlegen sollte, und wo der Staat heute vielleicht zu viel regelt und zu viele Vorgaben macht. Wie sehen Sie das?" Hier sollte der Staat mehr Regeln und Vorgaben machen 85% 65 63 57 81 Wenn es um Zuwanderung geht 75 Wenn es um Lebensmittelsicherheit geht es um Vorgaben für die Zulassung 57 Wenn von Medikamenten geht 40 Bei der Festlegung von Löhnen und Gehältern 33 2013 Basis: Bundesrepublik Deutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfragen 11017, 11047 es um die Energieeffizienz in den 24 Wenn Häusern geht 2015 © IfD-Allensbach In Bezug auf staatliche Eingriffe in die Wirtschaft ist das Meinungsbild ambivalent. 20 Prozent der Bevölkerung wünschen sich, dass der Staat sich stärker als bisher in die Wirtschaft einschaltet, während 26 Prozent mehr Zurückhaltung favorisieren; 34 Prozent haben den Eindruck, dass die derzeitige staatliche Regulierung angemessen ist. - 37 - Schaubild 26 Mehr Eingriffe in die Wirtschaft? Frage: "Wie sehen Sie das für die Wirtschaft: Finden Sie es besser, wenn der Staat sich stärker in die Wirtschaft einschaltet als bisher, oder wenn er sich weniger stark in die Wirtschaft einschaltet?" Unentschieden, keine Angabe 20 Stärker einschaltet 20 % 26 So wie bisher 34 Basis: Bundesrepublik Deutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 11047 (2015) Weniger stark einschaltet © IfD-Allensbach Die Trendanalyse zeigt jedoch, dass auch staatliche Eingriffe in die Wirtschaft weniger favorisiert werden als noch vor einigen Jahren. 2011 plädierten noch 39 Prozent der Bevölkerung in diesem Bereich für mehr staatliche Interventionen, 2013 33 Prozent, jetzt nur noch 20 Prozent. Die Forderung, dass der Staat sich weniger in die Wirtschaft einschalten sollte, ist gegenläufig angestiegen, aber nicht annähernd so dynamisch, wie sich die Gegenposition verändert hat. 2011 forderten 20 Prozent der Bevölkerung mehr Zurückhaltung des Staates gegenüber der Wirtschaft, aktuell 26 Prozent. - 38 - Schaubild 27 Der Ruf nach staatlichen Eingriffen in die Wirtschaft wird schwächer Frage: "Finden Sie es besser, wenn der Staat sich stärker in die Wirtschaft einschaltet als bisher, oder wenn er sich weniger stark in die Wirtschaft einschaltet?" 39 % 33 26 Weniger stark Stärker 24 20 2011 Basis: Bundesrepublik Deutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfragen, zuletzt 11047 20 2013 2015 © IfD-Allensbach Der deutliche Rückgang der Forderung nach mehr staatlichen Eingriffen in die Wirtschaft hat in hohem Maße auch mit der robusten Verfassung der deutschen Wirtschaft und der kontinuierlichen Besserung der Situation auf dem Arbeitsmarkt und der Entwicklung der Löhne und Gehälter zu tun. Sowohl in der Phase der Wachstumsschwäche am Beginn des vergangenen Jahrzehnts wie während der Wirtschafts- und Finanzmarktkrise nahmen Forderungen nach mehr staatlichen Eingriffen in die Wirtschaft deutlich zu. Die Haltung zu staatlicher Regulierung hängt damit – wie auch die Haltung zu der sozialen Marktwirtschaft – in beträchtlichem Umfang von der konjunkturellen Entwicklung ab. - 39 -
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