Walter Heynowski & Gerhard Scheumann

Heynowski & Scheumann
Gerhard Scheumann (links) und Walter Heynowski (rechts)
Walter Heynowski & Gerhard Scheumann
76
Es schlug wie eine Bombe ein, als die beiden Regisseure Walter Heynowski und Gerhard Scheumann
1966 ihren Dokumentarfilm DER LACHENDE MANN
präsentierten. Ein aus der Bundesrepublik stammender
Söldner, genannt »Kongo-Müller«, der vor laufender
Kamera, mit einem Glas Pernod in der Hand, über seine
Mordtaten in Afrika schwadroniert und sich der massenhaften Abschlachtung von Menschen rühmt. DER
LACHENDE MANN wurde von Festival zu Festival gereicht und kontrovers diskutiert wie selten ein Dokumentarfilm vorher. Auch viele andere, spätere Arbeiten
von Heynowski und Scheumann machten in Ost wie
West Furore, in Leipzig, Moskau, Oberhausen, Mannheim, Paris, Montreal. Ihr Studio H&S wurde international preisgekrönt; ihnen zu Ehren gab es Retrospektiven
in mehr als vierzig Ländern. So war es jedenfalls bis in
die späten 1980er-Jahre, als es mit »ihrem« Staat, der
DDR, zu Ende ging und die beiden fast nur noch als
Propagandisten des untergegangenen Systems in den
Orkus des Vergessens verbannt wurden.
Dabei gilt auch für dieses Œuvre, was sich Gerhard
Scheumann 1988 fürs Werk seines großen Vorbilds
Joris Ivens gewünscht hatte: »Dass Dokumentarfilme,
deren Gegenstände historisch überlebt sind, deshalb
nicht auch als ›überlebt‹ gelten und damit in der Versenkung verschwinden. Dialektischer Umgang mit solchem Material verlangt vielmehr, es immer wieder zu
zeigen, auf dass sich der Zuschauer durch wenige
Worte zuvor oder danach überzeugen könnte, dass die
Geschichte sich tatsächlich bewegt.« Und ein jüngerer
Regie-Kollege und Historiker urteilte Mitte der 1990erJahre: »Ich bin dafür, dass wir mit H&S sorgsam umgehen und sie vor dem zeitgeschichtlichen und biografischen Hintergrund behandeln. Immerhin sind sie
gegenüber der Agitprop-Dutzendware aus dem Studio
wenigstens Filme. Diese Filme zeichnet ein hoher Standard an Argumentation, Rhetorik und Inanspruchnahme künstlerischer Mittel aus. Sie haben in ihrer Zeit
Wirkung gehabt und Zeichen gesetzt. Propagandafilm
ist zunächst weder gut noch schlecht. Es gibt gute Propaganda, es gibt schlechte, und es gibt dies für gute
und schlechte Sachen« (Günter Jordan).
Wagen wir also einen neuen Blick auf Heynowski und
Scheumann, die sich über mehr als zwei Jahrzehnte ve-
kam als Elfjähriger auf eine »Nationalpolitische Erziehungsanstalt« (Napola), musste dann aus seiner ostpreußischen Heimat flüchten. Nach 1945 waren sie
beide davon überzeugt, dass ein »radikaler Neuanfang«
für Deutschland nötig sei: »Junge, auch ältere Deutsche kamen zu dem Entschluss, Deutschland müsse
sehr anders werden, vor allem seine Eigentums-,
Macht- und Kommandostrukturen. Auch der Internationalismus war immer auch Abtragen nationaler Schuld
im Wissen um das, was geschehen war«, sagte der Publizist Klaus Wischnewski 1998 zum Tod von Scheumann. Und: »Man muss begreifen, dass es mit solcher
Entscheidung und Haltung in der real existierenden
Welt für ihn keine Varianten und Auswege gab, in keine
Himmelsrichtung, weder bequeme, miese, noch spektakuläre, dramatische, als die Hoffnung verbraucht, die
Utopie verbannt war.«
Auf die Frage nach ihren einstigen Prinzipien erwiderte
Scheumann 1997: »Natürlich waren wir von der Auffassung geprägt, dass wir uns in einer Epoche des weltweiten Übergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus
befinden. Vom Ende her betrachtet könnte man natürlich sagen, dass die Definition vom Charakter der Epoche durch die Geschichte widerlegt ist.« Doch es »bleiben einige Positionen, deren wir uns niemals zu schämen brauchen, sowohl was Chile als auch Vietnam und
Kambodscha betrifft. Wir können sagen, wir sind mit
unseren Filmen dabei gewesen.« Namentlich die Filme
über den Krieg in Vietnam, so wie 100 (1971), DIE TEUFELSINSEL (1976) oder EIN VIETNAMFLÜCHTLING
(1979), und der Chile-Zyklus gehörten zum Repertoire
aller namhaften Festivals weltweit.
Das Ende des Studios H&S erfolgte freilich nicht erst
mit dem Ende der DDR. Schon 1982 wurde hier ein
radikaler Schlussstrich gezogen. Was war geschehen?
Den letzten Anlass für die Liquidierung des Studios bildete 1982 ein Diskussionsbeitrag Gerhard Scheumanns auf dem IV. Kongress des Verbandes der Filmund Fernsehschaffenden der DDR. Scheumann ritt eine
scharfe Attacke gegen die Medienpolitik der SED unter
dem dafür verantwortlichen Sekretär des Zentralkomitees Joachim Herrmann. Zu hören waren Sätze wie:
»Die Qualität der Medienpolitik ist ein Gradmesser für
die soziale Kultur eines Landes. In dem Maße, wie sich
eine Gesellschaft über ihre Probleme öffentlich verständigt, bekundet sie entweder ihre Reife oder Unreife.«
Oder: »Wenn der Dokumentarfilm nur als Vehikel der
täglichen Medienpolitik benutzt werden soll, muss er
verkommen. Wenn er sich entwickeln soll, muss er
einen weiteren Radius ausschreiten dürfen als die auf
den Tag und die Stunde orientierte Politik.«
Heynowski & Scheumann
hement, so streitbar wie umstritten, in die Debatten um
Themen, Ästhetiken und die Ethik des internationalen
Dokumentarfilms eingebracht haben.
Walter Heynowski, geboren 1927, und Gerhard Scheumann, geboren 1930, kamen vom Journalismus und
machten seit Mitte der 1960er-Jahre gemeinsam
Filme für Kino und Fernsehen. Gerhard Scheumann
starb 1998 an Krebs. Walter Heynowski trat erst 2003
wieder vor die Kamera: für ein fast zehnstündiges Zeitzeugen-Gespräch der DEFA-Stiftung. Ausschlaggebend
für seine Zusage, dieses Gespräch zu führen, war die
Tatsache, dass er kurz zuvor von der chilenischen Regierung für Chile-Filme wie MITBÜRGER, GELDSORGEN
oder EL GOLPE BLANCO, die er ab 1973 gemeinsam
mit Scheumann gedreht hatte, in Santiago mit einer
hohen staatlichen Auszeichnung geehrt worden war.
2007 legte Heynowski dann den ersten Band seiner
Memoiren vor: »Der Film meines Lebens«, ein Buch
über seine Kindheit und Jugend. Am zweiten Band
arbeitet er derzeit.
Zu politischen Knotenpunkten im Schaffen von H&S
wurden Westdeutschland, Vietnam, Chile und Kampuchea. H&S engagierten sich gegen den Krieg in Südostasien, gegen den faschistischen Militärputsch Pinochets, gegen alte und neue Nazis in der BRD. Die DDR
interessierte sie nur sehr am Rande. Frühe, international viel beachtete Höhepunkte ihrer Arbeit waren neben
DER LACHENDE MANN auch dessen Vorläufer-Film
KOMMANDO 52 (1965) sowie GEISTERSTUNDE (1967)
über die Wahrsagerin Buchela, die sich »Orakel von
Bonn« nannte und bei der sich selbst hochrangige Politiker Rat und Beistand holten. In PILOTEN IM PYJAMA
(1967-68) interviewten H&S US-amerikanische Flieger,
die abgeschossen worden waren und nun in vietnamesischen Gefängnissen saßen. Diese Filme trugen dazu
bei, dass den beiden Regisseuren von der DDR-Regierung genehmigt wurde, ab 1. Mai 1969 ein eigenes,
von der DEFA unabhängiges Studio H&S einzurichten.
Dieses Studio besaß Privilegien, von denen andere
DDR-Filmemacher nur träumen konnten: ökonomische
Autonomie (einschließlich Devisen), Reisepässe, Videotechnik, Druckkapazitäten für Begleitbücher und mehrsprachige Werbeprospekte. Das war alles andere als
»normal« im ökonomisch chronisch schwächelnden
Ländchen.
Auf der Suche nach Wurzeln für ihr Engagement müssen die Biografien der beiden Regisseure befragt werden. Heynowski und Scheumann waren in der Nazizeit
aufgewachsen, hatten den Krieg bewusst miterlebt.
Heynowski war Luftwaffenhelfer und Soldat der Wehrmacht, geriet dann in Gefangenschaft. Scheumann
77
Heynowski & Scheumann
Was Scheumann zu dieser Brandrede bewog, waren
nicht zuletzt Querelen um einen neuen KampucheaFilm, den die SED-Agitationsabteilung aus Gründen
einer neuen diplomatischen Annäherung an das chinesische Regime nicht gebrauchen konnte. Was für
Scheumann nach dieser Rede folgte, war verheerend:
Parteistrafe, Absetzung als Jurypräsident des Leipziger
Dokumentarfilmfestivals einschließlich eines Reiseverbots zu diesem Festival, dann Auflösung des Studios.
Beide Regisseure wurden in das DEFA-Studio für Dokumentarfilme re-integriert. Erst 1986 durften Heynowski
und Scheumann das Kürzel H&S wieder benutzen; zu
ihren späten Filmen gehörten dann DIE LÜGE UND DER
TOD (1988) über ein Kapitel der Judenverfolgung in
Nazi-Deutschland und KAMERAD KRÜGER (1989) über
einen unbelehrbaren Altnazi.
78
Eine enge Mitarbeiterin an der Akademie der Künste,
Regine Herrmann, schrieb nach Scheumanns Tod: »Der
Konflikt zwischen selbst gewählter Pflicht und Neigung
wurde im Aushalten für ihn unerträglich. Das Fortschreiten innerer Abneigung und auch die Verachtung
gegenüber politischer Kleingeisterei habe ich oft bemerken können. Um welchen Preis aber glaubte er,
dem offiziösen Erwartungsdruck standhalten zu müssen, so wie es sein preußisches Pflichtbewusstsein ihm
gebot? Warum übte er wider besseres Wissen Loyalität …?«
In vielen ihrer Filme nutzten H&S die Möglichkeit, sich
auch künstlerisch-ästhetisch zu beweisen, ja vielleicht
sogar eine Vollkommenheit von Inhalt und Form zu
erreichen. Dass ihnen osteuropäische Kollegen wie der
Moskauer Regisseur Roman Karmen dafür Lob spende-
ten, lag auf der Hand, aber auch im Westen bescheinigte man ihnen, bei aller politischer Distanz, die
»Schlagkraft und Brillanz ihrer Filme«, eine »formale Virtuosität« (Wilhelm Roth). Der Westberliner Filmhistoriker Hans-Joachim Schlegel erkannte »filmsprachlich
bewusst kalkulierte, bis ins Detail genau eingeplante
Erfolge«. Wilhelm Roth schrieb über Chile-Filme wie
PSALM 18 (1974), »ihre Methode der emotionalen
oder satirischen Zuspitzung (funktioniere hier) am
besten, das treffende Detail steht stellvertretend für die
Totalität der Wirklichkeit«. In dem wohl diffizilsten, vielleicht auch schmerzhaftesten Filmprojekt, dem sich
H&S widmeten, DIE ANGKAR (1981) über das Terrorregime des Henkers Pol Pot, wurden die Auswüchse
der eigenen Ideologie beschrieben: Ein Kritiker nannte
ihn »eine kurze, aber nachhaltige Lektion über Austauschbarkeit von Worten, Parolen, Emblemen, auch
über die Verführbarkeit durch Oberflächen, das Verhältnis von ›einfacher‹ und komplizierter Wahrheit. Das Finden der Wahrheit ist nicht einfacher geworden – im Gegenteil« (Fred Gehler).
Allein DIE ANGKAR sowie die kurzen Chile- und Vietnam-Filme, darunter der berührende filmische Aufruf,
Blut für Vietnam zu spenden (400 CM3, 1966), mit
einem originalen, a cappella gesungenen Chorwerk von
Paul Dessau, geben genug Material für eine eingehende filmästhetische Analyse der Arbeit und Lebensleistung von H&S. Der Filmhistoriker Olaf Möller
schrieb: »Die Trennung von Propaganda und Dokument
ist Walter Heynowski & Gerhard Scheumann fremd.
Eine Wahrheit, also die Meinung, ist etwas, worum man
kämpfen muss; Wahrheit muss man schaffen.« H&S
besäßen, wie ihre westdeutschen TV-Kollegen Dieter
Ertel oder Roman Brodmann, den »Charme eines marodierenden Meinungslandsknechts, der sinnstiftend
durch Feindesland stapft, der den Feind konfrontiert,
nie wirklich getarnt, lügend, nur einfach nicht alles
sagend …«
Bis heute gibt es viele Fragen, die an die Filme von H&S
zu stellen sind. Fragen nach Mut und Angst, nach dem
Wechselspiel von Hoffnungen und Illusionen, Stolz und
Arroganz, Fragen zu ihren Zweifeln und ihrem Opportunismus, zu Wahrheit und Lüge – überhaupt zum Ethos
des Filmemachens. Was hatte es mit dem oft konstatierten Sarkasmus (oder Zynismus?) in den Filmkommentaren von H&S auf sich? Wie gingen die beiden Regisseure hinter der Kamera und am Schneidetisch mit
den Protagonisten ihrer Filme um, was blendeten sie
aus, was legten sie bloß, was übersahen sie; was wollten, was mussten sie übersehen? Wo standen sich Realität, Wahrhaftigkeit und Propaganda im Wege? Und wo
Mitbürger | DDR 1974 | R+B: Walter Heynowski, Gerhard Scheumann | K: Peter Hellmich | 8 min | Salvador
Allendes Abschiedsrede während des Militärputsches
am 11. September 1973, unterlegt mit Fotos und Filmaufnahmen. – Psalm 18 | DDR 1974 | R+B: Walter
Heynowski, Gerhard Scheumann | K: Peter Hellmich |
6 min | Die Kirche und das Militär – Bilder einer unheiligen Allianz, zur Realsatire verdichtet. – Geldsorgen |
DDR 1975 | R+B: Walter Heynowski, Gerhard Scheumann | K: Peter Hellmich | 6 min | Chilenische Geldscheine, auf die regimekritische Parolen gekritzelt wurden. Und was der Direktor der chilenischen Zentralbank dazu zu sagen weiß. – El Golpe Blanco (Der
weiße Putsch) | DDR 1975 | R+B: Walter Heynowski,
Gerhard Scheumann | K: Peter Hellmich, Horst Donth,
Winfried Goldner | M: Reiner Bredemeyer | 70 min |
Spektakuläre Analyse der Hintergründe des Militärputsches gegen die Unidad Popular, einschließlich der
Rolle des US-amerikanischen Geheimdienstes CIA, der
seit den Wahlen vom Herbst 1970 und der Regierungsübernahme des linken Präsidenten Salvador Allende
»ein ganzes Heer von Provokateuren« finanzierte.
▶ Dienstag, 12. Januar 2016, 21.00 Uhr | Zu Gast: Ralf
Schenk
Der Mann an der Rampe | DDR 1989 | R+B: Walter
Heynowski, Gerhard Scheumann | K: Horst Donth, Winfried Goldner | M: Georg Katzer | 13 min | Porträt eines
Schreibtischtäters aus dem KZ Auschwitz, der nach
dem Zweiten Weltkrieg einen neuen Platz in der Bundeswehrverwaltung fand. – Kamerad Krüger | DDR
1989 | R+B: Walter Heynowski, Gerhard Scheumann |
K: Horst Donth, Peter Hellmich | 94 min | Die Geschichte des früheren SS-Oberscharführers Walter Krüger, Mitglied der »Leibstandarte Adolf Hitler«, der noch
1988 ein Jahrestreffen von SS-Veteranen im bayerischen Nesselwang organisiert und ohne jede Reue das
NS-System und seine eigene Rolle darin glorifiziert.
Heynowski und Scheumann nähern sich ihm auf altbewährte Art und Weise, geben sich als westdeutsche
Journalisten aus und entlocken ihm entlarvende Geständnisse. »Vielschichtige Montage von historischen
Bilddokumenten und aktuellem Material sowie Musikakzenten, die die Erregung steigern.« (Elke Schieber)
▶ Dienstag, 19. Januar 2016, 21.00 Uhr
400 cm3 | DDR 1966 | R: Walter Heynowski | B: Walter
Heynowski, Gerhard Scheumann | K: Werner Bergmann, Horst Donth | M: Paul Dessau | 6 min | Aufruf zur
Blutspende für Vietnam, montiert zu Hölderlins Ode
»Der Tod fürs Vaterland«. – 100 | DDR 1971 | R+B: Walter Heynowski | K: Thomas Billhardt, Horst Donth |
6 min | Hundert Liegestütze: Strafe für jene US-Soldaten, die sich weigern, Vietnamesen als »Schweine« zu
bezeichnen. – Eintritt kostenlos | DDR 1976 | R+B:
Walter Heynowski, Gerhard Scheumann, Peter Hellmich
| K: Peter Hellmich, Horst Donth, Winfried Goldner |
11 min | Ein Jahr nach Kriegsende: Besuch in Hanoier
Museen, in denen Exponate zur US-Invasion ausgestellt
sind. – Die Teufelsinsel | DDR 1976 | R+B: Walter
Heynowski, Gerhard Scheumann | K: Peter Hellmich,
Horst Donth, Winfried Goldner | M: Sergio Ortega |
61 min | Die Folterwerkstatt in einem südvietnamesischen Gefängnis für politische Gefangene. – Am Wassergraben | DDR 1978 | R+B: Walter Heynowski, Gerhard Scheumann | K: Peter Hellmich | 16 min | Erinnerung an das US-Massaker von My Lai. – Ein Vietnamflüchtling | DDR 1979 | R+B: Walter Heynowski, Gerhard Scheumann | 4 min | Ein südvietnamesischer Polizeigeneral als Restaurantbesitzer in den USA. – Amok |
Heynowski & Scheumann
flossen sie ineinander über – im Ringen um die viel
beschworene, aus konkreten historischen Umständen
gewachsene Idee einer »besseren Welt«? Die Filme von
H&S sind und bleiben markante politische Zeichen
ihrer Ära – und spannende ästhetische Versuchsanordnungen.
Ralf Schenk
79
DDR 1984 | R+B: Walter Heynowski, Gerhard Scheumann | K: Horst Donth, Winfried Goldner | M: Rainer
Böhm | 14 min | Ein Vietnam-Veteran als Amokläufer.
▶ Dienstag, 26. Januar 2016, 21.00 Uhr
Piloten im Pyjama: Hilton-Hanoi | DDR 1968 | R+B:
Walter Heynowski, Gerhard Scheumann | K: Hans Eberhard Leupold, Gerhard Münch, Peter Hellmich, Horst
Donth | M: Reiner Bredemeyer | 62 min | Ein Film, der
seinerzeit weltweit Aufsehen erregte: Die nordvietnamesische Regierung gestattete es zum ersten Mal, dass
abgeschossene US-amerikanische Bomberpiloten über
ihre militärischen Aufträge und politischen Einstellungen befragt werden durften. »Vor der Kamera sieht
man offensichtlich nervöse, unter psychischem Druck
stehende Amerikaner, die eine Befragung über sich ergehen lassen, die mehr den Charakter einer Gerichtsverhandlung trägt; unablässig müssen sie bekunden,
wie gut es ihnen in nordvietnamesischer Gefangenschaft gehe« (Ulrich Gregor). Mit viel Sympathie für das
vietnamesische Volk und ebenso viel Hass auf die USInvasoren gedrehtes, propagandistisches Haupt- und
Staatsprojekt von H&S. – Zeitzeugengespräch mit
Walter Heynowski | Deutschland 2003 | R+B: Ralf
Schenk | 32 min | Ausschnitte aus einem rund zehnstündigen Gespräch, das Walter Heynowski nach langem Schweigen der DEFA-Stiftung gewährte.
Heynowski & Scheumann
▶ Dienstag, 2. Februar 2016, 21.00 Uhr
80
Kommando 52 | DDR 1965 | R+B: Walter Heynowski |
K: Peter Hellmich, Horst Donth, Thomas Billhardt | M:
Dieter Zechlin | 35 min | Westeuropäische Söldner im
Kongo, die im Dienst des Diktators Tschombé in großem Umfang morden und deren Taten von »ihren« Regierungen gedeckt werden. Ein politischer Aufklärungsfilm, der nachzuweisen sucht, dass deutsche Kriegsverbrecher ihr schmutziges Handwerk auch nach dem
Ende des NS-Regimes kontinuierlich fortsetzten. – Der
lachende Mann | DDR 1966 | R+B: Walter Heynowski,
Gerhard Scheumann | K: Peter Hellmich, Horst Donth |
65 min | Major Siegfried Müller, beteiligt am Genozid im
Kongo, gibt vor der Kamera freimütig und selbstbewusst Auskunft über sein Seelenleben. Fotografiert
vor dunklem Hintergrund, »um die ganze Aufmerksamkeit auf Kopf und Oberkörper des Scheusals zu richten«
(Gerhard Scheumann). Abgefüllt mit Pernod, plaudert
sich »Kongo-Müller« um Kopf und Kragen – und die internationale Kritik debattierte darüber, ob es ein legitimes Verfahren gewesen sei, dass die Dokumentaristen
ihre »Jagdbeute« mit Alkohol gefügig machten.
▶ Dienstag, 16. Februar 2016, 21.00 Uhr
Exercises | DDR 1981 | R+B: Walter Heynowski, Gerhard Scheumann | K: Peter Hellmich | 10 min | Besuch
in der Schule der Schönen Künste in Phnom Penh, zwei
Jahre nach dem Ende der mörderischen Herrschaft der
Roten Khmer. – Die Angkar | DDR 1981 | R+B: Walter
Heynowski, Gerhard Scheumann | K: Peter Hellmich,
Horst Donth, Winfried Goldner | 91 min | Anhand der
Häftlingskartei des Vernichtungslagers Toul Sleng / S 21
in Phnom Penh rekonstruiert der Film die Schreckensherrschaft des Pol-Pot-Regimes. Bilder von Opfern und
Tätern. Der Versuch, Alltag und Tathergänge zu rekonstruieren – damit nichts vergessen wird, weder die
Toten noch die Lebenden. »In diesem Film wird nichts
verschwiegen, auch nicht, was die eigene Ideologie
und politische Haltung beschädigte: Hammer und Sichel über dem Bilde Pol Pots; Lenin und eine Fahne mit
Hammer und Sichel« (Elke Schieber). Zugleich eine
selbstreflexive Parabel über Authentizität und Fälschung, Realismus und Lüge, das Verbiegen von Wahrheit im Dokumentarfilm. Eine der stärksten Produktionen von H&S.
▶ Dienstag, 23. Februar 2016, 21.00 Uhr
o.k. | DDR 1964 | R+B: Walter Heynowski | K: Hans
Eberhard Leupold, Claus Neumann, Peter Hellmich | M:
André Asriel | 32 min | Eine junge Frau, die aus der
DDR in die BRD übergesiedelt war und in einem Animierlokal für US-amerikanische Soldaten landete, entschließt sich zur Rückkehr. – Geisterstunde | DDR
1967 | R: Walter Heynowski | B: Walter Heynowski, Gerhard Scheumann | K: Peter Hellmich | M: Reiner Bredemeyer | 78 min | Gespräche mit Margarete Goussanthier, genannt »Die Buchela«, die in ihrem Haus in Remagen auch Bonner Politikern die Zukunft voraussagt.
Eine ältere Dame, die scheinbar alles weiß, aber nicht
erkennt, dass sie ostdeutschen Dokumentaristen in die
satirische Falle ging. – Mit vorzüglicher Hochachtung | DDR 1967 | R: Walter Heynowski, Peter Voigt |
B: Walter Heynowski | K: Hans Eberhard Leupold |
6 min | Auf einem Gastspiel in der BRD werden allen
Mitgliedern des ostdeutschen Bach-Orchesters mysteriöse Zettel unter ihren Hoteltüren durchgeschoben. –
Teufelszeug | DDR 1987 | R+B: Walter Heynowski,
Gerhard Scheumann | K: Peter Hellmich | 12 min |
Beobachtungen und Interviews während einer Demonstration im Hunsrück gegen die Stationierung von Cruise
Missiles im Rahmen des NATO-Doppelbeschlusses.
▶ Dienstag, 1. März 2016, 21.00 Uhr