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Nachweis von Drogen und Medikamenten in humaner
Glasköperflüssigkeit mittels LC-MSn
Jürgen Kempf, Christine Stronczek, Laura M. Huppertz, Volker Auwärter, Susanne Vogt
Institut für Rechtsmedizin
Forensische Toxikologie
Institut für Rechtsmedizin Freiburg, Forensische Toxikologie, Albertstraße 9, 79104 Freiburg
Einleitung
Die allgemeine Suchanalyse ist ein entscheidender Teil der systematischen toxikologischen Analyse (STA) bei der Untersuchung von post-mortem Fällen. Die Probenmaterialien der Wahl sind hierfür Urin
und/oder Blut. Die im Rahmen der Obduktion asservierbare Probenmenge ist in einigen Fällen jedoch sehr begrenzt. In diesen Fällen kann die Analyse von Organmaterial wie z.B. Leber eine adäquate
jedoch sehr arbeitsintensive Alternative sein. Glaskörperflüssigkeit hingegen ist eine einfach asservierbare, in der Regel nur in geringem Maße von Fäulnisprozessen beeinflusste Körperflüssigkeit und daher
eine clevere Alternative falls kein bzw. nur wenig Urin und Blut asserviert werden können. Auf Grund der Blut-Retina-Schranke ist die Interpretation quantitativer Werte in der Glaskörperflüssigkeit sehr
schwierig, für qualitative Analysen stellt sie jedoch eine gute Alternative dar. Geht es um den Nachweis körperfremder Substanzen in Körperflüssigkeiten hat sich die FlüssigkeitschromatographieMassenspektrometrie (LC-MS) als Methode der Wahl für eine große Zahl analytischer Fragestellungen etabliert. Zur Erweiterung der Anwendbarkeit bei post-mortalen Fragestellungen wurde ein bereits
entwickeltes LC-MSn Screening-Verfahren zum Nachweis von Drogen- und Medikamentenwirkstoffen für die Analyse von Glaskörperflüssigkeit evaluiert.
Experimenteller Teil
ToxtyperTM Screening[2]
Routine post-mortem
Toxikologie
UltiMate 3000 RS Pump
-
D
7
5
ml
0.5 min 354
-
9m
l
-
-
bar
. . . .
303
90
STATUS
Waschen
Trap Trapinski
UltiMate 3000 RS Autosampler
+ Dx
POW ER
CONNECTED
STATUS
R-A1
2.00
ul
. . . .
amaZon speed
C ocai ne
Amph etami ne
57 Analyten
1 ml bovine
Glaskörperflüssigkeit (je 3 Konzentrationen)
D
BRU K ER
IS
+
SARSTEDT
SARSTEDT
LOT
Waschen
75/01
POWER
CONNECTED
GS 123-13
stomach
Quelle: ESI
Blut / Urin / Mageninhalt
D
UltiMate 3000
75/01
- Screening Methode (wechselnde Polarität)
- UltraScan 70-800 Da (32.000 Da/s)
- Data Dependend Acquisiton
LM B
LM A
POWER
VACUUM
STATUS
GS 123-13
urine
FM A: 0.1 % HCOOH + 2 mM Ammoniumformiat
FM B: Acetonitril + 2 mM Ammoniumformiat
m
Eluieren II:
3 ml Ethylacetat /
Ammoniak (98/2)
Se
ru
Eluieren I:
3 ml Hexan /
Ethylacetat (75/25)
GS 123-13
Vitreous
1 ml humane
Glaskörperflüssigkeit
Beladen:
1 ml Probe
+ 2 ml Puffer
1 201
6-0
4
Probenaufarbeitung[1] (zwei-stufige SPE)
Isolute®
HCX-5
!
UltiMate 3000 RS Column Compartment
Abdampfen
POWER
CONNECTED
GS 123-13
Vitreous
S TATUS
Lösen des Rückstandes
in 25 µl Fließmittel
GC-MS
IA
40 C
LC-MS/MS
D
-
Forensisches
Gutachten
. . . .
Säule: Acclaim® RSLC 120 C18 2,2 µm 120A 2.1x100 mm
Ergebnisse
Die
niedrigste
Konzentration,
die
bei
Doppelbestimmung noch korrekt identifiziert
werden konnte, wurde als Nachweisgrenze
definiert.
Olanzapin war die einzige aufgenommene Substanz, die in den Fällen c9 und c22
nicht in der Glaskörperflüssigkeit nachgewiesen werden konnte. Die SerumKonzentration (Femoralblut) lag in diesen Fällen bei 94 bzw. 190 ng/ml. Der Fall c15
zeigt jedoch, dass Olanzapin in der Glaskörperflüssigkeit grundsätzlich nachweisbar
ist, obwohl es in diesem Fall lediglich in Urin und Mageninhalt des Verstorbenen
nachgewiesen werden konnte.
Die Probe c15 zeigt, dass auch die
Aufnahme
mehrerer
Wirkstoffe
problemlos nachgewiesen werden
kann. Promethazin war hier die einzige
Diazepam
Diazepam
Nordazepam
Nordazepam
Substanz, die in der GlaskörperTemazepam
Temazepam
flüssigkeit nicht nachgewiesen werden
Sertralin
Sertralin
c10
Lorazepam
Lorazepam
konnte. Die Konzentration im FemoralOxazepam
Blut lag jedoch zum Zeitpunkt des Todes
Buprenorphin + M.
THC + M.
unter 10 ng/ml.
Citalopram
Citalopram
Obwohl Norbuprenorphin und THCMethadon + EDDP
Methadon + EDDP
c11
Carbonsäure bei einigen der Fälle in der
THC-Metaboliten
GHB (endogen)
Glaskörperflüssigkeit
nachgewiesen
Trimipramin
Trimipramin + M.
werden konnten, scheint zum Nachweis
Zopiclon
Zopiclon
Quetiapin
Quetiapin + M.
von niedrig dosierten Wirkstoffen, wie
7-Amiflunitrazepam
Flunitrazepam + M.
c15
z.B. Buprenorphin (cSerum < 0,8 ng/ml in
Oxazepam
Oxazepam
Olanzapine
Olanzapin
Fall c10) und einiger anderer
Desmethylvenlafaxin
Venlafaxin + M.
Substanzen wie z.B. THC und GHB, eine
Promethazin
gezielte LC-MS Analyse notwendig.
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m
l
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Ser
um
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T303901
OL
Nachweisgrenzen
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5,0 ng/ml: Buprenorphin, Carbamazepin, Cocain, Diazepam,
Melperon, Methadon, Metoprolol, Phenazon,
Propranolol, Venlafaxin, Zolpidem
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um
Ser
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Anzahl gefundener Wirkstoffe
In einigen Fällen konnte die Aufnahme einer Substanz weder
durch Analyse der zugehörigen Köperflüssigkeiten noch
anhand der Fallgeschichte bestätigt werden:
In Fall c3 verstarb ein 21-jähriger einen Tag nach einem
Herzanfall im Krankenhaus. Dies könnte den Nachweis des
Antiarrhythmikums Flecainid im Glaskörper erklären, es
ergaben sich jedoch keine weiteren Hinweise für die
Aufnahme des PDE-5-Hemmers Sildenafil.
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LO
Amphetamin, Fluoxetin, Fluvoxamin,
Risperidon, Sotalol, Tramadol
Glaskörperflüssigkeit
-
7-
25 ng/ml:
Routine Toxikologie
9 ml
7-
-
12,5 ng/ml: 6-Monoacetylmorphin, Atenolol, Clozapin,
Diltiazem, MDEA, MDMA, Midazolam, Morphin,
Nortriptylin, Oxycodon
ml
-
-
04
Acebutolol, Amitriptylin, Bisoprolol, Codein,
Fentanyl, Flunitrazepam , Methamphetamin,
Mianserin, Mirtazapin, Moclobemid,
Phencyclidin, Trimipramin, Sulpirid, Warfarin
S e ru m
-
10 ng/ml:
9
7
52016-
In den Fällen c2, c6 und c24 waren Paracetamol und/oder Ibuprofen die einzigen
Wirkstoffe, die nicht in der Glaskörperflüssigkeit detektiert werden konnten. Es ist
jedoch bekannt, dass Substanzen mit hoher Polarität (z.B. Paracetamol oder
Oxazepam) und/oder einer hohen Plasmaprotein-Bindungsrate (z.B. Ibuprofen) die
Blut-Retina-Schranke nur schlecht passieren und daher durch ein allgemeines
Screening nicht zwingend erfasst werden.
c24
c23
c22
c21
c20
c19
c18
c17
c16
c15
c14
c13
c12
c11
c10
c9
c8
c7
c6
c5
c4
c3
c2
c1
303901
Ca. 94 % der dotierten Substanzen konnten in allen
drei untersuchten Konzentrationen detektiert und
korrekt identifiziert werden. Mirtazapin konnte
nur in mittlerer (10 ng/ml) und hoher
Konzentration (20 ng/ml), Tramadol und Olanzapin
lediglich in hoher Konzentration (25 bzw.
150 ng/ml) nachgewiesen werden. LSD war die
einzige Substanz, die - vermutlich auf Grund ihrer
Lichtempfindlichkeit - nicht nachgewiesen werden
konnte.
Die Ergebnisse von Realfällen deckten sich weitgehend mit denen der routinemäßig
durchgeführten forensisch-toxikologischen Untersuchungen. Bei 24 Obduktionsfällen
(c1 - c24) konnten 76 % der von den Verstorbenen aufgenommenen Wirkstoffe in der
Glaskörperflüssigkeit nachgewiesen werden. Die nahezu ubiquitär vorkommenden
Substanzen Coffein, Nicotin und deren Metaboliten sowie Alkohol und dessen
Metabolit Ethylglucuronid wurden nicht in diese Auswertung mit eingeschlossen. In
sechs Fällen deckten sich die Screening-Ergebnisse in der Glaskörperflüssigkeit
komplett mit den Befunden der Routine-Toxikologie.
LOT
Insgesamt wurden 57 Substanzen, gruppiert in 6
Gemische, in jeweils niedriger, mittlerer und hoher
Konzentration
gemessen.
Die
mittleren
Konzentrationen
wurden
an
GlaskörperKonzentrationen aus der Literatur bzw. den CutOffs einer bereits etablierten Screening-Methode
angepasst[1].
Realproben
Obduktionsfälle (n = 24)
Bestimmung der Nachweisgrenzen in
Glaskörperflüssigkeit von Rindern
Im Fall c12 konnte neben weiteren Wirkstoffen zusätzlich
Zopiclon in der Glaskörperflüssigkeit nachgewiesen werden.
Laut der Polizeiunterlagen befand sich der Verstorbene in
Behandlung
bzw.
unter
Selbst-Medikation
mit
verschiedensten Schmerzmitteln.
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3T
Carvedilol, Chloroquin, Citalopram, Doxepin,
Paroxetin, Verapamil, Zopiclon
LO
50 ng/ml:
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LO
150 ng/ml: BE, Dixyrazin, Olanzapin, Phenytoin, Sildenafil
9 ml
Zur endgültigen Methoden-Evaluierung ist eine quantitative
Bestätigungsanalyse mittels LC-MS/MS, zumindest für die
am häufigsten in Glaskörperflüssigkeit nachgewiesenen
Wirkstoffe, erforderlich.
Schlussfolgerungen
Die hier vorgestellte Screening-Methode ist ein geeignetes Verfahren zum Nachweis körperfremder Substanzen in Glaskörperflüssigkeit.
Abgesehen von den bekannten physiologischen Limitierungen dieser Matrix sind die erhaltenen Nachweisgrenzen für die Bearbeitung
forensischer Fälle ausreichend niedrig. Die Methode stellt durch die im Vergleich zu Organmaterial einfachere Proben-Handhabung in
Kombination mit der schnellen LC-MSn-Analyse und der automatischen Datenauswertung des Toxtypers eine zeit- und kostensparende
Screening-Alternative für post-mortale Fälle, in denen kein Urin und/oder nur eine geringe Menge Blut asserviert werden konnte, dar.
Humane Glaskörperflüssigkeit kann nicht im Rahmen kontrollierter Studien asserviert werden. Die Analyse dotierter Glaskörperflüssigkeit
von Rindern zur Bestimmung der Nachweisgrenzen weiterer Substanzen bzw. der systematische Vergleich von Urin-, Blut- und
Glaskörperbefunden in realen Fällen ist daher die einzige praktikable Alternative, die Möglichkeiten und Grenzen dieses neuen ScreeningAnsatzes zu bestimmen.
Referenzen
[1]
Pelander et al.: Vitreous Humor as an Alternative
Matrix for Comprehensive Drug Screening in Postmortem Toxicology by LC-TOF-MS, JAT 2010 34(6):
312-8
[2]
Huppertz et al.: Ein automatisiertes MSn-basiertes
Screening Verfahren für die klinische und forensische
Toxikologie, Toxichem Krimtech 2013(80): 299-303