ÜBERWACHEN UND HELFEN: SOZIOLOGIE DES FLÜCHTLINGSLAGERS Moderation: Joël Glasman, Humboldt Universität zu Berlin, [email protected] Im Oktober 2015 definierte die EU ihre Strategie für Flüchtlinge aus dem Mittleren Orient neu: Flüchtlingen sollten möglichst direkt in oder in der Nähe von ihren Herkunftsstaaten geholfen werden, um zu vermeiden, dass sie den Schengen-Raum betreten. Die Übereinkunft zwischen der Türkei, Libanon, Jordanien und der Europäischen Union war: Die Einen bauen Flüchtlingslager aus, die anderen zahlen die Rechnung. Obwohl Hilfsorganisationen immer wieder auf die Kehrseiten (Promiskuität, Gewalt, Epidemien) von Flüchtlingslagern hinweisen, bleiben sie bis heute die "weltweit vorherrschende Form, in der Flüchtlinge untergebracht, administriert und versorgt werden" (Inhetveen 2010). Allen Anzeichen nach wird es in den kommenden Jahren auch so bleiben – in ca. 90% der Fälle sind sie nicht nur eine kurzfristige Notlösung, sondern bleiben für fünf oder mehr Jahre erhalten. Weltweit leben nach Schätzungen ca. 15 Millionen Menschen in international verwalteten Flüchtlingslagern. In diesem Panel geht es uns darum, die aktuelle Debatte um ‚Transitzonen‘, ‚Einreisezentren‘, ‚hotspots‘ ‚Auffanglager‘ und ‚Zeltstädte‘ mit Hilfe von neuen anthropologischen, soziologischen und historischen Erkenntnissen zu beleuchten. Im Mittelpunkt steht die Spannung zwischen zwei Funktionen von Flüchtlingslagern: Leben retten (etwa durch die Verteilung von Nahrungsmitteln und durch medizinische Dienste) und Migration kontrollieren (durch die Registrierung, Klassifizierung und Einsperrung von Fliehenden) (Harrell-Bond 1986, Malkki 1995, Corbet 2006, Agier 2008, Turner 2010). Speziell werden folgende Aspekte besprochen: • Die Genealogie des Flüchtlingslagers als Hilfs- und Herrschaftstechnik • Die Zirkulation von Wissen über und in Flüchtlingslagern • Die Rolle der Flüchtlingslager in globalen und regionalen Migrationsregimes • Der Alltag im Flüchtlingslager • Die Strategien und Taktiken von Lagereinwohner_innen
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