tv diskurs 54 Jugend zwischen Familie und ins Visier genommen; nach au- Im fünften und abschließenden Schule tobiografisch-narrativen Inter- Kapitel „Theoretisierung“ geht views bleiben pro Schule vier es um den empirischen Ertrag Die Autoren arbeiten an der Schüler übrig, deren Familien des Forschungsprojekts und Martin-Luther-Universität Halle näher untersucht werden. Die daraus folgende theoretische und befassen sich im Rahmen Autoren legen bei der Auswahl Impulse. Ein Verschwinden der ihrer Schul- und Bildungsfor- Wert auf möglichst große Kon- Differenzen zwischen den Gene- schung bereits seit Jahren mit traste zwischen den Schulen, rationen kann anhand der Fall- pädagogischen Generationsbe- den Jugendlichen und den el- studien nicht bestätigt werden. ziehungen. Dementsprechend terlichen Milieus, um trotz der Jugendliche sind nach wie vor fundiert ist das vorliegende, lei- geringen Fallzahlen markante auf erfolgreiche Beziehungen der nur mühsam lesbare Buch, Unterschiede aufzuspüren. Die zu Erwachsenen angewiesen, das die Erkenntnisse aus sechs Einzelinterviews mit den Ju- die mit einer Generationsdiffe- Jahren Forschung – gefördert gendlichen, mit ihren Eltern, renz verbunden sind. Vor allem von der Deutschen Forschungs- ihren Lehrern und Interaktions- in schulischen Kontexten wird gemeinschaft (DFG) von 2001 sequenzen in Schule und Fami- eine Negation der Generations- bis 2007 – abschließend zusam- lie werden ausschnitthaft vor- differenz als Tendenz zur De- menfasst. Die pädagogischen gestellt, nachvollziehbar und professionalisierung gegeißelt Konsequenzen, die sich aus den interessant interpretiert und (S. 405). Studien ergeben, sind noch bieten Einblick in Beziehungs- Die anspruchsvolle und trotz der nicht eingearbeitet. mechanismen sowie die Pas- mageren Materialbasis enorm In der Studie geht es um das Zu- sung von Familie und Schule. komplexe Studie spricht viele sammenspiel von Schule und Schließlich werden die Jugend- Aspekte an, die auch im Erzie- Familie und darum, wie es „die lichen zu verschiedenen hungsalltag von Bedeutung jugendlichen Bildungs- und In- „Typen“ stilisiert. sind. Die Gliederung ist transpa- dividuationsprozesse fördert Im vierten Kapitel geht es um rent und gut nachvollziehbar, oder erschwert“ (Klappentext). schulübergreifende Aspekte. doch der Text eignet sich über Außerdem wird empirisch über- Hier wird die Milieu-Passung weite Strecken so wenig zum prüft, ob der oft behauptete von Schule und Elternhaus un- Lesen wie gekörnte Brühe zum grundlegende Wandel in den tersucht. In Anlehnung an das Essen. Abgesehen davon, dass Generationsbeziehungen statt- Habitus-Konzept von Bourdieu der Inhalt ohnehin viele Fach- gefunden hat. werden Passungskonflikte ver- kenntnisse voraussetzt und nicht Das Buch ist in fünf Kapitel un- deutlicht. Als wesentliche Auf- gefällig zu erfassen ist, stören terteilt. Im ersten geht es um ei- gabe der pädagogischen Gene- unnötig komplizierte Sätze, vie- ne Bestandsaufnahme bisheri- rationsbeziehung wird die „Indi- le Quellenangaben und Verwei- ger Forschungen zum Thema viduation“ der Jugendlichen se den Lesefluss. Auch die Gra- und Thesen zum Wandel der verstanden. Damit dieser Pro- fiken tragen nicht zum schnellen Generationsbeziehungen. Auf zess gelingt, fängt im Idealfall und leichten Verständnis bei. dieser Grundlage wird das Kon- die eine Seite mögliche Schwä- Das Buch richtet sich ausschließ- zept einer „symbolischen Gene- chen der anderen auf – was eine lich an Wissenschaftler und hier rationsordnung“ entwickelt. Im Zusammenarbeit oder zumin- ganz besonders an die Freunde zweiten Kapitel wird die Studie dest eine Verständigung zwi- der Objektiven Hermeneutik. in ihrer Anlage vorgestellt. schen Schule und Familie vor- Der hohe Nutzwert, den die Stu- Dann folgt im dritten Kapitel der aussetzt, die im Regelfall nicht die für die Bildungsplanung, empirische Teil, der knapp die stattfindet. Besonders proble- Eltern und Lehrer und für alle, Hälfte der Seiten einnimmt. Hier matisch wird es für Jugendliche, die sich professionell mit Gene- werden die pädagogischen Ge- wenn sich beide Erziehungsin- rationsbeziehungen befassen, nerationsentwürfe der drei stanzen im Versagen ergänzen. haben könnte, spielt im vorlie- Schulen, an denen geforscht Auch im vierten Kapitel werden genden Band noch keine Rolle. wurde, herausgearbeitet. Das wieder erschöpfend viele Typen Doch weitere Auswertungen geschieht auf der Grundlage entwickelt, deren Bedeutung für des Materials sind bereits ange- von Begrüßungsreden der die weiteren theoretischen Be- kündigt. Schulleitung. Anschließend wird trachtungen sich nur z. T. er- an jeder Schule eine 10. Klasse schließt. 4 | 2010 | 14. Jg. L I T E R AT U R Werner Helsper/Rolf-Torsten Kramer/ Merle Hummrich/Susann Busse: Jugend zwischen Familie und Schule. Eine Studie zu pädagogischen Generationsbeziehungen. Wiesbaden 2009: VS Verlag für Sozialwissenschaften. 440 Seiten m. 52 Abb. u. 7 Tab., 39,90 Euro Susanne Bergmann 81
© Copyright 2024 ExpyDoc