Zahnimplantate: Keramik besser als Titan?

VERANSTALTUNG
5. Internationaler ZERAMEX Kongress
Zahnimplantate: Keramik besser als Titan?
Der Werkstoff Zirkoniumdioxid sorgte für
reichlich Gesprächsstoff sowohl auf der
Zirkontagung an der Universität Bern am
15. Januar als auch am darauffolgenden
Tag auf dem 5. Internationalen ZERAMEXKongress im Hotel Kreuz in Bern, der von
dem Schweizer Unternehmen Dentalpoint AG veranstaltet wurde.
Dr. Sandro Matter, CEO der Dentalpoint AG, Zürich.
Mit Zirkoniumdioxid steht eine High-Tech-Keramik zur Verfügung, die sich schon in vielen Extremsituationen bewährt
hat: Hitzeschilde im Space Shuttle, Bremsscheiben in Sportwagen und Kugelköpfe künstlicher Hüftgelenke. Seit über
10 Jahren wird diese High-Tech-Keramik auch in der zahnmedizinischen Prothetik eingesetzt. Die weiße Farbe und
Transluzenz der Keramik sorgen für eine ansprechende Ästhetik. Die Stabilität und Belastbarkeit stehen für Langlebigkeit von Kronen und Brücken und ihre Biokompatibilität macht
sie für den Einsatz in der Zahnheilkunde unverzichtbar.
Diese Eigenschaften hat sich auch der Implantathersteller
Dentalpoint zunutze gemacht. Sein neues zweiteiliges Zeramex-Implantat mit Carbon(Vicarbo)-Schraube punktet im
Hinblick auf Festigkeit, Flexibilität und Ästhetik und soll mit
Titanimplantaten absolut vergleichbar sein. Da hierüber jedoch unterschiedliche Meinungen existieren, lud das Schweizer Unternehmen unter dem Motto „Legenden und Tatsachen“ namhafte Referenten zu seinem Kongress ein, um
aufzuzeigen, dass aufgrund verbesserter Oberflächenbeschichtungen die klinischen Überlebensraten und die Osseointegration von Zirkonimplantaten denen von Titanimplantaten gleichzusetzen sind.
Studienergebnisse und Erfahrungen | Nach den einführenden Worten des Geschäftsführers Sandro Matter,
startete Prof. Dr. Dieter Bossart, Leiter des Robert K. Schenk
Labors für Orale Histologie an der Universität Bern, mit einem
interessanten Vortrag über die Gewebeeinheilung von Titanund Zirkonimplantaten und deren Unterschiedlichkeit.
Zum besseren Verständnis seiner Ausführungen machte er
zunächst auf eine präklinische In-vivo-Studie von Lindhe
und Berklundh et al. (1991) aufmerksam, die das Gewebe
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um die Implantate qualitativ beschreibt sowie die Messergebnisse in Bezug auf die biologische Breite. Die Studienergebnisse besagen, dass Weichgewebe, das die Implantate umgibt, dem Gewebe um natürliche Zähne stark ähnelt. Die
biologische Breite ist um die Implantate etwas größer ausgeprägt als bei den Zähnen der Gingiva. Um die inserierten
Implantate entsteht ein Weichgewebe, das dem der Gingiva
gleicht und bestens gerüstet ist, dem ständigen Angriff von
Bakterien standzuhalten.
Um zu zeigen, dass Zirkonimplantate den Titanimplantaten
ebenbürtig sind, stellte der Referent einige präklinische,
tierexperimentelle In-vivo-Studien vor. So zeigt eine Studie
von Kohal et al. aus 2004, dass die Weichgewebsdimensionen bei Implantaten aus Titan mit denen bei Implantaten
aus Zirkoniumdioxid gleichzusetzen sind. Auch sind keine
Unterschiede in der biologischen Breite vorhanden. Eine
weitere Studie von Welander aus 2008 weist nach, dass bei
beiden Materialien sehr gute Voraussetzungen für die Einheilung ins Weichgewebe gegeben sind.
Im Hinblick auf die Osseointegration, so Bosshart weiter,
sei festzuhalten, dass bei Titanimplantaten und Titanlegie-
Prof. Dr. Dieter Bosshardt,
Bern (CH)
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rungen die physikalischen und chemischen Oberflächenmodifikationen den Osseointegrationsprozess beschleunigen
und hierdurch verkürzte Einheilzeiten erreicht werden. Eine
Oberflächenmodifikation bei Zirkoniumdioxid und Mischkeramiken hat ebenfalls einen signifikanten Einfluss auf den
Osseointegrationswert (BIC) sowie auch auf die Ausdrehmomente. Es gibt hohe BIC-Werte bei Zirkonimplanten (bis
zu 95%), die gemäß einigen Studien mit denen bei Titanimplantaten vergleichbar sind. Hier verwies er auch auf eine
aktuelle Studie von V. Chappuis aus 2015.
Dr. Kai Höckl, Fachzahnarzt für Oralchirurgie, erläuterte seine
5-jährigen Erfahrungen mit einteiligen Implantaten wie auch
mit dem zweiteiligen Zeramex-Implantatsystem anhand klinischer Fallbeispiele. Er ist überzeugt, mit Zeramex ein ideales
Implantat für sich und seine Patienten gefunden zu haben,
obwohl er weiß, dass bisher nur Studien mit kurzer Beobachtungszeit publiziert wurden. Sein Appell lautete daher
wörtlich: „Wenn man nicht startet, irgendwas zu benutzen,
was sehr gute klinische und präklinische Studien vorweist,
wird man nie zu 10-Jahrens-Ergebnissen gelangen.“
triell gefertigten Titanteil sind für ihn das Mittel der Wahl.
Hingegen haben sich für ausgewählte Patienten seiner Praxis
Zirkoniumdioxidimplantate bestens bewährt.
Dr. Urs Brodbeck,
Zürich (CH)
Univ.-Prof. Dr. Dr. Siegfried Jank, kennt aufgrund seiner beruflichen Laufbahn sowohl die wissenschaftliche (universitäre)
Seite als auch die praktische Seite. Er wies darauf hin, dass
publizierte Studien genauer unter die Lupe genommen werden
müssen. Es reiche nicht aus, nur das Fazit zu kennen, sondern
man müsse unbedingt den Aufbau einer Studie wie auch
die definierten Kriterien der Studie hinterfragen. In diesem
Kontext wies er darauf hin, dass die meisten Implantate
nicht an den Universitäten gesetzt werden, sondern in Privatpraxen.
Die Frage, was nun besser ist – Zirkon- oder Titanimplantat
–, betrachtet er als ein Jammern auf hohem Niveau. „Die
Einheilquoten der Zirkonimplantate, die wir haben, sind
Dr. Kai Höckl,
Lörrach (D)
Dr. Urs Brodbeck, Fachzahnarzt für rekonstruktive Zahnmedizin, bevorzugt den Werkstoff Zirkon für die prothetische Behandlung. Er verwendet monolithische Zirokniumdioxid-Kronen, da diese ein beachtliches ästhetisches Potenzial aufweisen. Seines Erachtens hält diese Keramik länger
als Vollkeramik. Zirkoniumdioxid-Abutments mit einem indus-
Univ.-Prof. Dr. Dr. Siegfried Jank,
Hall (A)
Mit Interesse verfolgten die Teilnehmer die diversen Fachvorträge der Referenten.
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bestens. Man sollte sich nicht auf eine Diskussion einlassen
– sie führe zu nichts“. Mit Zirkonimplantaten habe er eine
vollwertige Alternative, da er diese problemlos setzen kann.
Auch habe er festgestellt, in diesen Fällen ein besseres Weichgewebsmanagement zu erzielen.
Die Zukunft ist digital … | Zahntechniker Vanik KaufmannJinoian, Inhaber der Cera-Tech AG, Liestal (CH), gab einen
kurzen Einblick in die digitale Welt des Zahnarztes und des
Zahntechnikers. Die Digitalisierung sei für beide Seiten ein
großer Fortschritt, wenn auch noch Defizite vorhanden seien,
wie z. B. bei der intraoralen Abdrucknahme. Er sieht diese
bisher nur für kleinere Arbeiten geeignet, z. B. für Einzelkronen. Eine intraorale Abdrucknahme zur Herstellung einer
verschraubbaren Implantatbrücke führt aufgrund des Zahnbogens zu Diskrepanzen bei der Umsetzung.
Anschaulich zeigte der Referent seine Vorgehensweise bei
der Herstellung einer Zirkonoxid-Krone. Zirkoniumdioxid ist
eine Hochleistungskeramik, die sich durch ihre außerordentlichen Eigenschaften auszeichnet. Ein Nachteil sei, sie
sei weiß; aber man könne das Material ja einfärben. Kronen
aus Zirkoniumdioxid sieht er als ein No-Go im Frontzahnbereich an, da es sich unter UV-Licht schwarz zeige. Zirkoniumdioxid gehört seiner Meinung nach nur in den Seitenzahnbereich.
ZT Vanik Kaufmann-Jinoian,
Liestal (CH)
Dem Thema Konfliktvorsorge im Grenzbereich widmete sich
Dr. Michael Tegtmeier, Zahnarzt und Oralchirurg aus Neuss,
als abschließender Redner. Aufgrund seiner Weiterbildung
in der Umweltzahnmedizin im Jahr 2009 wechselte er sein
implantologisches Behandlungskonzept: Er testet heute jeden
Patienten auf Titanunverträglichkeit aus, und aufgrund vieler
Periimplantitisfällen welchselte er hin zu Zirkonimplantaten.
Im Detail zeigte er sein Behandlungsprozedere auf, ging hierbei auf Probleme, Besonderheiten und Schwierigkeiten ein
und nannte Problemlösungen und Verbesserungsvorschläge,
um Misserfolgen vorzubeugen. Aus immunologischer Sicht
sieht er die Zirkonimplantate als Alternative zu Titanimplantaten; die materialtechnischen Eigenschaften und die Osseointegration erfüllen die Voraussetzung für eine hohe Verweildauer. Die beiden Zeramex-Systeme decken seines Erachtens
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nahezu das gesamte Spektrum der implantatprothetischen
Einsatzbereiche ab.
Dr. Michael Tegtmeier,
Neuss (D)
Fazit | Die auf der Berner Zirkontagung wie auch auf dem
5. Internationalen ZERAMEX-Kongress vorgestellten Studien
und Erkenntnisse haben unter anderem aufgezeigt, dass
Titan ursächlich für periimplantäre Erkrankungen sein kann
und daher Zirkonimplantate eine sinnvolle Alternative zu
Titanimplantaten darstellen. Doch die wissenschaftliche
Dokumentation und die praktischen Erfahrungswerte sind
noch gering. Hinsichtlich der Langlebigkeit müssen Keramikimplantate sich erst noch beweisen. Es gilt daher Langzeitstudien abzuwarten.
Die Dentalpoint AG wird sich weiterhin auf die ästhetische
und metallfreie Implantatversorgung fokussieren. Für dieses
Jahr hat sie einige Produktinnovationen angekündigt, die
ab März bzw. ab dem 2. Quartal erhältlich sein werden.
Interessierte werden ferner weitere Neuigkeiten über die
neue Implantatgeneration auf dem 6. Internationalen Kongress erfahren. Dieser wird in Hamburg am 13. Mai 2017
stattfinden.
K. U.
Weiterführende Literatur:
Periimplant soft tissue colour around titanium and zirconia abutments:
a prospective randomized controlled clinical study. Cosgarea Raluca et al.,
Clinical Oral Implant Research 26, 2015/537–544.
Soft tissue biological response to zirconia and metal implant abutments
compared with natural tooth: Microcirculation Monitoring as a Novel
Bioindicator. Kjiware Norihiro et al., Implant Dentistry/Volumen 24,
Dentistry 24 (1), 37–41, 2015.
Biological reaction to alumina, zirconia, titanium and polyethylene particles
implanted onto murine calvaria. Warashina Hideki et al., Biomaterials 24,
3655–3611, 2003.
Bacterial adhesion on commercially pure titanium and zirconium oxide disks:
an in vivo human study. Scarano A, et al., J Periodontol.
75 (2) 292–296, 2004.
Success-rate of two-piece zirconia implants – a retrospective statistical
analysis. Jank S., Hochgatterer G., (accepted for publication in Implant
Dentistry, 2016 Feb).
Osseointegration of zirconia and titanium implants in the presence of
multinucleated giant cells. Chappuis Vivianne et al., CIDRR, 2015 Sept 17.
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