Jim Jarmusch Jim Jarmusch: Filmische Resonanzkörper Jim Jarmusch, Neil Young 19 Jack White setzt eine Schutzbrille auf, zieht dicke Arbeitshandschuhe an und betätigt einen Schalter – Funken sprühen, das Lachen eines verrückten Professors zuckt über sein Gesicht. Er führt seiner Bandkollegin Meg bei einer Tasse Kaffee eine selbst gebaute Tesla-Spule vor. Im Gespräch preist er den Erfinder und Physiker Nikola Tesla als Pionier der Elektrotechnik, aber auch als popkulturelle Ikone: »Nikola Tesla perceived the earth as a conductor of acoustical resonance.« Im Hintergrund läuft »Down on the Street« von Iggy Pops Band The Stooges, über dem Kaffeehaustisch hängt ein großes Porträt von Lee Marvin. Jim Jarmusch benennt in dieser Episode aus COFFEE AND CIGARETTES ein Thema, das sich durch sein gesamtes Werk zieht: die Resonanz. Nicht nur legt er der Band The White Stripes dieses Statement in den Mund, die gesamte Episode löst popkulturelle Schwingungen in alle Richtungen aus. Denn jedes noch so kleine Detail verweist über die Grenzen des Films hinaus auf eine Vielzahl von kulturellen Phänomenen: sowohl die musikalischen Referenzen an die White Stripes, an Iggy Pop, der selbst gemeinsam mit Tom Waits in einer der Episoden des Films auftritt, als auch die Hommage an Lee Marvin, dessen Rolle in John Boormans POINT BLANK Jarmusch später mit THE LIMITS OF CONTROL aufgreifen wird. Jim Jarmuschs Filme sind dichte popkulturelle Resonanzkörper, groß angelegte eklektizistische Remix- und Sampling-Projekte. Nicht nur schöpft Jarmusch aus einem nahezu unbegrenzten Vorrat an Zitaten und Referenzen, er ist auch ein feinfühliger Filmemacher, der mit viel Gespür aus vermeintlich alltäglichen und oft gesehenen Situationen poetische und visuell überwältigende Filme zaubert. Verwunderlich ist dies nicht, denn Jarmusch, 1953 in Akron, Ohio geboren, wuchs in und mit Popkultur auf: Die Mutter, eine Filmkritikerin, steckte ihn als Kind regelmäßig ins Kino, um ein wenig Zeit für sich zu haben. Jarmusch spielt seit jeher als Keyboarder in Bands – seine erste Band The Del-Byzanteens steuerte zwei Songs zu Wim Wenders’ DER STAND DER DINGE bei; mit der Band SQÜRL spielte er den Soundtrack zu ONLY LOVERS LEFT ALIVE ein – der Bandname stammt von der fiktiven Combo aus COFFEE AND CIGARETTES. Vor seiner Filmkarriere studierte er Jim Jarmusch Literatur an der NYU. Nach einem Auslandsjahr in Paris, wo er die meiste Zeit statt im Vorlesungssaal in der cinémathèque Française verbrachte, bewarb er sich an der Tisch School of the Arts in New York. Er hatte zu jenem Zeitpunkt noch keinen Film gedreht, reichte daher kurzerhand einige seiner Texte ein – und wurde prompt angenommen. Als Assistent des großen Nicholas Ray, der an der Filmhochschule lehrte, half er 1980 auch bei Wim Wenders’ Film über Ray mit, LIGHTNING OVER WATER. Als Wenders 1981 DER STAND DER DINGE abgedreht hatte, überließ er das übrige unbelichtete Filmmaterial dem jungen Jarmusch, der aus etwa 60 Minuten Film einen Kurzfilm von 30 Minuten machte: STRANGER THAN PARADISE verwendet aufgrund des Materialmangels extrem wenige, dafür sehr lange Einstellungen; diese verleihen dem fertigen Film aber erst den lakonischen Erzählstil und die morbide Film-Noir-Attitüde, die seitdem allen Filmen von Jarmusch zu eigen sind und ihren Charme ausmachen. Die Langversion des Filmes gewann 1984 die caméra d’Or in Cannes. Dabei passiert nie besonders viel in Jarmuschs Filmen – »You come to someplace new and everything looks just the same« stellt Eddie in STRANGER THAN PARADISE fest. Denn Jarmusch zeigt lieber die Momente zwischen der Handlung, die banalen Momente: Übergangsorte und Übergangsmomente, Warten, Langeweile. In INT. TRAILER. NIGHT, seinem Beitrag zur Kurzfilmsammlung TEN MINUTES OLDER: THE TRUMPET, zeigt er eine Schauspielerin, die in einer kurzen Drehpause auf ihren nächsten Einsatz wartet. Jarmusch STRANGER THAN PARADISE 20 selbst wird Teil dieser Wiederholungsschleifen, wenn er in Wayne Wangs BLUE IN THE FACE mit Harvey Keitel seine letzte Zigarette raucht und über die Großartigkeit von Kaffee und Zigaretten sinniert. So sitzen dann eben die Damen und Herren bei Jarmusch im Café, im Taxi wie in NIGHT ON EARTH oder im Hotelzimmer wie in MYSTERY TRAIN und sprechen über Sinn und Unsinn des Lebens, tauchen für einen kurzen Moment aus der Realität ab, um zu sich selbst zu finden. Allie stromert in PERMANENT VACATION als Prototyp der Slacker durch New York. Auch ihn treibt die innere Unruhe weiter, vorbei an Straßenmusikern und Kinos, auf den Spuren von Nicholas Ray und Charlie Parker. Er schlendert am Jazzmusiker John Lurie vorbei, der in einem Echo an den Zauberer von Oz »Somewhere over the Rainbow« auf dem Saxophon spielt und scheinbar direkt aus STRANGER THAN PARADISE und seiner Rolle als Willie herübergestiegen ist. Luries dritte Zusammenarbeit mit Jarmusch soll seine berühmteste werden: Als Jack in DOWN BY LAW – an der Seite von Tom Waits als Zack, seinem Quasi-Doppelgänger. Das Komikerduo wird von Roberto Benigni verstärkt, die improvisierte »I scream for ice cream«Szene ist wohl eine der berühmtesten des Independentkinos. Die drei treten ein Road Movie der anderen Art an, kämpfen sich durch die Sümpfe im MississippiDelta wie durch einen Märchenwald. Währenddessen kommentiert Roberto die eigene Situation immer wieder in Zitaten von Walt Whitman, stellt aber auch nach der Flucht aus dem Gefängnis freudestrahlend fest: »We escaped like in American movies.« einen nach Nikola Tesla umgerüsteten Jaguar XJ-S fährt – an der Verrohung der Menschen verzweifelt. Ihr Lebenselixir: eine popkulturelle Parallelwelt, ein aus Referenzen und Hommagen gesponnenes Sicherheitsnetz. Und wen wunderts? Die Ahnengalerie in der heruntergekommenen Vampirvilla ist beinahe deckungsgleich mit Jarmuschs Filmfamilie, seinen Idolen, seinen Hausheiligen. Sofia Glasl Permanent Vacation (Dauernd Ferien) | USA 1980 | R+B: Jim Jarmusch | K: Tom DiCillo, Jim Jarmusch | M: Jim Jarmusch, John Lurie | D: Chris Parker, Leila Gastil, John Lurie, Richard Boes, Sara Driver, Eric Mitchell | 75 min | OmU | »Allie ist ungefähr 16, streift durch die verfallenen Straßen der Lower East Side Ende der 70er Jahre, sprüht in gelber Farbe auf eine Hauswand ›Allie, total blam blam‹ und wohnt bei einer schönen jungen Frau, die das Alleinsein satt hat: Leila. Leila sitzt am Fenster einer dieser seit langem unrenovierten Wohnungen, die Beine auf der Fensterbank, den Blick hinaus zum Fenster und wartet. Allie tanzt zu Parkers Musik. Die Beziehung zwischen beiden ist eine vorübergehende – wie alles im Leben Allies vorübergehend ist. Schon in PERMANENT VACATION präsentiert Jarmusch eine dieser Figuren, die ständig auf Reisen sind, ständig neue Wege beschreiten und nie irgendwo ankommen.« (Ulrich Behrens) ▶ Mittwoch, 9. März 2016, 21.00 Uhr Stranger Than Paradise | USA 1984 | R+B: Jim Jarmusch | K: Tom DiCillo | M: John Lurie | D: John Lurie, Eszter Balint, Richard Edson, Cecilia Stark, Danny Rosen, Tom DiCillo | 89 min | OmU | »Ein Road-Movie, eine Komödie, ein schwarz-weißes, wunderschönes Gedicht über Amerika, das ist STRANGER THAN PARADISE. Oder auch: JULES ET JIM in Amerika der 80er, oder aber auch PARIS, TEXAS aus amerikanischer Sicht – also: TEXAS, PARIS. Eine Liebeserklärung an das Leben, das Herumhängen und eine ganz individuelle Art von Genießen, an den ganz normalen Alltag, der so viel Spaß bereiten kann. Ein Film mit drei hervorragenden Schauspielern und Bildern, die in ihrer Kargheit und Schlichtheit mehr Gefühl rüberbringen, als ein Bunt-Stoff je auszudrücken vermag. STRANGER THAN PARADISE ist für mich der beste Film des Jahres 1984.« (Hans-Ulrich Pönack) ▶ Mittwoch, 16. März 2016, 21.00 Uhr Down by Law (Alles im Griff) | USA 1986 | R+B: Jim Jarmusch | K: Robby Müller | M: John Lurie | D: Tom Waits, John Lurie, Roberto Benigni, Nicoletta Braschi, Jim Jarmusch Jarmuschs Figuren reflektieren also die eigene Rolle in und als popkulturelle Phänomene immer wieder mit, lassen sich auf das Spiel mit mehreren Bedeutungsschichten ein. Ähnlich ergeht es auch Bill Murray in BROKEN FLOWERS. Als abgehalfterter Don Juan scheint er seine Rolle aus Sofia Coppolas LOST IN TRANSLATION einfach in einem neuen Film weiterzuleben und bekommt es mit einer Reihe von literarischen Frauenfiguren zu tun: Laura, Lolita, Carmen und Dora, die ihre berühmten Rollen an Don abarbeiten. Doch sind es gerade die Frauen mit Namen aus der Musik, die ihm letztendlich die Augen öffnen: Penny (Lane?) und die Floristin Sun Green – in Anlehnung an Neil Youngs gleichnamigen Song. Bereits einige Jahre zuvor hatte Jarmusch seinem Idol Young die Dokumentation YEAR OF THE HORSE gewidmet. Youngs eindringlicher Soundtrack zu DEAD MAN hatte einen bedeutenden Anteil an der mythisch-morbiden Stimmung des aus Western, Road Movie und indigenem Ritus zusammengesetzten Films. Dass gerade die westerntypischste aller Szenen, der Showdown, hier geradezu en passant abgehandelt wird, ist bezeichnend, denn Jarmusch fokussiert die mythologische Sinnsuche seines Antihelden Bill Blake, der seine berühmte Doppelidentität als Poet William Blake erst anerkennen lernen muss. Den nachgereichten Shootout liefern sich in GHOST DOG der titelgebende Samurai-Auftragskiller und sein Mafiakontakt, wieder selbstreflexiv kommentierend, wenn Ghost Dog fragt: »What’s this, Louie? High Noon?« Hier treffen asiatische Kriegskunst auf Mafiastrukturen, Frankenstein auf Comic und Western auf Gangsta-Rap. Kurz vor seinem Duell übergibt Ghost Dog seinen Anzug an Raymond, gespielt von Isaach de Bankolé, der ebendiesen Anzug in THE LIMITS OF CONTROL trägt und Ghost Dogs Mission als Auftragskiller fortführt. Hier verdichtet Jarmusch seinen cineastischen Minimalismus nochmals auf das Wesentliche, reduziert die Handlung bis fast zum Stillstand, um jedoch Metaebene um Metaebene aufeinanderzutürmen und in den an COFFEE AND CIGARETTES erinnernden Episoden sowohl Film- und Musik- als auch Kunstgeschichte noch enger miteinander zu verweben. Hier wird Nicholas Rays Film IN A LONELY PLACE zu einem fiktiven Werk mit dem spanischen Titel UN LUGAR SOLITARIO, Tilda Swinton tritt als archetypische HitchcockBlondine auf, um diese stilisierte Rolle gleich im nächsten Film wieder zu brechen. Denn in ONLY LOVERS LEFT ALIVE ist Swinton als zottelige Vampir-Blondine zu sehen, die mit ihrem misanthropischen Lebensgefährten – selbstredend ein Musiker, der Jack White zum Verwechseln ähnlich sieht und 21 Jim Jarmusch DOWN BY LAW 22 Ellen Barkin | 106 min | OmU | »John Lurie ist als Filmkomponist und Darsteller seit Jarmuschs erstem Film dabei; jetzt stößt Tom Waits mit seinen Songs hinzu und spielt einen arbeitslosen Radio-Diskjockey. Zwei Multitalente, wie Jarmusch selbst. Die Obsessionen dieser drei Musketiere des hip feeling, bereichert um den singulären Witz eines entgleisten italienischen Touristen (Roberto Benigni), das Ganze verrührt zu einer Häftlingsgeschichte, die aus einer Gefängniszelle in New Orleans in die schwülen Sümpfe des Mississippi-Deltas und von dort direkt ins Märchen führt: Das ist DOWN BY LAW, ein filmisches Amalgam, das als Kultobjekt für Exzentriker, aber genialerweise auch als pures Kino funktioniert.« (Klaus Kreimeier) ▶ Mittwoch, 23. März 2016, 21.00 Uhr Mystery Train | USA 1989 | R+B: Jim Jarmusch | K: Robby Müller | M: John Lurie | D: Masatoshi Nagase, Yūki Kudō, Screamin’ Jay Hawkins, Nicoletta Braschi, Joe Strummer, Steve Buscemi | 110 min | OmU | »Die kargen Erlebnisse eines matten japanischen TeeniePärchens an den Überresten der Kultstätten des Rock ’n’Roll in Memphis, Tennessee. Zwei fremde Frauen teilen sich in demselben Hotel für eine Nacht ein Zimmer. Einige arbeitslose Kumpels besaufen sich, schießen sich in einem Laden neuen Whisky frei und landen schließlich auch in dem Hotel, wo alles zusammenläuft. Die Uhrzeit 2.17 Uhr spielt ebenso eine Rolle wie der Geist von Elvis Presley und eine unerwünschte Pistole. MYSTERY TRAIN von Jim Jarmusch, das sind Gesten, kleine, eckige Bewegungen, stumme Blicke, die vielen Anspielungen über die Musik von John Lurie und Elvis, die heruntergekommenen Gebäude, die schmutzigen Straßen, die lädierte Sprache.« (Hans-Ulrich Pönack) ▶ Mittwoch, 30. März 2016, 21.00 Uhr Night on Earth | USA 1991 | R+B: Jim Jarmusch | K: Frederick Elmes | M: Tom Waits | D: Gena Rowlands, Winona Ryder, Armin Mueller-Stahl, Giancarlo Esposito, Béatrice Dalle, Roberto Benigni, Matti Pellonpää | 129 min | OmU | »Jeder der von Jim Jarmusch aufgesuchten Orte bietet uns eine spezifische, wie man so schön sagt: landesübliche Atmosphäre. Heimat zentriert sich in den fünf Episoden dieses Nachtfilms in fünf Taxen, aber nur flüchtig. Sie sind kurzzeitiger Treffpunkt ganz verschiedener Menschen – vor dem Steuer und auf dem Rücksitz. Und doch verbindet alle eine Tragikomik des Geschehens auf engstem Raum. Das Taxi wird zum Brennpunkt unausgesprochener, wenn auch angesprochener menschlicher Konflikte. Fremde treffen aufeinander, mehr oder weniger zufällig. Es bleibt der Phantasie des Betrachters überlassen, die Geschichten weiter zu erzählen.« (Ulrich Behrens) ▶ Mittwoch, 6. April 2016, 21.00 Uhr Blue in the Face (Alles blauer Dunst) | USA 1995 | R+B: Wayne Wang, Paul Auster | K: Adam Holender | D: Lou Reed, Michael J. Fox, Roseanne Barr, Jim Jarmusch, Lily Tomlin, Madonna, Harvey Keitel | 83 min | OmU | In einem kleinen Tabakladen »treffen sich die Bewohner Brooklyns, um über Alltägliches zu reden, um zu streiten und zu philosophieren. Viele sind zornig und unzu- ▶ Mittwoch, 13. April 2016, 21.00 Uhr Dead Man | USA 1995 | R+B: Jim Jarmusch | K: Robby Müller | M: Neil Young | D: Johnny Depp, Gary Farmer, Crispin Glover, John Hurt, Robert Mitchum, Iggy Pop, Gabriel Byrne | 121 min | OmU | »Die Geschichte des ›toten Mannes‹ beginnt mit William Blakes Zugfahrt in den Ort Machine, wo er die Stelle eines Buchhalters antreten will. In dem Abteil, das er mit wilden Gesellen des Weste(r)ns teilt, wirkt der junge, feminine Mann im großkarierten Anzug genauso verloren wie die Landschaften, die man am Fenster vorüberziehen sieht. Mit dem Zug verlassen wir die klassischen Wirkungsstätten von John Ford und John Wayne und begeben uns auf ein neues Terrain: Jim Jarmuschs Western. Jarmusch bleibt trotz des ungewohnten Genres seinem wunderbar lakonischem Stil und der Idee der interkulturellen Konfrontation treu.« (Max Herrmann) ▶ Mittwoch, 20. April 2016, 21.00 Uhr Year of the Horse | USA 1997 | R+B: Jim Jarmusch | K: Jim Jarmusch, L.A. Johnson, Steve Onuska, Arthur Rosato | M: Neil Young | Mit: Neil Young, Ralph Molina, Frank Sampedro, Billy Talbot, Larry Cragg, Jim Jarmusch | 106 min | OmU | »Ein Rock’n’Roll Movie über die Menschen und die Musik der Band Neil Young and crazy Horse. Die Live-Auftritte wurden in Europa und den USA während der Tournee 1996 aufgenommen. Interviews und das Footage-Material stammen auch aus dieser Zeit, mit Ausnahme einiger Szenen, die aus dem Jahre 1976 bzw. 1986 kommen. Neil Young and crazy Horse war schon immer meine absolute Lieblingsband. Im Grunde ist es genauso, wie Scott Young (Neils Vater) im Film sagt: Ihre Musik scheint immer besser, besser und besser zu werden.« (Jim Jarmusch) ▶ Mittwoch, 27. April 2016, 21.00 Uhr Ghost Dog (Der Weg des Samurai) | USA 1999 | R+B: Jim Jarmusch | K: Robby Müller | M: The RZA | D: Forest Whitaker, John Tormey, Cliff Gorman, Frank Minucci, Richard Portnow | 116 min | OmU | »GHOST DOG ist ein höchst gelungener Film und er ergänzt Jarmuschs bisheriges Œuvre hervorragend: geht es doch vor allem um die Gegenüberstellung zweier Ehrenkodexe, also hochaufgeladener kultureller Muster. Da ist zum einen der adaptierte Kodex des schwarzen Samurai, den dieser bis zum Ende konsequent durchhält, und zum anderen der von vielen amerikanischen Filmen stilisierte Ehrenkodex der Mafia, über den sich Jarmusch lustig macht, ja nur noch lustig machen kann, nachdem ein Scorsese ihn bereits in GOODFELLAS und CASINO dekonstruiert hat. Bei den Mafiosi handelt es sich tatsächlich um Comicfiguren!« (Max Herrmann) ▶ Mittwoch, 4. Mai 2016, 21.00 Uhr Ten Minutes Older: The Trumpet | USA 2002 | R+B: Aki Kaurismäki, Victor Erice, Werner Herzog, Jim Jarmusch, Wim Wenders, Spike Lee, Chen Kaige | K: Timo Salminen, Olli Varja, Ángel Luis Fernández, Vincente Ríos, Frederick Elmes, Phedon Papamichael, Chris Norr, Shu Yang | 92 min | OmU | »Sich mit dem Thema Zeit auseinander zu setzen, war die einzige Vorgabe, die den Regisseuren gemacht wurde. THE TRUMPET versammelt einige bemerkenswerte Beiträge, die in ihrem Stilbewusstsein meist wie Visitenkarten des jeweiligen Regisseurs wirken. Jim Jarmusch erzählt einfühlsam von den zehn Minuten Drehpause einer Schauspielerin in ihrem Wohnwagen, von dem zum Scheitern verurteilten Versuch, sich auch nur ein wenig Privatsphäre zu schaffen. Zehn Minuten, die willkürlich aus dem Leben einer Person gegriffen wirken und dennoch einen Einblick zulassen in das Leben, den Charakter der dargestellten Schauspielerin.« (Benjamin Happel) ▶ Mittwoch, 18. Mai 2016, 21.00 Uhr Coffee and Cigarettes | USA 2003 | R+B: Jim Jarmusch | K: Tom DiCillo, Frederick Elmes, Ellen Kuras, Robby Müller | D: Roberto Benigni, Steve Buscemi, Iggy Pop, Tom Waits, Alex Descas, Cate Blanchett, Bill Murray | 95 min | OmU | Elf Kurzfilme, die jeweils Gespräche bei Kaffee und Zigaretten dokumentieren. »Ein 96 Minuten langer Kinoblues: Jim Jarmuschs coolster, zartester, melancholischster Film. Skurrile Begebenheiten, verpasste Gelegenheiten: COFFEE AND CIGARETTES ist auch ein Film über die schier unmögliche Kunst, sich zu verstehen. Einer wartet, einer kommt zu spät, man ist ungeduldig, verlegen, höflich, streckt die Fühler aus, streitet sich über Elvis oder den Schlagzeuger, Kummer, Krankheiten und den Erfolg. Jeder Schluck eine Kontaktanzeige, jeder Zug eine Annäherung. Es ist die Geste, die zählt. Wenn zwei zusammen sitzen bei Kaf- Jim Jarmusch frieden, werfen sich gegenseitig Beleidigungen an den Kopf und schreien sich an, sie sind gereizt und kampfbereit. Trotzdem sind sie Freunde, sie mögen und brauchen einander. Ein Beispiel ist der Stammkunde Bob (Jim Jarmusch), er möchte mit dem Rauchen aufhören und zelebriert seine letzte Zigarette in der Brooklyn cigar company mit Auggie (Harvey Keitel), dem Boss des Ladens. Aber auch andere Leute kommen und mit ihnen andere Geschichten. So entsteht peu à peu ein Stimmungs- und Charakterbild von Brooklyn selber, gezeichnet durch den Alltag seiner Bewohner.« (Björn May) 23 fee und Zigaretten, bilden sie eine verschworene Gemeinschaft. Wenigstens für Minuten.« (Christiane Peitz) ▶ Mittwoch, 25. Mai 2016, 21.00 Uhr Jim Jarmusch Broken Flowers (Blumen für die Ex) | USA 2005 | R+B: Jim Jarmusch | K: Frederick Elmes | M: Mulatu Astatke | D: Bill Murray, Julie Delpy, Jeffrey Wright, Sharon Stone, Jessica Lange, Tilda Swinton | 106 min | OmU | »In BROKEN FLOWERS erzählt Jim Jarmusch von einem amerikanischen Don Juan namens Don Johnston, der im Begriff ist, vom Blaubart zum Graubart zu werden. Einsam sitzt er stundenlang auf dem Sofa und starrt in die Ferne. Da bekommt er eines Tages einen rosafarbenen Brief ohne Absender zugeschickt: Eine angebliche frühere Geliebte behauptet, einen Sohn von ihm zu haben. Um herauszufinden, ob an der Geschichte etwas Wahres dran ist, klappert Don seine früheren Flammen ab. Auf die seltsamen Veränderungen seiner früheren Freundinnen, ihre zum Teil grotesken Lebensverhältnisse, gibt es wohl keine angemessenere Reaktion als den Blick eines Mannes, der kaum fassen kann, was er sieht.« (Lars-Olav Beier) 24 ▶ Mittwoch, 8. Juni 2016, 21.00 Uhr ONLY LOVERS LEFT ALIVE The Limits of Control (Der geheimnisvolle Killer) | USA 2009 | R+B: Jim Jarmusch | K: Christopher Doyle | D: Isaach De Bankolé, Alex Descas, Jean-François Stévenin, Tilda Swinton, John Hurt, Bill Murray | 116 min | OmU | »Es beginnt in der Toilette eines europäischen Flughafens, wo sich Isaach de Bankolé als Mann ohne Namen elegant einkleidet und dann in der Warte- halle von zwei Männern auf eine Reise schicken lässt. Man kann diesen Film als Thriller im Gewand eines Roadmovies begreifen, als Stilübung über das Genre des Thrillers, ja das Kino an sich. Jarmusch bedient sich traditioneller Erzählweisen, aber sein Anliegen ist es nicht, eine Geschichte mit psychologisch motiviertem Handlungsverlauf zu erzählen. THE LIMITS OF CONTROL folgt den irrationalen Strukturen eines Traums, der an immer neuen Stationen immer gleiche Rituale zelebriert.« (Uwe Mies) ▶ Mittwoch, 15. Juni 2016, 21.00 Uhr Only Lovers Left Alive | USA 2013 | R+B: Jim Jarmusch | K: Yorick Le Saux | M: Jozef van Wissem | D: Tilda Swinton, Tom Hiddleston, Mia Wasikowska, Anton Yelchin, John Hurt, Jeffrey Wright | 123 min | OmU | »Lässigere Vampire hat dieses in jüngster Zeit überstrapazierte Genre noch nicht gesehen, Adam ist die Inkarnation des Slacker-Rock’n’Rollers, der einst schon mit Byron herumhing, Swinton gibt die belesene Muse mit strähnig-struppiger Blondmähne. Kunst- und Kultfiguren aller Epochen werden in den beiden ewig jungen, aber allmählich lebensmüden Vampiren subsumiert. Das Blut wird aus Angst vor Infektion ausschließlich im Krankenhaus besorgt, Bisse auf offener Straße gelten als verpönt (›Wir sind doch nicht mehr im 17. Jahrhundert!‹). Und in Adams eigenhändig aufgemotztem Jaguar XJ-S cruisen die beiden Untoten aristokratisch, aber einsam durch verlassene, heruntergekommene Straßen und Fabrikgelände.« (Andreas Borcholte) ▶ Mittwoch, 22. Juni 2016, 21.00 Uhr
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