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AG Feldherpetologie und
Artenschutz
Einheimische Reptilien und Amphibien
Westliche Blindschleiche
Admin · Montag den 9. September 2013
Artensteckbrief Westliche Blindschleiche (Anguis fragilis)
Art:
Anguis fragilis, Westliche Blindschleiche
Heimische Unterart(en):
Anguis fragilis fragilis
Fauna-Flora Habitatrichtlinie:
——
Rote Liste Status:
RL Deutschland (2009): ungefährdet
RL BB (2004): ungefährdet **
RL BE (2004): gefährdet
RL BW (1999): ungefährdet
RL BY (2003): Vorwarnliste
RL HE (2010): ungefährdet
RL HH (2004): Daten unzureichend
RL MV (1992): gefährdet
RL NI (1994): ungefährdet
RL NW (2011): Vorwarnliste
RL RP (1996): Vorwarnliste
RL SH (2003): Gefährdung unbekannten Ausmaßes
RL SL (2008): ungefährdet
RL SN (1999): ungefährdet
RL ST (2004): ungefährdet
RL TH (2011): ungefährdet
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Westliche
Blindschleiche
(Anguis
fragilis),
Männchen
mit
leichter Blaufleckung,
Trier, 23.05.2012,
Foto: Ulrich Schulte
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Beschreibung:
Die Blindschleiche ist mit ihrem langgestrecktem (Gesamtlänge
40-54 cm), im Querschnitt kreisrunden Körper ohne
Extremitäten und ohne sichtbare äußere Ohröffnungen einer
breiten Öffentlichkeit bekannt. Die Grundfärbung adulter
Schleichen reicht von einem Braun, Grau und Bronze bis hin zu
einem Kupfer-Farbton. Jungtiere zeigen eine typische schwarze
Linie („Aalstrich“) auf der silberweißen oder goldgelben
Westliche
Oberseite, die vom Hinterkopf bis zur Schwanzspitze verläuft
Blindschleiche
und bei den meisten adulten Individuen verschwindet. Die
(Anguis
fragilis),
Flanken und die Bauchseite sind schwarz gefärbt. Der Kopf der
Männchen
in
Blindschleiche ist klein und geht direkt in den Rumpf über. Die
Häutung,
Zeichnung der Kopfunterseite eignet sich neben der
Deutschland,
Schuppenan-ordnung auf der Kopfoberseite zur individuellen
Thüringen,
offen
Identifizierung bei Fang-Wiederfang Unter-suchungen.
gelassene Sandgrube
Charakteristisch sind ihre auffällig glatten und glänzenden
bei
Geroda,
Schuppen. Unter diesen befinden sich zahlreiche
17.04.2011, Foto:
Knochenplättchen (Osteoderme), die der Blindschleichen nur
Andreas Nöllert
eine relativ steife und im Vergleich zu den Schlangen sehr
eingeschränkte Fortbewegung ermöglichen. Der Schwanz
endet mit einer hornigen Spitze und kann abgeworfen
(autotomiert) werden. Die Regeneration des Schwanzes verläuft
jedoch wesentlich langsamer und auch unvollständiger als bei
den Echten Eidechsen. Um mit ihrer dickfleischigen Zunge zu
riechen, müssen Blind-schleichen ihre Kiefer öffnen, da ihnen
im Gegensatz zu den Schlangen eine Oberlippenlücke fehlt.
Zudem sind Blind-schleichen als Echsen in der Lage ihre
Augenlider zu bewegen und zu verschließen.
Gesamtverbreitung:
Neuere genetische Analysen zeigen, dass es sich bei der Blindschleiche um einen
Artkomplex aus vier verschiedenen Arten handelt. Die Westliche Blindschleiche
(Anguis fragilis) ist über weite Teile West-Europas verbreitet. Die nörd-lichsten
Vorkommen finden sich in Nordschweden (Provinz Västerbotten), die südlichsten
vermutlich in Kampanien, Italien. Die West-Ost Ausrichtung des Areals reicht von
Portugal im Westen bis in die Tschechische Republik und die Südwest-Slowakei im
Osten. Es ist anzunehmen, dass die Art auch noch weiter in Ungarn westlich der
Donau verbreitet ist. Östlich angrenzend beginnt das Areal der Östlichen
Blindschleiche (Anguis colchica), wobei die Verbreitungs-situation der Arten auf dem
nordwestlichen Balkan und die Kontaktzonen zwischen A. fragilis, A. colchica und der
Griechischen Blindschleiche (A. graeca) noch nicht abschließend geklärt sind.
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Verbreitung national:
In Deutschland ist die Blindschleiche das
häufigste Reptil. Sie kommt in fast allen
Regionen vor, und es zeigt sich anhand
neuerer Landesfaunen, dass viele
frühere Fundlücken in erster Linie
Erfassungsdefizite
widerspiegeln.
Deutliche Verbreitungsschwer-punkte
Verbreitungskarte
Typische Reptiliender Art liegen in den bewaldeten
Blindschleiche
–
lebensräume
im
Mittelgebirgen. Echte Fundlücken
Anguis
fragilis
Mittleren Saaletal.
bestehen auf Fehmarn, den
(Linnaeus, 1758)
Jena, NSG „HufeisenNordseeinseln
und
in
den
Jenzig“, 03.08.2008,
Marschgebieten der Nordseeküste.
Foto: Andreas Nöllert
Hier finden Sie den Verbreitungsatlas für
alle einheimischen Reptilien und
Amphibien.
Lebensräume:
Als euryöke Art besiedelt sie eine Vielzahl unterschiedlicher
Biotope. Dazu gehören die Randbereiche lichter Laubwälder,
Hecken, Hochmoore, Heidegebiete, Brachen, Wiesen,
Bahndämme, Wegränder, Parks und naturnahe Gärten. Die
Blindschleiche ist neben der Mauereidechse als Kulturfolger
unter den heimischen Reptilien zu bezeichnen. Blindschleichen
Westliche Blindschleichaben eine Präferenz für eine deckungsreiche krautige
he (Anguis fragilis),Vegetation und gewisse Bodenfeuchte. Als trockene
Deutschland,
Sonnenplätze fungieren Totholz, offener Humusboden und Torf.
Thüringen, Jena, NSGVersteckplätze findet die langsam kriechende Echse in
„ H u f e i s e n - J e n z i g “ ,Erdlöchern, Hohlräumen unter Baumwurzeln und in
11.05.2008, Foto:Baumstubben, unter Steinen und insbesondere in Laub- und
Andreas Nöllert
Komposthaufen.
Wissenswertes:
Blindschleichen können sehr alt werden. Aus der
Terrarienhaltung sind Angaben über ein Alter von 20-46 Jahren
bekannt. Betrachtet man die Fortpflanzung der Blindschleiche
genauer, so kann die Art als Überleitung zur echten Viviparie
betrachtet werden. So ist die fibrilläre Eischale zehnmal dünner
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als die der Waldeidechse. Zudem ist vermutlich ein einge-W e s t l i c h e
schränkter Stoffaustausch zwischen Mutter und Keim möglich.B l i n d s c h l e i c h e
Von der echten Viviparie trennt sie dennoch das Fehlen einer( A n g u i s
fragilis),
Allantoisplazenta.
Männchen
in
Häutung,
Deutschland,
Thüringen,
offen
Gefährdung & Schutz:
gelassene Sandgrube
bei
Geroda,
Die Blindschleiche ist die Reptilienart zu der mit Abstand am
17.04.2011, Foto:
wenigsten Daten zur Bestands-entwicklung vorliegen. Dieser
Andreas Nöllert
Kenntnissmangel zusammen mit ihrer vermeintlichen Häufigkeit haben dazu geführt, dass die Blindschleiche bundesweit
weiterhin als „ungefährdet“ gilt. Dennoch ist auch die
Blindschleiche in erster Linie wie alle weiteren heimischen
Reptilien ebenfalls durch einen Verlust an Lebensraum, sei es
direkt durch Habitatzerstörung oder durch eine
Verschlechterung der Habitatqualität gefährdet. Verluste ihres
Lebensraumes sind durch Flurbereinigungen, Abtorfungen,
eine Intensivierung der Landwirtschaft und insbesondere
Aufforstungen zu verzeichnen. Eine veränderte
Waldbewirtschaftung in den letzten 30 Jahren führte vielerorts
zu einem großflächigem Verlust von natürlichen Waldrändern
und Kahlschlägen. So ist das Zulassen einer natürlichen
Walddynamik zur Förderung lichter Waldstrukturen, die auch
weiteren Reptilienarten (Kreuzotter, Wald-eidechse) zugute
kommt eine grundlegende Maßnahme zum Schutz der
Bestände. Zahlreiche Verluste sind auch bei Mäharbeiten
(Kreiselmähwerk) von feuchten Wiesen zu verzeichnen, hier
kann durch den Einsatz von Balkenmähwerk oder Sense
gegengesteuert werden. Aufgrund ihrer langsamen
Fortbewegungsweise wird die Blindschleiche auf Wald-wegen
und unbefestigten Nebenstraßen häufig Opfer des Auto- aber
auch Fahrradverkehrs. Innerhalb von Siedlungen stellt das
Ausbringen von Schneckenkorn eine Bedrohung dar. Zudem ist
die Prädation durch Hauskatzen eine nicht zu unterschätzender
Gefährdungsfaktor.
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Text: Ulrich Schulte
Dieser Beitrag wurde publiziert am Montag den 9. September 2013 um 17:49
in der Kategorie: Artensteckbriefe Reptilien.
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