Leichenschau – Das Problem der Todesursachenfeststellung

Rheinisches Ärzteblatt
Zertifizierte Kasuistik – Folge 46
Leichenschau – Das Problem
der Todesursachenfeststellung
Diagnostische und therapeutische
Überlegungen – Folge 46 der Reihe
Zertifizierte Kasuistik
von Elke Doberentz und Burkhard Madea
Vorgeschichte
Ein 28-jähriger Mann sei im Februar
von der Ehefrau in einer ungeheizten Gartenlaube nur mit einem Unterhemd bekleidet leblos auf einem Sofa liegend aufgefunden worden. Die Ehefrau berichtet
nun, dass er vor einigen Tagen im ehelichen Streit dorthin gezogen sein soll,
nachdem er seiner Frau gegenüber handgreiflich geworden sei. Er habe in den
letzten Tagen über Übelkeit geklagt. Seit
mehreren Wochen habe er aufgrund von
Rückenschmerzen Ibuprofen eingenom-
men. Des Weiteren sei er seit der Kindheit
insulinpflichtiger Diabetiker gewesen. Die
Tür sei primär nicht verschlossen gewesen, ein Fenster habe weit offengestanden.
Die Gartenlaube ist sehr unaufgeräumt
und überall liegen Kleidungstücke herum.
Leichenschaubefunde
Äußerst spärlich ausgeprägte rötliche
Totenflecke an der Körpervorderseite unter Aussparung von Aufliegeflächen. Die
Nagelbetten dunkel-livide. Die Totenstarre ist in allen Gelenken kräftig ausgeprägt,
in den Ellenbogengelenken mit teigigwächsernem Widerstand. In den Augenlidbindehäuten finden sich vereinzelte
punktförmige, aber überwiegend stecknadelkopfgroße Blutungen; die Bindehäute sind gerötet und gefäßgezeichnet.
An der Nase sind reizlos imponierende
Abbildung 1:
Oberhautverluste
der Nasenspitze.
Oberhautverluste (siehe Abbildung 1). Diese sind ebenso an einzelnen Fingerkuppen
zu finden. Am Mund ist eine schwärzliche
Abrinnspur zu sehen. In der Mundhöhle
steht wie mit Kaffeesatz durchsetzt eine
braunschwarze Flüssigkeit. Auf der feucht
durchtränkten Sitzfläche des Sofas unter
dem Kopf befinden sich reichlich kaffeesatzartige Anhaftungen. An beiden Unterarmen finden sich ältere feine strichförmige, gruppierte, parallel gestellte Narben
sowie teils in Abheilung begriffene Oberhautanritzungen. Die Bauchhaut weist
zahlreiche feine punktförmige Verschorfungen mit umgebenden Hautverfärbungen auf. Die Haut ist über beiden Hüften
(siehe Abbildung 2), über den streckseitigen
Kniegelenken und Ellenbogen flächenhaft
rötlich, teils rötlich-livide verfärbt und
weist keine Wegdrückbarkeit auf.
Dr. Elke Doberentz ist Oberärztin und Leiterin
der Abteilung Forensische Medizin am
Institut für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Bonn. Professor Dr. Burkhard
Madea ist Direktor des Instituts.
Professor Dr. Malte Ludwig, Chefarzt der
Abteilung Angiologie und Phlebologie –
Gefäßzentrum Starnberger See – sowie der
Abteilung Innere Medizin am Benedictus
Krankenhaus Tutzing, koordiniert und
begleitet die Reihe inhaltlich.
Kurzanleitung zur
„Zertifizierten Kasuistik“
Hinweis: Die 2 Fortbildungspunkte können über
das System des Einheitlichen Informationsverteilers (EIV) Ihrem Punktekonto bei der Ärztekammer gutgeschrieben werden. Es werden
Ihre Einheitliche Fortbildungsnummer, die Veranstaltungsnummer und die Anzahl der Punkte
übermittelt.
Abbildung 2:
Flächenhaft rötlich
verfärbte Haut über
der rechten Hüfte
(Leichnam in
Bauchlage).
Fotos: Institut für
Rechtsmedizin des
Universitätsklinikums Bonn
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via Rheinisches Ärzteblatt
Im ersten Rheinischen Ärzteblatt des Quartals
werden jeweils veröffentlicht: der einführende
Artikel zum Thema, der Fragenkatalog und die
Lernerfolgskontrolle mit Bescheinigung.
Ausführliche Informationen zur Differenzialdiagnostik werden im Internet www.aekno.de/
aktuelle_ausgabe im Anschluss an den Artikel
veröffentlicht.
Zum Erwerb der Fortbildungspunkte müssen
mindestens 70 Prozent der Fragen richtig beantwortet werden. In dem Fall können die
Fortbildungspunkte über den Elektronischen Informationsverteiler (EIV) dem elektronischen
Punktekonto des Arztes bei seiner Ärztekammer
automatisch gutgeschrieben werden, falls die
Einheitliche Fortbildungsnummer/Barcode auf
die Lernerfolgskontrolle aufgeklebt und damit
das Einverständnis zur Datenübermittlung
dokumentiert worden ist.
Rheinisches Ärzteblatt 10/2015
Rheinisches Ärzteblatt
Zertifizierte Kasuistik – Folge 46
Einsendeschluss: Die Lernerfolgskontrolle muss
spätestens bis Sonntag, 29. November 2015 per
Fax oder per Post eingegangen sein (Poststempel).
Fax: 0211 4302-5808, Postanschrift: Nordrheinische Akademie für ärztliche Fort- und Weiterbildung, Tersteegenstr. 9, 40474 Düsseldorf.
Auflösung: im Rheinischen Ärzteblatt 12/2015 in
der Rubrik Magazin.
via www.aekno.de
Die Zertifizierte Kasuistik findet sich auf der
Homepage der Ärztekammer Nordrhein unter
www.aekno.de/cme.
Anmeldung: Erstmalige Registrierung mit Nachnamen, Arztnummer, Einheitlicher Fortbildungsnummer (falls vorhanden) und einer aktuellen
E-Mail-Adresse. An diese werden die Zugangsdaten geschickt. Die zukünftige Anmeldung
erfolgt über Nachnamen und die per E-Mail
übermittelte Benutzer-ID.
In dem geschlossenen Bereich finden sich
• der einführende Artikel zum jeweiligen Thema,
• die ausführlichen medizinischen Informationen,
• der Fragenkatalog inklusive Evaluation.
Die bisher veröffentlichten Kasuistiken der
Reihe finden sich zu Übungszwecken unter
www.aekno.de/cmetest.
Fragenkatalog zur Zertifizierten Kasuistik
„Leichenschau – Das Problem mit der Todesursachenfeststellung“
1. Welche Aussage zur Leichenschau trifft nicht zu?
a) Zu den Aufgaben der Leichenschau gehören neben der Feststellung des Todes auch die Feststellung der Todesursache, die
Qualifikation der Todesart sowie die Angabe zu Hinweisen auf
übertragbare Erkrankungen gemäß Infektionsschutzgesetz.
b) Ermittlungsbehörden müssen bei Vorliegen einer nichtnatürlichen oder ungeklärten Todesart und bei unbekannter Identität
der/des Verstorbenen informiert werden.
c) Zu den sicheren Todeszeichen zählen das Vorliegen von Totenflecken, Totenstarre, Fäulnis, der apparative Nachweis des Hirntodes sowie nicht mit dem Leben zu vereinbarende Verletzungen.
d) Unter der Rubrik „Todesursache“ ist ein eventueller Krankheitsverlauf in Form einer Kausalkette mit der zugrundeliegender
Erkrankung (Grundleiden) einzutragen.
e) Bei Auffindung von zerstückelten Leichen (z.B. Bahnleichen) ist
keine Leichenschau erforderlich.
6.
a)
b)
c)
d)
e)
Petechiale Blutungen treten in der Regel nicht auf durch
eine Halskompression.
eine Kompression des Brustkorbes.
eine obere Einflussstauung.
hohen Blutverlust.
kardiopulmonale Reanimation.
7.
2. Welche Antwort ist richtig? Die ärztliche Leichenschau
a) ist durch eine bundesweit einheitlich geltende Leichenschauverordnung geregelt.
b) ist nur für in Kliniken tätige Ärzte verpflichtend.
c) muss von jeder Ärztin/jedem Arzt durchgeführt werden.
d) eines Verstorbenen darf von einem anverwandten Arzt nicht
durchführt werden.
e) ist innerhalb von zwölf Stunden durchzuführen.
e)
Was ist als Ursache der Nasenveränderung in Abbildung 1
anzunehmen?
Es handelt sich um eine durch die Bauchlage bedingte
Oberhautablösung infolge Hypostase.
Eine sichere Beurteilung einer solchen Hautveränderung kann
ohne Hinzuziehung eines Dermatologen nicht erfolgen.
Vermutlich handelt es sich um die Folge eines agonalen Sturzes
mit Schürfung der Haut.
Vermutlich handelt es sich, ebenso wie an den Fingerkuppen,
am ehesten um postmortalen Tierfraß.
Es handelt sich um eine typische Fäulnisveränderung der Haut
und zählt somit zu den sicheren Todeszeichen.
3. Wie lautet die Verdachtsdiagnose zur Todesursache in dem
vorgestellten Fall?
a) Todesursache unklar.
b) Verbluten bei gastrointestinaler Blutung bei Einnahme von
nichtsteroidalen Antiphlogistikum (NSAR).
c) Verbluten bei gastrointestinaler Blutung bei Einnahme von nichtsteroidalen Antiphlogistikum (NSAR) mit finaler Unterkühlung.
d) Ersticken
e) Polytrauma
4.
a)
b)
c)
Welche Befunde sind auf die Todesursache hinweisgebend?
Zahlreiche Hämatome am Körper
Stauungsblutungen
Spärlich ausgeprägte Totenflecken, Kaffeesatz und sogenannte
Kälteerytheme.
d) Verletzungen durch scharfe Gewalt im Gesicht und an den Armen.
e) Es gibt keine konkret hinweisgebenden Befunde.
5. Welche Klassifizierung der Todesart durch die Leichenschau mit
entsprechender Konsequenz trifft zu?
a) Natürlicher Tod – kein Informieren der Polizei.
b) Natürlicher Tod – Informieren der Polizei.
c) Nichtnatürlicher Tod – Informieren der Polizei.
d) Nichtnatürlicher Tod – kein Informieren der Polizei.
e) Unklarer Tod – Informieren der Polizei.
Rheinisches Ärzteblatt 10/2015
a)
b)
c)
d)
8.
a)
b)
c)
Welche Aussage zur Unterkühlung trifft nicht zu?
Letale Unterkühlungen treten nur in der kalten Jahreszeit auf.
Der Tod tritt ab einer Körperkerntemperatur unter 25 °C ein.
In den überwiegenden Fällen ist die Unterkühlung durch eine
Bewusstseinsstörung begünstigt, die zum Beispiel durch eine
Intoxikation oder akute Erkrankung hervorgerufen werden kann.
d) Makroskopische, äußerlich sichtbare Befunde einer Unterkühlung fehlen häufig.
e) Wischnewski-Flecken der Magenschleimhaut, die nur bei der
Obduktion festgestellt werden können, sind die klassischen
Befunde einer Unterkühlung.
9. Zu den postmortalen Leichenveränderungen gehören
Tierfraßverletzungen. Welche Aussage trifft nicht zu?
a) In der Wohnung lebende Haustiere können Spuren von Tierfraß
am Leichnam hinterlassen.
b) Tierfraß am Leichnam kann primär zum Verdacht des Vorliegens
eines Tötungsdeliktes führen.
c) Durch Tierfraß können gegebenenfalls todesursächliche
Verletzungsbefunde verändert oder vernichtet werden.
d) Madenfraß nach der Ablage von Fliegeneiern auf dem Leichnam
findet sich nur im Sommer.
e) Fliegen können Eipakete schon in der agonalen Phase auf dem
Menschen ablegen.
10. Welche Aussage zu selbst beigebrachten Verletzungen ist richtig?
a) Bei selbst beigebrachten Verletzungen handelt es sich
ausschließlich um Stichverletzungen.
b) Selbstbeigebrachte Verletzungen beziehen charakteristischerweise empfindliche Regionen (Lippen, Brustwarzen) mit ein.
c) Die Kleidung ist meist auch beschädigt.
d) Die Verletzungen sind häufig scharenweise gruppiert, aufgereiht,
symmetrisch und parallel angeordnet sowie in großer Anzahl.
e) Verletzungen durch stumpfe Gewalt finden sich sehr oft.
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Rheinisches Ärzteblatt
Zertifizierte Kasuistik – Folge 46
Lernerfolgskontrolle und Bescheinigung der Zertifizierten Kasuistik zum Thema
„Leichenschau – Das Problem der Todesursachenfeststellung“
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Zertifizierte Kasuistik „Leichenschau – Das Problem der Todesursachenfeststellung“ (Rheinisches Ärzteblatt 10/2015)
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b)
c)
d)
e)
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
Erklärung: Ich versichere, dass ich die Fragen selbst und ohne fremde Hilfe beantwortet habe.
Ort, Datum, Unterschrift
Bescheinigung (wird von der Ärztekammer Nordrhein ausgefüllt)
Hiermit wird bescheinigt, dass bei der Lernerfolgskontrolle mindestens 70 % der Fragen richtig beantwortet wurden.
Für die Zertifizierte Kasuistik werden 2 Fortbildungspunkte angerechnet.
Die Fortbildungspunkte können nicht zuerkannt werden, da weniger als 70 % der Fragen richtig beantwortet wurden.
Auflösung im Rheinischen Ärzteblatt Dezember 2015 in der Rubrik Magazin.
Düsseldorf, den
(Datum, Stempel, Unterschrift) Diese Bescheinigung ist nur mit Stempel gültig.
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